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Falconry Gardens

31. Dezember 2210


Clarence B. Sky

Für Clarence, der so lange Zeit dieses stille Geheimnis gehütet und kein Aufsehens um seine Neigung zu Männern gemacht hatte, fühlte sich eben jener Moment im und nach dem Getümmel an, als wäre ihm eine Last von den Schultern gefallen von der er gar nicht wusste, dass sie da gewesen war. All die Jahre in seiner Heimat hatte er jenes Thema vermieden und selbst nach seiner Hochzeit mit Matthew war es ihm oft noch schwer gefallen von eben jenen alten Doktrinen loszulassen, die ihn so lange beherrscht hatten.

Auf einer Kiste zu stehen und eben davon eine Rede zu halten, was so lange verschwiegen worden war, wirkte seltsam verdreht und unwirklich - aber noch während sie wieder an ihrem Platz standen erkannte er, dass er endlich wieder Luft bekam. Fast so, als wäre er auf einem tiefen Tauchgang gewesen und nun auf seiner Rückkehr, das helle Glitzern der Sonne schon wieder irgendwo an der Wasseroberfläche und im Gefühl es noch ein wenig weiter auszuhalten den Atem anzuhalten, wenn es denn vonnöten war. Es war unangenehm zu spüren wie der Sauerstoff langsam weniger wurde und einem die Kraft dahin schwand, aber es würde gehen, ein bisschen noch würde man es schon aushalten. Doch zurück an der Oberfläche, den ersten japsenden Luftzug von kühler Morgenluft atmend, erkannte man, dass es längst an der Zeit gewesen war wieder aufzutauchen und wie gut es tat die kalte Luft und die warme Sonne auf dem Gesicht zu spüren - ganz ohne das schwere Drücken von tausenden Litern Wasser um sich herum, das versucht hatte einen unten in der dunklen Tiefe zu halten.

Es tat unheimlich gut so frei zu atmen. Mit Matthew an seiner Seite oder in seinem Arm, mit Leuten um sie herum die kein großes Aufhebens darum machten und die fast alle auf seinen Mann zugingen, ihn freundlich empfinden und ein lockeres Gespräch mit ihm suchten. Manch einer war interessiert an seiner Herkunft, daran wie sie sich beide kennengelernt hatten oder generell einfach nur, was für ein Typ Mensch Cassie war oder wofür er sich interessierte und wenngleich keines der Gespräche in dieser kurzen Zeit unfassbar in die Tiefe ging, so konnte er dem Dunkelhaarigen ansehen wie dieser sich zunehmend entspannte und auch Clarence selbst fiel es dadurch deutlich leichter sich für diesen Abend in geselliger Runde in diese spezielle Gemeinschaft einzufügen, derer er so lange fern gewesen war.

Doch so positiv wie die meisten Anwesenden im Saal auch auf seine Rede reagiert hatten, am Ende waren die anerkennenden Worte seines Mannes ihm doch noch immer die wichtigsten - immerhin hatte er versucht die passenden Worte vor allem auch für ihn zu finden, nicht nur für die anderen Jäger des Clans.

Genüsslich verleibte sich der Blonde also schließlich doch noch ein Bier ein von dem Cassie ihm keinen Tropfen zu stibitzen wagte und allen Krügen, die er an diesem Abend bereits gekostet hatte, schmeckte ihm wahrlich jener am besten, bei dem sie auf sich und ihre Ehe miteinander gestoßen hatten.

Adrianna hatte sich längst wieder verabschiedet, begleitet durch frohe Neujahrswünsche an Oliver, und noch während sie neben der Pokerrunde an einem weiteren Tisch saßen um dem Spiel zuzusehen, beugte sich schließlich sein Mann zu ihm hinüber um ihn auf etwas anzusprechen, mit dem Clarence an diesem Abend irgendwie am wenigsten gerechnet hatte.

Das Thema Lucy war speziell und wenngleich sie das Mädchen gestern als Überraschung und auch heute kurz besucht hatten um nach dem rechten zu sehen und sie aufs Fest einzuladen, so hatten sie doch an den Kern des Themas von Matthews Ankunftstag seitdem nicht mehr angeknüpft. Für Clarence, dem es schwer gefallen war dem Jüngeren von Gabriel und dessen Schicksal zu erzählen, war das nun endgültige verwaiste Kind, das keine Geschwister oder Familie mehr besaß außer einen ihr unbekannten Onkel in der Ferne des Nordens, ein schwieriges Thema. Da Cassie - aus der Sicht des Blonden jedenfalls - intensivere Bemühungen um Lucy ausgeschlagen hatte, irritierte ihn der plötzliche Sinneswandel seines Mannes und für einen kurzen Moment verriet auch der Blick des Jägers, dass er überlegen musste, ob er Matthew vielleicht falsch verstanden hatte.

Lucy?“, wollte er verständnishalber wissen und dachte darüber nach, ob er vielleicht eher Kain und Abel gemeint hatte. Doch die beiden verbrachten den Abend sicher oben im Hof des Clans und bei Cameron, damit die Menge an Leuten in der Stadt die beiden Hunde nicht verschreckte - oder vielleicht eher anders herum, damit ihre beiden verschmusten Riesen nicht irgendwelche Menschen erschreckten und traumatisierten.

Ich weiß nicht, ob die Tilmitts irgendwas…“ - geplant haben, wollte er sagen, immerhin hatte Lucy heute morgen ihre Einladung ausgeschlagen und wollte lieber bei Evelin und Ward bleiben. Das ältere Paar erfreute sich noch immer sehr an ihrer Gegenwart und hatte sich bislang noch kein einziges Mal über ihre Unterbringung bei den beiden gestört und sicher hatten sie wenigstens ein Abendessen Zuhause und gemeinsames Einstimmen gen Mitternacht im Sinn.

Aber - und darüber schämte sich Clarence nicht - waren ihm die Pläne des Paars so ziemlich egal. Immerhin ging es nicht darum die Tilmitts glücklich zu machen, sondern das Mädchen.

Nachdenklich blickte Claire hinab auf den schon wieder leeren Humpen seines Mannes und fragte sich ernsthaft, ob vielleicht eher der Alkohol den Wunsch sie abzuholen zutage gebracht hatte. Ein Schluck Bier hier, eine fixe Idee da - Cassie kam manchmal schon auf wirre Gedanken wenn er alleine an einem leeren Glas schnupperte, so wenig vertrug er an manchen Tagen und vor zweien erst hatte er zu Clarence gesagt er wisse nicht, ob er Lucy als Mündel bei ihnen haben wolle.

Sie nun zu überfallen schürte vielleicht Hoffnungen bei ihr, denen der Dunkelhaarige und er nie gerecht werden würden und trotzdem konnte Claire spüren, wie es ihm bei Cassies Vorschlag sie zu überraschen ganz warm im Bauch wurde. Lag aber vielleicht auch einfach an dem ersten Bier, das er endlich zur Gänze ausgetrunken hatte.

Schließlich hob der blonde Bär die Schultern und schüttelte kurz den Kopf um zu signalisieren, dass die Tilmitts ihm eigentlich ziemlich egal waren.

Ich denke, dass es am Jahreswendfest nie zu spät für irgendwas ist. Selbst wenn die Kleine schon was gegessen hat, die Buden haben noch ein bisschen auf und irgendjemand muss sich ja mit dir den ganzen Zuckerkram rein schieben und dich beim Dosenschießen in die Schranken weisen, wenn ich es nicht bin“, gab er offen zu, dicht an das Ohr seines Mannes gelehnt. Natürlich war er selbst auch nicht gerade schlecht darin mit einer Schusswaffe umzugehen, aber es war kein Geheimnis zwischen ihnen, dass Cassie auf Distanz der bessere Kämpfer von ihnen beiden war und Clarence eher die Auseinandersetzung Mann gegen Mann beherrschte. „Vielleicht… fällt es ihr ja leichter mitzukommen, wenn sie spontan zusagen kann und sich nicht den ganzen Tag den Kopf darüber zerbrechen muss, wie es sein wird unter Leuten zu sein.“

Das glaubte er wirklich - denn für Lucy wirkte momentan sicher jeder Schritt hinaus unter Leute wie eine unüberwindbare Aufgabe und den ganzen Tag diesen Druck im Nacken zu haben, war sicher nicht so einfach.


Matthew C. Sky

Clarence‘ Blick sprach Bände als Matthew Lucy erwähnte und fast hätte sich der Blonde eine kleine Kopfnuss eingefangen, so irritiert blickte er drein. 

Aber die Wahrheit war, dass Cassie dem Größeren keinen Vorwurf ob seines Zweifels machen konnte, immerhin war Matthew sich selbst nicht ganz schlüssig was das Mädchen anging. 

Mitnichten lag das an Lucy selbst sondern viel mehr an dem, was noch bevorstand. Mo‘Ann war eine unbekannte Variable, eine Größe von der Matthew noch nicht sicher wusste, wie er mit ihr umgehen sollte. 

Dank Frank Doolin, welcher in Citadel Pass sein Leben ausgehaucht hatte, wusste Matthew über Nagi Tanka Bescheid. Er wusste wer dieser Mann war und er wusste auch, dass eben jener gütige Mann gemeinsame Sache mit Le Rouge und seinen Jüngern des Wahnsinns gemacht hatte. 

Es lag nahe, dass seine Frau Bescheid gewusst hatte. Vielleicht nicht über alles im Detail - aber doch genug. Der gute alte Frank hatte sie in keinem guten Licht dastehen lassen und Matthew glaubte ihm das meiste. 

Trotzdem musste er die Worte von Mo’Ann persönlich hören, er musste wissen wer sie war und wieviel sie gewusst oder auch nur geahnt hatte.

