Merton
07. Januar 2211
Widerwillig zog Clarence die Kapuze tiefer ins Gesicht, noch immer mit dem beißend kalten Wind kämpfend, der ihm um die Nase wehte. Selbst sein Plan sich ein wenig mit der Pfeife in der Hand an seinem Tabak aufzuwärmen, war ihm nicht gegönnt worden – stattdessen hatte ein Lufthauch gedroht ihm seinen Beutel mitsamt Inhalt halb vom Schoß zu wehen, weshalb er das Stopfen letztlich eingestellt und aufgegeben hatte.
Immerhin konnte er sich so nun doch wieder die behandschuhten Finger unter den Achseln wärmen, die Arme vor der Brust verschränkt und tief in seinen Mantel zurück gezogen. In den letzten zwei Tagen hatte es zwar nicht mehr geschneit wie in der Nacht nach ihrem Essen oben beim Clan, aber dafür war es auch nicht noch mal nennenswert wärmer geworden, um die entstandene Schneedecke etwas hinfort zu schmelzen. Das machte ihre Fahrt nach Merton nicht gerade einfacher.
Cassie stand es gut die Zügel in der Hand zu haben, auch wenn zwei Pferde ihm ganz sicher lieber gewesen wären als zwei schwerfällige Ochsen, mit denen man gefühlt kaum vom Fleck kam. Einzelne hatten bereits versucht die Wege hinauf in die Stadt etwas zu ebenen um den Verkehr zu erleichtern, aber wirklich einfacher machte das die Reise in der Praxis nur wenig. Die Straße, die sich im Sommer ganz wunderbar fahren ließ und aufgrund ihrer umliegenden Landschaft die Zeit wie im Flug vergehen ließ, zog sich in der eisigem Kälte und im Wind wie Hechtsuppe. Hätte er das gewusst, hätte er sich ganz sicher nicht für heute in Merton verabredet.
„Das war eine richtig beschissene Idee“, warf er Cassie völlig aus dem Kontext gerissen vor, als wäre es der Plan des Dunkelhaarigen gewesen, sich unter einem Vorwand außerhalb der Stadt zu treffen, um unter sechs Augen ihre Angelegenheiten zu bereden. Tatsächlich hatte Matthew damit gar nichts zu tun gehabt, sondern war von Clarence vor vollendete Tatsachen gestellt worden – aber das spielte im Moment gar keine Rolle wenn es darum ging, irgendeinen Schuldigen für Claires Misere zu finden.
Wie sehr der Blonde den Winter hasste, daraus hatte er seit dem Winteranbruch vor Coral Valley noch nie ein Geheimnis gemacht und er würde den Teufel tun und seine Meinung dahingehend jemals bei sich behalten. Immerhin litt er in der Kälte wie ein Schwein und da konnten alle Umstehenden ruhig auch etwas mitleiden, dann wusste man wenigstens wie es ihm damit ging.
Unruhig drehte er sich auf der Bank nach hinten, einen kurzen Blick über die Säcke und Kisten werfend die sie im Namen des Clans von Falconry Gardens nach Merton eskortierten. Trotz dem Gerumpel des Wagens schien noch alles an Ort und Stelle zu sein, ein weiterer Grund um wie schon zu Beginn ihrer Reise noch einmal beruhigt die isolierte Metallkanne aus dem Rucksack zwischen seinen Stiefeln zu ziehen und ihnen beiden einen Becher heißen Tee mit Rum einzuschenken, der die innere Kälte ganz sicher vertreiben würde.
Die Fahrt hatte länger gedauert als gedacht, doch immerhin waren hinter den kommenden beiden Kreuzungen schon die ersten Gebäue der kleinen Siedlung in Sicht, die dringend auf ihre bestellte Ware aus der Stadt wartete und im Gegenzug die Lieferung für Falconry aufladen würde. Die Eskorten von Ware waren für den Clan zwar keine lukrativen Aufträge mit denen man reich wurde, aber sie waren verbunden mit den wöchentlichen Besuchen die sie Somme wie Winter sowieso den umliegenden Dörfern abstatteten um dafür Sorge zu tragen, dass es allen gut ging und die Dinge ihren geregelten Weg gingen.
„Willst du? Oder willst du warten, bis wir wieder was im Magen haben?“, abwartend hielt er Cassie einen der beiden Becher entgegen die er schon gefüllt hatte, wobei er aber noch nicht ganz sagen konnte ob sie einfach nur den Wagen abgaben und abgeladen wurden, oder ob sie das selbst übernehmen mussten, bevor sie sich auf die Suche nach was essbarem machten. „Vielleicht ist es nicht verkehrt sich ein bisschen Mut anzutrinken. Wer weiß, was nachher aus unserem Treffen raus kommt.“
Auf der einen Seite war Clarence mehr als erpicht darauf, die Dinge endlich zu klären oder wenigstens… etwas gegen dieses flaue Gefühl im Magen zu unternehmen, das sie bereits seit einiger Zeit begleitete. Ob es Cassie damit ähnlich ging wie ihm, konnte Claire nicht mal genau sagen – aber die Vorstellung, dass ihnen irgendjemand zuvor kam und die Dinge außer Kontrolle gerieten, war ihm definitiv weniger lieb als sich selbst um das zu kümmern, was sie seit geraumer Zeit begleitete.
Egal was es letztlich war, Oliver war nicht halb so erpicht gewesen wie Clarence und noch weniger hatte ihm die Idee gefallen sich in der Nähe seines Heimes oder seiner Familie mit etwas zu treffen, das ihm noch unbekannt war. Es gab Dinge, die ließen sich schlecht verheimlichen oder machten – erst einmal gesehen – mehr Probleme als sie jemals in der Unwissenheit ihres Daseins verrichtet hatten. Nicht etwa, weil man damit die Büchse der Pandora öffnete, sondern weil es Dinge gab die man nicht mehr wegignorieren konnte, wenn sie erstmal einen Namen trugen.
Eine halbe Tagesfahrt fernab der Stadt brachte ihnen genug Zeit ein um darüber zu diskutieren was mit Matthew nicht stimmte und der Umstand, dass Oliver eine Rückfahrtgelegenheit aus Merton zurück in die Stadt brauchte, bot sich regelrecht dafür an um keine Fragen darüber aufkommen zu lassen, weshalb eine Unterredung unter sechs Augen fernab der bekannten Plätze vonnöten war, um seinen Ehemann einem seiner Clanmitglieder vorzustellen.
Etwas länger als eine Woche war es her, da hatte Matthew auf dem Rücken eines mürrischen Pferdes den Grey Eagel erklommen und hinter sich gelassen.
In jener kurzen Zeit war so viel passiert, dass sich der Dunkelhaarige manchmal vorkam als fände sein Leben nun im Zeitraffer statt.
Das Wiedersehen, das Jahreswendfest, die Vorstellungsrunde im Clan, die Zusammenhänge zwischen dem gütigen Mann und Nagi Tanka.
Diese Punkte waren eigentlich genug Stoff für ein oder zwei Monate - aber nein. Hier saß er nun auf einem Karren, die weichen Zügel in den behandschuhten Fingern haltend, während zwei Ochsen gemächlich sie durch den schmutzig-grauen Wintertag schaukelten.
Das Wetter war ebenso trist und verhangen wie seine Stimmung, aber anders als bei Clarence, spielte die Kälte dabei die kleinste Rolle.
Clarence hatte ihn von der Notwendigkeit des anstehenden Treffens mehr oder weniger umsichtig in Kenntnis gesetzt.
