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Corazón de Oro

08. Juli 2210


Clarence B. Sky

Beim besten Willen wusste Clarence nicht, welcher Mensch ihn jemals zuvor liebevoll genannt hatte oder dass dieses Wort überhaupt jemals gefallen war, um ihn zu beschreiben.

Es gab viele Begriffe, die man dem Blonden zuordnen würde. Kalt, abweisend, erbarmungslos. Gewalttätig. Desinteressiert. Eigenbrötlerisch. Anders.

So viele Ausdrücke verbanden die Menschen mit ihm die ihn kannten, noch kein einziger Mensch hätte ihn jemals als liebevoll beschrieben, so wie Matthew es tat.

Wenn der Dunkelhaarige ihn ansah, dann schien er Clarence durch völlig andere Augen zu sehen als man den Jäger jemals gesehen hatte und erst durch die Art wie Cassie ihn behandelte und über ihn redete begriff Claire, welches Wesen in tiefen Schlaf versunken in ihm ruhte und wohl schon vor Ewigkeiten irgendwo auf der Strecke vergraben worden war, um fortan nie wieder das Licht der Sonne zu erblicken.

Clarence erinnerte sich an andere Zeiten. An das Lachen, an Unbeschwertheit und an das warme Gefühl zu lieben und geliebt zu werden; doch wie sich all das angefühlt hatte, hatte er vergessen… bis zu jenem Moment, als Matthew ganz leise zum ersten Mal Ich liebe dich zu ihm gesagt hatte. Ein Geständnis, das damals weitestgehend in der Situation untergegangen war, so fernab von allen möglichen Erwartungen war ihm das erschienen.

Wieder geliebt zu werden, gesehen zu werden als der Mensch der er einst gewesen war und wieder sein konnte, das alles und noch viel mehr gab ihm sein Mann, der sich langsam und geschmeidig zu ihm auf den Schoß hatte ziehen lassen – eine Form der Nähe, wie sie längst zwischen ihnen zur lieb gewonnenen Normalität geworden war.

Nur mit Matthew schien nicht mehr unmöglich zu sein was noch vor Monaten nichts mehr gewesen wäre als ein dumpfer Traum. Mit diesem Mann verband Clarence das Gefühl von Zuhause, von Wärme und von Glück. So viele schlimme Zwischenfälle hatten sie zusammen überstanden, hatten sich gegenseitig zusammengeflickt und gepflegt, hatten emotionale Einbrüche gemeinsam als Paar überlebt und waren weder an den körperlichen Blessuren, noch an den Wunden auf ihren Seelen zerbrochen. Die Angst um den Menschen den man liebte, hatte sie nicht auseinander driften lassen vor Angst verletzt zu werden auf eine Weise die alles erschütterte, sondern hatte sie näher zusammen rücken lassen in dem Wissen, dass mit derartigem Leid eine viel gewichtigere Liebe einher ging, die jeden Schmerz der Welt wert war.

Erst seitdem er Cassie hatte, wusste der blonde Jäger, dass sie beide eine Normalität verdient hatten, wie die meisten anderen Leute sie auch besaßen. Sie mussten nicht das Dasein eines Vagabunden führen, keine Flucht bestreiten oder das Gefühl haben, für sie sei es nicht vorbestimmt ein geregeltes Leben zu führen wie jeder andere auch. Matthew hab ihm die unantastbare Gewissheit, sie beide konnten einfach alles schaffen, wenn sie es nur gemeinsam angingen.

Ein Heim schaffen an dem sie bleiben konnten statt sich hetzen zu lassen. Vielleicht eine Familie gründen, wenn sie sich beide dazu bereit fühlten. Ihn lossagen von seinem Dasein als Jäger, ganz gleich ob andere dies vor ihnen schon versucht hatten oder nicht.

In dem kleinen gemieteten Zimmer, in dem sich die beiden Männer aufhielten die offiziell nichts weiter waren als triste Geschäftspartner, herrschte eine Stimmung wie sie völlig neu war zwischen ihnen und sich dennoch so vertraut anfühlte, als wäre es niemals anders zwischen ihnen gewesen. Noch während Cassies Hände bedächtig über seinen Leib hinab strichen und sich kurzes Schweigen ausgebreitet hatte, fühlte Clarence sich seinem Mann so verbunden wie selten zuvor in den vergangenen Monaten. Der Dunkelhaarige war ihm so nah, nicht nur körperlich, sondern vor allem emotional; der Augenblick, in welchem der Jüngere ihm schließlich das Hemd über den Kopf gezogen hatte nur um die Hände erneut auf seine nun entblößte Haut zu legen, fühlte sich für Clarence fast so an, als würde Cassie dabei auch seine ganze Seele warm und weich mit seinen Händen behütend bedecken.

Worauf er mit dieser Geste hinaus wollte, davon hatte Claire eine grobe Ahnung und dennoch ließ er seinen Partner gewähren, ganz gleich in welche Richtung die Entscheidung dadurch beeinflusst werden würde. Alles was Clarence besaß, gehörte auch seinem Ehemann und in diesen Momenten wollte der Ältere nichts für sich behalten, nicht einmal sich selbst.

Eine zarte Gänsehaut breitete sich auf Clarence‘ Leib aus als die fremden Finger die dunklen Linien und bunten Bilder erkundeten; eine prickelnde Reaktion, die selbst nach all der Zeit noch nie ausgeblieben war.