Dieser Ort hier war ein guter Ort, Falconry Gardens lag topogtaphisch gesehen günstig, es war eine Stadt die florierte. Breit aufgestellt und wohlhabend - ohne den vulgären Protz gewisser Metropolen. 

Die Menschen die er bisher kennengelernt hatte waren freundlich gewesen. Einige offen und neugierig, anderer hielten sich eher bedeckt und zurück. Es waren gute Leute, hart arbeitend und einander wohl gesonnen- zumindest soweit Cassie das in der kurzen Zeit hatte überblicken können. 

Lucy würde hier sicherer sein als anderswo und doch wusste Matt nicht, ob das auch für ihn und Clarence gelten konnte. Das Mädchen zu holen, es richtig aufzunehmen, wäre unter anderen Umständen zweifellos das richtige gewesen. Doch wenn Mo‘Ann in den nächsten Tagen sterben würde, dann war Falconry Gardens nicht mehr der Ort für Clarence und ihn. Sie würden nicht hier leben können - Lucy hingegen schon. 

War es eine Bierlaune, dass er nun vorschlug zu Lucy zu gehen?

Nein. Es war weitaus mehr als das. 

Matthew wollte für das Mädchen da sein. Er wollte ihr helfen und ihr das an Frieden geben, was sie verdient hatte. 

Aber konnte er ihr ein Heim schaffen? Eventuell vielleicht. 

„Jetzt schau mich nicht so an als sei ich verrückt.“ - und schließlich verstand Clarence - und seine Worte ließen Cassie schmunzeln. 

„Als ob irgendjemand mich beim Schießen in die Schranken weisen könnte.“

Gemeinsam und lange nach Adrianna verließen sie schließlich das Moonkeepers um draußen in der Nacht ein Stadtfest vorzufinden, wie es Matthew noch nicht kannte. 

In der kalten Luft schwang das Gewirr hunderter Stimmen, Musik und Gelächter erfüllte die Straßen. Die bunten Wimpel und Girlanden wiegten sich im gezähmten Wind. Die Laune war ausgelassener geworden, geschuldet dem Met und Bier das in Strömen floss. 

Überall wurde getratscht, gelacht oder getanzt. Es war eine Nacht an die Matthew sich noch ewig erinnern würde, denn obgleich das Schwert der Ungewissheit über ihm schwebte, so war in jener Nacht alles im Lot. 

Clarence lotste sie nun mehr einen anderen Weg als den, den sie heute schon mal zu den Tilmitts gegangen waren. Vorbei an pittoresken Gärten, schmalen Gassen in denen Musiker heitere Lieder spielten. 

Cassie, der durchaus etwas beschwipst war, sog alle Eindrücke in sich auf wie ein Schwamm. Er beobachtete die Menschen und wie sie das Fest genossen, wie ausgelassen alle waren - so als liege im neuen Jahr nur Glück und Freude. 

Kurz vor dem kleinen Hof, dessen Herzstück ein windschiefes aber gemütliches Häuschen war, ließ Cassie Clarence‘ Hand los, blieb stehen und legte den Kopf in den Nacken um in den sternenklaren Himmel zu blicken. Milliarden silberner Punkte glommen in einem schwarzblauen Kissen aus Samt, so schien es. Und für einen Moment war das Fest ganz weit weg. Hier draußen war die Musik kaum mehr als ein Flüstern und die Wärme der zahlreichen Lagerfeuer war nicht zu spüren. 

Keiner sollte allein sein in dieser Nacht - schon gar kein junges Mädchen. Matthew straffte die Schultern, atmete einmal tief durch - was ihm gut dabei half seine Sinne wieder zu schärfen - und setzte sich dann wieder in Bewegung, eilte Clarence hinterher und überquerte den kleinen staubigen Hof. „Ich hoffe sie kommt mit. Irgendwie… ist es falsch zu wissen, dass sie hier ist - während alle anderen feiern.“ 


Clarence B. Sky

Festtage in Falconry Gardens waren nicht nur einen einfachen Besuch wert, sondern etwas ganz besonderes.

Die Hingabe, mit der die Leute hier ihre Feiertage zelebrierten, war nicht immer selbstverständlich gewesen. Noch keine vier Jahrzehnte war es her, da war die Stadt nichts weiter gewesen als eine winzige Ortschaft irgendwo im Nirgendwo, eingekesselt von einem tiefen bewaldeten Tal, das von Mutanten immer mehr besiedelt worden war. Handelswege, Bachläufe, die kleinen angelegten Weizenfelder - nichts war sicher gewesen und was nicht von Muties überrannt worden war, war vom Wild des Waldes zerfressen worden.

Erst mit der Ankunft der Jäger in der kleinen Siedlung hatte sich das Blatt für Falconry zum Besseren gewendet und das, was anfangs nicht mehr gewesen war als eine Anlaufstelle um Geld zu verdienen, war im Laufe eines arbeitsreichen Jahres zu einer Heimat für den Clan geworden. Später hatte man sich umbenannt und das Wahrzeichen der Stadt - nämlich den Falken - in den eigenen Namen aufgenommen um sich noch mehr mit der idyllischen Siedlung zu identifizieren und im laufe der kommenden Jahre war aus dem gemeinsamen Pakt eine florierende Kleinstadt geworden, in der man vom gegenseitigen Nutzen profitierte.

Vielleicht, wenn das neue Jahr und die Umstände es zuließen, würde Clarence seinem Mann die Geschichte jener Ehe zwischen Falconry und den Kestrel näher bringen. Doch die Möglichkeit bestand, dass es dafür am Ende gar keinen Anlass mehr gab, da sie vielleicht nicht allzu lange an diesem Ort verweilen würden.

Wenigstens in dieser Nacht wollte Clarence noch nicht an das denken was die Zukunft ihnen brachte. Viel zu viele Wochen hatte er damit verbracht sich den Kopf darüber zu zerbrechen was sein würde, sollte sein Ehemann nicht zu ihm zurück kehren… oder was sein könnte, wenn er hier ankam, aber er nicht mehr der Mann war, den er mit Barclay hatte in die weiße Wüste ziehen lassen.

All seine Sorgen hatten sich in den vergangenen zwei Tagen in Rauch aufgelöst und wenigstens für die Dauer des Festes wollte er nicht in diese alten Muster zurückverfolgen, in denen es nur darum ging, was wäre wenn. Denn im Augenblick gab es kein wenn, es gab kein aber und es gab vor allem keine Zweifel mehr daran, dass Cassie noch immer der Kerl war, in den sich Claire bis über beide Ohren verliebt hatte - nur noch ein bisschen ansehnlicher vielleicht, dank seiner neuen Kleidung am Leib und den definierten Muskeln, die sich darunter abzeichneten.

„Was ist los, alter Mann? Zu betrunken, um die letzten Meter zu laufen?“, imitierte er Vorwürfe, die zweifelsohne von Cassie gekommen wären wenn ihre Rollen vertauscht wären und drehte sich mit einem amüsierten Lächeln zu ihm um.

Hier oben am Stadtrand war es deutlich ruhiger als im inneren der Altstadt, aber das änderte nichts daran, dass man selbst hierher noch immer vereinzelte Festgen von Musik geweht wurden. Unten am Marktplatz hatte man wie jedes Jahr eine Bühne für Musiker und Aufführungen sowie einen Bereich für Tanzwütige errichtet, der schon jetzt gut besucht war. Doch auch in den Seitengassen hatten sich Straßenmusiker breit gemacht - mit einer Mütze oder einer Dose vor den Füßen zupften sie an ihren Gitarren oder schrammelten Über ihre Streichinstrumente hinweg, Lieder und Gerüchte aus der Ferne in ihre Mitte bringend, die von Heldentaten, Dramen oder Unfassbarem erzählten. Manchmal aber auch einfach nur von Unsinn, der Kinder unterhalten und Dumme an der Nase entlang führen sollte.

„Mhh… ich finde es ist falsch zu wissen, dass sie da drinnen hockt und Trübsal bläst statt auf dem Fest zu sein, während Gabe es nicht mehr kann“, betrachtete Clarence ihn, den Jüngeren musternd wie er hinauf in den Himmel blickte und schließlich eiligen Schrittes die Distanz zu ihm wieder aufholte. An Tagen wie diesen, wenn aus den unterschiedlichsten Gründen dieser besondere Zauber in der Luft lag, betrachtete er seinen Mann besonders gerne dabei wie er einfach nur er selbst war. Wie er ging, welche Eigenarten er an den Tag legte oder einfach nur wie die Mimik in seinem Gesicht tanzte, während er sich mit dem Blonden oder anderen unterhielt. Manchmal konnte er noch immer nicht fassen welch unverschämtes Glück er besaß, diesen Mann sein eigen nennen zu können und vielleicht würde er nie so ganz begreifen welche Wendung sein Leben schließlich genommen hatte, nachdem sie einander gefunden hatten. „Ein gar nicht mal so blöder Kerl hat nämlich mal zu mir gesagt, dass wir alle leben sollten, bis wir die anderen eines Tages wiedersehen. Ich denke noch immer, damit hatte dieser Kerl gar nicht mal so unrecht.“

Und das dachte er wirklich. Denn auch wenn dieses Mantra so gänzlich anders war als jene Selbstgeißelungen, die sich Clarence früher auferlegt hatte, hatte es dazu geführt seinen Horizont deutlich zu erweitern - und gerade Lucy hatte ihr Leben mittlerweile auch noch für drei andere zu leben, die all jene schönen Erfahrungen nicht mehr selbst machen konnten, die dem Mädchen noch bevor standen.