Es war ihm ein Anliegen aus Gründen der Sicherheit und eine reine Vorsichtsmaßnahme wie der Blonde gebetsmühlenartig wiederholt hatte. Aber wenn er sich so sicher war, dass es nichts dramatisches war - warum wollte er ihn dann unbedingt zu diesem Seher schleppen?
Oliver hatte Matthew noch nicht kennengelernt - sich von Addy aber sagen lassen, dass das daran lag weil Oliver nicht gern Kontakt zu anderen suchte. Er lebte eher zurückgezogen und war deshalb nur sehr selten auf Festen oder Clan- Besprechungen anzutreffen.
Was in Denver mit Ceyda passiert war, was er im Wrack des Zeppelins geglaubt hatte zu sehen und zu hören… hatte seither nie aufgehört ihn zu beschäftigen. Die junge Frau hatte erst den Verstand und letztlich ihren Körper an etwas verloren das… nun ja… alles überstieg wofür Matthew eine Erklärung hatte.
Aber noch viel gravierender war das, was mit der Kreatur geschehen war nachdem er sie berührt hatte. Sie war buchstäblich zu Kohle verbrannt. Fleisch war binnen Sekundenbruchteilen schwarz verkokelt, Blut verdampft und verklebt, Adern geborsten. Das riesige Was-auch-immer war aus einer Kruste von Kohle buchstäblich verdampft.
‚Wer bist du?‘- hatte das Ding gegrollt. Immer wieder. So als sei nicht Matthew gemeint - sondern noch etwas anderes.
Aber er war Matthew. Und niemand sonst.
Dass das vielleicht nicht so ganz stimmte war ein derart beunruhigender Gedanke, dass Matthew ihn sich so gut es denn möglich war verboten hatte. Aber jetzt war damit Schluss. Denn ihre Reise diente nur oberflächlich der Wahrung irgendwelcher Tauschgeschäfte.
In Wahrheit fuhren sie zu einer Art Begutachtung von der Clarence sich versprach, dass nichts herauskam. Nichts oder zumindest nur eine winzig kleine Anomalie.
Irgendetwas, dass er mit ein bisschen Herumwedeln von Kräuterbüscheln wieder ins Lot bekam.
Skeptisch musterte Matthew einen Moment den dargebotenen Becher mit dem wärmenden Getränk.
„Du hättest mich am Wegesrand aussetzen sollen.“, murmelte er angefressen und griff nach der Tasse, wobei er die Zügel in eine Hand nahm. Die Ochsen kannten den Weg und auch wenn Schneematsch die Straße verunzierte, so folgten sie ihr stoisch.
Vorsichtig - um sich nicht zu verbrennen - nippte er an dem Tee und verzog das Gesicht. Rum war noch nie sein Getränk gewesen - aber im Augenblick war es seine beste Chance darauf, seine angespannten Nerven zu beruhigen.
„Wenn mich das Zeug beruhigen soll, hättest du mehr Rum reinkippen sollen.“ - murrte er weiter und presste die Lippen aufeinander nachdem er nochmals genippt hatte. Dampfschwaden kräuselten sich vor dem Becher und machten auf diese Weise die Kälte des Winters sichtbar.
Mit dem charakteristischen Rumpeln von Holzrädern über Kopfsteinpflaster runkelte der Karren auf dem Weg voran an dessen Rande das erste von etwa einem Duzend Häusern auftauchte.
Der Hof war klein und wirkte heruntergekommen - eine Einschätzung die vielleicht ungerecht war, aber am heutigen Tage konnte vermutlich gar nichts geschehen um Matthews Laune aufzuheitern.
„Na sieht ja herrlich aus hier. Gerade der richtige Fleck um mich irgendeinem Geisterjäger vorzustellen. Wenn ich bisher nichts habe, hier fange ich mir garantiert irgendwas ein.“
„Ich hätte dich am Wegesrand liegen lassen sollen, das wäre noch einfacher gewesen“, konterte Clarence monoton und wenig erpicht darauf, auf derlei Selbstpessimismus weiter einzugehen als nötig. Hätte er den Schnösel damals einfach liegen lassen anstatt ihn wegen seines vermaledeiten roten Mantels mitzunehmen und wieder aufzupäppeln, bei Gott, es wäre ihm das ein oder andere große Ärgernis ganz offensichtlich erspart geblieben. Auf der anderen Seite aber hatte er auch mindestens genauso viele schöne Momente in seinem Leben hinzugewonnen, eben weil er Matthew nicht einfach am Weg liegen gelassen hatte. Die hohen Unterhaltskosten wogen den Nutzen also wohl oder übel am Ende doch noch einigermaßen auf.
Der eine mürrisch wegen der Kälte, der andere mürrisch wegen Gott und der Welt, schien ihr kleiner Karren regelrecht eine dunkle Wolke hinter sich her zu ziehen, die selbst die Hunde mittlerweile vertrieben hatte. Wo Abel und Kain am Anfang noch munter und mehr als zufrieden über den ausgiebigen Ausflug in Sichtweite vor ihnen her getrabt waren - fast so als wären sie die Herren über den Weg, die den Ochsen zeigten wo es lang ging – waren die beiden längst hinter dem Wagen verschwunden. Mal hier, mal da brachen sie zur Seite aus und schienen im Schneegestöber etwas entdeckt zu haben dem sie hinterher hechteten, kehrten jedoch zumeist ohne Erfolg wieder an den Wagen zurück oder ließen sich auf Zuruf zügig wieder an der rechten oder linken Wagenflanke blicken.
Mit erhobenen Brauen, von der miesen Stimmung seines Mannes fast – aber wirklich nur fast – noch mehr genervt als von der verdammten Kälte, äffte Clarence tonlos das Gemecker des Jüngeren nach und schüttete sich darunter seinen Becher deutlich voller als den des Dunkelhaarigen. Immerhin stand ihm ein kleiner Schmerzensgeld-Zuschlag auf dieser Fahrt deutlich zu, während der er in den vergangenen zwei Stunden kaum noch etwas Konstruktives von Seiten des Jüngeren gekommen war, um sich gewinnbringend an einem gemeinsamen Gespräch zu beteiligen.
„Vielleicht kann ich dich ja unter Quarantäne stellen und hier in Merton lassen, wenn du dir was holst. Dann hab ich auf der Rückfahrt meine Ruhe und hab den Rum für mich.“ – Immerhin hatte er selbst nichts gegen ein bisschen Rum einzuwenden, vor allem nicht vor der Mittagszeit und auch dann nicht, wenn ihm kalt war bis in die Haarspitzen.
Umständlich zog er sich mit einer Hand die Mütze unter seiner Kapuze tiefer über die Ohren, doch leider konnte selbst diese Sicherheitsmaßnahme das Gemecker des Jüngeren nicht aus seiner kleinen heilen alkoholhaltigen Welt ausschließen. Ein Grund mehr vorsichtig ein wenig von seinem Tee abzutrinken, bevor das Gerumpel des Wagens ihn die Hälfte noch verschütten ließ.
„Wenn ich mich recht erinnere, dann müssen wir… genau da vorne, ja. Hinter der nächsten Hütte müssen wir rechts rein zum Dorfplatz“, deutete er mit dem Becher voran zu einem dunklen Bau, an dem er sich damals schon immer orientiert hatte. Aufgereiht um einen damals halb gepflasterten, halb mit Holzbohlen ausgelegten Platz, hatte ein alter, ausgetrockneter Brunnen die Mitte der kleinen Siedlung gebildet und mit einer Glocke die Möglichkeit geboten, selbst bei Wind und Wetter ausreichend auf die Ankunft aufmerksam zu machen. Clarence erinnerte sich nicht mehr genau daran wer herbei geeilt war um die Lieferung entgegen zu nehmen oder einen zum Ziel zu lotsen, aber bei so wenigen Anwohnern wie in Merton, würde schon jemand wissen wo die Lieferung heutzutage hinzubringen war.
