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Paga Estrella Vaga

10. Juli 2210


Clarence B. Sky

Die hellen Brauen hoben sich voller Zweifel als Matthew vorschlug, er könne seine imaginäre Ehefrau doch Claire nennen.

Einerseits wäre das ein kluger Schachzug, immerhin würden sie damit etwaige Versprecher im Keim ersticken können was den Namen des Ehepartners anging - doch auf der anderen Seite würde es genug Raum für Zweifel schaffen, sollte ihm dieses Claire aus Gewohnheit nicht doch mal seinem Bären gegenüber rausrutschen.

Wie dem auch war, der offensichtliche Zweifel darüber ob dieser Vorschlag nun ernst gemeint war oder nicht, brach sich just in jenem Moment, als Clarence ein amüsiertes Lachen die Kehle empor kroch und für einen Moment den Raum erfüllte. Was das Talent anging den anderen auch in unbequemen Augenblicken zum Lachen zu bringen, standen sie sich einander mittlerweile in nichts mehr nach und ganz so als habe der Jäger vergessen über welche ernsten Themen sie sich eigentlich gerade den Kopf zerbrachen, kam er gerade völlig von dem ab, was unten im Schankraum auf sie wartete.

„Ich stelle mir gerade deine ‚Claire‘ vor. Wie sie abends mit dir Zuhause am Kamin gesessen und sich dabei erstmal eine fette Pfeife angezündet hat, als du noch bei ihr warst. Ein richtig unangenehmes Mannsweib das mehr in ihren zauseligen Damenbart gebrummelt hat als wirklich mit dir komplette Gespräche zu füllen und die nachmittags grummelig auf der Veranda sitzt, um die Schädel von geschlachtetem Wild freizulegen und damit zu diskutieren“, malte er Matthew seine schaurig schöne Ehe mit dieser Claire aus. Sicher musste die Frau ein Herz aus Gold haben, dass der Dunkelhaarige so ein verschrobenes Biest trotz allem geheiratet hatte… oder eben sie hatte Vorzüge einer anderen, ganz bestimmten Sorte – ein schwerwiegender Punkt, den er sich bei Schürzenjäger Matthew Reed beinahe noch besser als Grund für seinen Antrag vorstellen konnte. „Ich muss gestehen, die Vorstellung deiner Frau macht mir ein bisschen Sorge um deine geistige Gesundheit. Aber wer nach ein paar Kräutern schon mit Kaninchen überm Lagerfeuer redet… bei dem sind Hopfen und Malz vielleicht eh schon verloren.“

Mit seinen blaugrauen Iriden musterte er Cassie aufmerksam auf mögliche Anzeichen einer Geschmacksverirrung, bevor er abermals erheitert über die Vorstellung dieser auserdachten Ehefrau auflachen musste. Hoffentlich kam ihm dieses Bild nun nicht jedes Mal in den Kopf sobald Cassie von seiner Ehefrau sprach; andernfalls würde die Brechung seines Fluches wohl schneller zum Thema abendlichen Zusammensitzens werden, als ihm recht war.

Verliebt in diesen jungen Mann mit äußerst fragwürdigem Frauengeschmack, legte Clarence seine starken Hände auf dessen Flanken ab und begann zart darüber hinweg zu streicheln, wobei er mit den Nägeln sachte die fremde Haut kraulte während auch sein Partner die Finger nicht aus dem blonden Haar seines Bären lassen konnte.

Man konnte wirklich viel über sie beide behaupten oder ihnen zum Vorwurf machen, aber würde man ihren Umgang von früher neben dem von heute zum Vergleich sehen können, tat sich ein Unterschied wie Tag und Nacht auf. Es mochte sie geben, die Momente in denen sie nebeneinander her liefen und sich gegenseitig herunter butterten wie es auch früher der Fall gewesen war, ganz so als sei nicht mehr zwischen ihnen als guter Freundschaft und der gleiche Weg; doch spätestens wenn sie für sich waren und den anderen nicht mehr mit der Öffentlichkeit teilen mussten, dann suchten und brauchten sie die Nähe des anderen, ganz unzweifelhaft miteinander verbunden wie es nur zwischen zwei Liebenden der Fall war.

Sogar während seiner liebevollen Streicheleinheiten schaffte es Cassie letztlich bockig zu sein, ein Umstand der lediglich ein mildes, warmes Lächeln auf die Lippen des Hünen zauberte anstatt ihn zu verstimmen. Seine düsteren Vorahnungen die noch vorgeherrscht hatten als sie auf dem Zimmer angekommen waren, hatten sich längst in Luft aufgelöst und das war nicht zuletzt Matthew zu verdanken der einfach grundsätzlich die Gabe dazu besaß, seinem Bären den Pessimismus zu nehmen. Angesichts dessen was ihnen noch alles bevor stand, wollte er die letzten verbleibenden Stunden nutzen die sie noch unter vier Augen miteinander besaßen – sei es just in diesen Moment oder heute Abend, wenn sie die vorerst letzte Nacht ohne die beiden anderen in unmittelbarer Nähe miteinander verbrachten. Es lagen noch so viele Tage und Wochen vor ihnen wo sie sich sowieso eher distanziert geben mussten und darunter anschweigen und angrummeln konnten, wie ihnen der Sinn danach stand… aber je knapper ihre Zeit zu zweit gerade wurde bevor sie hinab in den Schankraum aufbrechen würden, umso mehr wollte er seinen Mann noch ein letztes Mal in Ruhe anhimmeln können, wie er es sonst auch immer Tat sobald sich die Gelegenheit dazu bot.

„Die bringt dich schon nicht um, weder in nicht allzu fernen Tagen, noch heute. Eher noch werfe ich mich in ihre Sichtbahn vor dich, als dass ich das zulassen könnte“, versicherte er dem Jüngeren aufmunternd. Soweit Clarence wusste, war noch niemand ernsthaft durch stechende Blicke verletzt worden und selbst wenn, hatten noch keine Gerüchte von einem Erliegen der schweren Verletzungen die Runde gemacht.

„Selbst wenn sie nicht reden will bis du irgendwann einen Abflug machst… es wird uns genug Zeit verschaffen, damit du die beiden ein wenig kennenlernst“, gab er den anderen positiven Aspekt dieser Taktik zu bedenken und reckte sein Kinn leicht hinauf, um Cassie einen kurzen Kuss zu klauben. So unverschämt wie er diesen Kerl zuweilen auch fand mit seiner oftmals etwas zu arroganten Art, so hatte er unterm Strich doch auch zum Teil Recht damit – immerhin war Matthew wirklich ein sympathischer Typ, der bislang überall auf Anhieb recht gut angekommen war. Womöglich brauchte Adrianna einfach ein wenig Zeit um zu begreifen, dass der Unbekannte für sie keine Gefahr darstellen würde. „Immerhin bin nicht nur ich ab jetzt mit ihnen unterwegs, sondern du musst genauso gut mit ihnen zurechtkommen. Wenn man die beiden kennt, sind sie ganz okay… verlässliche Leute, auf die man vertrauen kann. - Selbst Barclay“, fügte er erkennend an, wenn auch widerwillig.

„Dass du mich nicht alleine lassen und auf mich aufpassen willst, ist vielleicht nicht nötig… aber ich kann auch schlecht Nein zu einem Mann sagen, der halb nackt auf meinem Schoß sitzt und mir den Kopf verdreht, nur weil er mir ein bisschen mit den Fingern durchs Haar kämmt.“

Hungrig leckte er sich über die Lippen, wohl wissend dass nicht die rechte Zeit war um irgendetwas zu forcieren. Trotzdem konnte er sich nicht davor verwehren seine Hände fester gegen Cassies Rücken zu drängen und den anderen damit zu sich zu ziehen, um dessen Lippen mit den eigenen einzufangen und ihm einen fordernden Kuss zu entringen. Cassie schmeckte zu gut und fühlte sich zu betörend an um die Gunst der Stunde nicht zu nutzen solange es noch ging, da konnte sich sogar der oft überlegte und kontrollierte Jäger nicht zurück halten.

Wohlig brummte er gegen die Lippen seines Mannes, fing die untere kurz mit den Zähnen ein und bedeutete Cassie auf diese Weise ihn nicht herzugeben, selbst wenn sie sich in der kommenden Zeit als Kumpanen geben mussten, die nicht mal einen zweideutigen Blick füreinander aufbringen durften.

Ich sag dir, du… musst dir jetzt dein Hemd wieder anziehen, selbst wenn mir das am meisten weh tut. Sonst hab ich gleich vergessen, dass die zwei Trantüten unten auf uns warten und dir schneller die Hose vom Leib gepellt, als du nach deinem Harnisch greifen kannst. Lass uns… das jetzt unten hinter uns bringen und die beiden ein wenig abfüllen, umso schneller wollen die sich heute Abend schlafen legen. Und dann… reden wir weiter und knüpfen daran an… was mir gerade noch so durch den Kopf geht. Okay?“


Matthew C. Reed

Es war schwer um nicht zu sagen unmöglich zu schmollen, wenn Clarence lachte. Trotzdem hatte Matthew sich daran versucht, aber sein Trotz war nicht besonders überzeugend gewesen. 

Schon gar nicht als Clarence auch noch anfing ihn so offen anzuhimmeln. 

Cassie senkte verlegen den Blick, spürte wie er errötete und drängte den Kopf energisch gegen Clarence‘ Schulter um zu verheimlichen was dieser Kerl mit ihm anstellte. 

Was der Blonde mit nichts weiter schaffte als einem Lachen und einem warmen Blick, hatten duzende vor ihm versucht und waren kläglich gescheitert. 

Matthew Reed war ein undurchsichtiger Mann gewesen, leicht für etwas zu begeistern - zumindest oberflächlich. Aber sein Vertrauen und seine Liebe zu gewinnen, war ein Ding der Unmöglichkeit gewesen.

Man hatte ihn nicht wirklich aus dem Konzept bringen können, mit keiner Geste und keinem Wort. Und nun saß da dieser Kerl vor ihm und schaffte es mit spielender Leichtigkeit, alle Barrieren Matthews zu überwinden und vorzudringen hinter die scheinbare Selbstsicherheit des Jüngeren.