Es war kein Geheimnis, dass er lieber sie und Gabe heute Abend von den Tilmitts abgeholt hätte, doch dem Jungen an diesem Abend hinterher zu trauern würde dem Mädchen nicht gerecht werden. Auch wenn sie nicht bei ihnen beiden lebte, hatte sie es verdient dass man ihr einen starken Fels in der Brandung bot, die versuchte sie davon zu spülen und in eben jene Tiefe hinab zu reißen, aus der Clarence gerade erst aufgetaucht war um wieder Luft zu holen.

Es dauerte keinen langen Moment nach dem Klopfen an der alten Holztür, als sich eben jene bereits für sie öffnete und ein älterer Herr in den Türspalt trat, der seine besten Jahre noch lange nicht hinter sich gebracht hatte. Ward Tilmitt hatte - seitdem sein einziger Sohn gestorben war, was schon einige Jahre zurück lag und vor Claires Zeit hier geschehen war - ein ernstes Gesicht, durch das sich tiefe Furchen zog und welches doch von warmen, dunklen Augen geziert wurde. Die Dame des Hauses hatte sie bereits vom Fenster der Küche aus gesehen und ihren Mann informiert; Evelin hingegen sah man das Alter weniger an. Ihr aschblondes Haar wurde an den Schläfen zwar von bereits erblassten Strähnen geziert, doch seitdem sie wieder ein Kind im Haus hatte, wirkte sie deutlich erfrischender als Clarence sie noch von damals in Erinnerung hatte. Selbst ihren Gehstock hatte sie heute Abend beiseite gelegt, der sie begleitete seitdem sie sich vor einem halben Jahr das Bein gebrochen hatte. Über Unterstützung im Haushalt hatte sie sich daher ursprünglich umso mehr gefreut, nur um schließlich festzustellen, dass Lucy alles andere sein würde als das.

„Guten Abend Ward. Mrs Tilmitt“, nickte er besagter entgegen; mit Wards Gattin hatte er keinen besonderen Vertrag abgeschlossen, aber zumindest mit ihm konnte man sich gut unterhalten. Die Tilmitts hatten vor einigen Jahren Hilfe dabei benötigt ihr Dach nach einem Sturm neu einzudecken und wie es üblich war im Clan, hatten einige der Jäger ihm dabei unter die Arme gegriffen. Darunter auch Clarence.

„Wir wollen uns für die späte Störung entschuldigen, aber wir dachten- Wenn Sie nichts dagegen haben, vielleicht versuchen wir noch Mal unser Glück und fragen Lucy, ob sie nicht doch für eine geraume Zeit auf das Fest möchte. Ich denke, man ist nicht alle Tage in Falconry um zu feiern und vielleicht… hat sie es sich anders überlegt“, versuchte er sein Anliegen brauchbar vorzutragen, denn damit, dass sich die Tür so schnell öffnete, hatte er nun doch nicht gerechnet. Es fühlte sich seltsam an, bei dem älteren Paar anzuklopfen und darum bitten zu müssen überhaupt mit ihr reden zu dürfen - denn für eine viel zu lange Zeit war Lucy Arwhile Teil ihrer Gemeinschaft und damit bis zu einem gewissen Grad selbstverständlich gewesen. Dass sie das jetzt nicht mehr war, fühlte sich für den Blonden irgendwie nicht richtig an.


Matthew C. Sky

Die Tilmitts waren nette Leute, konservativ sicher, aber das machte sie nicht zu schlechten Menschen. Matthew war nicht hier gewesen als Lucy in Falconry angekommen und durch das ältere Paar aufgenommen worden war, doch er ging davon aus, dass Clarence sie nicht zu Leuten  hingegeben hätte die in irgendeiner Weise fragwürdig waren. 

Trotzdem hatte er Ward und auch seine Frau lange und eindringlich gemustert als er sie zum ersten Mal getroffen hatte. Er hatte sowohl das Paar als auch Lucy nach dem gemeinsamen Leben befragt und es wäre eine glatte Lüge zu behaupten, dass er beiden so wirklich traute. 

Glaubte er, dass Ward übergriffig oder gewalttätig war? 

Glaubte er, dass Evelin Lucy ausbeutete und grausam zu ihr war?

Nein, ausdrücklich nicht. Aber würde er sie im Auge behalten? 

Definitiv. 

Als ein durch und durch gebranntes Kind hatte Matt feine Antennen für Verschlagenheit aller Art, für Leute die Normalität heuchelten, für Menschen die andere gern klein hielten um selbst groß zu sein. 

Würde es Lucy bei den Tilmitts nicht gut gehen, Clarence hätte sie nie hier gelassen und doch war Clarence nicht passiert was ihm passiert war. Und so war er bei seinem ersten Besuch vielleicht ein wenig zu offensiv gewesen was seine Fragen angegangen war. Ward und Evelin hatten das verhörartige Gespräch mit Würde geführt und Lucy hatte später die Worte des Paares bestätigt. Vielleicht waren beide genau das, was das Mädchen brauchte - unzweifelhaft jedoch brauchten die beiden Lucy, soviel war recht offensichtlich. 

Aber obgleich es allen Beteiligten gut ging, so hatte das Mädchen nicht glücklich gewirkt - und zwar in keinem Augenblick. 

Das war kein Wunder, wenn man bedachte was hinter ihr lag, aber auch in ihrem Fall war Zeit vergangen. Über ein viertel Jahr war es her, dass sie Gabe verloren hatte und sie zu den Tilmitts gekommen war - und trotzdem fühlte Lucy sich nicht wirklich angekommen - zumindest nicht so, wie man es ihr wünschte. Sie war still geworden, ernst und viel zu reserviert. Manches würde die Zeit vielleicht ändern, anderes würde ihr vielleicht für immer anhaften. Ebenso wie die Vergangenheit Clarence und Matthew manchmal nicht ganz losließ. Aber heute sollten Verlust und Unsicherheit keine Macht haben, denn die Nacht war magisch. Dass mochte kitschig klingen, doch wie Cassie seinen Mann lächeln sah, frech und vorlaut, da wurde Matt einmal mehr bewusst, wie wenig er einst daran geglaubt hatte, dass sich die Dinge mal zum Guten wenden würden. 

Das Jahreswendfest hatte ihm sehr viele Jahre lang gar nichts bedeutet. Es war ein Fest für andere, für arme Tölpel die nicht begriffen, dass es am nächsten Morgen genauso sein würde wie zuvor. Es würde kein neues Jahr der Chancen sein - sondern nur ein weiteres Jahr des Mühsals und des Kampfes. Aber seine Sicht auf die Dinge hatte sich geändert, seine ganze Sicht auf das Leben hatte es getan. Und daran war einzig und allein der Mann verantwortlich, welcher bei den Tilmitts klopfte. 

Während Clarence ihr neuerliches Erscheinen bei Ward und Evelin vortrug, blieb Matthew ein paar Schritte hinter ihm auf dem Hof stehen und schaute zum Fenster im Dachgeschoss hinauf, in dem noch Licht brannte. 

„Lucy ist oben.“ - entgegnete die Dame des Hauses als würde damit alles gesagt sein und als könne das Mädchen nicht von oben herunterkommen. 

„Kein Problem, Ma‘am - wir warten einfach hier, während Sie sie holen.“ 

Evelin spähte an Clarence vorbei und zu Matthew welcher vor den wenigen Stufen der Veranda stand und sie anblickte. Sie sah einen jungen Mann mit einer Narbe im Gesicht, einem Dreitagebart und kurzen dunklen Haaren. Seine Sachen waren zweifellos neu und sie saßen gut an ihm, er sah adrett aber auch ein bisschen verwegen aus. Wie die Art Bursche, der es leicht fiel Bekanntschaften zu machen. 

Sie kannte ihn schon flüchtig von gestern und auch heute war er schon mit Clarence hier gewesen. An und für sich schien er ein netter Knabe zu sein aber er gehörte nicht hierher und für eine Frau ihres Alters war es nicht so leicht neuen Gesichtern zu trauen. 

„Ich gehe nach ihr sehen.“ - erwiderte sie und Ward nickte. Keiner der beiden bat sie hinein, was in Ordnung war. „Ich habe Gulasch auf dem Ofen… bin gleich wieder da.“ Der ältere Herr lehnte die Türe an und entfernte sich ebenfalls. 

Cassie blickte wieder zum Fenster nach oben, gedämpft hörte man leise die Stimme von Mrs. Tilmitt. 

„Wir wollen uns für die späte Störung entschuldigen, aber wir müssen Lucy vor einem langweiligen Abend bei Gulasch und Magentee retten bevor es zu spät ist.“ - giggelte Matthew und grinste als Clarence sich zu ihm umdrehte. „Ist dir aufgefallen wie du geplappert hast als die Tür aufging?“, sein Grinsen würde breiter und frecher. 

„Wie ein Bursche, der die Eltern seiner Herzensdame um Erlaubnis bitten muss mit ihr ausgehen zu dürfen.“ - der Vergleich war gar nicht schlecht, denn tatsächlich fühlte es sich ein bisschen so an. 

„Hmmm… wenn…“, er schüttelte den Kopf und brach ab, blickte neuerlich zum Himmel auf und begann nochmal von vorn, die Sterne betrachtend. „Je nachdem wie die Sache ausgeht… ich denke… wir sollten…“ - die Tür öffnete sich erneut und Lucy und Mrs. Tilmitt standen im Rahmen. Die Dame hatte beide Hände auf den Schultern des Mädchens abgelegt. 

Eine beschützende und wohlmeinende Geste. 

„Hi.“, machte Lucy und lächelte kurz und nervös. 