„Weißt du, du könntest trotz allem wenigstens ein bisschen so tun als würdest du dich darüber freuen, Land und Leute kennenzulernen“, kritisierte der Jäger beiläufig, wobei er es völlig außen vor ließ, dass er selbst sich genauso wenig über den Ausflug in der Eiseskälte freute. Hätten sie Sommer… ganz sicher hätten sie sich aus der Tour mit dem Wagen trotz allem einen halbwegs schönen Tag ohne den Clan machen können, aber im Augenblick fand selbst Clarence – seines Zeichens normalerweise stoisch und schweigend jegliche Hürden hinnehmend – den ganzen Tag bislang einfach nur anstrengend.
„Fahr da vorne bis zu dem alten Brunnen, der zugenagelt ist“, wies er Cassie an, den Blick kurz über die umliegenden Gebäude schweifen lassend, bevor er sich aus der Bank erhob und einen grellen Pfiff ausstieß, um Kain und Abel zurück zum Wagen zu rufen. Es dauerte nur wenige Sekunden, al sie schließlich hinter der dunklen Hütte erschienen und aufgeregt zu ihnen auf den Platz aufholten, sich offensichtlich gewiss darüber, dass sie die Eskorte erfolgreich bis an ihr Ziel begleitet hatten.
In manchen der Fenster konnte Clarence Licht erkennen, begünstigt durch wärmende Feuer. Bestimmt köchelte in dem ein oder anderen Kamin gerade schon ein großer Bottich voller Eintopf, in den manch einer ein Stück Brot tunken und genüsslich davon abbeißen würde.
Alleine bei dem Gedanken an eine warme Mahlzeit bekam der Blonde schon wieder Hunger, welchen er zu stillen versuchte, in dem er nochmals einen großen Schluck von seinem heißen Tee mit Rum nahm.
„Ich weiß nicht wo Oliver rumspringt. Aber der wird schon darauf achten wann wir ankommen, sonst kann er morgen einen Tagesmarsch Winterwanderung einplanen oder bis zur Fracht nächste Woche warten“, seinen letzten Schluck austrinkend, stellte Claire den Becher neben sich auf der Bank ab, bevor er mit einem Sprung den Karren verließ und die Glocke am ehemaligen Brunnen betätigte, um ihre Ankunft kundzutun.
Dass Clarence auf einem gemeinsamen Ausflug genervt war, war selten und unter anderen Umständen hätte Matthew sich darum sogar geschert. Aber heute, wo dieses Treffen anstand zu dem der Blonde ihn nur zur Sicherheit mitgeschleift hatte?
Da setzte er keinen müden Kupferling auf die Befindlichkeit seines Mannes.
„Vielleicht jagt mir dein sehender Freund ja direkt einen Pflock durchs Herz, dann hast du immer allen Rum für dich allein. Wäre das nicht ein Freudentag?“ - ätzte Matthew weiter und lenkte den Wagen in Richtung des stillgelegten Brunnens. Der Marktplatz war klein und schäbig. Alles wirkte grau und verlassen. Die Glocke hatte dunkle Patina und das Band war am Ende fransig. Dass dieser Ort noch zu Falconry gehörte sah man ihm nicht gerade an, erst recht nicht bei diesem öden Wetter.
Die Häuser waren - wie üblich - mehrheitlich um den Dorfplatz angeordnet, einige lagen ein Stückchen weiter weg als andere aber im Grunde hatte man alles von Merton gesehen, stand man erstmal an dem traurigen Brunnen.
Den Becher mit Rum auf dem Kutschbock abstellend, sprang Matthew herunter wobei man dieser Bewegung nicht ansah mit welchen Verletzungen er in der Vergangenheit zu kämpfen gehabt hatte. Weder das Gift der Mutiespinnen, noch der Schieferstein aus Cascade Hill und auch nicht der Angriff der Bestie im Schnee hatten ihn langfristig geschädigt.
„Ist zugenagelt. Schade, hätte mich sonst liebend gern reingestürzt. Aber geht wahrscheinlich einigen so die herkommen.“, sein Tonfall war zynisch und er klopfte auf die Bretter welche den Brunnen abdeckten.
„Ist wahrscheinlich eine reine Vorsichtsmaßnahme, was Clarence?“ - auch diese Spitze musste sich der Blonde gefallen lassen.
Kain und Abel waren die einzigen die sich von der schlechten Stimmung nicht anstecken ließen, Abel kam zu ihm getrabt und forderte sich vehement ein, von Cassie gestreichelt zu werden.
Aus den einst kleinen Welpen waren längst imposante Tiere geworden. Schattenwölfe konnten groß wie Ochsen werden, ein Richtwert den die beiden allerdings noch nicht erreicht hatten und es vermutlich auch nicht mehr tun würden. Auch wenn Cassie sich da nicht sicher war.
Verhalten kraulte er dem goldgelben Wolf durch sein Fell, doch die Begeisterung hielt sich auch dabei in Grenzen, weil der Rüde nass von all dem Schnee und Dreck war.
Das Läuten der Glocke war zweifellos deutlich gewesen und trotzdem regte sich zunächst nichts und niemand.
„Schade, keiner da. Dann mal wieder los.“ verlautete Matthew kurz bevor geräuschvoll ein Scheunentor geöffnet wurde.
Zwei Männer - Zwillinge wie sofort ersichtlich war - verankerten je einen Flügel des Tores an der Scheunenwand, dann setzen sich beide in Bewegung. Im Gleichschritt, wie Cassie feststellte.
„Einen gesegneten Tag!“, rief der eine freundlich während der andere ohne zu zögern die Kutsche erklomm.
„Was soll‘n daran gesegnet sein, Murph? Hast mal das Wetter gesehen?“, blökte der Zwilling vom Kutschbock aus und tippte sich zum Gruß an die nicht vorhandene Hutkrempe.
„Halt die Klappe, Stu’. Die zwei sind nicht den Weg hergekommen um sich deine miese Laune anzutun.“ - der mürrische von beiden - Stu’ - schnalzte und die Ochsen setzten sich in Bewegung. Ohne zu fragen nahm er Matthews Tasse und trank aus ihr, wie der Dunkelhaarige ungläubig registrierte während er ihm nachsah.
„Wir kümmern uns ums Abladen, unsre Ma‘ hat Eintopf gemacht. Geht rein und wärmt euch auf. Die Ochsen brauchen ne kleine Pause und ihr vertragt bestimmt auch eine.“
Der Kerl lächelte wobei er ein halbwegs intaktes Gebiss mit bräunlichen Zähnen zeigte. „Nett. Danke.“, zu mehr konnte Matthew sich nicht durchringen, selbst das Lächeln was er zeigte war so schmal und flüchtig, dass es eigentlich unsichtbar gewesen war.
Murph stapfte seinem Bruder in Richtung der Scheune nach, drehte sich dann aber nochmal um.
„Die Hunde dürfen nicht mit rein! Unsre Ma‘ mag solche Viecher nicht.“ - damit war das dann auch geklärt und Matthew verdrehte genervt die Augen, was der Zwilling hoffentlich nicht sah.