„Du bist ein richtiger Spinner, Sky.“, brachte dieser hervor, gegen die Schulter des Hünen nuschelnd. „Meine Frau ist die schönste Frau der Welt, alle beneiden mich um sie...“

Ob man ihn nun um Clarence beneidete wusste Matthew nicht, aber für ihn war das auch nicht wichtig. Niemand kannte Clarence so wie er ihn kannte, niemand wusste wie sein Lachen klang, wie spitzbübisch seine Augen funkeln konnten und welch warmer Ausdruck darin aufleuchtete. Sie kannten nicht die winzigen Fältchen die sich um seine Augen zogen wenn er auflachte, wie ansteckend es war, war Clarence glücklich. 

Selbst Adrianna und Barclay kannten in Clarence lediglich den schweigsamen aber loyalen Klotz, ein Mann der Tat und ein Mann der Geheimnisse. Jemand der frostig war und der sich nicht öffnete, egal wie oft man nachfragte. 

Aber würden sie den Blonden just in dem Moment sehen und hören können, dann würden sie ihn nicht erkennen. 

Cassie hob schließlich den Kopf wieder und betrachtete seinen Mann der in den nächsten Wochen offiziell nicht als sein Mann erkannt werden durfte. 

Es war offensichtlich, dass es ihnen beiden gleichermaßen wenig gefiel die Finger voneinander zu lassen und zu verheimlichen was zwischen ihnen war. 

Sie hatten nicht geheiratet um nun ihre Gefühle füreinander zu verstecken, das fühlte sich falsch an - aber es war notwendig. 

Sie konnten nicht reinen Tisch machen, noch nicht und doch widerstrebte es Matthew sich von Clarence zu lösen. 

Der Kuss den der Größere ihm raubte, trug auch nicht gerade dazu bei, dass der Dunkelhaarige leichter wieder auf Abstand gehen konnte. Im Gegenteil, er ließ Matthew hungrig stöhnen und sich folgsam an den Größeren schmiegen. Stürmisch richtete er sich ein bisschen auf, presste seinen nackten Oberkörper gegen Clarence‘ Brust und hätte ihn um ein Haar nach hinten aufs Bett gedrückt, um sich das zu holen wonach er sich am Meisten sehnte. Mit Clarence zusammen zu sein hieß, sich lebendig zu fühlen und nicht allein zu sein. Der Blonde hatte ihn so auf sich geprägt, dass Matthew längst süchtig nach ihm geworden war. 

Allein der übermenschlichen Selbstbeherrschung des Hünen war es zu verdanken, dass Matthew seinem Impuls nicht nachgab und den Kuss unterbrechen ließ. 

Unwillig löste er die Lippen schließlich von seinem Geliebten und sah ihn an. In seinen Augen glomm noch immer der fahrige Ausdruck von schnell aufgekeimter Lust. 

Matthew sah ein bisschen durch den Wind aus, so als könne er sich selbst nicht erklären wieso er so schnell derartiges Verlangen empfinden konnte. 

Clarence weckte Bedürfnisse in ihm, die der Jüngere vorher nie gekannt hatte und die ihn manchmal selbst verwirrten - so wie jetzt. Selbst nach all der gemeinsamen Zeit, hatte der Wildling nichts von seiner Anziehungskraft auf ihn verloren und manchmal...überkam es ihn einfach. 

Der Dunkelhaarige leckte sich kurz über die Lippen, schüttelte ganz sacht den Kopf und stimmte Clarence trotz der verneinenden Geste zu. 

„Du hast recht...ich sollte mich anziehen. Wir haben...wichtigeres vor.“

Er lächelte vage und machte - obwohl er es schon angekündigt hatte - keine Anstalten sich wieder zu bekleiden. 

„Wir...gehen die zwei Trantüten abfüllen, mhm...gute Idee. Die satanische Tochter wird begeistert sein mich wieder zu treffen.“  Cassie langte nach dem Shirt seines Mannes, zog ihn daran an sich und verbiss sich neckisch in seiner Unterlippe. 

„Und wenn wir das getan haben und wieder allein sind...dann sind wir wieder verheiratet und ich werde...dich auffordernd deinen ehelichen Pflichten nachzukommen, dass ist dir klar, oder?“ - erneut biss er Clarence in die Unterlippe, nahm seinen Mund für sich ein und drängte fordernd seine Zunge in den geschaffenen Spalt der Lippen seines Liebsten. 

Hungrig und geschmeidig presste er sich gegen den Hünen, krallte die Finger in seinen Schopf und ließ seinen Mann hoffentlich spüren, wie sehr er sich nach ihm verzehrte. 

Mit sanftem Druck gegen die stattliche Brust des Hünen schob er Clarence nach hinten auf das Bett, folgte ihm mit den Lippen nach und richtete sich schließlich unerwartet wieder auf. 

Ohne sich noch weitere Augenblicke der Wonne zu gönnen, stand er auf, langte nach dem Harnisch auf dem Boden und warf ihn auf das Bett neben Clarence. Statt sich wieder in das lederne Kleidungsstück zu schnüren, zog er lediglich sein Shirt wieder über. 

„Los Baby, genug herumgelegen. Deine Leute warten unten.“, verkündete er keck- allerdings nur sich selbst vor der Versuchung zu bewahren, sich wieder über Clarence zu begeben. Wenn sie jetzt nicht heruntergingen, würden sie es erst in ein zwei Stunden schaffen...und das wäre wahrlich kein besonders guter Einstand um ihre gemeinschaftliche Reise zu starten.


Clarence B. Sky

Dass alle Matthew um seine schöne Frau beneideten, wagte Clarence ernsthaft zu bezweifeln. Sicher, manch eine hatte sich aufdringlicher gezeigt als nötig wenn sie irgendwo abends in einer Kneipe aufgeschlagen waren, was der Blonde aber eher dem Alkohol zusprach als tatsächlichem Neid. Dennoch, in einer Welt in welcher Claire auf der Hut sein musste so begehrt wie der Kleinere auf ihren Reisen oftmals gewesen war, war es sicher auch schmeichelhaft, dass in geringem Maße auch sein Mann auf seine schöne Frau achtgeben musste, damit sie ihm nicht unter den Händen weg gehascht wurde.

Mit einem lachenden Raunen in der Stimme drängte Claire sein Gesicht ins Haar des anderen und hauchte ihm einen entzückten Kuss auf das Haupt ob so viel Verlegenheit, die sich schon kurz darauf in fahriger Lust bahn brach.

Wie es sein konnte, dass zwei Menschen sich so aufeinander prägten dass ein einfacher Kuss und leise gewisperte Worte ausreichten um Begierde nacheinander zu wecken, war Clarence bis heute ein Rätsel. Was unzählige Männer vor ihm nicht geschafft hatten – nämlich seine sturen Dogmen zu brechen und ihn sich über seine eigens bestimmten Verbote hinweg setzten zu lassen um einem anderen Mann näher zu kommen als es sich ziemte – war Matthew schon recht früh auf ihrer Reise mit spielender Leichtigkeit gelungen. Der Christ konnte rückblickend nicht mehr sagen ob es pures Glück gewesen war, ihrer beider misslichen Lagen geschuldet in denen sie nichts mehr zu verlieren hatten, oder ob er schon damals unbekannterweise in dem Findling mehr gesehen hatte als in allen anderen. Aber wie dem auch gewesen war, letztlich hatten sie auf diesem verwirrenden Weg auch emotional zueinander gefunden und zu ihrer beider Glück erkannt, dass ihnen nichts besseres würde passieren können als alte Mauern fahren zu lassen und sich einander einfach hinzugeben mit allem, was sie hatten und waren.

Ein beinahe schon betrübter Ausdruck legte sich in die blaugrauen Iriden als Cassie ihm zustimmte es sei richtig sich tatsächlich langsam wieder anzuziehen und es dauerte nur wenige Sekunden bis er begriff, dass sein Mann der leeren Drohung doch nicht nachkommen würde.

Zufrieden Brummte der Bär ob so viel fehlenden Tatendrangs, folgte artig dem Zug an seinem Hemd und keuchte leise in den stürmischen Kuss seines Geliebten der von so viel mehr Verlangen sprach, als sie eigentlich Zeit dafür hatten. Dass es keine gute Idee war seine Lippen durch die fordernden Bisse so schänden zu lassen angesichts der offensichtlichen Assoziationen die sein Mund danach schüren wurde, versickerte dabei völlig aus seiner Wahrnehmung. Alles was blieb war das endlose Verlangen welches darunter in ihm aufblühte und das ihn seine Lippen willig für die fremde Zunge öffnen ließ, ganz gleich ob sie für so etwas gerade Zeit hatten oder nicht.

Wenn es eines gab, in dem Clarence tatsächlich gut war und das er als seinen liebsten Zeitvertreib betrieb, dann war es seinen ehelichen Pflichten nachzukommen – eine der schönsten Aufgaben die er weit lieber erledigte als dann und wann alle paar Wochen den Staub aus der Harper Cordelia zu fegen oder die Berge an Geschirr wegzuspülen, wenn sie langsam drohten umzukippen. Ginge es alleine nach Clarence und nicht darum was das Leben von ihnen erwartete, er hätte sie beide am liebsten in diesem Zimmer eingesperrt und den Rest seines Daseins damit verbracht mit Matthew ziemlich unanständige Dinge anzustellen; eine Sehnsucht die auch sein schnurrendes Stöhnen verriet, als der Jüngere ihn derart hungrig zurück aufs Bett drückte.

So schnell wie der Anflug von übermannender Lust gekommen war, so schnell ließ sein Mann ihn allerdings auch wieder verrinnen und überließ von einer Sekunde auf die andere den Blonden seinem einsamen Schicksal auf dem Bett, das ihm plötzlich gar nicht mehr so einladend vorkam wie eben noch, als sie es sich geteilt hatten.

Wie sagte man so schön? Wie gewonnen, so zerronnen – eine Redewendung die Clarence schmerzlich zu spüren bekam, nun wo das wärmende Gewicht seinen Schoß wieder verlassen hatte.

Du bist so ein Arsch“, murmelte er halb unverständlich gegen seine Finger, als er sich mit den Händen durchs Gesicht rieb um sich wieder einigermaßen aus der trägen Lust zu erwecken die Cassie in ihm geschürt hatte, bevor er sich mit dem Oberkörper etwas aufrichtete um seinem Mann hinterher zu blicken.

Noch immer mehr liegend als sitzend, betrachtete er sich den Schönen wie er seine definierten Muskeln im fahl einfallenden Tageslicht spielen ließ während das Hemd zurück über seinen ansehnlichen Körper wanderte, den Clarence lieber erkundet hätte als ihn wieder artig verpackt zu sehen.