„Hey.“, erwiderte Matthew und schenkte ihr eines jener gewinnenden Lächeln die ihn schlagartig zehn Jahre jünger aussehen ließen.  

„Wenn du nichts dagegen hast würden Clarence und ich dich gern auf das Fest entführen.“ Das Mädchen zögerte und wirkte - wie heute Vormittag auch bereits - nicht angetan von der Idee. 

„Clarence hat mich zu einem Duell Dosenschießen herausgefordert. Ganz schön anmaßend, wenn du mich fragst.“ 

Nun lächelte Lucy wieder und blickte von Matthew zu Clarence. Sie wusste, dass beide gut mit Waffen umgehen konnten aber da Matthew ihr den Umgang mit Pfeil und Bogen gezeigt hatte wusste sie, dass er ein Profi war. 

„Wir zwei könnten ihn abzocken und uns von ihm auf Zuckerwatte und kandierte Früchte einladen lassen. Wie klingt das?“

„Das würdest du auch alleine schaffen…“, entgegnete sie und klang wieder so ernst, dass es Matthew deprimierte. Etwas, dass er sich aber nicht anmerken ließ. „Yeah… wahrscheinlich. Aber mit dir zusammen macht es mehr Spaß. Außerdem…“ -‚…sollst du nicht bei Gulasch und Magentee versauern.‘ dachte Cassie, sagte aber stattdessen: “…brauch ich dich, damit Clarence beim Schießen nicht betrügt.“ Als einer der größten Betrüger unter der Sonne war es ziemlich dreist Clarence derartiges zu unterstellen aber der Blonde spielte auch nicht immer ehrlich und fair. 

Wieder wanderte Lucy’s Blick zwischen beiden jungen Männern hin und her, ehe sie wieder lächelte und schließlich kurzentschlossen nickte. 

„Na… na gut. Ich zieh mir schnell meinen Mantel an!“ - „Klingt gut.“ Cassie lächelte und zeigte mit dem Daumen nach oben - eine Geste die Lucy aus einem Impuls heraus schmunzelnd erwiderte bevor sie flink wieder im Inneren des Hauses verschwand. 

„Es ist kühl. Wollen Sie… hineinkommen?“, fragte Evelin schließlich doch noch, aber Matt schüttelte den Kopf. „Danke, Ma‘am ich denke wir warten hier.“ - Die Antwort schien ihr recht zu sein und sie nickte, schloss die Tür und ließ die beiden jungen Männer allein. 


Clarence B. Sky

Obwohl das junge Mädchen in den vergangenen Wochen alles andere als glücklich gewesen war und sich nicht oft zu schönen Unternehmungen angetrieben gesehen hatte, dauerte es dieses Mal erstaunlicherweise gar nicht Mal so lange, bis Mrs. Tilmitt mit Lucy zurück an die Tür gekehrt war. Zeit genug, um Cassie mit den Fingerrücken einen kurzen Seitenhieb zu verpassen, der ohne Kleidung garantiert genug gezwiebelt hätte um ihn dafür zu strafen, wie frech er seinen Ehegatten vor der Tür der fremden Familie nachäffte – doch nicht ausreichend, um in eine handfeste Diskussion mit diesem übermütigen Kerl zu gehen.

Die Art, wie Lucy schließlich mit Mrs. Tilmitt in der Tür stand – die Hände der älteren Dame auf den Schultern und so scheu wie ein Kätzchen in der Seitenstraße – behagte Clarence bereits beim ersten Anblick nicht. Nicht etwa, weil das Mädchen einen schlechten Eindruck machte, untersetzt aussah oder mit sich selbst nicht im Reinen… sondern weil er wusste was es bedeutete, wenn man seinem Kind derart die Hände auf die Schultern legte und es dicht bei sich hielt, wenn man sich mit anderen Leuten unterhielt.

Es bedeutete ich wache hier, das ist mein Heim, mein Mündel; wage es dich nicht einen Schritt weiter zu gehen als ich dir gestatte, sonst lernen wir uns kennen.

Sie brauchte es gar nicht offen sagen oder ein ernstes Gesicht dabei aufsetzen, auch wirkte die Seniorin nicht, als hätte sie bei einer Auseinandersetzung tatsächlich eine Chance gegen zwei wortgewandte junge Männer wie sie beide. Trotzdem spürte Claire eine bestimmte Anspannung in der Luft liegen, die Cassie ganz offensichtlich anders wahrzunehmen schien als er selbst.

„Das ist ein ziemlich triftiger Einwand. Ich hab lange Zeit von dem hier gelernt wie man beim Spielen bescheißt, ich zieh Matthew sonst gnadenlos ab“, bestätigte der Hüne dem Mädchen dennoch frohen Mutes die Worte seines Mannes und deutete mit dem Daumen auf ihn, ohne sich dabei seine Gedanken über die Hausherrin anmerken zu lassen.

Natürlich war das nur halbwegs richtig – denn im Gegensatz zu seinem Mann war Claire beim Spielen eigentlich alles andere als ein Betrüger. Ganz im Gegenteil sogar, fühlte er sich bei einer fairen Partie Karten oder Backgammon am besten unterhalten, doch sein Weggefährte sah das irgendwie grundsätzlich immer anders. An manchen Tagen musste man einfach auf sein Niveau hinab sinken und ebenfalls in die Trickkiste greifen, um den frechen Taugenichts in die Schranken zu weisen.

Ob nun mit Betrug oder fair, das Argument schien Lucy erstaunlich gut zu überzeugen und wenn es das war, was das Mädchen endlich aus dem Haus uns aufs Fest brachte, war Clarence gewillt an jeder einzelnen Bude der Stadt so offensichtlich zu betrügen wie nur möglich. Selbst dann, wenn es ihn seinen guten Ruf kostete.

„Mach langsam, wir warten auf dich“, rief er der Kleinen noch hinterher, nachdem er von drinnen erst langsame Schritte auf der Treppe hörte, schließlich aber eiliger werdende, bevor Lucy oben in dem Gästezimmer verschwand, das momentan ihres war. Dass Cassie das Angebot von Mrs. Tilmitt ausschlug, war Fluch und Segen zugleich – so konnten sie zwar ungehört ihren Gedanken nachhängen, aber auf der anderen Seite hatten sie auch noch immer keinen Hochsommer.

Schließlich wandte er sich wieder zum Jüngeren um, nachdem die alte Tür ins schloss gefallen war.

„So ein kleiner warmer Flur ist dem werten, ehrlich spielenden Herrn nicht gut genug, mh?“, monierte Claire sich augenblicklich und steckte die Hände zurück in seine Manteltaschen. Tagsüber war es mittlerweile zwar schon wieder ziemlich lau geworden und hier unten im Tal der Schnee geschmolzen, aber das bewahrte sie nicht vor kalten Nächten und auch nicht davor, dass es spätestens gen Mitternacht sicher wieder ziemlich frösteln würde. „Egal, hast du gut gemacht. Ich hätte irgendwie…“

Hilflos zuckte er mit den Schultern, so als hätte er seinen Gedanken schon beim Aussprechen am liebsten wieder vergessen. Doch das tat er nicht.

„Ich hätte nicht gedacht, dass sie mitkommt. Als ich die letzten Wochen versucht hab sie aus dem Haus zu bekommen, war sie davon nicht begeistert. Sie war zwei, drei Mal mit mir und den Hunden draußen und hat geholfen die Briefe an dich zu schreiben, aber so ein Lächeln wie du es bekommst, hab ich ihr nicht abringen können.“

Das mochte daran liegen, dass Matthew generell ein charmanter Kerl war der wusste, wie man die Weiber dazu brachte dahin zu schmelzen. Vielleicht lag es aber auch nur an seiner klugen Art Konversation zu treiben oder an seiner generell locken Art, der man sich schnell anpasste, weil man sich in seiner Nähe einfach wohl fühlte.

„Von ihrem offensichtlichen Kummer mal abgesehen, hat sie dich einfach auch vermisst, glaub ich. Wir haben nicht viel darüber gesprochen, was mit dir passiert sein könnte, aber… Seit du gestern einfach auf der Matte standest, ist sie ganz anders drauf“, erklärte Clarence seinem Mann das Offensichtliche, was sicher auch schon Mrs. Tilmitt der Kleinen angemerkt hatte. „Das gefällt mir. Sie war zu deprimiert die letzten Wochen. Da siehst du mal, was du mit den Leuten machst, jetzt wo du wieder da bist.“

Egal ob er selbst, Barclay oder gar Adrianna, Matthew hatte ein großes, klaffendes Loch zwischen ihnen allen hinterlassen, obwohl er außerhalb von Denver noch kein großer Teil dieser Stadt und ihrer Gesellschaft hier gewesen war. Es war ja sogar noch gar nicht so lange her, da waren sie beide niemand gewesen – ohne Familie, ohne Freunde, ohne jemand der sie vermisste, hatten sie sich irgendwo im nirgendwo in einem Wald gefunden und seitdem nie wieder voneinander getrennt… jedenfalls nicht freiwillig.

Clarence wusste, wie viel es seinem Mann schon zu Zeiten ihrer Hochzeit bedeutet hatte nicht mehr beliebig zu sein und auch wenn er sehr gut auf Cameron in ihrer Reihe verzichtet hätte, so machte es den Blonden dennoch glücklich zu sehen, dass nicht nur er alleine sich so sehr um Matthew gesorgt hatte.

Oben am Dachfenster konnte er gerade so sehen, wie zwei Hände sich empor reckten um in die Ärmel eines Mantels zu rutschen und wie es schließlich Dunkel in dem kleinen Zimmer wurde.

