Pago Estrella Vaga
10. Juli 2210
Jäger waren nicht dafür bekannt, sich häufig in die Gesellschaft von Fremden zu begeben. Sie liebten die eigene Zunft, vertrauten den eigenen Leuten und umso weniger den anderen, mochten sie auch noch so unscheinbar sein.
Es stimmte, dort draußen gab es genug, die ohne mit der Wimper zu zucken auf die Geschichte des Dunkelhaarigen hinein gefallen wären. Die arme kleine Grace saß Zuhause und wartete artig auf ihren Mann, auf dass er ein neues, sicheres Zuhause für sie finden würde, wo kein Herr und keine Bande Verbrecher darauf aus waren, ihren Mann auszunutzen.
Womöglich gab es sie wirklich, die fromme Ehefrau die eines Tages nachkommen würde, das bestritt keiner der beiden offen. Aber was Matthew vergaß war, dass man die beiden nicht dafür bezahlte, jeder Kitschgeschichte sofort Glauben zu schenken. Dort draußen gab es genug Wölfe in Schafspelzen; Hexen, von Dämonen besetzte Leute oder einfach nur den Psychopathen von nebenan, der sich am Ende des Auftrags einfach nur als Trottel entpuppte, den die Meute schon noch richten würde. Man brauchte ein Gespür für andere Menschen, selbst wenn man nur selten intensiven Kontakt zu ihnen pflegte, und ein gesundes Maß an Skepsis, um seinen Job als Jäger gut zu verrichten. Die einen eigneten sich diese Fähigkeit früher an, die anderen später. Wer es allerdings nicht tat, starb im schlimmsten Fall im Verlauf seines zu erledigenden Auftrags.
Cameron schwieg zur Anteilnahme des Neulings, ganz so wie es sein seltsames Lächeln prophezeit hatte. Brielle war bereits zu lange tot um ihr heute noch hinterher zu trauern und selbst wenn sein späterer Clanführer sie nicht auf dem Gewissen gehabt hätte, so wagte er zu bezweifeln, dass er sie jemals wieder aus ihrer Starre hätte erwecken können. Er hatte lernen müssen kein nachtragender Mensch zu sein, vor allem deshalb, um sich selbst nicht bis ans Lebensende Vorwürfe wegen dieser Sache zu machen. Wer sich selbst nicht verzeihen konnte, konnte das auch nicht bei anderen und die Zeit hatte ihn gelehrt, man wurde mit solch einer Lebenseinstellung voraussichtlich eher unglücklich als alles andere.
Kurz nur trafen sich die Blicke von Barclay und Clarence, ein Bruchteil einer Sekunde der dem Blonden ein leises Brummen entlockte und dem wissenden Ohr offenbarte, welch Zwistigkeit selbst heute noch zwischen den beiden jungen Männern stand. Doch statt zu eskalieren, streckte sich schließlich der Arm Matthews samt Pfeife wie eine Barriere zwischen den beiden aus, einer Trennmauer gleich die den großen Knall erfolgreich im Keim erstickte.
„Findest du es schlecht dich zu erinnern, Matthew?“, entgegnete die Rothaarige in einem leisen Tonfall, der sich der plötzlichen Stille angepasst hatte, welche lediglich durch die unbeholfenen Worte des anderen unterbrochen wurde.
Mittlerweile waren sie die einzigen die noch draußen an den Tischen saßen. Die wenigen Einwohner, die es sich bis vor kurzem noch um sie herum bequem gemacht hatten, waren längst aufgebrochen um zu ihren Häusern zurück zu kehren und die Handvoll mexikanischer Arbeiter hatten morgen früh genug Arbeit vor sich, als dass sie sich einen ausgedehnten Abend im Gasthaus erlauben konnten.
Das Wachs der fast abgebrannten Kerze auf ihrem Tisch war bereits halb auf dem alten Holz zerflossen und bot in der Dunkelheit den verzerrten Anschein einer Sirup-artigen Blutlache, die ihr ewiges Dasein wächsern auf ihrem Untergrund einbrennen würde, ließ man sie weiter hier verweilen. Das Zirpen der Grillen mischte sich unter die eiserne Öllampe, die neben dem Eingang des Wirtshauses dann und wann im lauen Abendwind hin und her geweht wurde um darunter metallisch aufzuschreien.
Eine seltsame Stimmung hatte sich über die kleine Gruppe gelegt und wäre Adrianna sich nicht sicher, dass man Clarence‘ Wort vertrauen konnte wenn er sagte er hatte seinen Auftrag gewissenhaft erledigt, hätte sie just in diesen Moment schwören können, dass ein altbekannter Geist sich zu ihnen an den Tisch gesellt hatte um ihren verschwörerischen Worten still zu lauschen. Man sollte nicht schlecht über die Toten reden, so sagte man jedenfalls – und wer jemals schon mal einem echten Geist begegnet war, der wusste auch warum.
„Für mache mag Vergessen ein Segen sein, aber ich sehe das anders. Wer vergisst, der verliert sich selbst und das, was ihn ausmacht. Unsere Erlebnisse machen uns zu denen, die wir heute sind… und ein gebranntes Kind sollte niemals vergessen, wie heiß das Feuer war, in das es gestoßen wurde – oder wie scharf die Klinge“, fügte sie mit spitzer Zunge an ohne zu ihrem Nachbarn hinüber zu blicken, wohlwissend, dass dieser jedem einzelnen ihrer Worte folgte.
In plötzliches Schweigen gehüllt musterte sie Matthew, dessen plötzlich veränderte Gesichtszüge ihr mitnichten entgangen waren. Es gab Leute wie Clarence Sky, die sich in sich selbst zurück zogen wenn ihnen die Dinge zu unangenehm wurden, aber der Fremde schien mehr nach Cameron zu kommen. Unnütz plappernd auch wenn man ihn nicht darum gebeten hatte, entweder sich selbst erklärend oder aber auf der Suche nach einem geeigneten Thema, durch das man ablenken konnte. Spinnen eigneten sich da natürlich hervorragend, auch wenn sie nicht verstand warum der Kerl mit einer unübersehbaren Säurenarbe im Gesicht herum rannte, wenn er zu der Zeit mit einem Jäger und sogar Schamanen unterwegs gewesen war. Die Visage hätte man jedenfalls besser wieder hinbekommen können.
„Wir wissen, dass du uns nicht verraten wirst. Sonst hätte Clarence dich nicht mitgebracht. Du hast…“
…etwas vertrauenswürdiges an dir. …diesen gewissen Charme. …sicher großes Talent.
All das und noch mehr hätte Adrianna von sich geben können um das Bild zu zeichnen welches sie von Matthew hatte, doch ihre Erkenntnis war eine andere.
Geräuschlos lehnte sie sich auf dem Stuhl nach vorne und griff nach der dargebotenen Pfeife, jedoch ohne sie direkt den Fingern des Dunkelhaarigen zu entwenden.
„…deinen eigenen Schäfer bereits getroffen, nicht wahr? Deshalb hat er dich mitgenommen.“
Ihr war weder der fahle Ausdruck entgangen, der sich plötzlich über das Gesicht des Fremden gelegt hatte, noch die plötzlich nervösen Worte über Dinge die besser wären, als sich zu erinnern. Solche Dinge sagte nur jemand, der selbst viel zu vergessen hatte und sich in manch dunklen Nächten Verdrängung so sehr herbei sehnte wie nichts sonst auf dieser Welt.
Das kurze Zucken eines Mundwinkels untermauerte ihre Ahnung als sie dem Dunkelhaarigen die Pfeife schließlich ganz abnahm und das seichte Glimmen der Kräuter ihre Züge in sanftes Rot tauchte.
Es benötigte keine besonderen Kenntnisse um zu erahnen, dass das Kennenlernen mit Nagi Tanka der jungen Frau einen weit heftigeren Schlag versetzt hatte, als den beiden jungen Männern – eine Annahme die sich schließlich bestätigte, als wider Erwarten Clarence es war, der aus seiner Starre erwach zu sein schien.
„Adrianna war einer der wenigen Fehler, die Nagi gemacht hat. Sie hätte weder weiter existieren, noch heute hier sein dürfen. Aber Menschen wie er… werden anscheinend irgendwann exzentrisch und zu selbstverliebt und dann… machen sie Fehler“, murmelte der Hüne leise gen Holzmaserung, offensichtlich eigentlich in andere Gedanken vertieft, die er noch nicht in der Lage war abzuschütteln. „Es war ein dummer Zufall, dass andere aus dem Clan sie gefunden und mitgenommen haben. Sie war fast noch ein Kind aber klug genug um zu wissen nur dann überleben zu können, wenn sie sich dumm stellt. Also hat sie jahrelang die Lüge aufrecht erhalten sich an nichts zu erinnern, darauf lauernd, dass Nagi irgendwann nachlässig wird und sich eine Chance bietet. Und schließlich… hat er sich nach Jahren des einsamen Reisens unerwartet einen neuen Lehrling unter seine Fittiche genommen, der so nah an diesem Mann dran war, wie kaum jemand sonst.“
Beinahe schon piesackend blies Adrianna ihm gebündelt den Rauch der Pfeife entgegen, eine Geste die bei der gemeinsamen Vorgeschichte und ihrem Temperament die unterschiedlichsten Beweggründe haben konnte. Mittlerweile hatte sie sich zum Schneidersitz auf ihren Stuhl erhoben. Lediglich dadurch wurde ihr Blick abgelenkt, dass der Kellner kurz den Kopf durch die Tür des Gasthauses reckte, um nach dem Rechten zu sehen.
„Ich plädiere dafür, dass du dem Fehler eine verdammte Flasche von diesem Schnaps bestellst, damit der Fehler sich nicht weiter mit den kleinen Gläsern quälen muss. Und dann will ich endlich wissen was passiert ist, nachdem ihr aus Falconry aufgebrochen seid und wie er sein verfluchtes Ende genommen hat. Hast du mich verstanden, Claire?“ – der fragwürdige Spitzname, den der Neue für Sky hatte, war ihr nicht entgangen, so viel stand fest.