„Wenn wir wieder hier oben sind…“, unverhohlen hungrig leckte er sich über seine zerküssten Lippen von denen er hoffte sie sahen nicht allzu wild aus, bevor sie bei seinen Kumpanen unangenehme Fragen aufkommen ließen, „…dann machen wir genau da weiter, wo wir gerade aufgehört haben. Nur rückwärts und… etwas langsamer.“

Ein anzügliches Grinsen machte sich bei dieser Vorstellung auf seinen Lippen breit und Clarence versuchte nicht mal zu verbergen, wie sehr ihm das gefallen würde.

„…und mit etwas mehr Verlust als nur deinem Shirt. Nach der Flaute hier gerade, hast du definitiv was wieder gutzumachen und Gnade dir Gott, wenn ich am Ende auch nur noch ein einziges Kleidungsstück an dir finden werde.“

Irgendwie sollte man ja meinen, sie hätten schon weit mehr als genug voneinander gesehen als dass Entkleiden und bloße nackte Haut vorab noch interessant für sie sein könnte. Trotzdem hatte Matthews Leib bis heute seinen Reiz auf den Blonden nicht im geringsten verloren und da machte es nur Sinn den Jäger durch eine angemessene Show wieder milde zu stimmen, nachdem er derartig aprubt verprellt worden war.

Letztlich half jedoch alle sinnliche Verheißung und jede Hoffnung nichts, sie beide wussten es besser und tatsächlich war es langsam an der Zeit dem Plan nachzukommen und hinunter zu gehen, bevor man sie noch hier oben halb inflagranti miteinander erwischte.

Seufzend stieß er sich vom Bett ab und kam widerwillig seinem Partner in der Vertikalen entgegen, die ihm weit weniger lieb war als das horizontale Gegenstück mit allen seinen Optionen.

„Hast du mich arg verunstaltet oder geht es gerade noch?“, wollte er im Hinblick auf seine zerschundenen Lippen wissen und nahm den prüfenden Blick des Jüngeren zum frechen Anlass ihm hinterrücks noch einen Kuss zu rauben, bevor er irgendwas von Zeitdruck oder schlechtem ersten Eindruck faseln konnte.

„Mach dir keine Gedanken um die Satanstochter, bis auf ein paar beißende Blicke im Nacken wird sie dir schon kein Haar krümmen. Denk ich jedenfalls“, relativierte er die stumme Hoffnung zur Unversehrtheit seines Mannes und zuckte leicht mit den Schultern, denn ganz genau wissen konnte man das ja nie. „Und von dir erwarte ich im Gegenzug, dass du auch niemandem ein Haar krümmst. Ein paar Reibereien gehören zwar dazu und halten die Dynamik am Laufen, kommen aber erst dann gut, wenn dich die Leute schon ein bisschen besser kennen. Also keine weiteren Veilchen heute Abend außer denen, die wir eh schon im Gepäck haben. Okay?“

Bevor sie aufbrachen, kramte er noch in den Untiefen seines Rucksacks nach dem ledernen Packet in dem er seine Pfeife eingeschnürt hatte und ließ in seiner Hosentasche das kleine Säcklein mit seinen traurigen letzten Münzen verschwinden, die sich zunehmend selbst aufzulösen schienen, bevor er den Hunden noch mal etwas Wasser aus seiner Trinkflasche nachfüllte um die beiden versorgt zu wissen. Sie mit hinunter zu nehmen wäre vermutlich keine allzu gute Idee falls es wider erwarten doch lauter zwischen ihnen werden würde und außerdem waren die beiden vom langen Tagesmarsch und dem Toben unten auf der Wiese ausreichend ermüdet, das sah man den beiden treuen Kerlchen deutlich an.

In uriger Manier knarrten die Treppe hinab in den Gastraum und die Holzdielen unter ihren Schritten, als sie sich schließlich von ihrem Zimmer hatten lösen können. Der Schankbereich hatte sich bis auf wenige gewechselte Gesichter nicht wirklich verändert seit ihrem Aufbruch in die oberen Etagen, doch selbst in der hinteren Ecke unter dem Gemälde der Jagdgemeinschaft waren keine Jäger zu erkennen – kein wirkliches Wunder bei dem warmen Wetter, das hier im Süden noch vorherrschte und ausgekostet werden wollte, bevor der Winter im Norden einen wieder einholte.

Erst als er auf der Schwelle der Mühle stand, offenbarten sich die Gesuchten draußen im Grünen an den wackeligen, abgewetzten Tischen des Außenbereiches die eh weit einladender anmuteten als im stickigen Innenraum hinter ihnen.

Vor Adrianna und Cameron hatte sich ein wildes Potpourri der guten Laune in Form von Rotwein, gereichtem Brot und einer gepflegten Runde Rummy am rechteckigen Tisch ausgebreitet und zeigte mal wieder auf wie man sich auf Reisen mit Karten gemeinsam die Zeit vertreiben konnte, wenn man sich sonst nicht viel zu sagen hatte. Die Interessensgebiete der beiden hatten sich schon immer wenig überschnitten, selbst wenn sie in Form des ungeladenen Partygasts sicher vorerst ein gutes Gesprächsthema gefunden hatten, um die wortkarge Stille zwischen ihnen zu überbrücken.

Kurz sah man Cameron aufzucken, eine Reaktion darauf dass die Rothaarige ihn unterm Tisch getreten hatte um darauf aufmerksam zu machen dass die zweite Hälfte der Truppe endlich eintraf – und selbst von hier aus konnte man erkennen, wie die kleine Betrügerin den unachtsamen Moment ihres Gegners nutzte, um unliebsame Blätter loszuwerden und dreist drei neue vom Stapel zu rauben.


Matthew C. Reed

Nicht nur Clarence fiel es schwer sich wieder auf das zu besinnen, was im Augenblick Priorität haben sollte, sondern auch Matthew wäre viel lieber mit seinem Mann auf dem Zimmer und im Bett geblieben. 

Dennoch konnte er sich ein freches Schmunzeln nicht verkneifen als der Blonde ihn auf wenig charmante Art einen Arsch nannte. 

„Nana, wer wird denn gleich ausfallend werden?“, tadelnd schnalzte er mit der Zunge und schüttelte den Kopf, ehe er sich seinen Sachen zuwandte und anfing die Dinge aus der Tasche zu räumen, die er nicht den ganzen Abend bei sich haben wollte. 

Sein altes Radio, ein Paar fingerlose Lederhandschuhe und eine Wasserflasche fanden ihren neuen Platz auf der Kommode im Schlafgemach, bevor er sich zu Clarence umdrehte um nachzuschauen ob der Blondschopf auffällig derangiert aussah. 

Aber kaum wandte er sich seinem Bären zu, klaute der sich auch schon einen Kuss von ihm. Noch während ihre Lippen sich berührten, kicherte Cassiel amüsiert und als gäbe es auf der ganzen Welt nichts zu fürchten. 

Dass er sich so auch fühlte wenn er mit Clarence zusammen war, konnte man dem Leuchten seiner Augen ansehen und dem ungespielten Lächeln, dass sein ganzes Wesen einnahm. 

„Du hast so einen Dachschaden, Blondie.“, attestierte er dem frechen Kerl, ehe er sich weiter seiner Tasche widmete. Flusen, Krümel, Sand und eine ganze Armada Tannennadeln waren auf dem Grund der ledernen Tasche zu finden, die Cassie kurzerhand leerte, in dem er sie kopfüber aus dem Fenster schüttelte. 

„Ich werd schon niemandem wehtun...“, versicherte er Clarence, klang dabei allerdings wenig von der Sache überzeugt. 

„Aber ich werd nicht dasitzen und mich behandeln lassen wie einen Trottel.“

Der junge Mann hatte nicht vor Ärger zu machen oder zu provozieren und erfahrungsgemäß war er gut darin nicht anzuecken wenn er darauf Wert legte. 

Aber Adrianna war ein derart eigensinniger Mensch, dass er nicht sicher war, dass sie die gleichen Mühen an den Tag legen würde, wie er selber. 

Die junge Frau hatte nichts davon gehalten ein wenig die Fassade zu wahren und zumindest so zu tun als sei sie erfreut ihn kennenzulernen. 

Die offene Ablehnung der jungen Frau war irritierend und auch wenn Matthew sich nichts anmerken ließ als er einige Zeit später hinter Clarence die Treppe hinunterlief, so war er innerlich doch recht angespannt. 

Es hätte ihm egal sein können was die Rothaarige von ihm hielt und zweifellos wäre es das auch gewesen, wäre es für ihr Vorhaben und die kommende Zeit nicht so wichtig, dass sie ihm vertraute. Sie würden einen unangenehm langen Weg vor sich haben, der durch eines noch unangenehmer werden würde - Feindschaft.

Rivalität war etwas, dass alles noch verkomplizieren würde und auch deswegen war Cassiel wirklich gewillt, sich zusammen zu nehmen. Aber er kannte sich selbst gut genug um zu wissen, dass seine Nehmerqualitäten endlich waren.

Als sie den Schrankraum hinter sich gelassen hatten und ins Freie traten, begrüßte sie ein lauer Frühabend. Vögel zwitscherten ihren angenehmen Singsang, milder Wind strich durch die Bäume und Reben und ließ das Laub ganz leise rascheln. 

Einmal mehr stellte Matthew fest, wie schön dieser Ort war, wie friedlich und wie ruhig. Fernab vom Trubel unten am Hafen, fühlte man sich hier oben fast freier. Hier gab es nur die Natur, eine bescheidene Unterkunft und Arbeit - dass einmal so ein einfaches Leben einen derartigen Reiz auf Matt ausüben würde, hätte er vor seinem letzten Besuch in Coral Valley nie vermutet. Doch seither hatte sich einiges verändert. 

Während Clarence seine alten Freunde schon ausgemacht hatte und sie ansteuerte, blieb Cassiel noch einen Moment länger stehen. Fasziniert beobachtete er den Betrug von Adrianna, die so geschickt vorging, dass schon jetzt glasklar war, die Technik hatte sie nicht erst gestern gelernt. 

Widerwillig straffte er die Schultern, atmete tief durch und kam auf die Gruppe zu, die mittlerweile schon aus drei Leuten bestand. 

Auf dem Tisch befanden - neben Karten - Wein, Gläser und ein Brotkorb aus dem sich bereits reichlich bedient worden war. Ungefragt schnappte sich Matthew eine der Scheiben des Baguettes und tunkte es in ein kleines Schälchen mit gesalzener Butter, welches ebenfalls auf der hölzernen Tischplatte lag. 