„Ich bin so dankbar dafür Land und Leute kennenzulernen. Echt, danke, Clarence für diese wunderbare Erfahrung.“
Dinge, die schon immer gut funktioniert hatten, sobald Reed schlechte Laune bekam: Den ganzen Kerl mitsamt all seiner düsteren Aura einfach ignorieren. Im besten Fall davon stapfen und irgendwo im Unterholz verschwinden – im schlimmsten Fall sich der Misere stellen müssen und das Übel mit erzwungen guter Laune zurück kämpfen, so gut es eben ging.
Clarence, der im Augenblick weder Unterholz finden konnte um darin abzutauchen, noch genug Energie hatte um sich ein künstliches Freudenstrahlen auf Gesicht zu tackern, wählte den Weg des geringsten Widerstands und ignorierte den Dunkelhaarigen einfach so gut es eben ging. Respektvoll nickte er Stuart hinterher, den er gemeinsam mit dessen Bruder Murphy noch etwas jünger in Erinnerung hatte, immerhin vergaß man die beiden rothaarigen Zwillingsbrüder nicht ganz so schnell. Aus den einstmals frechen Halbstarken waren offensichtlich fleißige junge Männer herangewachsen, doch angesichts der Treue zu ihrer Mutter und dem elterlichen Hof wagte Clarence irgendwie zu bezweifeln, dass es bereits eine Mrs. Murph oder eine Mrs. Stu in ihrem Leben gab. Wenn er sich recht erinnerte, hatten die beiden ihren Vater etwa während der Zeit, in der er selbst damals dem Clan beigetreten war, bei einem Unfall mit Vieh verloren; aber da konnte er sich auch falsch entsinnen, immerhin gab es mehrere kleine Ausläufer in der näheren Umgebung zur Stadt, die von Landwirtschaft und einfachen Leuten lebten.
„Kommt her, ihr zwei. Wir nehmen uns kein Beispiel an dem da, sondern wahren ein bisschen Anstand“, nahm er die Leinen von seiner Schulter, die sie zumeist nur pro forma dabei hatten. An sich waren Kain und Abel besser erzogen und abrufbar als die meisten Gören die hier in der Stadt herum sprangen, aber Claire konnte es den Leuten auch nicht übel nehmen zwei riesigen fremden Viechern nicht zu vertrauen, die eher wie etwas aussahen das man abschießen sollte anstatt es als Haustier zu halten.
Erst als auch dieses Mindestmaß an Höflichkeit erfüllt war, die beiden unter dem trockenen Scheunendach einen Platz gefunden hatten und von Murphy mit einer Schüssel voll Wasser versorgt worden waren, erklomm Claire die kleine Treppe zur Eingangstür des Bauernhauses und trat nach einem kurzen Anklopfen ein, ohne weitere Reaktion abzuwarten. Dahinter erschloss sich im Anschluss an einen schmalen Flurbereich mit Treppe in das obere Stockwerk schon die Wohnstube, in der zwei fleißige Hände emsig arbeiteten. Doch entgegen der Erwartungen stand keine reife Dame mit der Schürze am Herd, sondern eine junge Dame, die alle Hände voll zu tun zu haben schien.
Mit fleckiger Schürze stand sie da, die etwas strohigen Haare mit einem Band empor gebunden, was ihr langes Gesicht noch schmaler wirken ließ. In einer helleren Ecke der Wohnstube lagen noch Bürsten und Lappen neben einem vollen Eimer, ein trauriges Mahnmal dafür wie wohl am Vormittag versucht worden war dem Dreck des Schneeschlammes Herr zu werden, der von Stuart und Murphy täglich herein getragen wurde – eine mühselige Arbeit, derer sie entweder endgültig resigniert hatte oder die sie zugunsten des Mittagessens auf später verschoben hatte.
„Sind die Jäger schon da? Murph?“, rief sie vom Herd aus gen Tür ohne über die Schulter zurück zu blicken und strich dabei frisch gehacktes Gemüse in einen großen verrußten Topf, aus dem es entgegen aller Erwartung eigentlich recht appetitlich duftete. Überhaupt war Clarence nicht wählerisch was Essen anging, ganz im Gegensatz zu dem verzogenen Schnösel, den er an der Backe hatte – aber vielleicht bot es sich ja an und er aß im schlimmsten Fall die Portion des Jüngeren einfach mit, dann hatte er wenigstens auch den Mund zu voll um sich eine Unterhaltung mit seinem Mann anzutun.
„Sind sie“, bestätigte Clarence ihren Verdacht und machte sich hinsichtlich des eh schon dunklen Bodens nicht die Mühe, auch nur einen einzigen Gedanken an seine Stiefel zu verschwenden.
Die junge Frau, deren Zähne zwar einen deutlich besseren Status besaßen als die der Zwillinge, die aber leider trotzdem nicht vom lieben Herrgott überschwänglich mit Schönheit gesegnet worden war, drehte sich kurz zu ihnen um, um sie vom Herd aus eindringlich zu mustern. Ob sie den Sicherheitsabstand brauchte weil sie ihr Jäger nicht geheuer waren oder weil sie die Ankunft ihrer Lieferanten nur hinsichtlich des Essens interessierte, wusste Clarence nicht zu sagen – aber immerhin wies sie ihre Gäste an am kleinen Esstisch Platz zu nehmen, der sich nahe des Ofens befand. Ein willkommener Ort, um sich von der lagen Fahrt aufzuwärmen.
„Dich…“, deutete sie kurz auf Clarence, hinter ihrer Stirn sichtliches Rattern, bevor sie sich dem Geschirr zuwandte, um zwei Gedecke aus einem Schrank zu nehmen. „Dich kenne ich, glaub ich. Du bist doch dieser… Ris..? Brisbane?“
„Sky“, korrigierte er die junge Frau, die ihn noch immer nicht besonders an Murphys und Stuarts Ma‘ erinnerte.
„Sky. Clarence. Das war doch der, der… warte. Ich komme gleich drauf.“
Skeptischer als gewollt beäugte er die junge Dame, immerhin gab es so einiges was man über ihn zu wissen glauben konnte – oder was man so über ihn hören konnte, wenn einen der Klatsch und Tratsch interessierte. Zweifelsohne war mit Nagis Tod auch noch einiges hinzu gekommen.
„Sky, das ist doch der, der verschwunden ist. Der Irre aus dem Wald“, beäugte sie ihn kritisch, ganz so als würde sie ihm seine Unterstellung nur schwer abnehmen können – und im nächsten Moment die Lippen eng aufeinander pressend. Denn wenn er doch der verschwundene Irre aus dem Wald war, dann war es wohl recht unklug ihn einen Irren aus dem Wald zu nennen. Das wurde der jungen Frau wohl auch gerade bewusst.