„Ich hoffe bloß für dich, dass du einigermaßen fair spielst heute Abend. Am Ende muss ich noch meinen neuen Pullover für den ganzen Süßkram versetzen, den ich euch nachher schulden werde. --– Hey, da bist du ja wieder“, wandte er sich um und hieß sie zurück in der Tür willkommen. Claire musterte sie kurz, während er anerkennend nickte. Was auch immer sie da oben getrieben hatte, ihre Haare lagen etwas ordentlicher als vorher und unter einem ordentlich gebügelten, dicken Kleid aus Wolle erkannte er jene warmen langen Socken, die man ihr in einem ihrer Zwischenstopps aus der Clankasse gekauft hatte. Im Vergleich zu den anderen Kindern und Leuten auf dem Fest sah sie zwar noch immer recht einfach angezogen aus und würde in der Menge völlig untergehen – aber Clarence bezweifelte nicht, dass nicht genau das vielleicht dabei auch ihr Plan gewesen war. Aktuell war ihr ordentlicher Auftritt trotzdem mehr, als sie in den vergangenen Wochen für sich getan hatte.

„Schönes Kleid. Steht dir“, bemerkte er bemüht beiläufig, damit sie sich am Ende nicht doch noch für ihren Aufwand bedrängt und auf den nicht vorhandenen Schlips getreten fühlte – Claire hatte lange genug alleine mit Frauen in einem Haushalt gelebt um zu wissen, dass kein Kommentar nicht gut für einen endete, aber zu viel des Guten auch nicht immer die beste Entscheidung war.

„Hier, warte noch“, hörte man aus dem Flur hinter Lucy Mrs. Tilmitt rufen und kaum so geschehen, nahm die Seniorin eine kleine lederne Handtasche von der Garderobe, um sie dem Mädchen umzuhängen. Das gute Stück hatte ihre besten Zeiten auch schon hinter sich, aber sie tat ihren Dienst so wie sie es sollte und vielleicht wollte die Dame sich nicht nur aus Sparsamkeit nicht davon trennen, sondern auch aus sentimentalen Gründen. „Nimm das hier mit. Und hab ein bisschen Spaß“, fügte sie an, beinahe mahnend, so als müsse das Kind erst daran erinnert werden und ein bisschen hatte Mrs. Tilmitt ja auch recht damit.

Wie viel genau es war erkannte Clarence nicht, aber die Münzen, die die Ältere ihr schließlich in die Hand gab, verschwanden sorgsam in der kleinen Tasche und artig bedankte Lucy sich, bevor sie damit begann die Knöpfe an ihrem Mantel zu schließen. Wenn man sie so sah, dann erwartete man nicht, dass sie ein Waisenkind war das eigentlich nicht hierher gehörte und vorübergehend bei Fremden untergekommen war, bevor man entschied wie es mit ihr weiter gehen sollte… und das war gut so, dachte Clarence bei sich – denn genauso wie sein Ehemann sollte auch Lucy sich hier nicht geduldet und nur auf Besuch, sondern vor allem Zuhause fühlen. 


Matthew C. Sky

Dass Lucy eingewilligt hatte sie zu begleiten war keineswegs vorhersehbar gewesen und Matthew hätte selbst nicht allzu viele Münzen darauf gewettet. Clarence ebenso nicht, wie er Matthew wissen ließ und ihm damit klarmachte, wie viel Einfluss er auf seine Mitmenschen hatte. 

Positiven, war er da - negativen, wenn man sich darum sorgte wo er abgeblieben war. Das gesagt zu bekommen und es auch gleichsam zu spüren, war etwas das für den Dunkelhaarigen neu war und ihm mehr bedeutete als er in Worte fassen konnte. 

Er war aufgewachsen in dem Glauben, dass sein Wert allein davon abhing was andere in ihm sahen und was andere von ihm wollten. 

Der Mörder seiner Mutter hatte ein schnelles Geschäft gesehen, der gütige Mann eine gewinnbringende Investition und später ein goldenes Schäflein. Le Rouge ein nach eigenen Vorstellungen formbares Mündel, welches offen für seine Lehren und bestrebt war alles richtig zu machen.  

Niemand wollte jemanden der aus der Reihe tanzte, oder der unansehnlich war, der seine Aufträge nicht erledigte oder der sich nicht durchbeißen konnte. Niemand wollte einen Griesgram oder ein Kind von Traurigkeit. 

Kurzum: Matthew hatte gelernt - von Menschen als auch aus Erfahrungen - dass es wichtig war immer zu wissen was der Gegenüber von ihm wollte. Denn wusste man das, dann war es ein Kinderspiel die richtigen Dinge zu sagen und zutun. Auf diese Weise öffneten sich einem Türen, die sonst für andere verschlossen blieben. 

Aber schon seit Coral Valley hatte sich das Blatt gewendet, denn statt sich abzuwenden und ihn zu verlassen, hatte Clarence sich hinter ihn gesetzt, ihn umrahmt und gehalten. Weil er sicher gewesen war, dass Matthew mehr war als die Summe seiner düsteren Vergangenheit. 

Er hatte nicht den schönen Schein gewollt, sondern das was dahinter lag und je mehr Zeit vergangen war umso klarer sah Matthew die Sache. 

Wenn er einfach der war, der er eben war, dann war er vielleicht nicht everybody’s Darling, aber man mochte ihn um seinetwillen- und nicht für den schönen Schein. 

Dass das tatsächlich einen Unterschied machte hatte er lange nicht verstanden aber mittlerweile tat er es und es war dem jungen Mann fast schon unbegreiflich, wie er so lange Zeit so blind hatte sein können. 

Lucy hatte nicht allzu lange gebraucht um sich umzuziehen und als sie den Hof zu dritt einmal verlassen hatten wirkte das Mädchen deutlich gelöster. Geplappert hatte sie nie, auch vor dem Zeppelinunglück nicht, und daran hatte sich auch nichts geändert. Aber sie blickte sich neugierig um, überflog interessiert die Auslagen an den Ständen und schmunzelte verhalten über so manch wirren Liedtext der - nicht mehr ganz nüchtern - von so manchem Zuhörer mitgesungen wurde. 

Zu behaupten sie wäre begeistert oder sorglos wäre definitiv übertrieben, doch das graue Mäuschen das sie noch bei den Tilmitts gewesen war, war sie auch nicht mehr. 

„Bereit für den letzten Wurf?“ - sie hatte einen weichen, mit Sand gefüllten Lederball in der Hand und blickte konzentriert auf die verbliebene Dosenreihe, von der sie die Mehrheit zwar schon abgeräumt hatte, aber die letzte Etage war immer die schwierigste und man brauchte mehr Würfe. 

„Ich weiß nicht…“, sagte sie in einem Tonfall der einzig Mädchen in ihrem Alter vorbehalten war. Irgendetwas zwischen gequält und genervt und mit sich uneins - aber nur, weil sie zu wissen glaubte, zu scheitern und sich zu blamieren. „Vielleicht solltest du werfen.“ - „Unfug, Lu‘ - was hab ich dir übers aufgeben bevor es vorbei ist gesagt?“ konterte Matthew, der die Arme vor der Brust verschränkt hatte. 

„Hab ich vergessen…“ - „Das bezweifle ich… aber gut: Du gibst niemals auf. Nicht mal, wenn die Chancen eins zu hundert gegen dich stehen.“ Lucy blickte kurz von den zerbeulten Blechdosen weg und zu ihm. Es stand aktuell unentschieden zwischen ihr und Clarence, was bedeutete ihr letzter Wurf musste gut sein um einen Vorsprung zu erzielen - Clarence hatte nämlich auch noch einen Wurf übrig. Vier Sätze hatten sie schon ausgefochten und dies war der Letzte bevor der Sieger im Dosenwerfen gekürt wurde - ein Druck der in Lucy’s konzentriertem Antlitz deutlich geschrieben stand. Sie wollte siegen.  

„Zwei zu zwei, Lu’ … wenn du mich fragst, sieht es nach einem fairen Match und einer fairen Chance aus.“, Cassie lächelte eines seiner charmanten Gewinner-Lächeln und das Mädchen konnte nicht anders als es zu erwidern. „Okay!“ -sagte sie und klang entschlossen, fokussierte sich wieder auf ihr Ziel und hob die Hand mit dem Ball. 

Sie atmete zweimal tief durch, dann straffte sie ihre Schultern und ließ den Arm nach vorne schnellen. Ihr Wurf war kraftvoll und die Richtung stimmte, aber er war nicht präzise genug. Das lederne Geschoss riss gerade mal eine von fünf verblieben Dosen nach hinten - was einen derart knappen Vorsprung ergab, dass Clarence keinerlei Mühen haben würde zu gewinnen. Er hatte noch einen Wurf frei, ehe final die Punkte addiert wurden und sofern Cassie ihm nicht die Augen zuhielt, würde der Größere nicht aufzuhalten sein. 

„Oh man, das gibts doch nicht!“, entfuhr es Lucy enttäuscht und aufgebracht. Matthew hingegen lachte und der Budenbesitzer klatschte. „Ärgern Sie sich nicht, junge Dame! Ich hab ne Menge Burschen gesehen, die werfen nicht halb so gut.“ 

Erstmal muss Clarence es besser machen - und ich weiß, er kann mit Druck nicht gut umgehen. Macht ihn immer ganz fahrig.“, amüsiert schaute Cassie zu dem Blondschopf. „Stimmt’s oder hab ich recht, Clarence?“


Clarence B. Sky

Natürlich würde er Lucy nicht mehr Druck als nötig machen, doch sie wie einen blutigen Anfänger zu behandeln, würde ihren fortgeschrittenen Fähigkeiten auch nicht voll gerecht werden. Das Mädchen, das sich im Abendschein der Wurfbude dumm stellte, war nämlich alles andere als das – und auch wenn sie beim Bogenschieß-Training mit Matthew nur einen Bruchteil ihrer Pfeile im Ziel versenkt hatte, so hieß das nicht, dass sie nicht gut zielen konnte. Pfeil und Bogen waren zwei störrische Gesellen, doch mit einem Stein in der Hand hatte sie ihre Ziele weit öfter getroffen als die anderen Kinder als es darum gegangen war, sich gemeinsam die Zeit zu vertreiben.