„Guten Abend allerseits.“, grüßte er vermeintlich unbefangen und so locker-lässig als habe es nie irgendeine Reiberei gegeben. 

Er setzte sich auf die Bank, auf der auch Cameron saß, allerdings galt seine Aufmerksamkeit eher dem Brot und der Butter. Dass Adrianna die klimpernde Elster betrogen hatte, kommentierte er nicht. 

Diese allerdings schien selbst an der Richtigkeit der nun oben liegenden Karte zu zweifeln und entschied sich für einen Spielabbruch. 

„Ein nettes Örtchen für eine Wiedervereinigung. Ich weiß ja nicht wie’s euch geht, aber ich hab einen riesigen Hunger.“ - und mit dieser Bemerkung nahm er sich das dritte Stück Baguette und aß es, noch bevor er die Karten aufnahm sie Cameron nun für vier austeilte. 

Dass Adrianna nur für zwei Wein bestellt hatte, ließ er unkommentiert. Würde er darauf antworten, würde sie das vielleicht nur in den falschen Hals bekommen. 

Da es Matthew als ungebetenes Mitbringsel von Clarence nicht zu stand nachzufragen wie nun die Pläne für morgen und die kommende Zeit aussahen, verlegte er sich aufs Karten spielen und zuhören und kommentierte hier und da Smalltalk, wenn er denn betrieben wurde.

Als ein Angestellter der kleinen Taverne zu ihnen kam um nach dem Essen zu fragen, bestellte er aus der mündlich vorgetragenen Auswahl - eine Karte gab es nicht - die Forelle mit Bratkartoffeln. Dabei sah er nicht von den Karten weg, um Adrianna keine Gelegenheit zu geben wieder zu betrügen. Denn auch wenn es um nichts ging, so spielte Cassie immer um zu gewinnen und hasste es zu verlieren. 

Wenn überhaupt einer beim Kartenspielen trickste, dann er selber. 


Clarence B. Sky

Ob Blondie nun einen Dachschaden hatte oder nicht, das blieb selbst dann noch zu beweisen, als sie endlich wieder hinaus ans Licht und zurück in die echte Welt getreten waren.

Nicht erst heute stellte Clarence fest, wie idyllisch und fernab aller Realität sich das Leben anfühlte, waren sie beide unter sich und sperrten andere Menschen aus ihrem Dasein aus. War er mit seinem Mann alleine, dann lauerten keine Gefahren draußen vor der Tür und alles was blieb waren sie beide. Die Dunkelheit, welche man in beinahe jedem Passanten draußen auf der Straße fand, hatte keinen Raum in ihrer kleinen heilen Welt und wenn es nach Claire ging, dann brauchte sie auch nie wieder Einzug halten in das, was sie miteinander hatten.

Doch erfahrungsgemäß ließen sich Türen nicht für alle Zeit geschlossen halten, noch war es einem möglich ein Leben ohne Andere zu führen, wenn man nicht gerade draußen in der Wildnis hauste, wie der Schamane es nicht nur ein Mal schon getan hatte. Letzten Endes entkam man dem Ernst des Lebens aber nie. Schlussendlich holte er einen ein und man wurde unter ihm vergraben, ähnlich wie auch die gesalzene Butter dem Druck der Dinge weichen musste, als Matthew schließlich sein Stück Brot darin versinken ließ.

Viel lieber als neben Adrianna hätte Clarence an diesem Abend neben seinem Mann gesessen, eine Freude die ihm leider verwehrt blieb und deren Alternative für ihn nachvollziehbar war angesichts der Angst durch stechende Blicke getötet zu werden, welche vom Jüngeren Besitz ergriffen hatte. Dass er nochmal den Tag erleben durfte, an dem Cassie mehr oder weniger Bammel vor einer Frau hatte, hätte der Blonde nie zu denken gewagt und umso schwerer fiel es ihm sein gehässiges Grinsen zu unterdrücken, wann immer der Blick der Rothaarigen den ihr vermeintlich Verhassten streifte.

Während Clarence wortlos die ihm ungefragt ausgeteilten Karten aufnahm, ließ er zwischendurch seinen hellen Blick über die umliegende Wiese streifen und die eigentümliche Szenerie, welche sich aus dem heutigen Nachmittag ergeben hatte. Hier saß er nun, in diesem Fleckchen Idylle von Welt, nah der Metropole und doch so fernab wie man sich nur fühlen konnte. Zu seiner linken Adrianna und schräg ihm gegenüber Cameron, zwei Menschen mit denen er noch nur Monate zuvor Pläne geschmiedet und ein Leben geführt hatte, in dem er nicht mal von der Existenz seines heutigen Mannes gewusst hatte.

Es fühlte sich seltsam an hier über den Karten zu sitzen und belanglosen Nonsens zu plaudern nachdem sie sich vorhin das erste Mal nach langer Zeit wiedergesehen hatten und obwohl sie wussten, dass weit wichtigere Fragen auf ihren Zungen brannten als die Frage danach wer das bessere Blatt auf der Hand hatte und worauf sie Hunger hatten, fühlte es sich nicht im Geringsten so an, als hätten all die Monate zwischen ihnen gelegen. Was ihm ein Graus gewesen war, nämlich die Vorstellung seine beiden völlig unterschiedlichen Leben miteinander kollidieren zu sehen, fühlte sich über Brot, Wein und einem Kartenspiel so seltsam… nahtlos an, nun, wo sogar Adrianna darauf verzichtete um des Friedens willen offensichtliche Seitenhiebe an Matthew zu verteilen.

Ob es nun die Ruhe vor dem Sturm war oder nicht, der vorerst geschlossene Waffenstillstand reichte dazu aus um zu der Forelle mit Bratkartoffeln zusätzlich Pozole für den Blonden, Tamales für die junge Frau und Meeresfrüchte mexikanischer Art für Cameron zu bestellen, der seinem Banknachbar in nichts nachstand, den dargebotenen Brotkorb bald bis auf seine Grundfesten geleert zu haben. Harte Arbeit auf einem Weinberg machte immerhin hungrig und wenn jemand davon Ahnung hatte, dann definitiv der Pomadengott, der sich sein Abendessen wie auch seinen Tageslohn ohne Frage sicher mehr als verdient hatte.

Während Adrianna davon erzählte, wie sie in Rio Nosalida auf ihn gewartet und dabei versucht hatten nicht länger als zwei oder drei Tage am gleichen Fleck zu bleiben bevor sie ihren nächsten Hinweis verstreut hatten wie Brotkrumen im Wald, konnte Clarence deutlich erkennen, dass sein Partner die Finger der Rothaarigen nicht aus den Augen ließ. Ohne allzu aufdringlich oder provokativ zu wirken, wollte der Jüngere ihr keine Chance lassen zu betrügen und wenngleich es der Frau nicht auffiel, sprang es Claire dafür umso mehr ins Auge.

Er kannte diesen beiläufig wachsamen Blick des Dunkelhaarigen von unzähligen Spielen bei denen letzten Endes Reed die anderen durch Tricks und Schmu über den Tisch gezogen hatte und wenngleich er nie als schlechter Verlierer dagestanden hatte, so mochte Cassie es zweifelsohne mehr, lieber zu den Gewinnern zu zählen. Eine fragwürdige aber äußerst liebenswürdige Charaktereigenschaft und ein Grund mehr sich schon jetzt wieder zu seinem Mann hingezogen zu fühlen, obwohl sie die traute Zweisamkeit des Zimmers gerade eben erst verlassen hatten.

„…schlussendlich sind wir hier gelandet, um erstmal aus dem Dunstkreis der Golden Cross raus zu kommen. Aber so wie ich dich kenne, bist du auch nicht ohne Umwege hier gelandet. Oder?“, schloss Adrianna schließlich ihre Erzählungen, nahm noch einen kräftigen Schluck aus ihrem bauchigen Rotweinglas und musterte den Blonden von der Seite her, der ihr gewohnt durch ein tiefgründig nichtssagendes Brummen antwortete.

Schließlich schon sich ihr Blick wider Erwarten hinüber auf den ungeladenen Partygast und musterte seine entrückte Visage kurz, von der der Kerl vorhin bereits angedeutet hatte, dass sie noch zu Beginn der gemeinsamen Reise eine gänzlich andere gewesen sein musste.

„Was ist das für eine Story mit der See auf der du dich angekotzt hast, mh? Eine Tour im Zeppelin wäre mir da irgendwie sinnvoller erschienen, wenn du ‘nen Magen wie ein Mädchen hast.“

Beinahe hätte Clarence ihr zugestimmt, denn so wie sie es sagte, war es ihm anfangs auch dann und wann noch durch den Kopf gegangen. Stattdessen überraschte es ihn allerdings, dass Adrianna erstmals überhaupt einen einigermaßen anständigen Gesprächsfetzen in die Richtung Cassies wehen ließ was dem Jüngeren einen kurzen aber abschätzigen Blick seines Mannes einbrachte in der Hoffnung, er verkackte es nicht gleich wieder.

Darum bemüht dem Kerl den er liebte trotz dem Packt sich nicht verraten zu dürfen irgendwie beizustehen, nutzte Claire die Gunst der allgemeinen Ablenkung und ließ unterm Tisch einen seiner Füße vorsichtig nach vorne wandern. Wenn er sich nicht allzu sehr wie ein tapsiger Bär anstellte, würde er den Schrecken für Cassie möglichst gering halten können und im Idealfall auf ein schmales Grinsen eindämmen können, von dem Adrianna noch idealer nicht denken würde, der fremde Kerl würde sich über ihren Versuch ein wenig freundlich zu sein auch noch amüsieren.

Matthew hatte ja keine Ahnung wie sehr selbst die wenigen Minuten in Anonymität den Bären von Mann bereits quälten und wie sehr er den anderen vermisste, selbst wenn sie sich gegenüber saßen. Es war ungewohnt nicht die Finger voneinander zu lassen weil sie es wollten, sondern weil sie es mussten – aber von Füßen, da hatte niemand was gesagt.

Wagemutig und unter der geschickten Ablenkung eines ersten Ablegens seiner Karten, reckte Clarence seinen Fuß etwas weiter nach Matthews Bein aus und gerade als sein mutiges Manöver erste Früchte trug…

Trat sein Mann ihn dafür auch noch verhöhnend gegens Schienbein?!