Widerwillig musterte Clarence die junge Frau neben sich, deren Zorn er nur zu gut nachvollziehen konnte. Sie hatte so viele Jahre damit verbracht zu warten und nochmal zu warten, nur damit ihre endgültige Erlösung am Rande des Waldes nur doch wieder aufgeschoben wurde, weil sich eine ungeplante Komponente in Form von Matthew eingeschlichen hatte. Überhaupt verstand der Blonde in der kleinen Runde gerade einiges, von der plötzlichen Unsicherheit seines Mannes zu der er schweigen musste wenn sie nicht unangenehm auffliegen wollten, über Adriannas Gehabe bis selbst hin zu Cameron, der… nun ja, der nun eben Cameron und ein Trottel war.
Schon jetzt war er müde von alldem was sich am heutigen Tag los trat. Er vermisste sein Bett, er vermisste sein Boot und er vermisste es der einzige zu sein, der mit dem Ring an Cassies Finger in Verbindung gebracht wurde. Resignierend fuhr er sich durchs Haar, um einzelne widerspenstige Strähnen wieder hinüber zum Rest im Haargummi zu befehligen, bevor er den Kellner heran winkte der eher den Anschein machte, als trauere er einem zeitigen Feierabend heute ganz besonders hinterher.
„Oye, amigo. ¿Nos traerás otra botella de aguardiente? – No, no... sin gafas. Una botella entera, por favor. – Gracias.”

Die junge Frau, welche ihm im Schneidersitz gegenüber saß und ihn mit ihren Augen fixiert hielt, hatte etwas überaus unangenehmes an sich.
Als Matthew sie vor wenigen Stunden zum ersten Mal getroffen hatte, hatte er sie für eine exzentrische Frau gehalten, die nicht ganz rund lief.
Und Barclay für einen verträglichen Typen, unkompliziert aber eben auch ein bisschen flach. Jetzt konnte er nicht mehr nachvollziehen wieso er in diesen ersten Sekunden nach dem Kennenlernen so schnell sein Urteil gefällt hatte - und wie er sich so hatte täuschen können.
Eigentlich war er gut darin Menschen einzuschätzen, aber vielleicht glaubte er das auch nur von sich selbst, weil er allen Menschen schon aus Prinzip erstmal misstraute - und man damit seiner Ansicht nach nie falsch liegen konnte.
Wie auch immer: mittlerweile glaubte der junge Mann, dass beide Charaktere alles andere als flach waren. Besonders die Rothaarige hatte etwas an sich, dass ihm missfiel. Adrianna war ihm unangenehm, mit ihrem bohrenden Blick und der Art wie sie durch seine Fassade hindurch zu blicken schien, bis auf den Grund seines Herzens hinab, wo ein Mann in der Dunkelheit saß und mit der samtenen Stimme der Gewissheit sagte: „Du bist ein ganz besonderer Junge, Matthew. Ganz besonders...aber wenn du mich enttäuscht, wenn du nochmal versuchst wegzulaufen...dann werde ich mit dir tun, was ich mit Jamie tun musste. Er ist tot - und daran bist du Schuld, Mattie. Du bist an allem Schuld.“
Dass man dem Dunkelhaarigen sein plötzliches Unbehagen so deutlich ansah, war sein Fluch - schon immer hatten seine Augen ihn verraten. Und ein lang verschollener Ausdruck kehrte nun zurück in sie, machte aus Matthew Sky wieder Matthew Reed, ein Bursche der lachte ohne zu lachen, der redete ohne etwas von sich zu erzählen, der Spaß machte ohne selbst Spaß zu haben.
„Ich weiß nicht was du meinst... Ich kenne niemanden wie euren Nagi Tanka. Woher sollte ich auch?“, wehrte er die Frage, welche schon mehr eine Feststellung gewesen war, ab und lehnte sich wieder zurück als Adrianna ihm die Pfeife endlich abgenommen hatte.
„Ich meine jeder kennt doch irgendwelche Arschlöcher...da nehm ich mich nicht raus. Wir leben nicht im Garten Eden... Aber dieser Kerl scheint unter den Arschlöchern der König gewesen zu sein.“
Er schüttelte den Kopf und versuchte sich sein schlechtes Gefühl nicht anmerken zu lassen. Diese Frau wusste gar nichts von ihm und er würde auch den Teufel tun, daran etwas zu ändern.
Er hatte keinen Schäfer, weil er kein verfluchtes Schäfchen war, auch wenn er das immer behauptet hatte.
Trotzig - weil sie ihn so in die Ecke gedrängt hatte - beäugte er die Rothaarige und überlegte was er noch sagen konnte, damit die unangenehme und frostige Stille nicht zurückkehrte.
Am liebsten wäre er aufgestanden, eine Runde um die Mühle gegangen um sich bei einer einsamen Zigarette wieder zu beruhigen. Aber das konnte er nicht bringen, immerhin würde sich Adrianna dann erst recht bestätigt fühlen.
Gerade wollte Matthew wieder das Wort ergreifen um das Schweigen nicht zu lang werden zu lassen, als Clarence einsprang und die Aufmerksamkeit der Rothaarigen auf sich lenkte.
Cassie, der sich schrecklich unwohl fühlte, warf dem Hünen einen kurzen, dankbaren Blick zu. Obwohl er nicht sicher war ob Clarence ihn gerade bewusst oder unbewusst rettete, so rettete er ihn und Matthew dankte ihm insgeheim für sein goldenes Timing.
Adrianna, die offensichtlich mit ihrer Geduld am Ende war, riet Clarence schließlich dazu ihr noch mehr von dem Schwarzgebrannten zu bestellen. Sie hatte Jahre darauf gewartet ihre Rache zu bekommen, wenngleich noch immer nicht raus war was genau der große Geist ihr angetan hatte. Doch egal was es war, ihre Geduld war erschöpft und sie würde sich nicht mit weiterem Aufschub zufriedengeben.
Der Dunkelhaarige hingegen gab sich zufrieden, er war froh nicht mehr im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen. Schweigend blickte er in seinen Humpen Wein und schwenkte ihn ein bisschen hin und her. Sich unauffällig verhaltend damit weder Barclay noch die Frau sich wieder auf ihn einschossen.
Mit der selben Konzentration mit der Clarence vorher die Tischplatte studiert hatte, studierte er nun wie der Wein hin und her schwappte, lauschte der Erzählung jedoch trotzdem aufmerksam.
Erst als er Clarence‘ Stimme wieder vernahm hob er den Blick wieder und blickte seinen Mann verdutzt fragend an - weil die vertraute Stimme ganz und gar unvertraute Worte nutzte .
„Oye, amigo. ¿Nos traerás otra botella de aguardiente? – No, no... sin gafas. Una botella entera, por favor. – Gracias.”
„No sabia que hablas español.“ - entgegnete er überrascht und musterte den jungen Mann der offensichtlich immer noch ein Ass im Ärmel versteckte.
„¿Por qué no me dijiste eso? - er hätte ihm in der Koralle der Oreo nichts vormachen müssen, andrerseits war es auch irgendwie ziemlich beeindruckend seinen Mann so reden zu hören - es klang ungewohnt, beinah exotisch und es machte sexy.
Matthew setzte sich nun etwas seitlich an den Tisch, stützte sich mit dem Ellenbogen auf die Platte und den Kopf in seine Hand. Auf diese Weise betrachtete er Clarence schmunzelnd und keck.
Wenn er könnte, er würde nun zu gern die widerspenstigen Haarsträhnen, welche sich aus dem Haargummi befreit hatten, zurück hinter die niedlichen Segelohren des Hünen schieben - aber das war natürlich verboten.
Vorsichtig schob er seinen Fuß wieder herüber zu dem von Clarence und stupste neckend dagegen. Danach - und weil er die anderen beiden für einen Moment schon ganz außen vor gelassen hatte und das natürlich nicht so weitergehen konnte, wandte er seinen Blick wieder auf Cameron und dann auf die Rothaarige.
„¿Qué hay de ustedes dos?“ - die Reaktion auf seine Frage fiel eindeutig aus, in dem Barclay mit den Augen rollte.
„Keine Ahnung was du wissen möchtest, Sonnenschein. Bei Gracie kommen deine Sprachkünste aber sicher besser an, als bei Addy so viel verspreche ich dir.“ - „Ah sorry...ich dachte, weil ihr ja schon eine Weile hier wartet und weil sogar Clarence Spanisch spricht...“
Mit einem Schmunzeln sah er wieder zu besagtem Kerl herüber und strich mit dem Fuß frech an der Wade des Älteren hinauf.
„Ne nix da Spanisch.“, schüttelte Barclay den Kopf, eine Information, die Matthew ausgesprochen gut gefiel.