Zwischen einem sandgefüllten Lederball und einem Stein gab es unterm Strich keinen signifikanten Unterschiede und das einzige Problem, das die Kleine gerade hatte, war ihre unheimlich miserable Taktik. Leider war Cassie ihr da wider Erwarten wirklich überhaupt kein guter Berater und am liebsten wäre Clarence selbst dazwischen gegangen um ihr den Rechten Weg zu weisen, aber da sein verräterischer Ehemann sich mit dem Feind verbündet hatte anstatt sein eigenes Team zu gründen, war ihm das nun kaum mehr möglich. So musste er hilflos dabei zusehen, wie das arme Mädchen sich darauf konzentrierte, Runde um Runde die Dosen von oben nach unten weg zu schießen anstatt zu versuchen, die Basis des kleinen Turms einzureißen… und gleichzeitig blieb ihm nichts anderes übrig als diese schlechte Taktik ebenso zu verfolgen, damit er Lucy nicht ungewollt über den Tisch zog.

Es stand also nun unentschieden bei „Team Süßwaren“ gegen „Team Kakao“, denn sollte er die anderen beiden schlagen, würde er wenigstens ein Heißgetränk ausgegeben bekommen, statt sich an purem Zucker in die Pleite zu treiben. Dass am Ende sowieso alles aus dem gleichen Geldbeutel bezahlt wurde, war dabei völlig egal – es ging hier einzig und alleine ums Prinzip und das wussten sie beide. Wäre es nur Matthew gegen ihn gewesen, zweifelsohne hätten sie sich nicht gegenseitig nur versucht mit allen Mitteln zu schlagen, sondern dabei auch geschummelt was das Zeug hielt. Von Oh Gott, guck mal da hinten über Ich glaube, mir geht es plötzlich nicht gut, waren den Taktiken dabei in der Regel keine Grenzen gesetzt und nicht selten war die ein oder andere Finte dabei schon unter die Gürtellinie gegangen – aber leider nicht auf eine angenehme Art und Weise.

Lässig stand Claire neben den beiden und warf seinen eigenen Lederball dabei immer Mal wieder provozierend in die Luft, nur um ihn sicher aufzufangen und Lucy zu zeigen, dass sie sich bloß anzustrengen hatte, wenn sie eine reelle Chance gegen ihn haben wollte. Doch so sehr sie es auch versuchte, mehr als ein weiteres Ziel war einfach nicht mehr drin. Aber auch das war beachtlich wenn man daran dachte, dass die letzte Reihe definitiv die schwerste von allen war.

Obwohl sie damit noch lange nicht gewonnen hatten, ließ der Dunkelhaarige es sich trotzdem nicht nehmen seinen Ehemann durch den Kakao zu ziehen, jedoch leider nicht als Gewinn für seinen Sieg.

„Weißt du, was das schlimmste ist, Lucy? Du hast damit gerade offiziell nur eine Dose weniger abgeschossen als der da“, nickte er mit dem Kinn gen Matthew, bevor er enttäuscht den Kopf schüttelte. „Deine Wertung wäre viel besser, wenn du dich von dem Versager nicht dazu hättest überreden lassen ein Team zu gründen. Vielleicht hättest du uns dann sogar beide abgezogen und wärst die Königin am Zuckerwattestand geworden.“

Dass das tatsächlich so hätte kommen können, wagte Clarence um ehrlich zu sein zu bezweifeln. Aber das änderte nichts daran, dass sich sein Mann bislang semi-gut geschlagen hatte im Vergleich zu den Leistungen, die er sonst an den Tag zu legen im Stande war.

Vielleicht lag es daran, dass er es Lucy überlassen wollte die Lorbeeren zu ernten oder daran, dass sie sich beide unheimlich zurück hielten, um dem Mädchen nach langer Zeit mal wieder ein kleines Erfolgserlebnis zu schenken. Aber Besonders klug war zumindest Cassies Entscheidung mit angezogener Handbremse zu spielen nicht, denn dadurch hatte Clarence es nun deutlich schwerer, einen halbwegs passablen Wurf zu landen, der trotz allem noch schlecht genug war um zu verlieren.

Als ob ich unter Druck nicht gut arbeiten könnte. Ich leiste hervorragende Arbeit unter Druck!“, murmelte er schließlich, jedoch leise und eher zu sich selbst, als auch nach einer kurzen Pause niemand eine Motivationsrede für ihn gehalten hatte. Der strafende Blick, den er dem Jüngeren dabei zuwarf, sprach Bände. Nicht mal ein nettes Wort hatte man für ihn übrig, wenn Matthew sich mit Lucy verbündete – das war ein Missstand, den er sich definitiv merken und zur Sprache bringen würde, wenn sich künftig jemand etwas Motivation von ihm erhoffte.

„Ich hoffe, du hast das Geld für meinen Kakao schon raus gesucht. Von euch beiden lasse ich mich sicher nicht schlagen“, drohte er dem kleinen Taugenichts an der anderen Seite des Tresens schließlich, der hoffentlich zwei extra Kupfer für die extra Portion Sahne parat hatte, die er sich gönnen würde.

Überlegend drehte er den kleinen Lederball in seiner Hand, abwägend und zielend wie er es anstellen konnte auf möglichst galante Art möglichst schlecht abzuschneiden, nur um schließlich genau das zu schaffen, was er am allerwenigsten gewollt hatte:

Genau die gleiche letzte Dose zu treffen, wie auch Lucy sie bei ihrem Turmrest abgeworfen hatte.

„Oh fuck, was ein Scheiß!“ – „Hey, ich dachte wir fluchen nicht?!“

Entsetzt predigte ihm Lucy das, was er den Kindern wochenlang auf ihrer Reise versucht hatte einzubläuen, während er selbst noch entsetzter die Hände überm Kopf zusammenschlug. Unentschieden – Das mochte zwar glaubhafter sein als die Kleine einfach gewinnen zu lassen, aber einfacher machte es die Sache trotzdem nicht.

„Meine Herren, so wollen sie die Sache doch wohl hoffentlich nicht stehen lassen! Das können sie der jungen Dame hier nicht antun. Lose Enden bei einer so spannenden Geschichte wie dieser hier, das gehört sich einfach nicht!“, tadelte der Budenbesitzer sie beide berechtigt, denn so ganz falsch lag er damit nicht. „Ich mache Ihnen ein Angebot, zwei Würfe zum Preis von einem. Hier, junge Schönheit – dieser eine Wurf hier kommt von Herzen, ganz alleine von mir an Sie, auf Kosten des Hauses.“

Mit einer ausladenden Geste überreichte er ihr einen weiteren Ball und verbeugte sich damit galant vor Lucy, so tief, dass seine Stirn beinahe auf dem Tisch auflag. Zweifelsohne Show, um die junge Kundin zu beeindrucken und genau das gelang ihm auch, indem er ihr ein amüsiertes Kichern abluchste.


Matthew C. Sky

 

In vielerlei Punkten vertraten Clarence und Matthew den gleichen oder zumindest einen ähnlichen Standpunkt. Gewisse grundsätzliche Vorstellungen von Recht und Moral, von Gut und Böse, von Treue und Beziehungen…

Aber es gab auch viele Dinge in denen sie sich grundsätzlich voneinander unterschieden - und einer dieser Punkte war der Wille zum Sieg. 

Während Clarence ein erbitterter Kartenspieler war und Matthew abzockte wann immer er die Chance bekam, verhielt er sich Kindern gegenüber fast schon hanebüchen nachsichtig. Die kleinen Quälgeister hatten einen Stein bei ihm im Brett und Clarence würde den Teufel tun und ein Kind in irgendeinem Spiel schlagen. Dazu musste er besagtes Kind noch nicht einmal besonders gut kennen oder mögen… der Blonde würde keinem Kind der Welt eine Niederlage beibringen und sei das Spiel auch noch so einfach. 

Matthew hingegen… der junge Mann hasste es zu verlieren und er machte dabei keinen Unterschied gegen wen er spielte. Kinder, Alte, Einarmige… wer auch immer gegen den Dunkelhaarigen antrat musste damit rechnen über den Tisch gezogen zu werden. Und gerade weil das so war, war es der einzig richtige Schachzug gewesen sich mit Lucy zu verbrüdern. 

Mit ihr im Team würde er nicht verlieren müssen - weil Clarence diesen Part schon übernahm - und gleichzeitig würde aber auch Lucy sich nicht mit einer Niederlage abfinden müssen. 

Mit vor der Brust verschränkten Armen und lässig an der Bude lehnend, betrachtete Matthew seinen Mann, welcher ihn großspurig als Versager titulierte und sich damit wahrhaft weit aus dem imaginären Fenster lehnte. „Riskierst eine ganz schön dicke Lippe, Blondie.“, konterte Cassie mit der Gelassenheit des sicheren Siegers, die so perfekt zu ihm zu passen schien, dass es schon beinahe unerträglich war. 

Lucy beobachtete währenddessen angespannt wie Clarence vor seinem letzten Wurf die Dosen taktierte, den Ball drehte und wendete und immer wieder einen Wurf antäusche, nur um letztlich abzubrechen. 