„Mein Gott, zieh doch deine Stelzen unterm Tisch ein, Sky. Der Platz hier unten ist nicht alleine für dich und deine Käsemauken reserviert, hier sitzen auch noch andere Leute!“, mokierte sich Cameron wie eine Betonmauer von Nordwest über den Tisch hinweg über seine Unfähigkeit gesellschaftsfähiges Tischverhalten an den Tag zu legen und lehnte sich etwas zurück, um besseren Überblick zu haben und darunter benannte Mauken zurück an ihren Platz unter die Bank zu verweisen.


Matthew C. Reed

Beinahe hätte ihr kleiner Kartenabend etwas vertrautes an sich. 

Die Elster war ein unkomplizierter Zeitgenosse, er lachte laut wenn ihn etwas amüsierte, hatte einen gesunden Appetit und schien keine besonderen Animositäten zu hegen. 

Adrianna konnte Matthew weniger gut einschätzen, die befürchteten Blicke des Todes blieben zwar während dem Essen und dem Spiel aus, aber sie beachtete Matthew die meiste Zeit überhaupt nicht.

Aber das nahm Matthew ihr nicht übel, wahrscheinlich wäre er nicht freundlicher gewesen, würde er an ihrer Stelle sein. Und so suchte der junge Mann weder das imaginäre Haar in der Suppe noch fand er es. 

Während sie aßen und tranken und dabei eine neue Runde Karten nach der anderen spielten, achtete er unauffällig auf die Hände der Rothaarigen um etwaigen Betrug sofort aufklären zu können. Doch statt zu schummeln, spielte sie fair und gab Cassie keinen Anlass zu intervenieren. Sie erzählte ausschweifend von ihrer Reise und davon wie sie in Rio Nosalida versucht hatten, den Golden Cross nicht aufzufallen - ein Unterfangen welches ihnen vermutlich nicht einhundert prozentig gelungen war, immerhin hatte der Jägerclan wirklich überall seine Späher. 

Vielleicht waren die Satanstochter und Herr Elster aber auch wirklich bessere Jäger als Kartenspieler - immerhin entschied Cassie gerade die dritte Runde in Folge für sich.

Ein Umstand, der ihm gefiel und durchaus dazu beitrug, dass er den Abend zunehmend genießen konnte auch wenn noch immer ein Mindestmaß an Anspannung in ihm herrschte. 

Unerwartet von Adrianna angesprochen, blickte der Dunkelhaarige in ihr Gesicht als urplötzlich Cameron zu seiner Linken lospolterte. 

Der Pomadengott echauffierte sich über Clarence‘ Käsemauken und alle der Gruppe richteten ihre Blicke unter den Tisch wo sich Claire reichlich breit gemacht hatte. Schnell zog der Blonde nun seine Füße wieder ein, trotzdem entging Matthew nicht wie weit er sie ausgesteckt hatte und das er seine Füße nur wenig verfehlt hatte. 

Der Hauch eines Schmunzeln legte sich auf die Lippen des Dunkelhaarigen, zur Kenntnis nehmend was sein kühner, geheimer Ehemann da versucht hatte. 

Flüchtig schaute er den Hünen an und konnte nicht verhindern, dass sein Lächeln eine Spur deutlicher wurde. 

Wären sie nun unter sich gewesen oder wäre es nicht so wichtig inkognito zu bleiben, Matthew hätte nun demonstrativ seine Füße nach denen des Blonden ausgesteckt. Doch unter den gegebenen Umständen zwang sich Matthew dazu, sich wieder Adrianna zuzuwenden. 

„Dazu gibt es keine Geschichte. Ich komm nicht gut mit Sturm auf See klar und von Coral Valley bis hierher gab es so einige Stürme.“, entgegnete er nahtlos und zog eine neue Karte vom Stapel. „Klar hätten wir auch den Zeppelin nehmen können, aber Clarence mag das Meer, also haben wir mein Boot genommen. Außerdem wäre ein Flug zwar schneller gewesen, aber auch nichts zum untertauchen. Unauffälliger war es auf jeden Fall mit dem Boot.“ Es war seine volle Absicht, dass er die Sache mit dem eigenen Boot nur als Nebensatz einstreute und die zwei ebenso beiläufig wissen ließ, dass er sich bei der Wahl ihres Reisemittels an den Wünschen und Vorlieben des Größeren orientiert hatte. 

Die beiden durften zwar nicht wissen, dass sie einander liebten, aber sie konnten ruhig merken wie sehr sie einander mochten. 

„Jedenfalls hat uns Sky in so viele Unwetter hineinmanövriert, dass ich zwischendrin manchmal geglaubt hab, er macht das absichtlich. Bin mir auch heute noch nicht sicher, ob er es nicht wirklich manchmal getan hat...“

Er warf Clarence einen Blick zu und lächelte ein kleines schiefes Lächeln, welches besagte, dass er ihm das durchaus zutraute und ihm zugleich nicht böse war. 

Dann warf er seine letzte Karte ab und entschied unerwartet auch diese Runde für sich, wobei er sich zurücklehnte und dabei seine Beine in Richtung Clarence schob.

„Aber wie auch immer, er hat uns hergebracht - nahezu ohne Schwierigkeiten.“

Er hielt große Stücke auf Clarence, etwas dass der Blonde hoffentlich wusste, auch wenn Cassie ihm das nicht immer so deutlich sagte oder zeigte. 

Aber im Gespräch mit anderen sollte kein Zweifel daran auftauchen, für wie kompetent Matthew den Hünen hielt, wie wichtig ihm seine Meinung war und wie sehr er seine Kompetenzen respektierte. 

Die anderen beiden mochten Clarence für Matthews Lehnsherren halten, aber das hatte nichts mit der Realität zutun. Matthew folgte ihm nicht weil er musste, sondern weil er wollte. Über das warum mussten sie beide freilich Stillschweigen bewahren, aber wenn sie darüber schon nicht offen reden durften, dann wollte Cassie zumindest klarstellen, dass ihre Beziehung zueinander freundschaftlich und vertraut war - und auf weit mehr gründete als auf Schuldigkeit oder Bequemlichkeiten. 

„Und jetzt sitzen wir alle vier hier...und ich ziehen euch ab, weil ihr alle Karten spielt wie kleine Mädchen.“, spielte er den Ball hoffentlich auf so keck-charmante Weise zurück, dass Adrianna sich nicht auf den Schlips getreten fühlte. 

Dass sein vorzeitiger - und nun mehr vierter Sieg in Folge - darauf zurückzuführen war, dass er eine der Karten galant unterschlagen hatte, war zweitrangig und trübte kein bisschen seinen offenen Blick mit dem er Adrianna bedachte. 

 


Clarence B. Sky

Während Cassie das Haar in der Suppe nicht finden konnte, fühlte sich Clarence, als hätte er einen ganzen Haarballen im Mund, nachdem Cameron seine Füße zurück an ihren Platz verwiesen hatte.

Es war befremdlich und deprimierend erstmals seit… gefühlt überhaupt mit seinem Mann in einer beinahe schon vertrauten, freundschaftlichen Runde mit anderen zusammen zu sitzen und dann durfte er diesen Kerl noch nicht einmal dabei anhimmeln. Dass es ihm eines Tages derart schwer fallen würde seine Gefühle für Matthew vor anderen verbogen zu halten, wäre ihm noch damals in Coral Valley niemals in den Sinn gekommen und nun saß er hier. Dazu gezwungen artig an seinem Platz zu bleiben, die Füße im wahrsten Sinne still zu halten und dem Dunkelhaarigen nicht mehr zu schenken als dem Kartenspiel geschuldete Blicke die nicht mal annähernd still das verrieten, was der junge Mann für ihn war.

Widerwillig versuchte Claire sich durch das an ihm vorbei rauschende Gespräch abzulenken, etwas das plötzlich ziemlich gut gelang als der andere ihm tatsächlich vorwarf, ihre kleine Nussschale mit voller Absicht in Sturmböen und Gewitter hinein gesegelt zu haben.

„Dafür bin ich mir ‚ziemlich sicher‘, dass es einfacher gewesen wäre im Zeitplan zu bleiben, wenn du mich nicht stundenlang alleine da oben an Deck zurück gelassen hättest“, verteidigte der Jäger seinen nicht vorhandenen Ruf Gefahren zu vermeiden und schüttelte dabei entsetzt über so viel Dreistigkeit den Kopf. Aus den Augenwinkeln fiel ihm dabei auf, wie irritiert der Pomadengott die Brauen gehoben hatte und tonlos die Worte Clarence mag das Meer wiederholte, ganz so als habe nicht nur die Formulierung, sondern auch die Betonung einen eigenartigen Beigeschmack den er nicht zu interpretieren wusste – doch wenn ihm daran tatsächlich etwas Liebevolles aufgefallen war, so ließ der Dummkopf es sich nicht anmerken.

„Hätte ich zwei Hände mehr gehabt um an schwierigen Stellen anzulegen, hätte ich sie nicht links liegen lassen und noch weitere zwei Stunden weiter durch Wind und Wetter preschen müssen. Aber nein, der werte Herr Reed braucht natürlich seinen Schönheitsschlaf, damit man ihm die Kotzorgien am nächsten Morgen nicht mehr ansieht. Prioritätensetzung war eben noch nie so wirklich deins.“

Gut, genau genommen hatte Cassie unten in der Kajüte nicht geschlafen sondern einen Großteil der Nächte seinem Mageninhalt guten Tag gesagt und wie aus dem Ei gepellt hatte er nach dem Aufstehen nur an den Tagen ausgesehen, an denen sie nicht zurück in See gestochen, sondern vor Anker geblieben waren. Doch das waren Details die er den anderen beiden nicht gönnen wollte, immerhin gehörte dieses liebenswert zerrupfte Post-Sturm-Huhn Clarence alleine und wenigstens das war etwas, das er nicht hergeben wollte.

Sich zur Tischmitte hin ausstreckend, langte Adrianna indes nach den Karten um den Stapel neu zu mischen, nicht müde werdend auch noch eine fünfte Runde an den Neuling zu verlieren. Dass es ganz sicher nicht mit rechten Dingen zugehen konnte wie nahtlos der Dunkelhaarige hier alle abzog, das war ihr offensichtlich und doch schaffte sie es ihre spitze Zunge wenigstens dahingehend zu zügeln; wer Fremde, mit denen man ab heute ziemlich lange unterwegs sein würde, schon am ersten Abend direkt über den Tisch zog, der klaute auch sicher kleinen Kindern ihre Lollies. Bislang konnte sie nicht abschätzen was für ein Schlag Kerl dieser Matthew Reed wohl war, aber wenigstens diese Ungewissheit war etwas, das sie beide gemeinsam hatten und das auf Gegenseitigkeit beruhte.