Es lag viel Zeit zwischen dem Matthew und dem Clarence von früher und den beiden von heute. Damals waren sie sehr mit sich selbst beschäftigt gewesen, unsicher und zurückhaltend.Heute aber entging ihm der düstere Ausdruck in den Augen seines Mannes nicht mehr, nicht wie damals. Es war eine Dunkelheit, die jeden Funken Glück aus seinen Iriden zu saugen schien und die ihm das Glitzern raubte, das der Blonde so sehr an dem Kandisfarben liebte. In solchen Momenten zog Cassie sich in sich selbst zurück und der Ältere wusste nicht zu sagen ob er das tat um sich dort vor den schlimmen Erinnerungen seiner Kindheit zu verstecken, oder ob er ihnen dann Angesicht zu Angesicht wieder gegenüber stand.Doch welcher Kampf auch immer es war, den der Jüngere in sich selbst austrug, er fand sein plötzliches Ende so schnell wie er gekommen war und das Funkeln trat zurück in die geliebten Augen, als er verstand, was Clarence da gerade von sich gegeben hatte.Beinahe unschuldig zuckte jener mit den Schultern, so als wüsste er nicht was Cassie meinte oder als wäre es nicht der Rede wert. Wenn der Kerl dachte er wäre der einzige, der wusste es war klüger sich unterschätzen zu lassen statt zu ernst genommen zu werden, lag er gehörig falsch. Natürlich gab es generell eigentlich nichts was er vor seinem Partner verheimlichen musste, aber irgendwie… irgendwie war es reizvoll, es manchmal eben doch zu tun.„Nunca me preguntaste“, beinahe schon vorwurfsvoll klang der Hüne dabei, doch in seinem Blick lag nichts Anklagendes. „Asumiste que podía leer. Te has dado cuenta de que no puedo – entonces has decidido que debo ser estúpido.“Die Haltung, die Matthew plötzlich einnahm, gefiel Clarence ganz und gar nicht. Da war dieses plötzliche Feuer das in seinem Gegenüber aufloderte und an dem sie sich beide würden verbrennen können wenn sie nicht aufpassten, so viel stand fest. Es passte weder in die Situation, noch in die Lage in der sie sich befanden, dass der Dunkelhaarige plötzlich damit begann sich ihm heimlich unterm Tisch wieder anzunähern und doch konnte Claire sich nicht dagegen verwehren. Artig beließ er seine Beine an Ort und Stelle, genoss das sanfte Streicheln des fremden Fußes an seiner Wade und hob leicht die Brauen als Cameron den einstigen Söldner enttäuschte – wobei die Enttäuschung eigentlich eher positiver Art zu sein schien, so wie Cassie schmunzelte.„Not e preocupes. Son tan talentosos como un cerdo en un piano.“ – und selbst in diesem Vergleich, da war sich Claire sicher, ließ sich dem Schwein noch eher die Mondscheinsonate beibringen als den beiden Pappnasen hier eine Bierbestellung auf einer anderen Sprache als derer, die sie kannten.Dass es reichlich unhöflich war die beiden anderen Teilnehmer derart aus dem Gespräch auszuschließen, war offensichtlich und vor allem äußerst gefährlich, bedachte man Adriannas eh schon wieder miserabler werdende Laune. Ein Anlass für Clarence, sich unter warnendem Blick dem Jüngeren entgegen zu lehnen und mahnend den Kopf zu schütteln.„Tenía que saber si coqueteabas secretamente con otros… pero fuiste un buen cervato. Como recompensa, te cojo muy bien esta noche.“Eine verheißende Drohung die er nicht nur einfach so sagte, sondern vor allem auch so meinte.Mit selbstgefälligem Ausdruck in den Augen – immerhin hatte er ja gerade dem Neuankömmling die Leviten gelesen und ihn aufgefordert sich vor seinen Freunden anständig zu benehmen statt sie dafür zu verurteilen hier kein Wort Spanisch gelernt zu haben, nichts weiter – lehnte er sich in seinem Stuhl zurück und wandte sich wieder ein Stück weit Adrianna zu, die ihn gerade mit ihren durchdringenden Blicken zu erstechen versuchte.Diese ständige Ablenkung von ihren durchaus berechtigen Belangen gefiel ihr nicht und ihre missliche Laune ließ sie weiterhin spüren, indem sie ungefragt ihre salzigen Finger in fremde Wunden legte.„Wie war es eigentlich Zuhause, Claire? Mh? Steht die abgebrannte Hütte noch?“Ihr Tonfall war stichelnd und so aufbrausend wie sie sein konnte, was sie am Nachmittag erst demonstriert hatte, so gut wusste sie auch mit den schwachen Punkten ihrer Mitmenschen umzugehen. Wer diese Frau unterschätzte oder für flach hielt, machte einen gewaltigen Fehler. Manchmal, so kam es ihm jedenfalls vor, war die Rothaarige noch aufmerksamer als er selbst.Kurz überlegte er, ihr Gleiches mit Gleichem zu vergelten und auch ihre Narben anzurühren; eine Intention die er nach einem tiefen Atemzug jedoch herunter schluckte, denn sonst würde die Nacht vielleicht doch noch in einem mittelschweren Gemenge enden.„Der abgebrannten Hütte geht’s gut, danke der Nachfrage. Die Sippschaft hat einen zauberhaften Zaun darum gezogen, das hält wenigstens das Gesindel von meinem Grund und Boden fern“, ließ er ihr frei zu interpretieren, ob das auch als Metapher für ungebetene Fragen zu seinen Angelegenheiten zu verstehen war.Wenngleich Addy nicht wirkte, als habe sie damit die aufgezogene Stimmung zwischen ihm und seinem Kumpanen erkannt und im Keim ersticken wollen, gelang ihr das unbekannterweise verdammt gut. Bevor sie es noch weiter trieb, warf er ihr lieber ein paar Krumen hin, die ihren Aggressionshunger hoffentlich vorerst stillen würden.„Ich war nicht drin, falls du das meinst. Hab nur gesehen, dass sie ein paar Grabmale vors Haus gestellt und danach vermutlich das Gelände abgeriegelt haben aus Angst, dass der Teufel dort Einzug gehalten hat. Sind auf dem Weg dorthin auf zwei aus der Nachbarschaft getroffen, aber wie du siehst sitze ich hier, also werden sie mich nicht erkannt haben.“Die junge Frau abschätzig musternd, war es in seinem Fall dieses Mal der Kellner, der ihn von seinem Leid erlöste, indem er mit einem Tablett, vier Gläsern und einer großen Flasche glasklaren Inhalts zu ihnen zurück kehrte.
„¡Ten cuidado! Te vuelves ciego si bebes demasiado“, scherzte er während er die Gläser vor den Gästen abstellte, doch das Lachen verging ihm schnell, als er reihum blickte und schließlich das auslandende Gesicht der jungen Frau erhaschte. Dass ihm die Truppe eigenartig vorkam spürte man ihm an, immerhin schienen sich bis her raus auf das versteckt liegende Weingut nicht oft Jäger zu verirren und wenn, dann keine ausländischen.

Clarence war - das hatte er gerade bewiesen - ein schrecklicher Lügner und ein ziemlich durchtriebener Kerl.
Da tat er in der Koralle der Oreo so, als verstünde er kein einziges Wort Spanisch und sprach selbiges dabei fließend und nahezu akzentfrei.
Sein Argument, er habe testen wollen ob Matthew auch nicht heimlich mit anderen flirtete, rechtfertigte eigentlich einen Tritt gegen sein Schienbein, immerhin war die Unterstellung allein schon sträflich.
Aber der Bär war ein cleverer Räuber und schaffte es durch seine verheißungsvollen Worte, dass das brave kleine Rehböckchen statt zu treten, mit dem Bein an der Wade des Hünen weiter hinauf streichelte.
Düster - fast schon zischend - um den Schein von Strenge aufrechtzuerhalten, ließ er ihn auf Spanisch wissen, dass er ihn heute Nacht gut ficken würde, quasi als Lohn, weil er eben nicht fremdgeflirtet hatte.
Das gescholtene Böckchen hatte seine liebe Not damit, auf diese Worte nicht mit wohliger und lockender Stimme zu antworten und das er nicht errötete war schon beinah ein kleines Wunder. Wenn sie beide nicht aufpassten, dann flogen sie schneller auf, als ein Priester im Bordell.
Matthew räusperte sich schließlich, senkte kurz betreten den Blick und hoffte, dass die anderen beiden seine Worte als Entschuldigung auffassen würden.
¿Estás seguro de que mereces follarme? - und dann, so als wüsste der Bär das nicht: „Estás muy caliente ... Pero no te lo pondré fácil esta noche.“
Oh Cassie hätte diese Unterhaltung nur zu gerne fortgesetzt, immerhin gab es kaum etwas das ihn so sehr anmachte wie in der Öffentlichkeit unanständig zu sein. Doch Adriannas Talent dafür, die Stimmung zu ruinieren ließ sich nicht leugnen.
Mit ihrem Augen - die wie giftige kleine Dolche das Licht der Kerzen brachen - schaffte sie es, ihre ganze Gereiztheit sichtbar zu machen und weil ihr das offensichtlich nicht ausreichte, musste sie nun auch noch Clarence schmerzlich an das erinnern, was Matthew als Thema weitestgehend gemieden hatte.
Nicht, weil es ihn nicht interessierte, sondern weil er um den Schmerz wusste, der stets ein Teil von Clarence sein würde.
Wie konnte diese Frau es wagen, auf das anzuspielen was ihr angeblicher Bruder verloren hatte? Sie wusste gar nichts von Brüderlichkeit und anscheinend auch nicht viel von Anstand.
Der Blonde hatte ihm von seinen Kindern erzählt, von seiner Frau, von seinem Leben... Er hatte Träume gehabt, die nicht wirklich seine gewesen waren, war an unsichtbaren Fäden einen Weg gegangen, den er sich selbst nicht ausgesucht hatte. Ruby Sue hatte ihn gelenkt, aber sie hatte ihn auf ihre Weise auch geliebt und sie hatte ihm Kinder geschenkt, deren Verlust immer schmerzlich sein würde.
Für nichts in der Welt würde es Matthew in den Sinn kommen, Clarence für eine billige Provokation an jenen dunklen Fleck in seinem Leben zu erinnern.
Ebenso wie auch der Blonde das Thema gütiger Mann vermied.
Für Adrianna war der Blonde vermutlich weitaus mehr als bloß ein Mittel zum Zweck und doch degradierte sie ihn gerade genau dazu.
Sie bekam nicht schnell genug was sie wollte, also versuchte sich alte Wunden aufzureißen und Salz in sie zu pressen.
Zwar konterte Clarence geschickt, reagierte nicht mit offensichtlicher Wut oder gekränktem Ego, aber für Matthew war seine wohl überlegte Antwort nicht genug.
Der Blonde musste seine Rolle spielen, er hingegen konnte ihr sagen was er dachte, zumindest soweit es ihre ausgedachte Geschichte zuließ.