„Und wer ist das? Den kenn‘ ich nicht. So gar nicht. Bist du neu bei denen?“, wollte sie an Matthew gewandt wissen, wobei Clarence es sich nehmen ließ ihn mit samtigem Tonfall vorzustellen: „Das ist Matthew, mein Ex-Mann. Wir waren mal sehr verliebt, aber seit einer langen, anstrengen Fahrt auf einem Wagen, gehen wir getrennte Wege. Weil wir uns nur noch schwer ertragen. Ich ihn noch weniger als er mich.“
Vielsagend warf er Matthew über den Tisch hinweg ein giftiges Lächeln zu, unter dem er die Blicke der jungen Frau spürte, die abwechselnd zwischen ihm und Cassie umher wanderten. Schließlich schüttelte sie verdrießlich den Kopf und wandte sich der Verteilung des Eintopfs zu, nachdem sie ihnen lustlos einen Korb voll Brot auf den Tisch geworfen hatte, leise murmelnd: „Verarschen kann ich mich alleine, als ob der irre Sektentyp einen Mann heiraten würde. Ihr Jäger wart auch mal netter und habt euch anständig vorgestellt, wenn ihr anderer Leute Haus betreten habt. - Ruhig, Martha... reg dich nicht auf.“
Was auch immer Matthew von „Ma“ erwartet hatte, die Frau in der Küche traf seine Erwartung nicht. Sie war bestimmt nicht älter als die zwei Männer und schied als ihre Mutter damit aus.
Still musterte Matthew sie und überließ es Clarence das Gespräch zu führen. Die junge Frau mutmaßte ihn zu kennen - doch wie sich schnell herausstellte schien sie ihn zu verwechseln was Matthew komisch fand, weil sein Mann doch kein Typ war, der in der Masse untertauchte.
Aber was wusste er schon?
Still nahm er an dem kleinen Tisch platz und fing schon kurz darauf an, mit dem Löffel herumzuspielen in dem er ihn von einer Seite zur anderen schob.
„Der Irre aus dem Wald.“, wiederholte Matthew bedächtig und nickte nachdenklich ohne die junge Frau anzusehen. Die Beschreibung abwägend ließ er sie einen Moment im Raum stehen bevor er sagte:
„Würde sagen, so hab ich ihn damals kennengelernt. Trifft ziemlich genau ins Schwarze.“
Sich selbst vorzustellen wurde ihm von eben jenem Kerl versagt. Mit samtig feiner Stimme setzte der Blonde die junge Frau darüber in Kenntnis dass sie ein Paar waren. Verheiratet sogar.
Dass Martha ihnen das nicht abkaufte war wenig verwunderlich, aber viel wichtiger als ihre abweisende Reaktion war die Tatsache, dass Clarence ihn nicht als guten Freund oder Bekannten oder Clangehilfen vorstellte. Selbst sein zuckersüßes und zugleich sarkastisches Lächeln konnte nicht schmälern, dass Matthew sich über die Offenheit freute.
„So wenig ich es manchmal selber glaube, aber der Kerl hat recht.“, stellte er schließlich klar und tippte auf seinen Ringfinger als Martha über die Schulter zurücksah.
Zweifelnd betrachtete sie den Ring der an jenem Finger steckte und schaute dann mit ungenierter Neugierde an die Hand des Blonden wo sie den selben Ring erblickte.
„Na da schau einer an! Sowas gibt’s hier nicht, aber ich hab schon mal davon gehört.“ - „Von der Ehe?“, konterte Matthew und klang auf angriffslustige Art amüsiert.
Martha warf ihm einen undeutbaren Blick zu: „Dass Männer andere Männer…“, sie zögerte und schien nicht recht zu wissen wie sie den Satz beenden sollte. „Lieben?“, half Matthew ihr weiter - sehr wohl wissend, dass sie dieses Wort nicht gesucht hatte. Aber Martha nickte zügig und wandte sich dann nur allzu schnell wieder dem Eintopf zu.
Der Inhalt der Suppe war gehaltvoller als zu erwarten gewesen war. Kartoffeln, Kürbis, Karotten und sogar etwas Fleisch schwammen in ihr. Ein bunter Mix, abgeschmeckt mit Salz und Pfeffer.
„Gesegneten Appetit.“ wünschte sie während sie den Topf auf den Tisch bugsierte und beiden eine große Kelle der Suppe in die Teller schöpfte.
„Danke für die Gastfreundschaft.“, erwiderte Matt daraufhin und nickte ihr zu. Heutzutage war es nicht selbstverständlich, dass man Fremde in die eigene Stube einlud und verköstigte - selbst dann nicht, wenn die Gemeinden untereinander Handel trieben.
Ein paar mal tauchte Cassie den Löffel in die Suppe der es nicht an Geschmack mangelte - doch woran es mangelte war der Appetit des Dunkelhaarigen. Die Kälte wurde zwar allmählich aus seinen Knochen vertrieben aber was blieb war die innere Anspannung.
Er wusste weder wer Oliver war - noch wie genau ihr Treffen ablaufen würde. Was er aber sehr wohl wusste war, dass Jäger übernatürliche Wesen ausmerzten. Wesen an die er eigentlich nicht glaubte - aber seit Ceyda zu etwas geworden war, dass eindeutig nicht mit Logik zu erklären war, hatte er seine Sichtweise notgedrungen ändern müssen.
Was als Quintessenz übrig blieb war die Tatsache, dass mit ihm selbst vielleicht etwas nicht stimmte und das dieser Oliver schon auf den ersten Blick erkennen würde was nicht stimmte.
Und dann hing von ihm ab was passieren würde.
Würde er ihn töten wollen? Würde er das was auch immer bekämpfen? Aus ihm aussaugen wie Schlangengift? Würde er Alarm schlagen und dafür Sorge tragen, dass Matt nicht zurück nach Falconry kam?
Matt wusste es nicht. Er wusste gar nichts.
Dieses Gefühl des ausgeliefert sein war es, dass ihm den Appetit so sehr verdarb, dass er letztlich nicht mal die Hälfte der Portion aß, welche Martha ihm zugedacht hatte. Clarence war jedoch so gut und übernahm den Rest.
„Dürfte ich wohl kurz das Bad benutzen?“ - „Klar, den Flur runter und dann links. Aber es gibt kein warmes Wasser.“
Derartigen Luxus hatte Matthew auch nicht erwartet und als er das kleine Bad betrat um sich eiskaltes Wasser ins Gesicht zu spritzen, da fühlte er sich elend und krank.
‚Nur eine Vorsichtsmaßnahme…‘ging es ihm durch den Kopf aber dieser Gedanke beruhigte ihn nicht.
‚Sei nicht albern. Wäre es gefährlich wäre Clarence nicht mit mir hier.‘
Aber stimmte das? Wenn es nötig war, dann ging sein Mann sehr wohl Risiken ein. Aber ein solches? ‚Vielleicht sí vielleicht no.‘
Wie sich einige Minuten später herausstellte hatte Ma‘ auch noch Kuchen gebacken. Dieser war trocken und weniger süß als Cassie es mochte - aber auch bei der Nachspeise ließ er den Hauptteil stehen wobei er die Köchin um Verzeihung bat.
Ein kleines Weilchen saßen sie noch in der Küche, tranken etwas warmen Kaffee und schwiegen sich weitestgehend an.
„Ich denke…“, eröffnete Matthew schließlich „…wir haben deine Gastfreundschaft lange genug strapaziert. Wir sollten sehen ob die zwei anderen Hilfe bei dem Karren brauchen.“
Es mochte sein, dass die Situation aufgrund der jungen Frau nichts bedrohliches an sich hatte oder dass es einfach nur daran lag, wie einem ein heißes Ofenfeuer nach einer langen Reise durch die Winterkälte einem das Herz erwärmte – aber seitdem Cassie wieder zurück an seiner Seite war, hatte es etwas unheimlich erhebendes an sich die Leute wissen zu lassen, dass dieser Kerl nicht nur ein guter Freund oder ein Reisegefährte war.