„Um ehrlich zu sein klingt das, was dein neues Anhängsel über dich von sich gibt, schon ziemlich nach dir. Alleine die Aussicht darauf dir meterhohe Wellen zu unterwerfen und dabei nicht nur dein eigenes, sondern auch das Leben von ein paar Unschuldigen potentiell mit in den Tod zu reißen, muss dich ja unglaublich aufgegeilt haben“, setzte die Rothaarige noch eine Schippe drauf, immerhin musste man das Eisen schmieden solange es noch heiß war. Außerdem war es der jungen Frau ein ganz besonderes Anliegen dem abtrünnigen Freund in den kommenden Tagen möglichst oft ungerechtfertigte Vorwürfe zu machen, verdient hatte er sich das durch seine viel zu lange Abwesenheit wenigstens.

Hörbar flatterten die Karten durch ihre Hände als sie den Stapel durchmischte, sichtlich nicht das erste Mal damit beauftragt, sich um die Vorbereitung der Spiele zu kümmern. Eine perfekte Aufgabe um den Blick oberhalb der Tischplatte zu behalten und für Claire dadurch umso mehr Grund, es sich ähnlich wie Cassie etwas bequemer zu machen.

Zaghaft schob er sich mit den Zehen wieder über den steinigen Boden hinweg voran, wohl darauf bedacht sich von der Tischmitte fern zu halten, nur um schließlich mit Erfolg auf jenen Widerstand zu treffen, den er sich schon beim ersten Mal damit erhofft hatte.

Zufrieden mit sich selbst und hart bemüht darum es sich nicht anmerken zu lassen, schob er seine Stampfer an Cassies vorbei, nahm den Knöchel des Jüngeren zwischen seine eigenen und verhakte die Füße ineinander, um das Bein des Jüngeren zu seinem Gefangenen zu machen. Der Kerl sollte nicht glauben, er entkam seinem besitzergreifenden Bären fortan oder man würde ihn je anderweitig aus Clarence‘ Fängen retten können, dafür war es längst zu spät.

„Letzte Runde. Als verwöhntes Mädchen mit Boot unterm Arsch war der Tag sicher reichlich anstrengend für jemanden wie dich“, verkündete derweil Adrianna, welche damit begonnen hatte neu auszuteilen, gen Partygast und wies damit nicht etwa einfach nur darauf hin, dass es langsam zu dämmern begann und damit ihre Kartenrunde fortan erschwert sein würde - sondern unterschwellig auch darauf, dass ein gewisser Knecht sich zu gegebener Zeit ja um das Aufschlagen des Bettes im Zimmer seines Lehnsherren kümmern wollte.

Still nahm Clarence seine Karten auf, musterte das aufgeteilte Blatt in seiner Hand und entgegnete währenddessen beiläufig etwas, was der jungen Frau sichtlich sauer aufstieß: „Reed ist zäher als du denkst. Den bringt ein bisschen Tagesmarsch nicht so schnell aus der Fassung, was das angeht kannst du mir glauben. Außerdem ist der Typ alt genug um selbst zu entscheiden wann er ins Bett geht, denke ich.“

Hatten die Blicke der Rothaarigen Cassie noch nicht getötet, so war es just in dieser Sekunde nur eine Frage der Zeit bis stattdessen Clarence das zeitliche segnen würde. Doch statt erneut loszupoltern, versuchte Adrianna ihren Zorn irgendwie herunter zu schlucken, wohl darum bemüht keine Szene zu machen nun wo noch vereinzelt Leute um sie herum an den Tischen saßen und sie sich nicht einfach gehen lassen konnte.

„Dein Wort in Gottes Gehörgang, Clarence. Aber wenn dein kleiner Freund hier sich morgen beklagt, dass du ihm Alpträume beschert hast, dann schieb das nicht mir in die Schuhe. Und erspar mir deine bescheuerten Blicke, wenn du mich schon mit deinem beschissenen Schweigen strafen musst.“

Eine Anforderung die ziemlich hochangesetzt war und sich schon jetzt als schwierig offenbarte angesichts dessen, dass Adrianna ihm ob stillen Blick mit erhobenen Brauen als Retourkutsche zwei Karten mordlustig aus der Hand schlug.

„Du bist so ein dummer Wichser, Sky…“

„Addy“, versuchte Cameron halbherzig zu beschwichtigen, indem er ihr die eigenen Hände etwas näher an die Brust schob und sie sich genötigt sehen konnte sich durch ihr Blatt abzulenken statt weiter an die Decke zu gehen. Wie sich ihr Wiedersehen gestaltete passte ihr nicht und ohne Frage fand auch Barclay es maximal verschroben hier am Tisch zwischen ihnen einen Fremden sitzen zu haben den sie nicht kannten, der aber trotzdem Einblick in die dunkelsten Geheimnisse erhalten sollte, die man als rebellischer Jäger nur führen konnte. Aber wenn Clarence der Ansicht war, dieses Theater hier mit ihnen abziehen zu müssen, dann gab es sicher irgendeinen Grund dafür – das verstand sogar der Pomadengott und versuchte zu schlichten, indem er die Bedienung heran winkte und eine Runde Schnaps auf seine bescheidenen Kosten für die Runde orderte.


Matthew C. Reed

Es gab sie, die seltenen Augenblicke in denen Clarence Sky noch immer der verschwiegene und eigensinnige Kauz war, den er früher so oft gemimt hatte. Dann sprach er nicht gerade in den höchsten Tönen von seinem Begleiter Reed, sondern schilderte auf nüchtern-reservierte Weise seine Sicht auf die Umstände, die ihn dazu getrieben hatten durch jedes Unwetter zu segeln. 

Und doch gab es sie... die Nuancen in seiner Stimme, die sich unterschieden zum Tonfall von früher. Clarence ließ sich augenscheinlich nichts anmerken, leistete sich keinen Fauxpas der sie vor den beiden verriet...und doch kam es dem Dunkelhaarigen so vor, als würde der Größere eine unterschwellige Wärme in der Stimme haben. Eine Wärme, die früher nicht da gewesen war.

Wie um seinen stillen Verdacht zu bestätigen, schoben sich plötzlich die Füße seines Gegenübers zu ihm herüber und nahmen eines seiner Beine kurzerhand in Geiselhaft, den Plan endlich umsetzend, den er wenige Augenblicke zuvor schon gefasst hatte. Dass Matthew darauf nicht mit dem größten Grinsen in der Weltgeschichte reagierte, war ganz allein seinem Pokerface zu verdanken und doch sah man ihn unterdrückt schmunzeln.

"Es klingt nach ihm, weil es genau so gewesen ist.", pflichtete Matthew Adrianna bei, um alle Zweifel bezüglich seiner Schilderung auszuräumen. Sein Lächeln unterstrich indes lediglich seine selbstbewusst-gelassene Attitüde und fügte sich nahtlos ein in das Bild welches er bot. Was sich nicht in dieses Bild gefügt hätte und was der Dunkelhaarige dennoch am Liebsten getan hätte, war sich über den Esstisch zu lehnen, Clarence am Kragen seines Oberteils zu sich zu ziehen und ihn jetzt und hier vor allen zu küssen. Aber außer in seiner Fantasie, durfte es derartige Nähe gerade nicht zwischen ihnen geben.

Wie wenig die Rothaarige am Tisch wusste was eigentlich gespielt wurde, offenbarte sie schon wenig später als sie die Karten neu mischte und vergab, während sie auffällig unauffällig Matthew auslud, nach dem Spiel weiter bei ihnen zu sitzen. Cassiel nahm ihr Gerede unkommentiert zur Kenntnis, Zeit, in der mit gewohnt beiläufiger Stimme Clarence ein paar Worte brummte. Dabei klang er unaufgeregt, beinah unbeteiligt sogar - fast so als rede jemand ohne großen Elan über das Wetter, weil selbiges ja ohnehin offensichtlich war. 

So gelassen der Bär von Mann sich äußerste, so sehr brachten seine Worte Adrianna aus der Fassung und für einen kurzen Moment schien es, als würde der Abend eskalieren noch bevor er richtig angefangen hatte. Aufmerksam blickte Matthew zwischen den Parteien hin und her und erkannte, dass nicht mehr nur er unbeliebt war, sondern das Clarence drauf und dran war seinen Kredit bei der Frau zu verspielen. Sie war außer sich, viel mehr als das Geplänkel zuvor es hätte vermuten lassen und ihr Nervenkostüm war alles andere als strapazierfähig.

Es war ausgerechnet Barclay, der sie dazu mahnte sich zu beruhigen und damit zumindest vorläufig Erfolg hatte.

Aber dieser stand auf wackligen Beinen und Matthew begann daran zu zweifeln, dass es klug war ihnen zu sagen, dass er bereits eingeweiht war. Der Zorn der bereits jetzt in der Luft lag und der geprägt war von Angst und Unsicherheit, weil mit ihm eine Komponente an diesem Tisch saß, die man nicht einschätzen konnte, würde in Aggression umschlagen können... und damit wäre niemandem gedient.

Und dennoch war Cassiel auch klar, dass es niemals leicht werden würde ihnen klarzumachen, dass er schon Bescheid wusste. 

"Adrianna.", nannte er die Tochter des Satans beim Namen und schlug zum ersten Mal einen Tonfall an, der weder heiter noch locker, sondern ernst und eindringlich klang. Die Angesprochene richtete ihren Blick nun auf ihn, fixierte ihn über den Tisch hinweg während ihre Nasenflügel vor Zorn bebten. Ihre Wut über den unerwarteten Ablauf der Dinge war so groß, dass Matthew glaubte sie regelrecht in der Luft riechen zu können. 

Sie und die Elster hatten keine Ahnung wer er war, woher er kam, was er hier wollte und warum er überhaupt mit Clarence reiste. Die drei hatten ein Komplott geplant und einen Mord auf dem Kerbholz dessen öffentlich-werden sie alle den Kopf kosten würde. Deshalb hatten sie allen Grund dazu nervös zu sein.

Kurz wog Matthew noch ab, überlegte ob es klug war die Karten offenzulegen oder ob die Zeit noch nicht reif war. 