Er würde die Klappe halten wann immer es ging, er würde nichts sagen wenn Addy oder Barclay seinen Mann aufzogen oder mit ihm stichelten. Von ihm aus durften sie unverschämt sein oder Witze auf seine Kosten machen.
Aber er würde nicht schweigend mit am Tisch sitzen, während man versuchte, es ja regelrechte darauf anlegte, ihm wehzutun.
Dass konnte er ebenso wenig, wie einem Schwein das Klavierspielen beizubringen.
„Wieso hörst du nicht einfach auf mit der Scheiße, hm?“, fragte er unvermittelt an Adrianna gewandt, noch während der arme verwirrte Kellner den Tisch eilig wieder verließ.
Er hatte den Schwarzgebrannten und die Gläser zügig abgestellt und nachdem niemand auf seinen kleinen Scherz eingegangen war, suchte er nun wieder den Schutz im Innern der Mühle.
„Die ganze Zeit höre ich von dir immer nur was du willst. Du bist ungeduldig was er dir zu erzählen hat? Von mir aus! Aber er sitzt hier und eurer Anführer tut es nicht, deshalb kannst du wohl davon ausgehen, dass Clarence getan hat was vereinbart war.“, völlig egal wie lange Adrianna sich schon in Geduld geübt hatte und wie wenig sie nun noch davon übrig hatte, sie hatte kein Recht dazu den Blonden zu quälen.
„Reiß dich verdammt nochmal zusammen! Du redest mit ihm als wäre er dein Untergebener.“
Ob es klug war die junge Frau so zurechtzuweisen...dass bezweifelte sogar Matthew, aber auf der anderen Seite musste ihr vielleicht auch mal jemand sagen, dass ihre Art bisweilen zum Kotzen war.
„Keine Ahnung was der Kerl dir getan hat und es geht mich auch nichts an, aber Clarence...“ - er deutete kurz auf den Blonden ohne Adrianna dabei aus den Augen zu lassen. „...hat dich gerächt. Dich und Brielle und noch einige mehr, also...hör...einfach auf.“
Gegen Ende seiner Ausführungen war er wieder leiser und weniger fordernd geworden, auch wenn er nicht den Eindruck machte als sei er wirklich versöhnlicher gestimmt.
Dass ihn die junge Frau selbst versucht hatte so in die Ecke zu drängen, war das Eine - unangenehm und alles andere als wohl hatte er sich gefühlt - aber dass sie das selbe Spielchen nun auch bei Clarence versuchte, war einfach zu viel des Guten.
Gerade fühlte sich Clarence ein wenig in der Zeit zurück versetzt. Es mochte nicht helllichter Tag sein und es gab auch keinen Innenhof in dem kleine Hundewelpen ihr Unwesen trieben, aber die Szenerie in der Öffentlichkeit war ihm dennoch nicht fremd.Es machte ihn verdammt an in der schutzlosen Szenerie eines Gasthofes schamlos derartige Worte mit seinem Mann auszutauschen und dass dieses Mal noch Leute mit am Tisch saßen – selbst wenn diese kein Wort verstanden – hob ihre Skrupellosigkeit nochmals auf ein ganz neues Level.Der einstmals zugeknöpfte junge Mann ihm gegenüber, der sich geziert hatte ihm beim Kopulieren in die Augen zu blicken oder ihn gar zu küssen, war zu einem verruchten Liebhaber geworden der genau den richtigen Nerv beim Blonden traf. Unzweifelhaft hatte Cassie gar nicht recht begriffen worum es gerade eigentlich ging, immerhin versuchte er sich gerade seinem Bären zu verwehren, obwohl er die Entlohnung in dieser Nacht eigentlich als Geschenk für sein treues Verhalten erhalten sollte. Es war nichts was der Hüne sich holen oder um das er kämpfen musste, sondern ein Geschenk an den anderen – was jenen aber nicht davon abhielt noch immer zu glauben, den längeren Atem zu haben. Dabei hatte sich das Blatt schon lange zwischen ihnen gewendet und die Zeiten, in denen Clarence abgewiesen worden war, waren schon längst vorbei.So süß die Verlockung der anstehenden Stunden auch war, vorerst gab es andere Dinge zu klären und Adrianna hielt schließlich nicht nur ihn selbst am Boden und führte ihn zurück zum eigentlichen Geschehen, sondern auch den Neuankömmling, der zumindest bei Claire für seine aufbrausende Art bekannt war.Es sprach für Matthew Reed ebenso wie für Matthew Sky, dass er Ungerechtigkeit noch nie einfach so hingenommen hatte. Er war kein Passant wie die meisten anderen, die Elend sahen und einfach daran vorbei gingen, so als würde es sie nicht im Geringsten tangieren. Er nahm eine Handvoll Übernachtungen im Kerker gerne hin, wenn er dafür dem unangemessenen Verhalten erwachsener Männer einen Riegel vorschieben konnte und für das was ihm lieb und teuer war, sprang er umso mehr in die Bresche. Cassie war… einer der wenigen noch hoch anständigen Menschen in dieser Welt, doch so groß sein Herz auch war, so groß war auch sein Übermut mit dem er sich eines Tages noch um Kopf und Kragen brachte.Mit seinem plötzlichen Einschreiten sicherte er sich die irritierten Blicke dreier Augenpaare. Clarence‘ Mundwinkel zuckten kurz widerwillig, eine stille und unauffällige Aufforderung an dieser Stelle bloß nicht zu eskalieren nachdem der Abend einigermaßen glimpflich verlaufen war, doch seine stumme Mahnung fand kein Gehör.„Mhh…“, hörte er es stattdessen sonor neben sich Brummen, untermalt durch das leise Kratzen von Glas auf Holz, während Adrianna sich erst die Flasche Schnaps heran zog und dann eines der Gläser, das polierte Mundstück der Pfeife zwischen ihren Zähnen eingeklemmt, um diese nicht ablegen zu müssen.Leise ploppte der Korken, durch den die Flasche verschlossen war, bevor sie ihr Gläschen mit Schwarzgebranntem füllte und sich danach über den Tisch lehnte um auch die restlichen Gefäße zu befüllen. Ein Sprichwort der Alten besagte, dass bellende Hunde nicht bissen und münzte man dieses auf die Rothaarige, behielt man damit vollkommen Recht. Dass sie derart stumm war, anstatt auf die angriffslustigen Worte des Jüngeren zu kontern, gefiel Clarence überhaupt nicht und wenngleich er versuchte sich sein Unbehagen nicht anmerken zu lassen, gelang ihm dies nur mäßig.„Für jemanden der nur ein guter Freund und Knecht ist, fühlst du dich stellvertretend ganz schön auf den Schlips getreten“, stellte sie schließlich fest als die Pfeife den Weg zurück in ihre kantigen Finger gefunden hatte, die sicher weh tun würden, wenn sie einen an der richtigen Stelle trafen. „Seltsamerweise beschwerst den ganzen Tag nur du dich über mich, obwohl hier zwei gestandene Männer mit am Tisch sitzen, die sicher für sich selbst einstehen könnten, wenn sie das Gefühl hätten, es müsste sein. Falls du also ein Problem mit mir haben solltest, Matthew Reed – die Wiese hinter der Mühle ist groß. Wir können gerne aufstehen und das anderswo klären, so wie Jäger das machen. Ich führe dich nur allzu gerne in die ein oder andere Tradition ein.“Auffordernd breitete sie einen Arm gen Wiese aus, ihm symbolisierend, dass es da draußen genug Platz gab an dem sie ihm demonstrieren konnte, wo hier fortan sein Platz in der Nahrungskette war. Adrianna mochte klein und zierlich erscheinen, doch in ihren Augen lag kein einziger Funken von Angst oder Zögern. Man hörte ihren Worten an, dass er nicht der erste und nicht der letzte Mann sein würde mit dem sie sich prügelte und das Selbstbewusstsein mit dem sie ihn herausforderte, verriet, dass der Dunkelhaarige auch nicht der erste sein würde, der ihrem geballten Übermut gnadenlos unterlag.Stechend hielt sie ihren Blick aufrecht, abwartend ob er der Herausforderung Folge leisten würde, und ließ sich auch nicht davon irritieren wie Cameron sich kurz steif zu Matthew hinüber beugte um diesen leise flüsternd wissen zu lassen, dass man es ab dieser Stelle hier besser gut sein lassen sollte.„Weißt du, Reed… reiß du dich verdammt nochmal zusammen. Du willst bei uns anheuern, Jäger werden und deine kleine süße Familie hier bei uns ansiedeln? Dann gewöhn dich besser schnell an den Umgangston der hier angeschlagen wird, sonst wirst du bei uns definitiv nicht dein Glück finden. Komm mal runter.“Entweder der Typ hatte ein echt extremes Problem mit Hierarchien oder er war einfach nur strunzdoof. Oder einfach beides, dass konnte Adrianna ad hoc auch nicht ausschließen.Da der Jüngere schließlich doch nicht den Anschien machte als wolle er sich mit ihr hinter die Mühle begeben – was vermutlich daran lag, dass dieser sich unterm Tisch einen unbemerkten, sachten Tritt von Clarence eingefangen hatte – schob sie ihm schließlich auffordernd sein Glas mit Schnaps entgegen und reichte die Pfeife schließlich an Cameron weiter, der einzige der klug genug war sich grundsätzlich so gut es ging aus Reibereien raus zu halten. Nicht umsonst war dessen Gesicht makellos und von keiner einzigen Narbe einer Schlägerei geziert, das kam offensichtlich nicht von irgendwo her.„Quizás sea mejor si te vas“, schlug Clarence schließlich vor, der Matthew seit seinem Ausbruch für keine Sekunde mehr aus den Augen gelassen hatte. Auf der einen Seite fand er es unheimlich prickelnd wenn sein Partner sich so für ihn einsetzte und ihn ungefragt verteidigte – das zeigte nur mal wieder auf wie kernig Cassie doch sein konnte, hustete er nicht gerade weibisch vor sich hin nach einem Zug Pfeifenrauch oder beschwerte er sich nicht gerade darüber, dass seine Seifenvorräte zur Neige gingen – auf der anderen Seite würde er sie alle vier gerne davor bewahren, dass irgendjemand hier seinen Mann schon am ersten Abend als neue Zielscheibe abschrieb.Sicher, es würde noch genug Zeit vor ihnen liegen um die anderen beiden eines Besseren zu belehren was Matthews Liebenswürdigkeit und seine Vorzüge anging, aber der Weg dorthin musste nicht schwerer werden als er es eh schon war. „Ir a nuestra habitación, encender la luz y esperame ahi. Te amo pequeño cervatillo pero eso n ovale la pena pelear.“Das hier war vielleicht die letzte Nachte in der sie alleine waren, ohne fremde Ohren nebenan, ohne lediglich dünne Zeltwände, die sie von den anderen trennten. Er konnte sich besseres vorstellen, als das letzte bisschen Stimmung das zwischen ihnen herrschte im Keim erstickt zu wissen und im schlimmsten Fall die beiden kleinen Betten heute Nacht doch nicht mehr ihren Weg aneinander fanden.„Por favor mi corazón.“
„Für jemanden der nur ein guter Freund und Knecht ist, fühlst du dich stellvertretend ganz schön auf den Schlips getreten.“ hörte Cassie sie ätzen und fiel ihr sofort ins Wort während sie schon weitersprach.