Oh, wie viele dumme Sprüche, unangenehme Seitenblicke oder stichelnde Kommentare er sich in den vergangenen Wochen in der Stadt, aber vor allem im Clan hatte anhören müssen. Die Frage danach, wie ein stolzer Fanatiker plötzlich an einen Ehemann geraten konnte, war noch die höflichste gewesen. Manche Dinge waren unter die Gürtellinie gegangen und geschmacklos gewesen, andere wiederum hatten einen anderen unangenehmen Tenor besessen. Nämlich dahingehend, dass es womöglich Gottes Strafe für seine Sünde war, dass eben ausgerechnet jener Kerl nun das Leben ausgehaucht hatte wie auch seine Kinder und seine frühere Frau.
Es waren Sprüche gewesen, die er insgeheim immer befürchtet hatte und die es einfacher gemacht hatten Matthew anderen als Reisegefährten vorzustellen, der nun eben als Freund an seiner Seite stand. Aber das hätte nach der Rückkehr nach Falconry nicht im Ansatz die Dringlichkeit erklären können, warum er wie ein Irrer nach Matthew suchte und ihn bei sich in der Stadt haben wollte – im Zweifel lieber verletzt und lebendig als tot und nie wieder gesehen oder gehört.
Zum Teil hatte ihn die anstrengende Zeit ohne seinen Mann etwas vor den Kommentaren der Leute abgehärtet, zum anderen Teil aber hatte sie noch ein weiteres Mal mehr unterstrichen wie wenig ihm die Meinungen anderer Menschen seit ihrem Absturz mit dem Zeppelin noch etwas bedeuteten. Ihr Leben war zu kurz und ihre Sicherheit zu instabil um die wertvollen Tage nicht miteinander zu genießen die ihnen vergönnt waren und die morgen schon wieder vorbei sein konnten durch einen Unfall oder einen unerwarteten Schicksalsschlag.
Obwohl ihm die miese Stimmung des Jüngeren noch immer mehr als nur auf den Keks ging, hatte Clarence ein amüsiertes Schmunzeln selbst trotz Bart und tief im Trinkbecher versunken nicht verbergen können, als sein Mann mit Martha über die Quintessenz ihrer Ringe redete. Mit solch einem Engagement wie es nur bei jenen üblich war die wollten, dass der andere die Nachricht auch definitiv empfing, diskutierte er mit ihr über die Bedeutung welche dahinter steckte und der Blonde hatte nicht im Geringsten das Bedürfnis die beiden darin zu unterbrechen, dafür war die ganze Situation irgendwie viel zu erfrischend.
Am Ende hatte die meiste Zeit jedoch Schweigen über ihrem kleinen Tisch gelegen, während Martha die Küche aufräumte und sich schließlich wieder versuchsweise daran machte, den Boden der guten Wohnstube sauberer zu bekommen als er die wohl letzten dreißig Jahre je gewesen war. Und als er schließlich wieder mit Matthew hinaus an die frische Luft trat, da wünschte sich Clarence lieber in das zwar bedrückende Schweigen zurück – unter dem es aber wenigstens warm und behaglich gewesen war und heißen Kaffee gegeben hatte.
„Du hättest dich ruhig bemühen können ein bisschen mehr zu essen“, monierte er wie bei einem Kind, das mehr mit dem Essen auf seinem Teller gespielt hatte als sich davon in den Mund zu befördern. Dabei ging es ihm jedoch nicht ansatzweise um die damit missachtete Gastfreundschaft der jungen Frau, sondern darum, worum es ihm schon immer gegangen war, wenn Cassie mindestens die Hälfte oder gar mehr verschmäht hatte – nämlich um seine Sorge, dass der Taugenichts ihm noch am selben Tag den plötzlichen Hungertod starb, nachdem der Blonde ihm über Stunden des Nachmittags hinweg beim körperlichen Verfall zugesehen hatte.
Missmutig zog er sich die Mütze tiefer über die Ohren und schließlich die Kapuze des wärmenden Mantels darüber hinweg, die Knöpfe bis zur Nasenspitze schließend, da ihn die plötzliche Kälte nach einer Stunde in der warmen Stube regelrecht von innen heraus aufzufressen schien. Abel und Kain hingegen schien der Schnee wie zu erwarten nichts auszumachen, lagen die beiden noch wie zurückgelassen zufrieden unter dem Vorsprung des Scheunendachs. Mit einer Mutter aus die ewige Eis aber auch kein Wunder, vermutlich floss durch deren Adern Blut, das nur so um die zwei Grad warm war.
„Sieht so aus… als müssten wir unseren Karren suchen gehen“, nickte Clarence während des Ableinens der Hunde gen Scheunentore, die mittlerweile wieder verschlossen waren. Von den Zwillingen fehlte jede Spur, aber dafür hatten die breiten Schritte der Ochsen und die schweren Wagenräder genug Hinweise im Schnee hinterlassen, wohin die Reise zur Beladung für die Rückfahrt wohl gegangen war. Bis zur anderen Seite des Platzes und darüber hinaus konnte Claire die tiefen Furchen von hier aus erspähen und so wie es aussah und die fernen Rufe fleißiger Hände klangen, lag ein kurzer Spaziergang an die andere Seite des Dorfes vor ihnen. Nach all der Sitzerei fühlte sich der Gedanke an ein bisschen Bewegung gar nicht mal so schlecht an – ein Gefühl das er sicher als einziger hier besaß, denn Matthew schaute eher so aus, als wäre er ein Lamm das gerade sehenden Auges zum Schlachter geführt wurde und hin geschleift werden musste. Ein Grund mehr, warum Clarence auffordernd die Hand nach ihm ausstreckte.
„Komm schon, du sturer Bock. Lass mich nicht alleine, sonst verlaufe ich mich noch.“
In seinem früheren Leben - im Leben vor Clarence - hätte Matthew nie gedacht, dass er einmal verheiratet sein würde. Schon gar nicht mit einem Mann. Er hatte sich selbst eher als Freigeist gesehen, als ein Blatt im Wind - welches mal hierhin und mal dorthin wehte.
Dass alles anders gekommen war und er sich unlängst nicht mehr als Reed sondern Sky vorstellte war etwas worauf er stolz war.
Vielleicht war es sogar die größte Errungenschaft seines Lebens, dass jemand ihn so sehr liebte, dass er sein Leben mit ihm teilen wollte.
Clarence war ein Mann der Absolutismen. Er war nicht der Typ für Kompromisse sondern eher die Fraktion ganz oder gar nicht.
Wenn er etwas wollte, dann nie deshalb weil es der Weg des geringsten Widerstandes war.
Diese Charaktereigenschaft zeigte sich jeden Tag und sie hatte sich auch damals in dem Zuber im Blauer Hund gezeigt. Urplötzlich hatte er Cassie gefragt ob sie heiraten wollten und es war keine Bierlaune gewesen - sondern sein kompletter Ernst.
Es war Clarence‘ Version von ganz oder gar nicht und Matthew hatte sich von seiner Angst nicht einschüchtern lassen und ja gesagt.
Ja dazu fortan jenem Mann zu gehören und sein Leben mit ihm zu teilen. Eins zu sein mit ihm. In guten wie in schlechten Zeiten.
Dass es eine Menge schlechte Zeiten geben würde war damals schon klar gewesen - aber dass sein Mann ihn nun in die Einöde schleppte um von einem Wunderseher begutachtet und exorziert zu werden… so schlecht hatte er es nicht vorhergesehen.
Die kleine Gemeinde sah so trist und trostlos aus wie der Dunkelhaarige sich fühlte. Seine Jacke - schwarz und gefüttert - hielt ihn eigentlich warm… trotzdem fröstelte er beim Anblick des Marktplatzes.