Dann eröffnete er mit den Worten:

"Wir können noch ein paar Runden Karten spielen und dabei Schnaps trinken, aber wir wissen alle warum wir eigentlich hier sind.“, und entschied sich dafür, das Pflaster des Nichtwissens schnell abzuziehen - auch wenn es wehtat. Vielsagend hielt Matthew ihrem stechenden Blick stand, ließ ihr Zeit ihn anzustarren und für sich selbst abzuwägen wie er das meinen könnte und ob er meinte wonach es klang. 

„Ich weiß Bescheid, über alles. Aber wenn es dir trotzdem lieber ist, dass ich euch allein lasse und so tue als wäre ich das Mädchen, für das du mich hältst, dann sag es einfach. Dann spiel ich das Dummchen für dich, wenn du dich damit besser fühlst. Ansonsten...schlage ich vor wir überspringen den Teil, bei dem du mich unter einem lächerlichen Vorwand außer Hörweite schickst und ich so tue als hätte ich keine Ahnung was ihr besprechen werdet.“ 

Reglos starrte Adrianna ihn an und selbst Cameron schien seine Zunge verschluckt zu haben. Von den wenigen Gästen die noch draußen saßen kümmerte sich derweil niemand um den Vierertrupp und das war ein echter Segen, angesichts des Blickes, mit dem die Rothaarige Matthew fixiert hielt.

Was auch immer in ihr und Cameron vorging, für die Dauer eines langen Augenblick schien es, als hielten die beiden regelrecht den Atem an. Clarence, der ja ohnehin wieder dazu genötigt war den Schweigsamen zu mimen, ließ sich nicht dazu hinreißen den Worten des Jüngeren noch etwas anzufügen und so war es Adrianna, die als Erste das Schweigen wieder brach in dem sie, an Clarence gewandt fragte: „Willst du uns eigentlich komplett verarschen?!“ , aber noch ehe der Größere dazu kam zu antworten, forderte sie ihn auch schon auf, das eben Gesagte zu revidieren. 

„Du hast ihm nicht wirklich alles erzählt, Sky, sag mir dass der Kerl keine Ahnung hat wovon er redet!“ - daraufhin seufzte Cassie, schnappte sich sein Schnapsglas und kippte den Inhalt auf Ex herunter.

„Scheiße Sky...“, fasste der Pomadengott zusammen, wobei er klang als hätte man ihm in die Magengrube geboxt. „Ihr solltet euch entspannen, ich-...“, setzte Matthew an als Adrianna plötzlich mit der flachen Hand auf den Tisch schlug und zwar so heftig, dass die Gläser klirrten. „Du sagst mir nicht wann ich mich entspannen soll!“, herrschte sie ihn an, während Barclay sichtlich angepisst zu Clarence blickte und ihn, über die aufgebrachten Worte der Frau hinweg, leiser aber nicht minder wütend ansprach. 

„Im Ernst? Hast du vollkommen den Verstand verloren?“, wollte er von dem Blonden wissen, dem er einiges zutraute, aber keinen Verrat. Und genau das schien es aber in den Augen der beiden zu sein, ein Verrat an ihnen und eine neue Stufe der Risikobereitschaft.

Das Matthew indes schon zweimal wiederholt hatte, auf ihrer Seite zu sein und keine Gefahr darzustellen, dass wurde im Moment weder von Adrianna noch von Barclay kommentiert , ja vielleicht auch gar nicht gehört. Sprachen sie doch mittlerweile alle durcheinander. 


Clarence B. Sky

War es ihnen beiden zu verübeln, Adrianna und Cameron, dass sie derartig auf die unerwartete Eröffnung des für sie völlig Fremden reagierten? Wohl kaum.

Sie kannten Matthew nicht, wussten nicht wer er war, was er für einer war, noch was seine Intentionen gewesen waren, ihren vermissten Freund heil hierher zu bringen. Sie hatten keine Ahnung was er mit den Informationen anfangen würde die er von dem blonden Jäger erhalten hatte und auf der Grundlage des Nichtwissens konnte man es auch Cassie irgendwie nicht übel nehmen, was der Kerl gerade für ein Chaos angerichtet hatte. Auf der anderen Seite war er weder mit den beiden Jägern, noch mit Jägern im Allgemeinen so wirklich vertraut – war das doch eine Zunft Mensch, die sowieso lieber unter sich blieb und nur wenig von sich preis gab.

Dennoch, gerade weil der Dunkelhaarige hätte schlauer sein müssen, löste Clarence einen seiner Füße aus der Geiselhaft um dem Jüngeren unterm Tisch unsanft mit seinem Knöchel einen Klaps auf die Wade zu geben. Zwar nicht so intensiv, dass es weh tun konnte – immerhin wollte er ganz sicher keine Aufmerksamkeit dahingehend erregen, was hier unterm Tisch passierte – aber gerade genug damit sein Gegenüber erahnte, was er sich eigentlich gerade stattdessen verdient hatte.

Noch während das leise Klirren der Schnapsgläser ob Adriannas Schlag auf die Platte verklang, dachte Clarence für den Bruchteil einer Sekunde darüber nach ob es nicht tatsächlich schlau wäre, den Schock über den neuen Mitwisser durch einen weiteren Schock abzumildern indem er seinen Ehering unterm Hemd hervor zog und ihre Bindung outete. Das hätte wenigstens erklärt warum dieser fremde Typ unsinnigerweise in das Komplott eines halben Jägerclans eingeweiht worden war und warum Clarence so viel auf ihn hielt, dass er ihn derart auffällig unauffällig verteidigte.

Beinahe schon beiläufig und scheinbar desinteressiert an dem aufkeimenden Tumult um sich herum, kratzte der Blonde sich mit der Ecke seiner Karten an der Stirn – eine Metapher die Cassie hoffentlich wahrnahm und verstand als den handfesten Vogel, den Claire ihm gerade am liebsten gezeigt hätte.

Irgendwo am Rande des Gesprächs rannen die Worte des Jüngsten in der Gruppe durch die Wahrnehmung der beiden anderen hindurch, während Adrianna schließlich selbst mit Cameron zu diskutieren begann über das Für und Wider des Streits, der gerade vom Zaun gebrochen war. Sie war niemand der sich gerne bevormunden ließ, selbst – oder besser: erst recht – dann nicht wenn sie wusste, dass jemand anderes im Recht war. Dass sie Cassie nicht kannte und er kein Teil der Rangordnung im Clan war, vor dem sie hätte kuschen müssen, machte es ihr zusätzlich einfacher aus der Haut zu fahren und als selbst Cameron sie nicht mehr bändigen konnte war es nur noch eine Frage der Zeit, bis die Bank auf der Clarence saß plötzlich einen Ruck machte just in diesem Moment, als die Rothaarige aufsprang und dabei das halbe Mobiliar unter sich verschob.

„Ich muss mir das nicht antun. Weder dich, noch dich-“, sprach sie direkt Cameron und dann jenen Mann an, von dem sie sich eine Erklärung unter vier bis sechs Augen erhofft hatte, bis sie zu Cassie gelangte. „-und dich erst recht nicht. Macht euer Ding hier alleine weiter, ich bin ra—“

Setz…“, unterbrach schließlich ein tiefes Grollen von der Seite den Keifanfall der jungen Frau, bevor seine Stimme sich in ein leises Zischen niederbrach: „dich hin.“

Während Clarence eine Hand an ihren Hosenbund legte und sie daran mit einem kräftigen Ruck zurück auf die Bank beförderte, taxierte er sie mit einem unausweichlichen Blick der sagte, sie sollte es besser bloß nicht zu weit treiben. Es waren der gleiche Ausdruck und Tonfall, den auch Matthew schon oft zu spüren bekommen hatte wenn es verdächtig still um seinen Begleiter geworden war und er es trotzdem immer weiter auf die Spitze getrieben hatte.

Schier verschreckt von dem Übergriff, starrte Adrianna ihn an und erntete dafür einen weiteren eindringlichen Blick zweier stechend graublauen Augen, denen man im Moment besser nichts entgegensetzen sollte.

Wenn wir zurück sind, dann bin ich derjenige, der die Geschehnisse ausbaden muss. Nicht du und auch nicht du“, sprach er die beiden abwechselnd an in einer ähnlichen Manier, wie Adrianna selbst eben die Leute an die Wand gestellt hatte und spiegelte ihr damit hoffentlich ihr unpassendes Verhalten. „Wenn ihr wollt, könntet ihr die Füße hochlegen und mir entspannt beim Untergang zusehen. Aber ich hatte genug Vertrauen in euch, um die Sache mit euch zu planen und durchzuführen. Selbst was dich Trottel angeht.“

„Hey!“, warf Cameron entrüstet über die anhaltende Feindseligkeit ein doch verstand schnell, die Ansprache war keine Bühne, um erneut irgendein Theater zu beginnen.

Du solltest begreifen, Addy, dass ich mein Vertrauen nicht grundlos hergebe. Reed weiß nicht Bescheid weil er irgendein Knecht ist oder ein naiver Idiot der gerade gut genug dazu ist, mich heil durch den Winter hindurch hier anzubringen – sondern weil er mein Vertrauen verdient hat. Genauso wie ihr es euch verdient habt, mit der Zeit.

Dachte das Weib etwa, er war sich weder heute noch damals der Gefahr bewusst gewesen die es bedeutete, sich gegen seinen eigenen Lehrmeister und Anführer aufzulehnen? Jedes Wort zu viel gegenüber dem Falschen hätte sie nicht hier und heute an diesem Tisch wieder zusammen gebracht unter dem Umstand genau das erledigt zu haben, was sie über Wochen und Monate hinweg geplant hatten.

Es gibt weder für dich einen Grund von diesem Tisch aufzustehen, noch für Reed. Nicht etwa weil ich euch noch für irgendetwas brauche, sondern weil ich euch hier haben will.

Es stimmte, er hatte viel mit der Rothaarigen durchgemacht. Den Plan wie sie es schaffen würden Nagi gemeinsam mit ihm weg zu locken, ihm ein Alibi dafür zu geben ihn zu ermorden und es dabei als unausweichlich dastehen zu lassen dass die Dinge so enden würden, den hatte er ganz alleine mit Adrianna geschmiedet. Niemand anderes aus der Truppe war eingeweiht gewesen, etwas das die allgemeine Fassungslosigkeit nur umso glaubwürdiger gemacht hatte – zumindest so weit, wie Claire sie damals noch mitbekommen hatte vor seiner Abreise.