Nervös kaute das Mädchen auf ihrer Unterlippe herum und als Cassie das sah, zwinkerte er ihr aufmunternd zu. 

„Er ist nervöser als ein Sack Flöhe. Alle Augen sind auf ihn gerichtet, er kann das nicht leiden.“, flüsterte er Lucy zu - allerdings mit Absicht laut genug damit Clarence es noch hören konnte. 

Lucy kicherte verhalten und rutschte näher an Matthew heran, der sofort einen Arm um ihre Schultern legte und sie zu sich zog. 

Es war gut, dass sie ihnen beiden vertraute und das dieser Abend auch für sie ein bisschen Freude und Normalität bereithielt, wo doch in letzter Zeit eigentlich nichts mehr normal gewesen war. 

Schließlich warf Clarence doch noch den kleinen Lederball - und traf ausgerechnet auch noch eine der Dosen wodurch der bittere Gleichstand aufrecht erhalten wurde. 

„Genau Clarence, ich dachte wir fluchen nicht!“, pflichtete Matthew Lucy bei und schüttelte tadelnd den Kopf. Ob der Blonde mit Absicht nur eine Dose getroffen hatte oder der Treffer sogar ein Versehen gewesen war konnte Cassie nicht mit Gewissheit sagen - tippte aber auf Letzteres. 

So oder so, statt Lucy gewinnen zu lassen musste das Mädchen einmal mehr ihr Können unter Beweis stellen, denn der Budenbesitzer ließ es sich nicht nehmen, ihr noch einen Wurf zu spendieren. Die großzügige wie auch freundliche Geste ließ das Mädchen abermals lächeln und sie griff - dieses Mal ohne Scheu und ohne Zögern - zu dem abgewetzten Ball. 

„Ich ziele nicht mit dem Auge…“, murmelte sie leise, den Blick konzentriert auf die wenigen Dosen gerichtet. „…wer mit dem Auge zielt hat das Angesicht seines Bruders vergessen….“ - der Text war leicht abgewandelt, aber das war mehr als okay „…Ich ziele mit dem Herzen.“ - den letzten Teil des Spruches sagten Lucy und Matthew gemeinsam, immerhin war es das Mantra welches der Dunkelhaarige den Kindern in Denver beim Bogenschießen beigebracht hatte. 

Als Lucy dieses Mal warf, war es ein Wurf wie aus dem Bilderbuch. Der kleine Ball flog eine schnittige Kurve und war mit dem richtigen Maß an Kraft geworfen um drei Dosen umzuwerfen und die vierte an den Abgrund zu manövrieren. 

Begeistert riss Lucy die Arme nach oben, Cassie sprang in die Luft und der Budenbesitzer klatschte lachend in die Hände. 

„Ein ausgezeichneter Wurf, junge Lady! Ausgezeichnet!“

Selbst würde Clarence die eine letzte Dose abräumen, den Sieg konnte er sich nicht mehr holen. Matthew und Lucy klatschten einander ab als seien sie schon mindestens hundert Jahre lang ein Team und Lucy kreischte vor Überraschung und Freude gleichermaßen. Sie hatte selber nicht mit einem derart guten Wurf gerechnet und die Euphorie ließ sie zum ersten Mal wieder wie das Kind aussehen, das sie eigentlich war. 

„Ich wusste du kannst es! Du hast Clarence abgezockt wie ein Profi!“ fröhlich hüpfte Lucy noch ein paar mal auf und ab, dann umarmte sie Matthew plötzlich, löste sich aber ebenso flink wieder von ihm und umarmte auch Clarence. 

Das Mädchen war überschwänglich glücklich und für den Augenblick zählten weder Schmerz noch Verlust der letzten Monate. 

„Das hat so einen Spaß gemacht!“ kleidete sie das offensichtliche in Worte und bedankte sich auch bei dem Besitzer des Wurfstandes freudig. 

„Jetzt gibt es Zuckerwatte und kandierte Früchte!! Das war die Abmachung, also los!“ - so eifrig wie sie sich ihren Gewinn einforderte hätte man meinen können, sie und Matthew hätten deutlich mehr Zeit zusammen verbracht - immerhin war das ziemlich genau die Attitüde des Dunkelhaarigen. 

„Mach dir nichts draus, Clarence… jeder verliert mal.“, sonnig - um nicht zu sagen überheblich - knuffte Matthew seinen Mann gegen den gesunden Oberarm. „Komm, komm, wir wollen unseren Süßkram futtern und du bist der Mann mit der Geldbörse, also los…mach.“


Clarence B. Sky

Der wichtigste Unterschied zwischen Matthew und seinem Ehemann war nicht nur der Wille zum Sieg - sondern vor allem wie sie den Weg dorthin gestalteten.

Clarence, der zwar mit Kindern Nachsicht hatte und bei Erwachsenen wenig Rücksicht nahm, liebte nichts mehr als eine faire, ehrliche und harte Partie. Dabei war es ihm egal ob es ein Kartenspiel war, Schach oder irgendein Mannschaftsereignis draußen auf dem Feld. Die Taktik war der Weg zum Ziel, er tat nichts lieber als sich den Kopf darüber zu zerbrechen wie seine nächsten Züge würden aussehen können oder was sein Gegner wohl gerade im Oberstübchen ausheckte. Letzten Endes war es ihm bei manchen Spielen sogar egal, dass er am Ende verlor - denn das Spiel selbst war es, das ihm Freude gemacht hatte und nicht etwa, einen anderen zum Verlierer zu machen. Was er hingegen nicht leiden konnte, waren unnötige Betrügereien und die machten etwa 95 Prozent des Charakters seines Mannes aus. Denn:

Matthew war ein elender Schummler vor dem Herren und nichts war ihm heilig.

Er betrog und beschiss wann immer er konnte und selten war Cassie so unattraktiv wie in den Momenten, wenn er sich selbst für einen Sieg beweihräucherte, für den er nichts, aber auch gar nichts geleistet hatte außer Betrug.

Auch jetzt, mit seinen großspurigen Sprüchen und seiner unnötig geschwollenen Brust dastehend, war dieser Typ derart unerträglich, dass Claire ihn nicht hätte zum Freund haben wollen, wenn er ihn nicht kennen würde und einfach nur zufällig an dieser Bude vorbei gekommen wäre. Dass Matthew nicht in jeder Stadt nur Freunde hatte, erklärte sich durch diese eine bestimmte Art von ihm und bei Gott, Claire wollte nicht wissen wie oft dieser Typ schon auf die Zwölf bekommen hatte, einfach nur weil er richtig zum Kotzen sein konnte, wenn er mit unfairen Mitteln irgendwo gewann.

„Pass auf, dass du dir gleich keine dicke Lippe fängst, weil mir aus Versehen ein Ball aus der Hand rutscht!“, konterte der Blonde in altbekannter Manier, ähnlich wie sie sich früher oft in den Haaren gelegen hatten. Nur in seltenen Fällen waren ihre Drohgebärden wahr geworden, doch es ließ sich nicht verleugnen, dass sie vor allem in ihrer Anfangszeit tatsächlich dann und wann aneinander geraten waren, nur weil sie über einem Spiel hinweg begonnen hatten sich zu streiten. Manchmal wusste Claire selbst nicht warum sie zusammen geblieben waren, obwohl sie sich an manchen Tagen gegenseitig mehr auf den Keks gegangen waren als alles andere. Aber letztlich hatten all diese Erlebnisse nur gezeigt, dass sie selbst mit ihren unerträglichsten Charakterzügen gut zurecht kamen und sie nicht mal diese auseinander bringen konnten.

Wenngleich sein Mann selbst im Team mit einem Kind ganz schön anstrengend sein konnte wenn sie gegeneinander antraten, konnte Clarence sich ein amüsiertes Schmunzeln dennoch nicht verkneifen. In gewohnt lässiger Manier stand er dort, seinem Naturell treu und dem eigenen Sieg gewiss, obwohl Lucy ihren Freiwurf noch gar nicht verschossen hatte. Matthew wieder hier zu haben, war… unbegreiflich schön und selbst wenn Claire gewollt hätte, ließ es sich mit Worten nicht beschreiben was es ihm bedeutete, dass sein Mann endlich wieder hier war. Nicht nur bei ihm - sondern auch bei Lucy, die ein kleines Wunder genauso sehr benötigt hatte wie der Hüne selbst.

Obwohl ein unfaires Eingreifen Matthews ziemlich auszuschließen war, warf die Kleine dank Cassies Unterstützung wie beflügelt den Wurf ihres Lebens und ließ Claire resignierend abwinken, der anhand so viel Dreistigkeit schließlich aufgab und nicht mal mehr eine Revanche forderte. Die halbe Bude schien zu wackeln, während Lucy vor Freude auf und ab hüpfte und in eben jener Manier, die nur junge Mädchen an den Tag legten wenn sie vor Freude überschäumten, krisch sie die halbe Straße zusammen - was anhand des Lautstärkepegels um sie herum jedoch kaum ins Gewicht fiel.

Clarence konnte sich nicht erinnern, dass er in den vergangenen Monaten jemals erlebt hatte, dass sich Lucy derart vor Freude vergaß. Sie war ein ernstes Kind, weit ernster noch als man es selbst für eine Waise erwartete und zweifelsohne lag das an der hohen Verantwortung, den sie seit dem Tod der Eltern für sich und ihren Bruder übernommen hatte. Erst im Waisenheim von Rio Nosalida, später auf der Reise nach Poison Ivy war sie für sie beide verantwortlich gewesen.

Das erste Mal seit sehr langer Zeit trug sie für nichts und niemanden mehr die Verantwortung und vielleicht bekam das Kind in Lucy deshalb erstmalig wieder Raum um auch einfach nur sein zu dürfen.