Er vergrub die Hände in den Taschen der Jacke, doch nicht etwa um sie warm zu halten sondern nur um eine Zigarette und ein Feuerzeug herauszuholen. Die Kippe locker zwischen die Lippen steckend und die Flamme mit der Hand abschirmend, steckte es sie an an und nahm einen tiefen Zug, den blauen Qualm durch die Nasenlöcher ausstoßend wie ein schlecht gelaunter Drache.
Er musste niemanden sagen, dass er nervös war - das sah man ihm auf drei Meilen an. Das dunkle Haar war vom Wind zerzaust und obwohl es kalt war, hatte nur seine Nasenspitze eine rötliche Farbe bekommen, ansonsten war er weitestgehend blass.
Einen Moment lang sah er Clarence missmutig und zweifelnd an. Dass der Blonde sich ohne einen Schlaganfall hier verlaufen würde war ziemlich unwahrscheinlich. Trotzdem griff Cassiel nach der dargebotenen Hand - allerdings nicht ohne einen zynischen Kommentar.
„Angst, dass ich abhaue und dein Exorzistenfreund mich nicht zu Gesicht bekommt?“
Clarence würde ihn nicht ans Messer liefern. Sie waren hier nicht mehr in der Gemeinde der Fanatiker und er war kein Grünschnabel mehr, der dabei zusah wie man seine Jugendliebe abfackelte.
Aber hatte Benedict das selbe gedacht? Vielleicht. Das war schwer zu sagen und Matt wollte es auch gar nicht so genau wissen.
Was auch immer dieser unglückliche Tropf damals erwartet oder nicht erwartet hatte: seither hatte Clarence eine Entwicklung durchgemacht die es ihm unmöglich machen würde zuzusehen wie man Matthew tötete - dessen war sich der Jüngere vollkommen sicher.
Er zweifelte nicht an den guten Absichten seines Mannes und auch nicht daran, dass er stets bereit war ihn gegen jeden Feind zu verteidigen. Matt zweifelte viel mehr an den anderen. An Oliver, an dem Clan. An eigentlich allem außer dem Blonden selbst.
Schweigend und angespannt ging er neben dem Größeren her, seine Hand fest umgriffen. Er hatte nicht wirklich in Erwägung gezogen die dargebotene Hand nicht zu ergreifen und nun stand es auch nicht zur Debatte sie wieder loszulassen.
„Du kennst diesen Typen gut, ja?“ wollte er wissen - obwohl er die Antwort darauf sehr wohl kannte. Clarence war Jahre nicht beim Clan gewesen. Gut kennen war also definitiv zu viel gesagt und trotzdem vertraute er dem Kerl. Etwas, dass Matthew direkt neuen Anlass gab um ihr hiersein zu hinterfragen. „Ich weiß nicht warum du ihm traust. Warum du mich hierher schleppst. Warum du glaubst, der Kerl könnte irgendwas machen das du nicht kannst. Das ist absurd. Du bist… Jäger… wir brauchen den Typen nicht, wenn mit mir was nicht stimmt.“
Verdrießlich zog er wieder an seiner Zigarette und blickte missmutig über den Platz. Er wollte ums verrecken nicht hier sein und sah auch keinen Anlass dazu diese Tatsache zu verbergen.
„Eher Angst, dass ich ein Déjà-vu erlebe wenn du mich mal wieder im Schnee sitzen und alleine lässt“, konterte Clarence wahrheitsgemäß und umgriff die Hand des Jüngeren fest, kaum dass Cassie sie ihm gegeben hatte. Er mochte zwar schon seit einigen Tagen wieder zurück sein, aber das hatte seine Angst vor der Einsamkeit ganz sicher nicht geschmälert – denn genau das war das was er fühlte, wenn Matthew nicht bei ihm war. Einsamkeit. Etwas, das er nur sehr schwer aushielt, obwohl er es dann und wann ganz gerne hatte auch mal alleine für sich zu sein.
All die kleinen zwischenmenschlichen Gesten der Vertrautheit, die man untereinander hegte wenn man als Paar zusammenlebte, waren mit Cassie aus seinem Leben verschwunden gewesen. Keiner der einen scheinbar nebensächlich an der Schulter berührte, wenn man an ihm vorbei ging. Keine Hand, die ihn in der Kälte des Winters an seiner eigenen hielt, wenn man durch verschneite Gassen ging. Keine fremden Stiefel die wirr im Flur mit den eigenen Schuhen durcheinander fielen, weil das eigene Chaos sich mit dem des Dunkelhaarigen multiplizierte und die Wohnung schon nach wenigen Tagen unter Unordnung zerfiel, ganz so wie es auch in ihren Lagern und auf ihrem Boot schon immer der Fall gewesen war.
Clarence hatte diesen Kerl schlimmer vermisst als er früher je Angst davor empfunden hatte ihm in der Öffentlichkeit seine Zuneigung zu zeigen und er würde den Teufel tun Cassie nicht bei der Hand zu nehmen – selbst dann, wenn seitens des Jüngeren keine Fluchtgefahr bestand oder dieser dämliche Egomane ihm nicht mal eine Zigarette anbot, obwohl er bei all den anderen Dingen in ihrem Leben immer so tat als wäre es ganz selbstverständlich, dass sie alles miteinander teilten.
Nur wohl scheinbar die Kippen nicht.
„Ich kenne diesen Typen jedenfalls länger als dich. Und dich hab ich geheiratet. Das spricht jetzt entweder für mein Vertrauen in Oliver oder gegen meine Menschenkenntnis“, entgegnete er monoton und sah mit zusammengezogenen Brauen dabei zu, wie Matthew mit nervösen Fingern den Glimmstängel an die Lippen führte, um sich damit zu beruhigen.
„Außerdem ist er der beste Freund von Addy und Addy liebt dich. Wenn ich er wäre, hätte ich mehr Angst davor von ihr kastriert zu werden wenn er dich irgendwo anschwärzen geht als ich Angst davor hätte irgendwas in der Stadt leben zu haben, was noch nie jemandem geschadet hat. – Nicht, dass da was sein wird“, fügte er nahtlos an ohne Luft zu holen, einfach nur um Matthew keine Chance zu geben ihm dahin schon wieder einen zynischen Kommentar zu drücken. „Ist nur sicherheitshalber damit wir wissen, dass alles in Ordnung ist.“
Das war ein Mantra, das er in den vergangenen Tagen schon so oft von sich gegeben hatte, dass er seinen Worten schon bald selbst nicht mehr glauben konnte. Aber irgendeiner von ihnen beiden musste ihnen ja die Hoffnung bewahren, dass alles gut werden würde. Aber auf der anderen Seite… wie oft war er in seinem Leben mit dieser Einstellung schon gut gefahren? Sicher konnte er das an den Finger einer Hand abzählen, wenn er das wollte. Am besten noch an der, wo ihm zwei von fünf Fingern fehlten.
Unruhig rieb er sich mit der freien Hand durch den Handschuh hindurch über seinen Stumpf, der sich so taub anfühlte wie seine Magengrube, wenn er alleine schon daran dachte. Unter ihren Stiefeln krächzte und knarrte der frische Schnee, während Abel und Kain sich beinahe lautlos neben ihnen hinweg bewegten. Elegant, so wie man es von zwei edlen Wesen erwartete, in deren Adern das Blut mit Mutter aus das ewige Eis floss.