„Offensichtlich bin ich der einzige gute Freund hier am Tisch den er hat, wäre beschissen wenn ich mich nicht auf den Schlips getreten fühlen würde.“
Sein Tonfall war nicht weniger giftig als der der jungen Frau und auch Zögern oder Angst suchte man in seinem Blick vergeblich.
Mochte ja sein, dass Adrianna sich für eine überlegene Kämpferin hielt und vielleicht war sie das ja sogar - aber es würde keinen Trick und keinen Kniff geben den Matthew noch nicht kannte.
Kein Schmerz würde ihn überwältigen - weil ihn einfach nie Schmerz überwältigte. Er hatte Jahre an der Seite des großen und einmaligen Le Rouge verbracht und der hatte sehr viel Zeit darin investiert ihn auszubilden - was ein anderes Wort für züchtigen war.
Wenn Madame also glaubte, sie würde ihm mit einem Schlag ins Gesicht und einem Tritt in die Weichteile dazu kriegen um Gnade zu winseln, dann war sie garantiert auf dem Holzweg.
Angriffslustig blickte er über den Tisch hinweg zu ihr, wog ab ob er auf ihre absurde Einladung sich zu prügeln eingehen sollte oder nicht.
Alles in und an ihm wollte es tun, einfach weil er ihrer gehässigen Art ein Ende bereiten wollte. Sie gab sich so von sich überzeugt, so selbstgerecht und so provokant wie es nur jemand tat dem noch niemand glaubhaft versichert hatte, ein blödes Aas zu sein.
Bestimmt steckte irgendwo hinter dem Getue und der Fassade auch ein netter Charakterzug. Irgendetwas, dass Clarence dazu bewogen hatte mit ihr dieses Komplott zu planen und durchzuziehen. Aber bei Gott: Matthew sah es nicht.
Alles was er bisher von dieser Frau gehört hatte, waren großmäulige Sprüche auf Kosten anderer. Ihre kleinlaute Erzählung bezüglich Nagi Tankas einmal abgesehen.
Der seichte aber doch unmissverständliche Tritt von Clarence schaffte es nicht, dass Matthew sich ihm wieder zuwandte.
Nach wie vor hielt er Adrianna fixiert und während sie redete, zeichnete sich auf seinen Lippen eines jener selbstgefälligen und großspurigen Lächeln ab, wie es nur Typen zu eigen war, die vor dem Gegenüber so überhaupt keine Angst hatten.
„Nicht doch, Addy, sei vorsichtig wen du auf die Spielwiese einlädst, nachher gefällt es dir nicht wie ich spiele.“, entgegnete er drohend, etwas das Cameron offenbar dazu verleitete sich auch noch einzumischen.
Der Schwarzhaarige wandte sich mit einem gut gemeinten Ratschlag an ihn und appellierte an seine kleine Familie und damit auch an die Rolle die er spielte.
Er war Matthew Reed, verheiratet mit Grace Reed, die er nachholen wollte um mit ihr eine Familie zu gründen während er der Familie der Jäger beitrat.
Dummerweise war nichts davon wahr. Seine Familie saß ihm schräg gegenüber und hielt sich vornehm aus dem Disput heraus.
Matthew schnaubte abfällig, schüttelte sachte den Kopf und verkniff sich eine gallige Antwort während er noch immer mit sich rang.
Der Blick der Rothaarigen war ketzerisch, so als sei sie ganz erpicht darauf sich mit ihm zu prügeln - auch als sie das mit Schnaps gefüllte Glas zu ihm schob, wirkte sie noch immer kampflustig. Und Matthew? Der war es auch.
Unerwartet meldete sich Clarence zu Wort, allerdings nicht um ein Machtwort zu sprechen und damit das Thema Prügelei vom Tisch zu wischen, sondern um Matthew zu bitten zu gehen.
„Was?!“, kam es diesem regelrecht erschrocken über die Lippen und er wandte sofort den Blick von Adrianna ab, um seine Aufmerksamkeit auf den Blonden zu richten.
Still musterte er ihn, versuchte in seinen Augen zu erkennen, dass er es nicht so meinte wie er es sagte, fand aber nichts dergleichen.
Das Gefühl welches Clarence mit seiner Bitte im Innern des Dunkelhaarigen beschwor, war niederschmetternd und desillusionierend.
Es war lange her, dass der Hüne seinen Gefährten angewiesen hatte wegzugehen und Cassie hatte nicht damit gerechnet, dass er das jemals wieder tun würde.
Auch wenn der Blonde es nicht böse meinte, so versetzte er Matthew damit einen Stich und in seinem fragenden Blick stand eben jener Unwille und das Gefühl unverstanden zu sein.
Genauso gut hätte der Größere laut und deutlich sagen können, dass er ihn wegschickte - denn dass er das offensichtlich getan hatte, war auch dann klar, wenn man nicht Spanisch sprechen konnte.
Gekränkt presste Cassie die Lippen aufeinander und senkte den Blick schließlich wieder herab auf seinen Humpen Wein. Sein Herz pochte vor Aufregung und er versuchte, sich wieder zu sammeln.
Der Zorn auf die junge Frau lag ihm noch immer auf der Zunge und es widerstrebte ihm zutiefst, sich wegschicken zu lassen wie einen kleinen Jungen - oder besser noch: wie einen Knecht.
Erneut schnaubte er, schüttelte den Kopf dabei und zeigte ein fassungsloses, galliges Lächeln. „Oh man...ich fasse es nicht.“, deklarierte er ungläubig.
Dass er nicht damit einverstanden war weggeschickt zu werden, sah und hörte man ihm an. Aber es war nicht sein Stolz oder sein überzogenes Ego wegen dem er sich ausgeschlossen vorkam, sondern das Gefühl, nicht mehr hilfreich zu sein.
Mit seiner Bitte hatte Clarence offenbart, dass er ab diesem Punkt besser allein zurechtkam als mit ihm - und das tat unheimlich weh, weil sie just in diesem Moment kein Team mehr waren.
Selten zuvor war Cassie sich derart Fehl am Platze vorgekommen wie eben jetzt und noch nie zuvor hatte es ihn mehr getroffen. Er war zu weit gegangen, hatte sich provozieren lassen und vergessen worauf es ankam - das wusste er, aber jene Erkenntnis war nicht von Nutzen.
„Na dann... gute Nacht allerseits.“ - sagte er tonlos und erhob sich von seinem Platz. Er vermied es noch irgendeinen der drei anzusehen, stattdessen nahm er seinen Becher Wein und leerte den Inhalt in einem Zug, bevor er auch das gefüllte Schnapsglas an seine Lippen hob und es im Stehen austrank. Mit einem leisen Klirren stellte er es im Anschluss zurück auf den Tisch, griff in seine Jeanstasche und fischte zwei Silberlinge daraus hervor die er beiläufig neben seine Gläser warf. Damit war seine Rechnung mehr als beglichen, nicht dass es nachher noch hieß sein Lehnsherr müsse für ihn bezahlen.
Ohne noch etwas zu sagen oder sich nochmal umzudrehen, verließ der junge Mann nun den Tisch und die kleine Runde - sich dabei wesentlich schlechter fühlend als eine Prügelei es je vermocht hätte ihm anzutun.
Leise knarzten die alten Holzdielen unter seinen nackten Füßen, als Clarence den Flur hinab und ihrem Zimmer entgegen schlich. Die wenigen anderen Gäste der Gaststätte, wenn es hier auf dem abgelegenen Weingut überhaupt welche gab, hatten sich schon lange zu Bett begeben. Alles was blieb, war das unscheinbare Flackern dünner Flammen, das von den Kerzenständern an den Wänden ausging und die Flure in dünnes Licht tauchte, damit man sich auf dem Weg in seine eigenen vier Wände nicht den Hals brach.
Claire fühlte sich komisch dabei hier hinauf zu gehen und dabei alleine zu sein. Das letze Mal, dass Cassie nicht bei ihm gewesen war, war in Cascade Hill gewesen, als sein Mann beim Arzt gelegen und der Blonde Erledigungen alleine getätigt hatte. Schon damals war er sich furchtbar alleine vorgekommen und ganz so, als würde ein beträchtlicher Teil seiner selbst fehlen – und heute ging es ihm nicht anders, auch wenn es dieses Mal nur anderthalb Stunden gewesen waren.