Für einige Sekunden erwiderte er den Blick seines Mannes still, denn die Antwort auf Cassies Frage war so offensichtlich wie die Nacht heute dunkel war. Zu den American Kestrel, die einen Greifvogel als Wappen trugen und sich ihre Münzen damit dazu verdienten teuer gezüchtete Falken zum Versenden von Post eil in die Welt hinaus zu exportieren, lag nichts näher als ein ebensolches Gebilde auch unter der Haut zu tragen als Zeichen dafür, zu wem man gehörte.

Ein warmes Brummen wehte seine Kehle empor, ein Geräusch das jedweder Angst entbehrte und begreifbar machte, dass ihm seine Brust weit weniger wichtig war als ein langes sowie vor allem friedvolles Leben mit seinem Mann.

„Wir machen einfach… eine prächtige, zerrupfte Krähe daraus. Dunkel und angriffslustig… bereit jedem ein Auge auszuhacken, der sich zwischen dich und mich stellt“, schlug Clarence leise vor und versuchte den Blickkontakt zu seinem Geliebten aufrecht zu erhalten, damit dieser nicht an seinem Bären und dessen Absichten zweifelte.

„Wir müssen sie ja nicht ausbrennen oder entfernen lassen. Sie dürfen nur nicht mehr als das erkennbar sein, was sie mal dargestellt haben. Genauso wie das hier…“

Sanft löste er einen seiner Arme von Cassies Taille, griff nach einer der fremden Hände und führte sie hinab an seine Flanke – an eines der Bilder, über das sie vor ein paar Wochen bereits schon einmal gesprochen hatten.

Neben dem Abbild eines Mannes thronte der Titel ‚Widow Maker‘ an seiner Seite. Ein Spitzname den er sich in seinem Clan durch fragwürdige Verdrehung der Tatsachen verdient hatte, in dem er Arschlöcher im Rahmen eines vermeintlichen Exorzismus exekutiert und oftmals geschlagene Ehefrauen von ihrem Leid erlöst hatte. Man würde sicher nicht wollen, dass er weiterhin einen Namen auf seiner Haut verewigt trug den man mit dem Clan in Verbindung brachte – aber wenngleich er sich auch viele der anderen Bilder während seiner Zeit dort verdient hatte, so hieß das nicht, dass man jedes einzelne auslöschen müssen würde.

„Die meisten Bilder entspringen meiner Reisen mit Nagi und erzählen Geschichten, die wir erlebt haben. Abenteuer, an denen niemand teilgenommen hat außer mir und ihm und von dem die anderen nicht wissen, worum es geht. Der Tiger und die Schlange auf meinem Rücken…“, ganz leicht schüttelte er den Kopf so als wolle er sagen, dass Cassie sich keine Sorgen darum machen sollte.

„Der Vogel wird das größte Bild sein, das sie anrühren. Der Rest ist Kleinvieh, das ich im Vergleich dazu gar nicht bemerken werde. Vermutlich werden sie die gekreuzten Klingen auf meinen Knien ausradieren wollen und… den Panther auf meiner rechten Hand. Das sind vier Bilder, plus minus eins…“

Noch immer mit den Fingern über denen seines Partners ruhend, schloss er sie nun sachte um Cassies Hand und führte sie fort von seiner Flanke hinauf an seine Lippen, um dem Dunkelhaarigen einen warmen, weichen Kuss darauf zu hauchen.

Was waren schon vier Tätowierungen im Vergleich zu all den anderen Bildern die sie im Laufe der Zeit würden verändern müssen, wenn sie tatsächlich die Wahl trafen sich auf die Flucht zu begeben?

Sie konnten ihm keine Finger nachwachsen lassen, seine Haut komplett unkenntlich machen ohne damit nur noch mehr Aufmerksamkeit zu erregen oder gar sein Antlitz verändern, auf dass man ihn auf alle Zeit aufhören würde zu jagen, sollte es so weit kommen.

Vier Bilder plus minus eins, im Austausch für ein ganzes Leben mit dir. Das ist ein Preis, den ich jederzeit bereit wäre zu bezahlen, wenn ich dafür nur mit dir zusammen sein kann…


Matthew C. Sky

Rehbraune Augen blickten aufmerksam in das Antlitz des Blonden, verfolgten jede Regung im markanten Gesicht und forschten nach Unsicherheit und Furcht, vielleicht sogar nach Geheimnissen, die ihm verborgen werden sollten. 

Doch egal wie intensiv er das Graublau der Iriden auch erforschte, Matthew fand weder Angst noch Zweifel darin. 

Was Clarence ihm aufzeigte, war der eine Weg, von dem er glaubte er sei der beste für sie und auch wenn es für ihn bedeuten würde, einen Teil seiner Tätowierungen und damit auch ein Stück seiner Identität ausradieren zu lassen, so strahlte er dennoch eine Ruhe und Gelassenheit aus, die keinen Raum für Zweifel ließ. 

Er hatte keine Angst vor jenem Prozedere, auch wenn es bedeutete, dass eines der markantesten Bilder auf seinem Körper würde weichen müssen. 

Unglücklich, wenn auch nicht überrascht, ließ Matthew die Schultern hängen, als er die Bestätigung erfuhr, dass der Greifvogel zu den American Kestrels gehörte und somit keine Daseinsberechtigung mehr hatte, wollte Clarence die Gilde verlassen. 

Der Vorschlag, aus dem Tier eine Krähe zu machen, ließ ein kleines Lächeln auf den Lippen des Dunkelhaarigen erscheinen.