„Wenn… mit dir was nicht stimmt-“, erhob er seine Stimme nach einem kurzen Moment des Schweigens wieder ruhiger, beinahe schon vertraulich, obwohl auf dem offenen Marktplatz zur Mittagszeit niemand außer ihnen zu sehen war. Die meisten hielten sich vermutlich in der warmen Stube bei einer stärkenden Mahlzeit auf, so wie sie es eben auch getan hatten. „-dann weiß ich nicht was es ist. Das gängigste, dem wir begegnen, sind Geister. Aber die sind meist an einen Ort gebunden oder selten auch an einen Gegenstand, aber nie an Personen. Was sich meist an Menschen haftet sind Dämonen… so wie Oliver Hazel mal besessen war. Aber diese Form von Bindung geht damit einher, dass sie versuchen dich zu Besitzen und Kontrolle zu übernehmen, um sich in unserer Existenz zu manifestieren. So, wie du es schon kennst“, führte er weiter aus.
Exorzismen waren mit jene Aufträge, die Matthew damals am wenigsten ertragen und an denen er wenig teilgenommen hatte. Clarence war seiner Arbeit damals nicht engmaschig nachgegangen, aber wann immer sich ein unauffälliger Auftrag im Laufe ihrer Reise angeboten hatte, hatte er ihn angenommen. Des Geldes wegen, aber auch deshalb, weil für all die kleinen Siedlungen jenseits der Metropolen niemand zuständig war und die Menschen darauf angewiesen waren Hilfe zu erhalten, wann immer sich ein Jäger in ihre Region verirrte.
„Aber du verhältst dich nicht seltsam oder… beginnst damit deine Bezugspersonen mit irgendwelchen sensiblen Dingen zu verletzen, die dir nur dann bekannt sein sollten, wenn du als Dämon ihre Schwachstellen erkennst. – Nicht noch mehr jedenfalls, als du es sowieso schon immer tust“, fügte er mit einem Seitenblick auf den Jüngeren an, der den Hang dazu besaß gerne mal unter die Gürtellinie zu schlagen, wenn er schlechte Laune hatte und diese in seine Umwelt kanalisieren musste.
„Du wirst wohl auch keine Hexe sein. Dann würdest du schon irgendwas machen seitdem du klein bist und hättest deine Fähigkeiten in deinem Alter längst unter Kontrolle. Aber so lange wir nicht wissen was los ist, finden wir auch keine Lösung für das Problem. Falls es überhaupt ein Problem gibt und falls wir überhaupt eine Lösung dafür brauchen. Lieber stelle ich genau diese Fragen einem Seher den ich kenne, bevor wir einem von einem fremden Clan über den Weg laufen und die Hölle über uns alle herein bricht.“
Keine Menschenseele auf der ganzen Welt hatte das komplette und uneingeschränkte Vertrauen von Matthew Sky. Keiner, bis auf Clarence.
Dieser anstrengende Klotz von Mann besaß im Wesentlichen zwei Talente und eines davon war, den Jüngeren gegen sich aufzubringen.
Mit seiner Schnapsidee hierher zu kommen um ihn vorzuführen wie einen Hund der vielleicht Tollwut hatte war das Blödeste und zugleich Gefährlichste was sie aktuell tun konnten.
Zumindest war das Matthews Meinung. Immerhin hatte bis dato keiner Menschenseele etwas getan - zumindest nichts was man auf einen Geist oder Dämon schieben konnte.
Der Blonde sah das freilich anders und er wurde auch nicht müde, die Notwendigkeit ihres Ausflugs zu erklären.
Unwillig schnaubte Cassiel während der Ausführungen des Älteren und zuckte die Schultern in einer kindisch-bockigen Geste die zu besagen schien, dass er auf Clarence‘ Menschenkenntnis nicht wetten würde.
Die Erwähnung von Adrianna und das diese ihn liebte war hingegen eine Äußerung die der Jüngere als klares Kompliment wertete. Immerhin war die Rothaarige niemand deren Freundschaft man geschenkt bekam. Sie war zäh, sie war klug, sie war waghalsig und selbstständig und trotzdem war sie auch gesellig und durchaus witzig.
Matt mochte sie. Mehr noch als das: er respektierte und schätzte sie. Und es ehrte ihn, dass jene Frau ihn ebenso wertschätzte.
Vielleicht war dieses Argument der Schlüssel um seine schlechte Laune zu heben. Aber mehr als ein flüchtiger Sonnenstrahl im bewölkten Gemüt des Jüngeren war letztlich auch jene Bemerkung nicht.
„Geister und Dämonen. Pfff.“ - er hielt nichts von solchem Krempel zumindest war das bis Denver so gewesen.
„Warum zum Teufel sollten die sich mit mir abgeben, hm?“ fluchte er in typischer Manier ohne seine blasphemische Zunge in Zaum zu halten.
Verdrossen schüttelte er den Kopf während er noch einen Zug von der Zigarette nahm und seinen finsteren Gedanken frönte.
„Vielleicht… war das was in Denver passiert ist auch nur Zufall. Vielleicht wäre das Ding so oder so verbrannt. Hat sich…selbst entzündet oder sowas. Sowas gibt es ja. Hab ich schon von gelesen.“ Wenn dem so wäre dann würde Oliver nichts sehen. Aber vielleicht irrte der Kerl sich auch. Vielleicht schaute er nicht richtig hin und dichtete ihm etwas an das nicht da war.
Alles war möglich und abhängig zu sein gefiel Matthew naturgemäß gar nicht. Erst recht nicht von einem Fremden.
„Ich halte es für eine bescheuerte Idee, Sky. Wirklich. Ich will, dass du das weißt und nicht vergisst. Wenn irgendetwas schiefgeht dann wisse: ich habe dich gewarnt und ich war dagegen.“
Die Krux allerdings war: er vertraute Clarence. Selbst in dieser Situation in der er sich überhaupt nicht wohlfühlte und in der keine guten Worte es ihm leichter machten. Und wenn Clarence dem Fremden vertraute… dann würde Matthew ihm notgedrungen auch vertrauen.
Missmutig nahm er noch einen Zug von seiner Zigarette und schnippte sie schließlich in den Schnee wo sie zischend ihren Unmut darüber kundtat und dann erlosch.
Leise klangen ihre Schritte über das Kopfsteinpflaster wo sie sich schließlich mit denen von zwei weiteren Personen mischten.
Zwei Fremde - nicht die Zwillinge von vorhin - schnürten Kisten und Fässer zusammen, während ein dritter Mann auf dem Karren stand und die Fracht sicher auf der Ladefläche ordnete und stapelte.
„Sind gleich soweit. Das Zeug darf auf der Fahrt nicht kaputtgehen.“ - Matt warf einen skeptischen Blick auf die unterschiedlich großen Kisten, deren Inhalt offenkundig weder Getreide noch Salz war.
Eine Kiste war besonders ausladend und wurde von den Männern mit großer Sorgfalt aufgeladen und dann auf dem Karren fixiert.
„Ja…von mir aus. Ich versuche vorsichtig zu fahren.“ - eigentlich wollte er wissen was sie da transportierten aber angesichts der Situation interessierte er sich für gar nichts.
Auf den Kutschbock kletternd nahm er die Zügel in die Hand kaum, dass der Helfer abgesprungen war. Das Unbehagen stand ihm ins Gesicht geschrieben.
„Scheint als wäre dein Freund nicht hier.“ - es fehlte nur noch, dass er eilig losfuhr in der Hoffnung der Begegnung zu entgehen. Aber auch wenn ihm danach war, so hatte sich Matt soweit im Griff und wartete.