Seitdem er Matthew hatte, so ganz und gar hatte, fand der Schamane keine Freude mehr an der Einsamkeit. Das Alleinesein war ihm zu kalt, die Stille zu ruhig und ihm fehlte das zweite Paar Füße das neben ihm im Dreck oder auf Waldboden scharrte, wenn er ohne seinen Partner unterwegs war. Sicher, vielleicht ging es einem einfach generell so, wenn man noch quasi frisch verliebt war. Vielleicht würde er in manchen Kreisen auch schon als regelrechte Klette gelten, dass er sich nach kurzer Zeit schon so fühlte. Doch so sehr wie er Cassie missen wollte, wollte er das Gefühl entbehren sich als Ganzes und Unbeschwert zu fühlen; zwei Empfindungen die ganz alleine durch den Jüngeren und seine Gesellschaft zustande kamen und ihren Ursprung nicht alleine im Hünen selbst fanden.
Schon wenige Meter später erwischte er sich dabei, wie er leise mit den Fingerknöcheln – zwischen denen die Stiele zweier Weingläser ruhten - an seine eigene Tür klopfte, ein Umstand der an sich schon so abstrus war, dass Matthew ihn sicher fragen würde, ob er denn nun endgültig den Verstand verloren habe. Aber der Bär von Mann war nicht blöd.
Ihm war die Reaktion seines Mannes nicht entgangen und kaum da er seine Bitte vorhin ausgesprochen hatte, hatte er sie auch schon wieder bereut. Sie war dem kurzen Funken aufflammender Panik entsprungen angesichts der Eskalation, die sich am Tisch anzubahnen drohte, und in der Leere seiner Gedanken waren das die erstbesten Worte gewesen, die ihm auf der Zunge gelegen hatten. Er kannte Adrianna und auch wenn sie von ihrer Statur her nicht so wirkte, sie hätte ihre Drohung wahr gemacht, sich mit Cassie hinter die Mühle zu begeben. Weder hätte Clarence zulassen können, dass diese Schreckschraube seinem Mann auch nur ein einziges Haar krümmte, noch hätte er auf der anderen Seite die Rothaarige vor dem Unbekannten zur Sau machen können, weil das auch irgendwie seltsam und verdammt fragwürdig ausgesehen hätte.
Nun lehnte er also hier, der Jäger der seinem Mann nicht den Rücken stärkte obwohl er ihn gerade von diesem selbst gestärkt bekam, und sah dabei zu, wie sich in Zeitlupe die Tür vor seiner Nase zu öffnen begann. Hinter dem schmalen Spalt zeigte sich zunehmend mehr von Cassie, der bereits die verschwitzte Kleidung des Tages abgelegt und sich in seinen Shorts ins Bett begeben hatte, weil man als Ausgestoßener vermutlich sowieso nichts anderes um diese Uhrzeit tun konnte. Und es zeigte sich auf seinem Gesicht das bereits erwartete Unverständnis darüber, was denn diese bescheuerte Aktion jetzt wohl wieder sollte.
„Buenas noches señor. ¿Pediste vino?“, versuchte er die abstruse Situation auch nun wieder durch das Erstbeste zu retten was ihm in den Sinn kam und schwenkte leicht die Flasche Rotwein, welche er als Gegenstück zu den beiden Gläsern in der anderen Hand hielt. Dass das in etwa genauso bescheuert und unpassend war wie seinen Mann freundlich des Tisches zu verweisen, schien ihm nachdem er die letzte Silbe ausgesprochen hatte allerdings selbst klar zu sein, was man seinem Gesicht deutlich ansehen konnte.
Resignierend ließ er die Flasche sinken und blickte betreten zu Boden, wohl wissend dass sein verschrobener Humor nicht das einzige sein konnte das irgendwie wieder gutmachen konnte was er vorhin für einen Mist verzapft hatte. Clarence hatte von Anfang an gesagt, dass er sich nicht wohl damit fühlte wieder auf seinen Clan zu treffen und letztlich hatte er Recht behalten sollen.
„Ich weiß nicht was ich machen soll“, erhob er seine Stimme nach einigen Sekunden der Stille schließlich leise, beinahe flüsternd. Weder wollte er potentielle Nachbarn auf dem Flur wecken, noch wollte er neugierige Ohren hören lassen, falls welche zuhörten und ihre Sprache sprachen.
„Ich bin nicht mehr der Mann von früher, aber ich darf auch nicht dein Mann sein. Ich darf Adrianna nicht zu sehr ihren Platz dir gegenüber weisen damit sie mich nicht für abtrünnig hält, aber dich dafür vor den Kopf stoßen sollte ich auch nicht. Ich…“
Aber es ging hier nicht um ihn alleine, sondern um sie beide. Als Paar, als Partner, aber auch als Freunde. Als zwei Menschen, die sich seit ihrem Kennenlernen aufeinander hatten verlassen können und letztlich war das, war er vorhin mit Matthew gemacht hatte, alles andere als fair gewesen.
„Als du aufgestanden und gegangen bist, hat mich das weit mehr mitgenommen, als es mich bei den anderen beiden überhaupt auch nur interessiert hätte. Je länger wir da unten saßen, desto mehr hab ich gespürt, dass ich… irgendwie abgeschlossen habe mit diesem Thema und du solltest hier hoch weil ich nicht wollte, dass Adrianna dir unnütz irgendwas tut oder ihre eigene kleine Fehde gegen dich schmiedet. Dabei hast du gar nichts anderes machen wollen als ich – nämlich das zu schützen, was du liebst.“
Eine Erkenntnis die zu spät kam und die nicht mehr die Ungerechtigkeit ausgleichen konnte, die er seinem Mann zugemutet hatte. Cassie fügte sich den Dingen, fügte sich so gut es eben ging Cameron und Adrianna und das tat er alles sicher nicht um seinetwillen, sondern ganz alleine für seinen Bären. Im Gegenzug bedanke sich Claire bei seinem Partner dadurch, dass er den längeren Hebel auch tätigte an dem er saß und damit genau jenes Ende abschnitt, das ihm als einziges in dieser Komponente etwas bedeutete.
„Naja, jedenfalls… hab ich geklopft, weil ich nicht wusste, ob ich heute Nacht noch hier schlafen darf oder ob ich raus auf die Wiese oder in den Wald soll. Könnt’s verstehen wenn du mich heute Nacht vor die Tür setzt, aber so generell würde ich lieber da schlafen, wo du schläfst.“
Es hatte Matthew einen unerwartet heftigen Stich versetzt als er erkannt hatte, dass Clarence seine Bitte, die Runde allein zu lassen, ernst gemeint hatte.
Nicht etwa weil er nicht allein sein konnte und auch nicht weil er Clarence es missgönnte mit seinen alten Freunden eine Weile allein zu sein, sondern weil er mit dieser Aufforderung schlichtweg nicht gerechnet hatte.
Sie glich einem Verweis, einer Auflösung ihres bis dahin unerschütterlichen Teams und Clarence läutete damit, ob gewollt oder nicht, ein neues Kapitel in ihrer gemeinsamen Geschichte ein.
Wo es in den letzten Wochen und Monaten nur sie beide gegeben hatte, gab es plötzlich zwei weitere Menschen die für Clarence wichtig waren.
Und der Blonde, bei dem alle Stricke zueinander führten, hatte sich entschieden Matthew auszuklinken - und dass obwohl dieser sich darauf verlassen hatte, dass so etwas niemals passieren würde.
Seine Enttäuschung über Clarence war bei Verlassen des Tisches so überdeutlich gewesen, dass wahrscheinlich selbst die Nachtfalter die ums Licht herumgeschwirrt waren, es registriert hatten.
Und auch in den nachfolgenden anderthalb Stunden hatte sich daran nichts geändert. Matthew hatte die Zeit dazu genutzt, sich Staub und Schweiß von der Haut und den Haaren zu waschen, aber währenddessen hatte er immer wieder Clarence gehört, der ihn auf Spanisch gebeten hatte zu gehen.
Es war ein verdammt beschissenes Gefühl welches der Blonde damit in ihm gestreut hatte und selbst als er nach der Wäsche begonnen hatte in dem abgewetzten Buch über Flüche zu lesen, das er The Hounds aus Coral Valley geklaut hatte, war er die Enttäuschung nicht losgeworden.
Matthew vertraute dem Hünen alles an und sah sie beide als eine Art unerschütterliches Gespann - doch wie unerschütterlich war es wirklich, wenn schon ein einziger Abend mit seinen alten Gefährten ausreichte, um ihn von seinem Platz zu verweisen?
Die Antwort auf jene bittere Frage war noch viel bitterer weshalb Matthew versuchte sie zu verdrängen, doch die Zweifel blieben trotzdem.
Die zwei einzelnen Betten zueinander geschoben, lag er in einem davon, als es plötzlich leise an der Zimmertüre klopfte. Kain und Abel hoben kurz ihre Köpfe, legten sie aber beinahe sofort wieder entspannt ab. Auch Matthew sah von seinem Buch auf, dessen Seiten im rotgoldenen Licht einer einzelnen Öllampe neben dem Bett getaucht waren. Der junge Mann hatte sich ein Kissen hinter den Rücken gelegt und die Bettdecke bis zu seinem Nabel gezogen. Auf diese Weise hatte er fast eine Stunde lang gelesen, aber eigentlich hatte er viel mehr gewartet.
Das Fenster des Zimmers hatte er komplett geöffnet, damit er im Falle eines plötzlichen Tumults oder Aufregung selbiges mitbekommen hätte, um Clarence im Fall der Fälle schnell zu helfen.
Doch es war nicht wieder laut geworden, die kleine Runde hatte sich unterhalten ohne das der Dunkelhaarige auch nur ein einziges Wort davon gehört hatte - was ihm natürlich sagte, dass sein Verschwinden der Gruppe offenbar gut getan hatte.
Auf das leise Klopfen hin faltete Matthew schließlich eine Ecke der Seite und klappte das Buch mit einem dumpfen Laut zu, dann legte er es zur Seite auf den kleinen Nachttisch und erhob sich.