„Eine Krähe, hm? Vielleicht wäre eine Ente noch passender, bei dem Unsinn, den du schnatterst.“ - natürlich schnatterte Clarence diesen Unsinn nur wegen ihm und um ihn davon zu überzeugen, dass es nicht schlimm sein würde sich jene vier Bilder, plus minus eins entfernen zu lassen. 

Und ohne jeden Zweifel empfand der Blonde es so, doch für Cassie war diese Option nichtsdestotrotz schwierig. Irgendwann einmal, hatte der Greifvogel ihm etwas bedeutet, so wie der die Zugehörigkeit zu dem Clan ihm etwas bedeutet hatte. 

Die Bilder auszuradieren war mehr als eine beiläufige Angelegenheit, zumindest was Matthew betraf. 

Nachdenklich strich er über die dunkel-gefiederten Schwingen, ehe Clarence seine Hand nahm und an seine Seite legte. Dort war der bekannte Schriftzug mit schwarzer Tinte verewigt und Cassie strich vorsichtig mit dem Daumen darüber, den Blick auf die Buchstaben gerichtet. 

Die zwei Worte waren, im Gegensatz zu dem Raubvogel, weder schwer zu covern noch schwer unkenntlich zu machen sein, aber auch sie gehörten zu Clarence. 

Der Kuss, den der Blonde auf seinen Handrücken hauchte, kaum da er Matthews Hand an seine Lippen gehoben hatte, ließ Matthews Bauch kribbeln und ihn schmunzeln. 

„Vier Bilder, plus minus eins, im Austausch für ein Leben mit mir...“, zitierte er lose das Gesagte. „...das klingt nach etwas, dass du ohne mit der Wimper zu zucken tun würdest.“ - so war Clarence. Bereit alles zutun was nötig war, wenn es ihn denn an sein Ziel brachte. 

Dann war kein Weg zu weit, kein Fluss zu kalt und kein Berggipfel zu steil. 

Es ehrte ihn und die Erkenntnis war für den Jüngeren auch nicht neu, allerdings stimmte ihn die Aussicht darauf, Clarence müsse diesen Schritt gehen, melancholisch. 

Die Bilder machten ihn nicht aus, bildeten nicht nicht den Charakter den Cassie liebte und zugleich waren sie doch ein Teil des Hünen. 

„Ich denke dabei vor allem an die Schmerzen hier.“, sachte entwand er seine Hand wieder und stupste mit der Spitze des Zeigefingers in gegen Clarence’ Brust, ungefähr auf Höhe wo sein Herz schlug. 

„Mal angenommen... wenn wir nach Falconry Gardens gehen... und ich mime einen reichen Schnösel aus...zum Beispiel Coral Valley, oder sonst irgendeinem beliebigen Ort...“ zögerlich leckte er sich über die Lippen, aber nicht etwa weil er sich spontan etwas zusammenstammelte, sondern weil er diesen alternativen Vorschlag nicht dadurch disqualifizieren wollte, in dem er vorschnell dummes Zeug plapperte. 

„Ich könnte sagen, dass du einen meiner besten Männer getötet hast und das ich für diesen Verlust einen Ausgleich fordere, ein Leben für ein Leben. Da dass natürlich nicht legal ist, konnte ich dich nicht einfach ins Gefängnis stecken, immerhin kann ich mich dort auch nicht an dir rächen. Ich kaufe dich also frei und was von da an mit dir passiert, ist nicht mehr die Sache deines Clans.“ in seinen Ohren hörte sich das gut an, aber auf seine Ohren kam es ja in dieser Sache nicht an.  

„Klingt das nach einem Deal, den Nagi Tankas Tochter machen würde, wenn es um den Mörder ihres Vaters geht? Vielleicht ist sie froh, wenn sie dich auf diese Weise loswerden kann.“ er hob den Blick von Clarence’ Brust und musterte das markante und geliebte Gesicht. Manchmal kam es ihm vor als würde er ihn schon ewig kennen und als wäre Clarence der einzige, der ihn wirklich kannte. 

Und dann wiederum war ihm der Mann ein Rätsel, überraschte ihn, faszinierte ihn und schien so geheimnisvoll wie ein Schatten in der Nacht. 

„Ich will, dass du weißt, dass ich alles tun würde was nötig ist, um dich von deinem Clan loszueisen, zumindest so lange du das auch willst... Ich würde nie von dir verlangen auch nur eines der Bilder zu entfernen.“, es war Clarence der entschied ob etwas geschah und was es sein würde. Matthew würde jeden Entschluss mittragen. 

„Irgendwann mal, haben dir diese Menschen etwas bedeutet und waren so etwas wie...deine Familie. Dich von ihnen zu trennen...so ganz und gar...“, er umfing das Kinn des Blonden und zog es zu sich heran, drängte Clarence einen innigen und festen Kuss auf und musterte ihn schließlich mit einer Eindringlichkeit wir er sie bisher nur selten an den Tag gelegt hatte. 

„Dass ist keine Entscheidung die ich von dir verlangen würde. Weißt du das, hm?“

Es müsste nicht heißen entweder er oder der Clan. 

Wenn Clarence glaubte er müsse sich von den Jägern trennen, dann war das falsch. Matthew würde den Kestrels beitreten, wenn das der Wunsch seines Mannes wäre und auch wenn sie dann nie das Haus an der Küste haben würden, so würden sie trotzdem zusammen sein können. Nur anders, als in ihren Träumen ausgemalt. 