Aber all die Abende, in denen er mit ihr alleine zusammen gesessen hatte, hieß nicht, dass sie nun einen Anspruch auf eine Privataudienz bei ihm besaß. Der große Nagi Tanka war tot, genau das hatte sie gewollt… und alle weiteren Informationen die darüber hinaus gingen, die entsprangen seiner Gunst ihr gegenüber und nicht dem, dass er ihr noch irgendetwas schuldig gewesen wäre. Nicht, nachdem er für alle als einziger den Kopf hingehalten hatte.

„Hör auf dich wie eine…“ – ‚Verrückte‘ lag ihm auf der Zunge, doch mit einem kleinen Holpern schaffte er noch irgendwie die Kurve, bevor die Szenerie erneut eskalierte – „wie Eine zu benehmen, die mutwillig Aufmerksamkeit auf sich zieht, und halt endlich die Füße still.“

Unter leisem Kratzen schob er ihr ein weiteres Schnapsglas über dem Holz des Tisches, ein Angebot dass sie schweigend annahm in dem Versuch, gemeinsam mit dem Alkohol auch ihre Wut hinunter zu schlucken. Die wieder hergestellte Ruhe war es, die wenigstens Clarence wieder etwas Entspannung verschaffte und ihn dazu antrieb seine Füße erneut unterm Tisch den Matthew wandern zu lassen; einen dieses Mal sachte an dessen Wade hinauf, dort wo sie nun hoffentlich noch eine ganze Weile bleiben würde, wenn Adrianna ihn nicht doch noch mal mit irgendwas verschreckte.

Leise räusperte sich Cameron, unsicher zwischen den drei anderen umher blickend, bis er schließlich unbeholfen damit begann einzelne seiner Karten wieder auf die Hand zu nehmen.

„Als ihr weg wart, da… war es ziemlich still im Haus. Es hat bestimmt fast eine Woche keiner mehr beim Essen geredet, ständig sprang der nervige Arzt durchs Haus und hat an Adrianna herum geschnitten. Es war dann irgendwann besser, aber je näher Hunters Chase gerückt ist… das hat die angespannte Stimmung irgendwie zurück gebracht. Keiner weiß was er da erwarten soll und wir wussten es auch nicht, bis ihr heute hier aufgetaucht seid.“

Da entschuldigte zwar weder Adriannas Verhalten, noch machte das irgendwas besser – aber wenigstens war es ein freundlicher Versuch seitens Cameron keine unangenehme Stille einkehren zu lassen und auch das Angebot auf die Worte des Blonden zu vertrauen, indem er die Lage auch an Matthew gewandt erläuterte.


Matthew C. Reed

So rasant wie sich die Dinge an ihrem kleinen Tisch zum Negativem entwickelten, standen die Chancen gut, dass sie noch vor Einbruch der Nacht aufeinander losgehen würden. 

Je weiter Adrianna sich in ihre Wut hineinsteigerte umso vehementer versuchte Matthew zu erklären, dass er weder ihr persönlicher Feind noch ein Feind ihres Komplotts war. 

Aber die Rothaarige hörte ihm gar nicht zu und auch Barclay schien sich eher darin zu üben die aufgebrachte junge Frau wieder zu beruhigen als ihm zuzuhören. 

Und egal was er sagte oder wie er argumentierte, die zwei waren taub für seine Stimme. 

Es war freilich abzusehen gewesen, dass Matthews Eröffnung nicht für Jubelschreie sorgte, von daher war der tadelnde Tritt von Clarence mehr als gerechtfertigt. 

Trotzdem glaubte der Jüngere, dass es richtig gewesen war die Karten gleich offen auf den Tisch zu legen, anstatt sich diese Offenbarung für wann anders aufzuheben. 

Jetzt konnte man ihn nicht leiden und sollte sich daran je etwas ändern - was der Dunkelhaarige aktuell bezweifelte - dann würde jene Klarstellung sie nur wieder zurückwerfen.

„Okay...ich gehe...“, fasste er schließlich seinen Entschluss zusammen als ihm klar wurde, dass man ihm erstens kein Gehör schenkte und zweitens die Sache zunehmend zu eskalieren drohte so lange er mit am Tisch saß. 

Just in diesem Moment erhob sich aber auch Adrianna von ihrem Platz, wobei sie es so schwungvoll tat, dass die Bank mit einem geräuschvollen Knarzen zurückgeschoben wurde. 

Aber ihr dramatischer Abgang wurde vereitelt noch bevor sie ihn in die Tat umsetzen konnte und zwar von keinem Geringeren als Clarence Bartholomy Sky, der sie mit tief brummender Stimme dazu aufforderte sich wieder hinzusetzen und sich nicht so zu benehmen. 

Die Art wie er mit ihr sprach und sie dabei ansah war eine unmissverständliche Drohgebärde die besagte, dass er keinen Widerstand duldete. 

Auch Cassie, der nicht mal Ziel jener Intervention des Hünen war, verwarf sein Vorhaben zu gehen wieder und blieb sitzen. Betreten schaute er zur Seite, weg von Clarence und der Frau und auch weg von Barclay. Sein Herz hämmerte schnell und aufgebracht in seiner Brust, aber er tat gut daran den Mund zu halten - was ihm mehr als schwerfiel. 

Er fühlte sich nicht wohl, weder in der Gesellschaft dieser Leute, noch unter dem wachsamen Blick von Clarence, der den Tumult niedergeschlagen hatte ohne auch nur ein bisschen laut werden zu müssen. 

Selbst dass er den beiden eindringlich versicherte, dass er Matthew vertraute, konnte daran nichts ändern, dass sich Cassie vollkommen fehl am Platze fühlte. Sie vertrauten ihm nicht und das war klug, immerhin kannten sie ihn nicht. Er selbst vertraute den beiden ebensowenig, nur konnte er sein Misstrauen besser kaschieren als es die junge Frau tat. 

Noch immer den Blick in die Ferne gerichtet und dem Gespräch nur noch passiv folgend, hörte er Cameron zu. Seine Karten hatte er nicht wieder aufgenommen und sah auch vorläufig davon ab, es wieder zutun. 

Von so etwas wie dem Hunters Chase hatte er noch nichts gehört, verspürte allerdings auch nicht den geringsten Drang dazu sich an dem Blabla zu beteiligen welches die Stille zu füllen versuchte. 

Barclays Versuch zu deeskalieren war löblich und fruchtete nach einigen weiteren Monologen seinerseits sogar. Adrianna nahm schließlich eine seiner Vorlagen an und beschrieb ihrerseits wie sie die Zeit nach Clarence’ Verschwinden im Clan erlebt hatte. 

Sie erging sich nicht in Details darüber wieso der Arzt immer wieder an ihr herumgeschnitten hatte, aber das musste sie auch nicht. Immerhin wusste er von Clarence, dass dieser sie im Zuge ihres genialen und geheimen Planes abgestochen hatte. Aber Gott bewahre, er würde den Mund bezüglich seiner Kenntnisse halten sonst spielte sie ihnen gleich die nächste Szene. 

Im Verlauf der nächsten halben Stunde, spielten sie ambitionslos die letzte Runde Karten zu Ende, wobei Matthew sich so reserviert und wortkarg zeigte wie Clarence es von ihm noch nie erlebt hatte. Statt zu reden oder sich zumindest ab und an durch Fragen oder Bemerkungen einzubringen, verlegte sich der junge Mann gänzlich aufs Zuhören. Lediglich einsilbig antwortete er, wann immer Barclay versuchte ihn in das Gespräch einzubinden, nicht verheimlichen könnend oder wollend, dass ihm nicht nach Smalltalk war. Also gab es auch Barclay irgendwann auf und schon bald redeten nur noch die drei über typischen Jägerkrempel, zu dem Matthew aufgrund von Unwissen nichts beitragen konnte. 

Der ominöse Hunters Chase wurde dabei immer wieder am Rande erwähnt und Matthew erfuhr aus den Gesprächen, dass es eine Art Festival war, das clanübergreifend stattfand. 

Was Sinn und Zweck dieser Veranstaltung war wurde nicht angeschnitten, aber es war offensichtlich ein zentraler Brauch der sich an alle Jäger richtete und nicht nur an einzelne Clans oder an auserwählte Mitglieder. 

„Ich dachte, die einzelnen Clans sind sich untereinander nicht grün.“, fand er schließlich nach geraumer Zeit wieder den Antrieb seine Stimme von sich aus zu gebrauchen. 

„Aber bei diesem Hunters Chase treffen sich alle und feiern irgendwas, oder wie kann ich mir das vorstellen?“

Rouge, der bei seiner Ausbildung sonst keinerlei Kompromisse eingegangen war, hatte ihn beim Thema der Jägerclans reichlich ungebildet gelassen. Er kannte ein paar Gilden mit Namen, kannte ihren Sinn und Zweck und wusste eben das über diese Zunft, was landläufig bekannt war. Traditionen und detailliertere Gepflogenheiten waren ihm unbekannt und auch Clarence hatte daran nichts geändert. 

Der Blonde hatte wenig über seinen Clan geredet und das war auch in Ordnung gewesen so lange sie unter sich gewesen waren. Aber jetzt, am Tisch sitzend mit drei Jägern, kam sich Matthew nicht nur überflüssig vor, sondern er war es auch. 

Er konnte zu den Gesprächen nicht wirklich etwas beitragen, weil er schlichtweg keinen Schimmer von dem ganzen Jägerkram hatte. 

Im Schein einer Laterne, welche der Tavernenwirt mittlerweile angezündet hatte und um die sich unzählige Nachtfalter und Insekten tummelten, lehnte sich Matthew mit dem Rücken an die Holzwand und blickte in die Runde.

Dem Fuß seines Mannes hatte er sich schon vor einigen Minuten entzogen, was selbigem bereits deutlich gemacht haben dürfte, dass Matthew sich nicht behaglich fühlte. 

Seine Laune hatte sich seit dem Streit vorhin nicht wieder gebessert und man sah ihm durchaus auch als Außenstehender an, dass er nach wie vor angespannt war. Am allerliebsten wäre er schon längst verschwunden, aber in Anbetracht der Tatsache, dass er ab sofort mit dieser Gruppe würde reisen müssen, war Zorn kein guter Ratgeber, außerdem passte er auf Clarence auf, falls dessen Freunde doch nicht die waren für die der Blonde wie hielt. 

Inwieweit er sich den ersten Grund seines Bleibens auch zukünftig immer wieder ins Gedächtnis würde rufen können war fraglich, doch derzeit versuchte er zumindest sich zusammen zu nehmen. 


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