Barfuß tappte er zur Zimmertür und öffnete sie, nur um dahinter den erwarteten Blondschopf zu sehen. Clarence stand gegen den Türrahmen gelehnt da und hob eine Flasche Rotwein während er umgehend zu reden anfing.
Schweigend hörte Matthew ihm zu und musterte den Kerl, der wahrscheinlich längst nicht mehr zu retten war.
Im spärlichen Licht der kaum vorhandenen Beleuchtung, sah Clarence müde und resigniert aus. Es war ihm anzusehen, dass es ihm leid tat und dass er mit dem Verlauf des Abends nicht glücklich war. Er hatte seine Gründe gehabt ihn wegzuschicken, Gründe die er ungefragt nannte und auf die der Dunkelhaarige mit Schweigen reagierte. Nichts von dem was Clarence fortan sagen oder tun würde, würde noch etwas an der Sache ändern. Er konnte nicht ungeschehen machen, dass er zur falschen Zeit die falsche Entscheidung getroffen hatte und damit ihre Unantastbarkeit als Einheit angekratzt hatte.
Auf der anderen Seite wusste Matthew aber auch, dass er nicht fortgeschickt worden war damit Clarence sich besser amüsieren konnte - sondern weil der Blonde ihn schützen wollte.
„Nun...Ich weiß auch nicht was du machen sollst...“, erwiderte Matthew schließlich und bezog sich damit auf Clarence‘ Worte am Anfang.
„Aber ich weiß was du nicht machen sollst - nämlich draußen schlafen.“
Obwohl seine Worte es nahelegten, dass er die Geschichte abgehakt hatte, klang sein Ton nur bedingt versöhnlich. Er war wütend und enttäuscht und würde das vielleicht auch noch eine ganze Weile bleiben, aber er war ganz bestimmt niemand, der deshalb Clarence verweisen würde.
Um das Gesagte zu verdeutlichen, ging er zur Seite und ließ den Größeren ins Zimmer, bevor er die Tür schloss und von innen verriegelte.
„Dass du keine Schuhe trägst ist lächerlich...“, ließ er den Blonden angefressen wissen. „Aber wie du schon sagtest: du darfst nicht mein Mann sein.“ - natürlich wusste Cassie wie Clarence das meinte und natürlich verstand er auch das Dilemma in dem sich der Ältere befand.
Ungefragt nahm Matthew ihm die Weinflasche im Vorbeigehen ab und stellte sie auf den kleinen Tisch nahe des Fensters.
„Ich hoffe... ihr hattet noch einen netten Plausch, nachdem ich nicht mehr da war. Ich jedenfalls hab es mir schön gemacht hier oben, hab es richtig genossen mal wieder allein zu sein.“ Cassie verschränkte die Arme vor der nackten Brust und lehnte sich gegen den Tisch. Er sah so wenig glücklich aus wie Clarence, trotzdem konnte er gerade keinen Schritt auf den Hünen zugehen.
Natürlich wusste er, dass er an der Sache nicht unschuldig war - immerhin hatte er den Streit mit Adrianna nicht gerade beschwichtigt und natürlich tat ihm das leid.
Doch es reichte eben dieses Mal nicht, dass es ihnen beiden leid tat um die Geschichte wieder aus der Welt zu räumen.
Adrianna und Barclay gehörten ab morgen zu ihrem festen Alltag und es war nur eine Frage der Zeit, bis wieder eine spannungsgeladene Situation auftreten würde. Und wie würde das dann laufen?
„Hab ich...uns in Schwierigkeiten gebracht?“, wollte er schließlich leise wissen und ließ damit zum ersten Mal erkennen, dass er sich seiner eigenen Schuld durchaus bewusst war. Er würde sich zusammenreißen müssen, würde lernen müssen Clarence nicht zu helfen auch wenn er ihm helfen wollte.
Doch diese Lektionen würden schwerer sein als Buchstaben und Zahlen zu verinnerlichen, weil es gegen alles ging was er für richtig hielt.
Der Blonde war - Trottel oder nicht - die Liebe seines Lebens und die bloße Vorstellung, wegzusehen oder wegzuhören wenn man nicht fair mit ihm umging, war für Cassiel schon schwierig.
„Sie hätte das mit deinem Zuhause nicht fragen sollen...“, sagte er unglücklichnund blickte kurz zu Boden, ehe er den Blick wieder hob und Clarence ansah.
„Sie wollte dich da treffen wo es wehtut...sie hat kein Recht dazu...“
Und wenn er ihm in solch einer Situation nicht half, wer sollte es denn dann tun?
In der Theorie, dass wusste der Dunkelhaarige ganz genau, wäre es besser gewesen er hätte seinen Mund gehalten. Aber ob er dazu überhaupt in der Lage sein würde, stand auf einem gänzlich anderen Blatt.
Als Clarence sich an seinem Mann vorbei drängte und das Zimmer betrat, versuchte er dabei seinen Unmut im Türrahmen abzustreifen und draußen zu lassen. Dies gelang ihm allerdings eher schlecht als Recht und seine Bemühungen wurden dadurch noch zusätzlich erschwert, dass Matthew ihm nicht direkt offene Vorwürfe machte aber auch nicht gerade so klang, als hätte er ihm die Sache verziehen.
Ihr kleines Zimmer hatte sich nach seinem letzten Aufenthalt hier oben ein wenig verändert, wie der Blonde mit Beruhigung feststellen musste. Anstatt mit den beiden Einzelbetten ein stilles Statement zu setzen, war sein Mann nicht tatenlos geblieben sondern hatte ihnen für die einen Nacht, die sie hier sein würden, ein unbequemes aber brauchbares Doppelbett geschaffen. Vor dem Ausstieg lagen Abel und Kain zusammengerollt dicht aneinander; auch wenn sie die Sorgen ihrer Herrchen zum Glück nicht teilen mussten, war der Tagesmarsch in der Hitze Mexikos anstrengend genug gewesen, um die Hunde mit Mutter aus ewiges Eis sichtlich zu ermüden.
So sehr sich Matthew aber auch Mühe gab, selbst die engst aneinander gestellten Betten konnten ihm jenes im Bauch ihres Bootes nicht ersetzen, in dem er an der Seite seines Mannes so gut geschlafen hatte wie schon seit Jahren nicht mehr.
„Der ganze Tag ist lächerlich“, konterte der Hüne verdrießlich auf den Kommentar seiner nackten Füße und ließ sich die Flasche abnehmen, bevor er zum Tisch folgte um dort auch die Gläser abzustellen.
Für einen Moment stand er dicht neben dem anderen, der sich an den Tisch gelehnt hatte, einfach nur da und musterte Cassie kurz, unsicher ob er den dreisten Kommentar ironisch meinte oder ob es sein Ernst war, einfach nur um des Verletzens Willen. Sein Mann war ein Meister darin ihm einen Stich zu versetzen wenn er nur wollte, das hatte damals sein herausfordernder Blick bewiesen, während er vor Clarence‘ Augen dieser Dirne im Haus der Hurenkönigin die Zunge in den Hals gesteckt hatte. Allerdings waren sie da noch nicht richtig offiziell ein Paar gewesen und soweit sich der Blonde erinnern konnte, hatte er damals auch keinen Schnaps intus gehabt, der sein Einschätzungsvermögen so hätte trüben können wie heute Abend.
Schweigend ließ er seinen Blick an Matthew hinab wandern wie er da stand, die Arme defensiv vor der nackten Brust verschränkt und in nichts anderem als Shorts bekleidet, was der Hitze des Südens durchaus angebracht war. Beinahe sah Claire dabei so aus, als würde er sich überlegen ob es sich wohl für ihren Zwist lohnen könnte sich einfach über die kurze Distanz hinweg zu lehnen und Matthew zu küssen – immerhin war das letzte Mal schon viel zu lange her – aber das letzte Quäntchen Nüchternheit im Blut, hielt ihn schließlich von diesem wahnwitzigen Versuch ab.
Stattdessen begab sich der Jäger hinüber an die hohe Kommode auf der ein kleiner aber brauchbarer Spiegel aufgestellt war sowie eine großzügige Waschschüssel und ein Krug mit Wasser, von dem Cassie ihm sogar etwas übrig gelassen hatte und das nun den Weg in die Schale fand.
Auf die Frage, ob Cassie sie in Schwierigkeiten gebracht hatte, bekam dieser nur ein undefinierbares Brummen zur Antwort während der Bär damit kämpfte, das vom Tag verschwitzte Hemd von seinem Körper zu schälen. Es war immer wieder eigenartig wie schnell die Stimmung zwischen ihnen kippen konnte. Im einen Moment noch lag Matthew über ihm, ließ sich aus seinem Harnisch helfen und schmiedete mit ihm Pläne bevor er versuchte ihn zu verführen, im nächsten Moment reichten zwei Vollpfosten und ein paar Runden Schwarzgebrannter bereits dazu aus, um einen flachen aber sichtbaren Graben zwischen ihn und seinen Mann zu schlagen.
„Mein Zuhause ist nicht mehr in Willow Creek, Matthew. Mein Zuhause ist da, wo du bist“, versuchte er die stichende Frage der Rothaarigen nicht allzu nah an sich heran kommen zu lassen und gleichfalls dem Jüngeren aufzuzeigen, dass es keine Rolle mehr spielen sollte was mal gewesen war – sondern dass jenes von Bedeutung war, was er heute hatte.
„Der Rest ist nur ein altes, halb verbranntes Haus, ein bisschen Wiese und ein paar Kreuze vor der Tür. Ein Schatten von dem was mal war und nicht mehr ist.“
Unsorgfältig ließ er einen der Lappen ins Wasser gleiten, bevor er sich mit dem kalten Nass grob den verschwitzten Oberkörper wusch und sich mit nassen Händen durchs offene Haar fuhr, um sich ein wenig zu erfrischen. Auf seinen alten Clan zu treffen, glich einer Reise in die Vergangenheit, mit der er längst abgeschlossen geglaubt hatte und die weit über die Zeit mit Nagi Tanka hinaus ging. Es tat weh diese alten Wunden aufzureißen und doch blieb ihm nichts anderes übrig, falls sie diesen Weg tatsächlich antreten wollten.