Was Cassie berichten jedoch keinesfalls wollte, dass war Clarence dazu zu bringen Brücken abzubrechen die sich nicht erneuern ließen und die keinen Weg zurück mehr boten. Sich von dem Clan abzuwenden würde nicht nur bedeuten Last und Pflicht abzustreifen, sondern eben auch Menschen zu verlassen, die ihm etwas bedeutet hatten und vielleicht noch immer bedeuteten. Jedes Tor zur Vergangenheit zu schließen, wäre ein Ende ohne Wiederkehr. Und das konnte Matthew nicht von Clarence verlangen, Clarence musste diesen Weg bestimmen. Rehbraune Augen blickten aufmerksam in das Antlitz des Blonden, verfolgten jede Regung im markanten Gesicht und forschten nach Unsicherheit und Furcht, vielleicht sogar nach Geheimnissen, die ihm verborgen werden sollten. 

Doch egal wie intensiv er das Graublau der Iriden auch erforschte, Matthew fand weder Angst noch Zweifel darin. 

Was Clarence ihm aufzeigte, war der eine Weg, von dem er glaubte er sei der beste für sie und auch wenn es für ihn bedeuten würde, einen Teil seiner Tätowierungen und damit auch ein Stück seiner Identität ausradieren zu lassen, so strahlte er dennoch eine Ruhe und Gelassenheit aus, die keinen Raum für Zweifel ließ. 

Er hatte keine Angst vor jenem Prozedere, auch wenn es bedeutete, dass eines der markantesten Bilder auf seinem Körper würde weichen müssen. 

Unglücklich, wenn auch nicht überrascht, ließ Matthew die Schultern hängen, als er die Bestätigung erfuhr, dass der Greifvogel zu den American Kestrels gehörte und somit keine Daseinsberechtigung mehr hatte, wollte Clarence die Gilde verlassen. 

Der Vorschlag, aus dem Tier eine Krähe zu machen, ließ ein kleines Lächeln auf den Lippen des Dunkelhaarigen erscheinen.

„Eine Krähe, hm? Vielleicht wäre eine Ente noch passender, bei dem Unsinn, den du schnatterst.“ - natürlich schnatterte Clarence diesen Unsinn nur wegen ihm und um ihn davon zu überzeugen, dass es nicht schlimm sein würde sich jene vier Bilder, plus minus eins entfernen zu lassen. 

Und ohne jeden Zweifel empfand der Blonde es so, doch für Cassie war diese Option nichtsdestotrotz schwierig. Irgendwann einmal, hatte der Greifvogel ihm etwas bedeutet, so wie der die Zugehörigkeit zu dem Clan ihm etwas bedeutet hatte. 

Die Bilder auszuradieren war mehr als eine beiläufige Angelegenheit, zumindest was Matthew betraf. 

Nachdenklich strich er über die dunkel-gefiederten Schwingen, ehe Clarence seine Hand nahm und an seine Seite legte. Dort war der bekannte Schriftzug mit schwarzer Tinte verewigt und Cassie strich vorsichtig mit dem Daumen darüber, den Blick auf die Buchstaben gerichtet. 

Die zwei Worte waren, im Gegensatz zu dem Raubvogel, weder schwer zu covern noch schwer unkenntlich zu machen sein, aber auch sie gehörten zu Clarence. 

Der Kuss, den der Blonde auf seinen Handrücken hauchte, kaum da er Matthews Hand an seine Lippen gehoben hatte, ließ Matthews Bauch kribbeln und ihn schmunzeln. 

„Vier Bilder, plus minus eins, im Austausch für ein Leben mit mir...“, zitierte er lose das Gesagte. „...das klingt nach etwas, dass du ohne mit der Wimper zu zucken tun würdest.“ - so war Clarence. Bereit alles zutun was nötig war, wenn es ihn denn an sein Ziel brachte. 

Dann war kein Weg zu weit, kein Fluss zu kalt und kein Berggipfel zu steil. 

Es ehrte ihn und die Erkenntnis war für den Jüngeren auch nicht neu, allerdings stimmte ihn die Aussicht darauf, Clarence müsse diesen Schritt gehen, melancholisch. 

Die Bilder machten ihn nicht aus, bildeten nicht nicht den Charakter den Cassie liebte und zugleich waren sie doch ein Teil des Hünen. 

„Ich denke dabei vor allem an die Schmerzen hier.“, sachte entwand er seine Hand wieder und stupste mit der Spitze des Zeigefingers in gegen Clarence’ Brust, ungefähr auf Höhe wo sein Herz schlug. 

„Mal angenommen... wenn wir nach Falconry Gardens gehen... und ich mime einen reichen Schnösel aus...zum Beispiel Coral Valley, oder sonst irgendeinem beliebigen Ort...“ zögerlich leckte er sich über die Lippen, aber nicht etwa weil er sich spontan etwas zusammenstammelte, sondern weil er diesen alternativen Vorschlag nicht dadurch disqualifizieren wollte, in dem er vorschnell dummes Zeug plapperte. 

„Ich könnte sagen, dass du einen meiner besten Männer getötet hast und das ich für diesen Verlust einen Ausgleich fordere, ein Leben für ein Leben. Da dass natürlich nicht legal ist, konnte ich dich nicht einfach ins Gefängnis stecken, immerhin kann ich mich dort auch nicht an dir rächen. Ich kaufe dich also frei und was von da an mit dir passiert, ist nicht mehr die Sache deines Clans.“ in seinen Ohren hörte sich das gut an, aber auf seine Ohren kam es ja in dieser Sache nicht an.  