So schnell wie sie Cassie umarmt hatte, fiel sie schließlich auch Claire in die Arme und ließ ihn damit kurz auflachen, der eher damit gerechnet hatte durch das gegnerische Team lautstark bloßgestellt zu werden.

„Das war wirklich ein großartiger Wurf. Hut ab, den hätte ich selbst dann nicht mehr geschlagen, wenn da noch ein paar Dosen mehr gestanden hätten“, zollte er ihr den nötigen Tribut und drückte sie kurz an sich, bevor sie nicht zögerte ihn daran zu erinnern, worum es hier eigentlich ging - nämlich Zuckerwatte und kandierte Früchte, ganz so, wie Cassie es ihr eingetrichtert hatte.

„Vielleicht hätte ich Matthew ja ein bisschen mehr beleidigen sollen? Ich hab das Gefühl, das hat dir richtig Auftrieb gegeben“, zog er sein Resümee aus dem Ganzen und zweifelte nicht daran, dass zumindest Cassie das oftmals in Spielen zu Höchstleistungen anspornte. Wenn auch nur im Sinne von weiteren Betrügereien.

„Hmm, ich glaube- ich denke, ich bin einfach besser als du. Das ist es wohl“, konterte Lucy ungeniert und kostete ihren unerwarteten Sieg gegen den Blonden voll aus und wahrlich, Clarence gönnte ihr jede Sekunde davon, selbst als sie Cassies Worte frech echote: „Ja, Clarence, jeder verliert mal. Mach dir nichts draus.“

Wie ein alter Hase klopfte sie ihm gegen die Schulter und überholte ihn in Richtung der Bude mit Süßkram, an dem sie vorhin erst vorbei gelaufen waren.

„Na, von wem sie das wohl gelernt hat“, eine rein rhetorische Frage die sich alleine dadurch schon beantwortete, seinen Mann anzusehen und damit den Schuldigen bereits gefunden zu haben. „Mach, ja? Wann kann ich eigentlich meine Belohnung vernaschen, mh? Ich hab gehört, mir steht heute Nacht auch noch was zu.“

Zweifelsohne ganz sicher nicht öffentlich an einer Bude am Jahreswendfest, aber es konnte ja nicht sein, dass Cassie wieder Mal alles bekam was er wollte und dem armen braven Christenjungen nicht Mal ein Krümelchen zugeworfen wurde, nur weil er brav und christlich war.

„Sei weiter so frech zu mir und ich suche mir einen Stand, an dem ich mir ein Glas Honig kaufen kann, statt für dich Zuckerwatte zu besorgen. Dann siehst du, was du davon hast.“

Cassie konnte froh sein, dass sein Mann ihm hier nicht mitten unter Leuten einen Klaps auf den Hintern gab um ihn als Strafe zu versohlen - aber das hielt ihn nicht davon ab sich wenigstens Matthews Hand zu greifen, um ihn dichter an sich heran zu ziehen und ihm einen Kuss auf die Schläfe zu geben. Bei Gott, dieser Kerl hatte keine Ahnung wie sehr Claire ihn vermisst hatte und wie unerwartet fröhlich es ihn stimmte ihm dabei zuzusehen, wie er einfach nur hier bei ihnen war und nicht nur mit ihm, sondern auch mit Lucy herum blödelte.

Die Kleine hatte sich bereits in der Schlange am Stand eingereiht und winkte ihnen auffordernd entgegen damit sie sich bloß beeilten. Immerhin gab es Süßwaren ja nicht alle Tage und die Gefahr bestand immer, dass die Leute vor einem genau das aufkauften, das man selbst unbedingt haben wollte. 


Matthew C. Sky

 

Dass Clarence angefressen war wegen seiner Niederlage - die Dank dem guten Wurf eine echte Niederlage geworden war - sah dem Blonden gar nicht ähnlich, immerhin hatte Matthew bei diesem Spiel nun wahrlich nicht betrogen. Aber Cassie war nicht nur ein schlechter Verlierer, er war ganz sicher auch kein guter Gewinner. Denn statt sich bescheiden und fair zu geben hatte er eine gewisse Überheblichkeit an sich welche für gewöhnlich nur Leuten zu eigen war, die mit einem goldenen Löffel im Mund zur Welt gekommen waren. Das traf auf den Dunkelhaarigen wahrlich nicht zu und dennoch hatte er eben jene Art an sich, wegen der manche ihn liebten und er von anderen schon verprügelt worden war. 

Und überhaupt gab es nicht viele Grauzonen in Bezug auf Matthew. Man mochte ihn entweder oder man konnte ihn nicht leiden. 

So oder so, Cassie war das herzlich egal - so lange ein ganz bestimmter Mensch mit ihm klarkam war seine Welt in Ordnung. 

Und auch wenn eben jener Mensch gerade ein wenig angezupft schien, wusste Matthew dennoch, dass dieser Kerl ihn abgöttisch liebte und jederzeit alles für ihn tun würde. 

Und er selbst liebte ihn ebenso sehr. 

Glücklich und bis über beide Ohren in den blonden Spielverderber verliebt, lächelte Matthew als Clarence ihn an sich zog und seine Schläfe küsste. Ein Akt der Liebe wie er seit seiner Rückkehr immer öfter öffentlich geschah und Cassie begreifen ließ: es gab wirklich und ernsthaft kein Zurück mehr in alte Muster. Kein Verstecken mehr, keine Geschichten mehr von Grace, keine Lügen über ihr Kennenlernen. 

Als Clarence sich wieder löste, einen Sekundenbruchteil später schon, immerhin dauerte das Küsschen nur wenige Augenblicke, ließ Matthew ihn nicht gehen. Stattdessen zog er ihn zurück zu sich, lehnte sich gegen ihn und küsste ihn auf den Mund. Es war ein warmer und liebevoller Kuss, bei dem er Clarence mit den Fingerspitzen kurz durch den Bart strich. 

„Ich liebe dich, Blondie.“ - flüsterte er dem Größeren zu und gab ihn schließlich doch frei, jedoch ohne seine Hand loszulassen.  

An der zog er den Wildling hinter sich her in Richtung  Lucy, welche sich schon an einem der Süßwarenstände angestellt hatte. 

Davon gab es in der ganzen Stadt einige und so wie auch die Buden die alkoholische Getränke ausschenkten, waren sie allesamt gut besucht. 

„Weißt du schon was du nimmst?“, wollte Cassie von dem Mädchen wissen und Lucy legte nachdenklich den Kopf schief. „Vielleicht… einen Apfel mit Schokolade drum?“ - „Hmm nicht schlecht, aber wenn ich dir einen Tipp geben darf, dann nimm lieber einen der rot glasierten Äpfel.“ 

Was Matthew anging so würde er jederzeit einen Kandisapfel gegenüber einem mit Schokolade vorziehen, aber Lucy schien nicht ganz überzeugt. 

„Vielleicht ist auch Zuckerwatte besser?“, fragte sie - die Qual der Wahl habend. „Keine Ahnung was du besser findest, Zuckerwatte ist auch immer lecker.“ - Matthew war ein Kenner so ziemlich sämtlicher Süßspeisen des Kontinents, wann immer es irgendwo etwas süßes zu probieren gab, Cassie probierte es - anders sah es da bei Lucy aus, wie das Mädchen mit ihrer nächsten Bemerkung offenlegte.  „Ich hab die noch nie probiert…“ 

„Was? Das geht nicht. Jeder sollte zumindest einmal Zuckerwatte probiert haben. Claire, was sagst du?“ 

Als braver Christenjunge der in einem Kuhkaff aufgewachsen war, waren Süßigkeiten sicher auch nicht Teil seiner Kindheit gewesen, aber der Blondschopf hatte einiges nachgeholt und insbesondere die Vorzüge von Schokoladentorte kennen und lieben gelernt. 

Die Schlange in der sie standen lichtete sich allmählich und nicht mehr viele Leute standen vor ihnen, da blickte Matthew sich um und überflog den Marktplatz. 

„Würdet ihr mich kurz entschuldigen? Ich bin gleich zurück. Lucy, ich nehme einen kandierten Apfel - pass auf, dass es ein großer ist. Ich steh auf das Zeug.“ - „Wohin gehst du?“, wollte das Mädchen wissen, aber Cassie schüttelte nur kurz den Kopf. „Nicht so indiskret, junge Dame. Ich bin gleich wieder da.“

Und damit  gab er seinen Platz in der Schlange auf, drängte sich an einigen anderen Wartenden vorbei und verschwand schon kurz darauf in der Menge. Fast fünfzehn Minuten dauerte es, bis Cassie zu dem beiden zurückkehrte, Lucy hatte Zuckerwatte und einen kandierten Apfel bekommen, wobei sie aktuell glücklich ihre süße Watte mümmelte. Sie sah fröhlich aber auch kindlich erschöpft aus - was ihr aber auch zustand, immerhin waren die letzten zwei Stunden ereignisreich gewesen. 

„Und, gut?“ wollte Cassie wissen als wäre er nie weg gewesen. „Sehr gut!“, bestätigte das Mädchen und strahlte ihn an. „Clarence hat mir beides gekauft, er wollte nicht, dass ich das Geld nehme was Mrs. Tilmitt mir gegeben hat.“ Matt blickte zu Clarence und schenkte ihm ein verliebtes Lächeln. „Yeah… das klingt nach ihm. Er kann ziemlich großzügig sein.“

Und dem konnte Lucy nicht widersprechen, während sie mit roten Wangen und leuchtenden Augen ihre Süßigkeiten verspeiste.

 


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