Plätschernd wrang er den Lappen über der Schüssel aus und fuhr sich damit durchs Gesicht, auch wenn die erfrischende Kälte den Alkohol nicht ganz aus seinem Geist vertreiben konnte.
„Zuhause sind die Hunde, bist du… und unser Boot“, fasste er die wenigen Habseligkeiten zusammen die ihm im Vergleich zu seinem früheren Leben geblieben waren. Clarence klang nicht reumütig bei dieser Aufzählung und auch nicht, als wäre es ihm zu wenig im Vergleich zu früher. Es war anders, aber deshalb nicht weniger gut und vermutlich hatte er genau deshalb schon Heimweh von jenem Moment an gehabt, als sie am Tag nach ihrer Ankunft die Harper Cordelia an jenen Anlegeplatz verfrachtet hatten, wo sie für die nächsten Wochen und Monate bleiben würde. Höchstwahrscheinlich.
„Die letzte Stunde hab ich eigentlich nur noch mal darüber nachgedacht, ob es nicht doch sinnvoller wäre, die ganze Aktion einfach abzubrechen“, erhob er wieder die Stimme und wandte sich plötzlich wieder Matthew zu. Eben jene Akte hatten sie am Nachmittag eigentlich erst geschlossen und doch kam es ihm gerade wie die beste Idee vor, die ihnen in ihrer Situation eigentlich kommen konnte.
„Die meisten Jäger sind momentan alle irgendwo im Norden und wir hier unten. Keiner weiß, dass wir uns hier getroffen haben. Wenn wir also dafür sorgen, dass nur wir beide morgen Abend in Rio Nosalida ankommen, könnten wir übermorgen mit Tagesanbruch schon wieder auf der Reise sein. Ich weiß dir gefällt die Sache mit dem Beringmeer nicht, also können wir von mir aus auch nach Osten. Wir sehen irgendwo zu, dass wir das Boot bis unters Deck mit Vorräten aufstocken und versuchen unser Glück. Irgendwo auf der anderen Seite der Welt wird es schon noch irgendwo Zivilisation geben und falls nicht… dann suchen wir uns stattdessen eine einsame tropische Insel, auf der wir es den Rest unserer Tage gut aushalten können. Alles ist besser als… als… das hier“, versuchte er den Elefanten der im Raum stand in Worte zu kleiden und deutete kurz mit dem nassen Lappen in der Hand zwischen sich und seinem Mann hin und her.
Bei Gott, ein einziger Nachmittag hatte schon dazu ausgereicht dass sie sich trennten, wenn auch nur für anderthalb Stunden. Wer wusste schon was daraus wurde, käme morgen ein ganzer Tag mit den beiden Knalltüten auf sie zu.
„Was soll das geben wenn wir in Falconry Gardens angekommen sind, ich irgendwo zu einem Auftrag muss und wir wochenlang getrennt sind? Dann geh ich ein, Cassie. Dann kannst du mir zum Wiedersehen schon mal ein Loch buddeln, in das du mich dann rollen kannst, oder mir von außen ein Schloss an die Tür schrauben, weil ich halb wahnsinnig zurück gekommen bin.“
Schweigend und ernst beobachtete Matthew seinen Mann dabei wie er sich aus seinem Oberteil kämpfte um sich zu waschen.
Es hatte Zeiten gegeben, da waren sie beide nichts weiter gewesen als Fremde, geeint hatte sie ihr Misstrauen und der selbe Weg. Und mittlerweile? Mittlerweile war er Clarence' Zuhause, zumindest das Neue... nachdem Nagi Tanka alles was er vorher gehabt hatte, in Brand gesteckt hatte.
Dem Dunkelhaarigen war bewusst, dass die Umstände für Clarence nicht leichter zu ertragen waren als für ihn selbst, er war nicht erpicht darauf ihren fragwürdigen Plan durchzuziehen.
Mit leisem Plätschern wrang der Hüne den Lappen über der Schüssel aus und rieb sich dann mit dem feuchten Tuch über das Gesicht. Er war angespannt und man sah ihm die Strapazen des Tages deutlicher an, als Matthew es gewohnt war. Würde das ab sofort das Bild sein, dass der Größere bot?
Je länger der Blonde redete und je länger Matthew ihm dabei zuhörte, umso mehr wurde Cassiel klar, dass sein Mann nicht einfach nur verdrossen, sondern sogar verzweifelt war.
Und mit dem Moment, als Matthew den Kummer des Größeren erkannte, trat sein eigener Unmut in den Hintergrund und verblasste dort zur Belanglosigkeit.
Er stieß sich von dem Tisch ab, an dem er lehnte und überbrückte lautlos die Distanz zwischen ihnen. Ohne eine Antwort auf den Lippen, schmiegte er sich gegen Clarence' Rücken und legte von hinten einen Arm um ihn. Den anderen streckte er nach der unvollständigen Hand seines Mannes aus und entwand ihm schweigsam den kühlen, feuchten Lappen.
Als er ihn hatte, löste er sich ein Stückchen von dem Blondschopf und fing an, behutsam seinen Rücken abzuwischen. Mit den Augen verfolgte er die die glänzende Spur welche das Wasser auf der Haut des Größeren zog. Ein goldener Schimmer legte sich auf die feuchten Stellen, ließ sie glimmen wie damals die Abendsonne an Deck der Harper Cordelia.
"Ich habe Angst.", sagte er schließlich leise und gestand damit zum ersten Mal ganz offen, was in ihm vorging.
Er streckte den Arm an Clarence vorbei, tauchte den Lappen erneut ins Wasser und wrang ihn mit einer Hand aus so gut es ging, bevor er weiter den Rücken seines Mannes wusch.
"Ich dachte, ich könnte nie wieder solche Angst um dich haben wie damals, als ich dich bei den Spinnen gefunden habe. Aber Jäger...Jäger sind schlimmer als diese Spinnen."
Diese Menschen hörten nicht auf, wurden niemals müde, vergaßen nicht. Sie waren weder zugänglich für Argumente noch hatten sie sich den Luxus bewahrt, ihre Regeln zu hinterfragen. Kollidierte Brüderlichkeit mit Tradition, so entschieden sie sich für Letztere - auch wenn das den Tod des sogenannten Bruders bedeutete.
"Ich habe auch Angst davor etwas zu entscheiden...mich falsch zu entscheiden."
Wenn sie nach Falconry Gardens gingen war das gefährlich, taten sie es nicht war es gefährlich. Sie würden sterben können - auf dem einen Weg wie auch auf dem Anderen.
Die Ungewissheit darüber welche Entscheidung die richtige sein würde, belastete Matthew mehr als er sich selbst hatte eingestehen wollen. Doch mit dem Kennenlernen von Barclay und Adrianna war ihr Vorhaben erst wirklich real geworden. Er hatte erkannt was es heißen würde die beiden zu täuschen - und später duzende weitere ehemalige Kollegen seines Mannes. Ihr Rollenspiel würde keinerlei Abweichung zu der erfundenen Geschichte zulassen, andernfalls würden sie auffliegen... und was das bedeutete, dafür hatte Matthew genug Fantasie. Wochen und Monate würden sie brauchen, Zeit in der sie vielleicht wieder zu den Menschen wurden die sie einst gewesen waren – oder untergingen, weil sie nicht mehr zu diesen Menschen werden konnten.
Die Angst davor Clarence zu verlieren war seit erreichen von Rio Nosalida immer etwas größer geworden und mittlerweile fühlte Matthew sich vollkommen überfordert. Das dumpfe und zugleich nagende Gefühl der Panik hatte sich in ihm ausgebreitet und es gab gerade keinerlei Anlass zu Optimismus.
"Wenn du weglaufen willst, laufe ich mit dir weg, nach Osten, nach Westen...völlig egal. Ich werde dort sein wo du bist und ich schwöre dir... ich werde nie etwas anderes wollen als dich." Keinen Hof, keine Pferde, keine Kinder - auf all das konnte er verzichten, wenn er nur Clarence dafür hatte.
"Aber du... was ist mit dir, hm? Wirst du so leben wollen?"
Nun da die Frage im Raum stand, kehrte wieder Stille zwischen ihnen ein und Matthew drängte die Nase gegen Clarence' Schulterblatt.
Er selbst war schon oft weggelaufen, zu oft eigentlich um es für den Rest seines Lebens weiterhin zu tun. Doch auf der anderen Seite war ein stetiger Alltag mit Bauernhof und Landleben nur dann reizvoll, wenn Clarence bei ihm war um jenes Leben mit ihm zu leben. Nichts aber auch gar nichts davon würde Matthew wollen, wenn seinem Mann irgendetwas passierte um den Weg für jenes Ziel zu ebnen.
"Du bist die einzige Konstante, die ich wirklich brauche, Clarence. Wenn du sagst, wir sollten besser abhauen...dann hauen wir ab. Jetzt, sofort. Aber wenn wir das tun, wird es kein Zurück mehr geben. Nicht für dich und nicht für mich." leise atmete er durch, die Stirn noch immer an Clarence' Rücken gelehnt.
"Wird dich das glücklich machen können?"
Was brauchte der Größere um ein zufriedenes, erfülltes Leben zu führen? Was wünschte er sich und wo sah er sie beide in den nächsten Jahren? Matthew konnte nur für sich sprechen, wenn er klarstellte, dass er mit den Konsequenzen einer Flucht zu leben wissen würde.
Wie es in dem Schamanen aussah... das wusste allein Clarence selbst – und je nachdem wie die Antwort ausfallen würde, würden sie handeln.