„Klingt das nach einem Deal, den Nagi Tankas Tochter machen würde, wenn es um den Mörder ihres Vaters geht? Vielleicht ist sie froh, wenn sie dich auf diese Weise loswerden kann.“ er hob den Blick von Clarence’ Brust und musterte das markante und geliebte Gesicht. Manchmal kam es ihm vor als würde er ihn schon ewig kennen und als wäre Clarence der einzige, der ihn wirklich kannte. 

Und dann wiederum war ihm der Mann ein Rätsel, überraschte ihn, faszinierte ihn und schien so geheimnisvoll wie ein Schatten in der Nacht. 

„Ich will, dass du weißt, dass ich alles tun würde was nötig ist, um dich von deinem Clan loszueisen, zumindest so lange du das auch willst... Ich würde nie von dir verlangen auch nur eines der Bilder zu entfernen.“, es war Clarence der entschied ob etwas geschah und was es sein würde. Matthew würde jeden Entschluss mittragen. 

„Irgendwann mal, haben dir diese Menschen etwas bedeutet und waren so etwas wie...deine Familie. Dich von ihnen zu trennen...so ganz und gar...“, er umfing das Kinn des Blonden und zog es zu sich heran, drängte Clarence einen innigen und festen Kuss auf und musterte ihn schließlich mit einer Eindringlichkeit wir er sie bisher nur selten an den Tag gelegt hatte. 

„Dass ist keine Entscheidung die ich von dir verlangen würde. Weißt du das, hm?“

Es müsste nicht heißen entweder er oder der Clan. 

Wenn Clarence glaubte er müsse sich von den Jägern trennen, dann war das falsch. Matthew würde den Kestrels beitreten, wenn das der Wunsch seines Mannes wäre und auch wenn sie dann nie das Haus an der Küste haben würden, so würden sie trotzdem zusammen sein können. Nur anders, als in ihren Träumen ausgemalt. 

Was Cassie jedoch keinesfalls wollte, dass war Clarence dazu zu bringen Brücken abzubrechen die sich nicht erneuern ließen und die keinen Weg zurück mehr boten. Sich von dem Clan abzuwenden würde nicht nur bedeuten Last und Pflicht abzustreifen, sondern eben auch Menschen zu verlassen, die ihm etwas bedeutet hatten und vielleicht noch immer bedeuteten. Jedes Tor zur Vergangenheit zu schließen, wäre ein Ende ohne Wiederkehr. Und das konnte Matthew nicht von Clarence verlangen, Clarence musste diesen Weg bestimmen. 


Clarence B. Sky

Natürlich war das etwas, das er ohne mit der Wimper zu zucken tun würde – was das anging, kannte Matthew ihn mittlerweile einfach zu gut.

Der Blonde hatte einen Hang dazu keine Rücksicht auf sich zu nehmen, seinen eigenen Körper schlecht zu behandeln ganz gleich welche Schmerzen es bereitete und es lag aus ersichtlichen Gründen in seiner Natur einfach alles für jene Menschen zu tun oder aufzugeben, die er liebte.

Zu oft schon hatte er zusehen müssen wie seine Familie litt, nur um selbst dabei nahezu unversehrt zu bleiben. Selten hatten Fremde ihm ein Leid angetan, hatten seine Haut unberührt gelassen und ihm nur dort Narben zugefügt, wo niemand anderes außer er selbst sie sah: Nämlich auf seinem Herzen und seiner Seele.

Bot sich auch nur die geringste Gelegenheit das zu ändern, diesen Teufelskreis zu durchbrechen und die Last auf den eigenen Schultern zu tragen wenn dafür nur jene die er liebte unversehrt blieben, Clarence würde es tun. Sicher, der Clan würde sich nicht für Cassie interessieren und es war mehr als unwahrscheinlich dass man dem Jüngeren an den Kragen gehen würde, nur um den Blonden zurück zu bekommen. Aber ein Leben mit diesen Menschen, bis ans Ende ihrer Tage… nein, Matthew würde unter solchen Umständen genauso wenig glücklich werden wie er selbst.

Aber war nicht genau das das Ziel gewesen, was Cassie immer vor Augen gehabt hatte? Seinen Bären glücklich zu machen?

Für einen Moment spürte der Größere dem stupsenden Zeigefinger auf seiner Brust nach und zuckte beinahe unmerklich mit den Schultern, ganz so als wären die Schmerzen kaum der Rede wert, die ein Schwärzen des Greifvogels ihm verursachen würde. Am Ende aller Tage – und das wusste Clarence ganz genau – war jene Qual vergänglich wie so vieles stille Leid es auf dieser Welt war.

Der Schorf würde abheilen, die stechenden Schmerzen würden abklingen und wenn er sich schonte und Matthew ihm half die geschundenen Areale zu pflegen damit sie sich nicht infizierten, dann wäre der lange steinige Weg alsbald vergessen, über den sie miteinander gewandert waren. Was blieb würden nicht mehr länger die Hindernisse sein die sie überwunden und hinter sich gelassen hatten, sondern der gemeinsame Blick nach vorne an jenen Punkt, wo sich ihr Weg am Horizont in der aufgehenden Sonne einer friedlichen Zukunft brach.

So viel hatten sie beide schon hinter sich gebracht; er selbst, aber zweifelsohne genauso sehr Matthew. Sie waren zwei Menschen die auf kein einfaches Leben zurück blickten und von denen jeder sein eigenes Päckchen zu tragen hatte, dessen Last der andere niemals zur Gänze würde nachvollziehen können. So viel sie einander auch verrieten und heimlich des Nachts zuflüsterten, sie würden nie voll und ganz begreifen was den Mann den sie liebten damals so gebrochen hatte und trotz all der Traumata stand fest, nur sie gemeinsam besaßen ein Heilmittel in sich, das den anderen sich nach all den Jahren wieder unversehrt fühlen ließ.

Wie sehr das stimmte wurde wieder einmal offensichtlich, indem Cassie seinem Mann zum ersten Mal seit längerer Zeit wieder ein leises Lachen entlockte und den Blonden darunter amüsiert den Kopf schütteln ließ. Beinahe fassungslos war der Blick den er dem Mann auf seinem Schoß schenkte, ganz so als frage er sich abermals, ob der Kerl sich auch nur wenigstens ab und zu selbst beim Reden zuhörte.

„Und du denkst, wenn du ganz alleine zu meinem Clan marschierst und denen Forderungen stellst… dann werden all diese kampferfahrenen Frauen und Männer einfach sagen: Ohh, ein halbes Hemd von Mann, das uns droht – gebt ihm schnell was er will, gegen den können wir uns sowieso nicht zur Wehr setzen?“

Er sah schon jetzt wie man dem reichen Schnösel aus Coral Valley oder sonst einem beliebigen Ort nicht nur den Vogel, sondern auch jenen Platz aufzeigte, an den er zurück gehörte.

Ein warmes, verliebtes Schmunzeln hielt noch immer die Lippen des Blonden ergriffen, dessen Mann manchmal auf die absurdesten Ideen kam von denen er selbst nicht mal wusste, wo der Kerl die nur her nahm.

Ebenso energisch wie Matthew den Tenor anschlug, erwiderte Clarence den Kuss seines Partners mit einer unerschütterlichen Festigkeit in welcher man spürte, es gab nichts, was an dem Band rütteln konnte das sie beide miteinander verband.

Noch während der Dunkelhaarige weiter sprach, leckte er sich langsam über die Lippen um dem Geschmack des Jüngeren für einen Moment nachzuspüren und musterte dabei die kandisfarbenen Iriden, die selten so innig und verbunden auf ihn herab geblickt hatten wie in diesem Augenblick.

Cassie hatte sich so sehr verändert, seitdem sie miteinander verheiratet waren. Er war aufmerksam geworden, liebevoll, weniger frech – jedoch ohne dabei den Schalk im Blick und den Worten zu verlieren, der so sehr sein ganzes Sein prägte. Er hatte begonnen seine eigenen Bestrebungen zurück zu stellen und sich zu fragen was sein Bär wollte, anstatt einfach nur zu versuchen Clarence von seinen eigenen Vorstellungen zu überzeugen; vor allem aber war er feinfühlig geworden was seinen Mann anging, ein Charakterzug den er zumindest sehr lange vor dem Jäger verborgen gehalten hatte, insofern er schon vorher im Jüngeren existent gewesen war.

„…dass du nicht darauf bestehst mich zur Gänze von meinem Clan zu lösen… das ehrt dich sehr, Matthew“, setzte er schließlich nach kurzem Zögern wieder leiser an, mit dem Hauch einer gewissen Faszination in der Stimme, wie nur der einstige Söldner sie in Claire zu wecken vermochte. „Ich weiß, du würdest mir überall hin folgen wohin ich gehe und dass du für mich jede Last auf dich nehmen würdest, genauso wie ich es für dich tue.“

Sanft rechte er das Haupt, stupste die Nasenspitze des Jüngeren mit der eigenen an und klaubte sich schließlich einen weiteren Kuss von Cassie, dieses Mal weicher als noch jene Liebkosung davor.

„Aber ich weiß auch, was du nicht weißt…

Ich will dich, Cassie. Ich will nur dich.“

Eindringlich betrachtete er seinen Mann; verlor sich für einen Wimpernschlag lang in den endlos braunen Augen, den Gesichtszügen die er so sehr liebte, in den kurzen dunklen Bartstoppeln und schließlich in trotzdem noch immer übermäßig bunten Farben am Körper des Jüngeren, obwohl der Harnisch einen beträchtlichen Teil davon bedeckte.

„Ich will dich nicht mit all diesen Menschen teilen und ich will auch nicht, dass du mich mit ihnen teilen musst. Es stimmt, diese Leute dort… manche bedeuten mir etwas, manche von ihnen gar nichts. Ich teile mir eine Geschichte mit ihnen, Erinnerungen, Erlebnisse die wir zusammen verlebt haben… aber am Ende…“

Wortlos schüttelte er den Kopf, reckte sich ein weiteres Mal und fing erneut die Lippen seines Mannes ein, um von ihnen zu kosten. Seine Pranken hatten sich mittlerweile wieder auf den Flanken Cassies eingefunden und hielten ihn dort bestimmend bei sich mit einem Griff der nicht nur Gewissheit versprach, sondern auch Sicherheit und Geborgenheit.

„Am Ende, da will ich neue Geschichten mit dir schreiben. Will neue Erinnerungen gewinnen und Erlebnisse mit dir teilen. Mit dir. Davon, wie wir frei sind. Wie wir irgendwo ankommen und uns ein Zuhause bauen, in dem wir zusammen miteinander alt werden können. Wie wir glücklich sind, aber auch wie wir gemeinsam Tiefen überstehen, wenn der nächste Winter uns in die Knie zwingt… und wir uns danach wieder zusammen aufrappeln um zu erkennen, dass wir zusammen alles schaffen können. Ich will mir dir bestimmen wann wir ins Bett gehen und aufstehen, was wir an welchem Tag machen und was nicht… ob wir in unserem Haus bleiben oder ausziehen in die Welt, um eine kleine Reise zu unternehmen. Ich will zusammen mit dir all das machen und wir sollen uns nicht danach richten müssen, was andere von uns wollen… und ich denke was das angeht, sehnen wir uns nach dem Gleichen. Oder nicht?“


Matthew C. Sky

Natürlich wusste Matthew, dass er von Clarence geliebt wurde und natürlich wusste er auch, dass der Blondschopf dazu bereit wäre alles für ihn zu tun. 

Aber nur weil er das wusste, hatte er noch lange nicht das Recht dazu, von ihm irgendetwas zu verlangen oder einzufordern. Er konnte nicht voraussetzen, dass Clarence alle Türen zur Vergangenheit für ihn zuschlagen würde und er konnte nicht darüber verfügen, dass Clarence seine Bilder ausradieren ließ. 

Der Ältere sollte nicht eines Tages neben ihm erwachen und feststellen, dass das was er für ihn zurückgelassen hatte eigentlich das war, was er im Inneren seines Herzens wollte. 

Der Blonde hatte sein halbes Leben lang damit zugebracht die Wünsche anderer zu erfüllen und Erwartungen zu entsprechen, die andere in ihn hatten. 

Matthew wollte sich nicht einreihen in jene ohnehin viel zu lange Liste, wollte kein Teil dessen werden, dass Clarence klammheimlich hemmte und ihm eine Bürde war. 

Wenn der Größere es wollte, Matthew würde ohne zu Zögern den American Kestrels beitreten. Sie mussten nicht das Haus am Meer haben, er brauchte keine eigene Pferdezucht und auch kein Land das ihnen gehörte. Wenn er Clarence hatte und Clarence glücklich war, dann würde Matthew überall glücklich sein können. 

Nichts anderes hatte er den Blonden wissen lassen wollen und die Art, mit der Clarence ihn betrachtete, legte nahe, dass Claire ihn ganz genau verstanden hatte. 

Der so abweisende und und raue Blick der einstmals zwischen ihnen zum Alltag gehört hatte, war längst zur Vergangenheit geworden. Wann immer sein Mann Matthew ansah, lagen Güte und Liebe in den graublauen Augen. 

Clarence war, ganz ohne Zweifel, das Beste das es in Cassiels Leben gab Info wollte, dass der Ältere das wusste. Er war nicht irgendwer, er war nicht nur ein guter Freund oder ein enger Vertrauter. Er war Matthews bester Freund und sein engster Vertrauter. Er war sein Liebhaber, sein Verbündeter, seine Zukunft. 

Und wenn er Clarence so ansah und dabei den fremden Lippen nachspürte, welche eben noch die seinen gefangen genommen hatten, dann wusste er, dass er jederzeit für diesen Mann sterben würde. 

Das kleine Lachen des Blonden - obgleich es bedeutete, dass er seine Idee nicht ernst nahm - wärmte sein Herz und brachte den verliebten und zugleich frechen Glanz in Matthews Augen, den nur Clarence zu erzeugen wusste. 

„Ich kann sehr überzeugend sein. Außerdem gelten auch für Jäger Gesetze... und ich würde ihnen sehr glaubhaft machen, dass es eine schlechte Idee wäre, mich daran zu hindern, gesund und munter nach Hause zurückzukehren.“, auch wenn der Blonde offenkundig von dem Vorschlag gar nichts hielt, verteidigte der Jüngere ihn weiter. 

„Und außerdem warum sollte deine Clan-Führung ein Risiko wegen dir eingehen, hm? Ich würde ihnen eine beachtliche Summe Gold für einen Mann bieten, der seit Jahren seinen Fuß nicht mehr in die Stadt gesetzt hat und der den einstigen Anführer getötet hat?“

Cassie, der zugegebenermaßen wenig Ahnung von Jägerclans hatte, glaubte durchaus daran, dass die Idee nicht schlecht war. Denn ob nun Jäger oder nicht, Menschen waren sich in ihren Grundzügen doch immer ähnlich. 

„Ich würde ihnen helfen, einen unliebsamen Mann auf gewinnbringende Weise loszuwerden. Niemand müsste sich mit dir befassen, niemand müsste sich rechtfertigen was mit dir passiert, weil ich der derjenige wäre der dich mitnimmt und mit dir macht, was immer er will. Es macht keinen Sinn, dass sie dich behalten wollen...“ Er hob die Hände an beide Wangen des Größeren, neigte den Kopf und verbiss sich mit zärtlicher Wildheit in der Unterlippe seines Eigentums. 

„Und noch etwas gefällt mir an der Idee...“, keck schmunzelte er.

„Ich hätte dich offiziell freigekauft, sodass du mir gehörst. Du müsstest machen, was immer ich will...du müsstest...“, erneut küsste der Dunkelhaarige seinen Geliebten und biss ihm dabei in die süßen Lippen. 

„...dich mir fügen und tun, was immer ich mir für dich überlege.“

Natürlich las Clarence schon jetzt jeden Wunsch von seinen Augen ab und natürlich gab es nichts, dass der Größere nicht für ihn tun würde. 

Sie waren beide so sehr ineinander vernarrt, wie zwei Menschen überhaupt ineinander vernarrt sein konnten. 

Statt sich weiter in den Vorteilen zu ergehen, die ein solcher Deal bringen würde, verlegte sich der Dunkelhaarige nun lieber darauf zu schweigen und zuzuhören. 

Aufmerksam lauschte er dem, was sein Mann ihm erklärte und mit jeder Sekunde wurde deutlicher, dass der Blonde längst gewählt hatte was er wollte und das er auch längst wusste wie er glücklich werden würde. Das Leben im Clan war keine Option mehr für ihn, eine Rückkehr in sein altes Dasein nicht länger eine Sehnsucht, wenn es denn je eine gewesen war. Was Clarence wollte, dass war Matthew und ein Leben mit ihm. 

Die Freiheit zu gehen wohin sie wollten, zu wählen ob sie Sicherheit oder Abenteuer suchten, ob ihre Familie wuchs oder blieb wie sie war. 

Eine zarte Röte schlich sich auf Cassiels Wangen, je mehr ihm gewahr wurde, dass Clarence ihm gerade völlig frei von Zweifeln oder Scham erklärte, dass es nichts auf der Welt gab, dass er mehr wollte als ein Leben mit ihm. 

Für vielerlei Menschen mochte dieses Kompliment schön, aber auch ein Selbstverständnis sein. Sie waren immerhin miteinander verheiratet und da sollte es normal sein, eine gemeinsame Zukunft anzustreben. 

Aber für Matt, so absurd es auch sein mochte, war nichts selbstverständlich. 

Der Jüngere war in der Gewissheit aufgewachsen, dass man ihn nicht wollte und auch zu nichts weiter brauchte als für die Zwecke irgendeines Geschäfts. Dass er ersetzbar war und dass er nichts besonderes an sich hatte. 

Clarence jedoch...er hatte sich bewusst für ihn entschieden und Cassie wusste, dass der Blonde jene Entscheidung weder bereute noch vorhatte sie je zu revidieren. Und trotzdem rührte es etwas in ihm, wenn der Größere ihm unumwunden sagte, dass die einzige erstrebenswerte Zukunft eine Zukunft war, in der sie beide zusammen lebten. 

Verlegen richtete er den Blick nach unten zwischen ihre Körper und schob die Arme nähesuchend unter denen von Clarence hindurch, um sie auf seinem Rücken zu verschränken. Dann schmiegte er seine Wange gegen die Schulter des Blonden und schwieg still. 

Es erfüllte ihn mit einem merkwürdigen Gefühl von überbordender Geborgenheit hier bei Clarence zu sein. Ihm zuzuhören und in jeder einzelnen Sekunde ihres Zusammenseins zu spüren, dass sie füreinander da waren. Und mit jenem Gefühl ging auch die Angst vor dem Kommenden einher, weil sie beide nicht genau wussten, was auf sie zukam. 

Wenn die Clanmitglieder sie beide erstmal fanden, dann lag das Kommende nicht mehr nur in ihren Händen und keiner von ihnen konnte wirklich mit Gewissheit sagen, was sie tun oder fordern würden. 

Nach einer kleinen Weile der Stille, erhob Cassie schließlich die Stimme und nuschelte, etwas unverständlich, gegen das Schlüsselbein des Hünen. 

„Ich...lass mir was einfallen, okay? Wir kriegen dich da raus, ohne das du dir die halbe Haut vom Körper schälen oder schwarzmalen lassen musst.“

Es spielte keine Rolle, dass Clarence bereit dazu war dieses Opfer zu bringen. Matthew wollte nicht, dass er sich das antat. Und wenn es einen Weg gab ihm dieses Prozedere zu ersparen, dann wollte Matthew ihn suchen. 

Das schuldete er seinem Mann, der ohne zu zögern alles für ihn tun würde. 


Clarence B. Sky

Je mehr sich Matthew in seine aberwitzige Idee verstrickte seinen Mann vom Clan freizukaufen, umso mehr vergaß er dabei zwei unglaublich essentielle Dinge:

Jäger interessierten sich nicht dafür welche Rechte irgendein dahergelaufener Trottel sich einforderte; und -

Clarence war schon jetzt bereit dazu alles zu tun was sein Geliebter von ihm wollte und würde sich diskussionslos allem fügen, was der andere von ihm verlangte.

So wie der Dunkelhaarige zu ihm gehörte, war auch der Jäger längst zum Besitz seines Partners und damit auch wie Wachs in dessen Händen geworden.

Es gab keinen Wunsch und keine Bitte die er jemals bereit wäre seinem Ehemann abzuschlagen und keine lüsterne Begierde schien ihn zu verrucht zu sein, als dass er sie nicht wenigstens mit ihm ausprobieren würde.

Der forsche Kuss, den Matthew ihm mit besitzergreifendem Biss in seine Lippen aufzwang, ließ den Blonden hauchdünn raunen und vermochte nicht den Appetit zu verbergen, welchen Claire augenblicklich verspürte. Der Jüngere wusste es ihn um den Finger zu wickeln und mit seinen Sehnsüchten zu spielen, das stand völlig außer Frage.

Was einstmals als barsches Spiel begonnen hatte, nämlich den wilden Barbaren unterschwellig zu locken nur um ihn dann doch abblitzen zu lassen im Rahmen ihrer fragwürdigen Vereinbarung, war längst einem prickelnden Umgang miteinander gewichen dem keiner von ihnen beiden sich entziehen konnte. Andere Paare hatten auf Dauer auf die Kunst der Verführung zurück zu greifen, mussten lernen einander zu bezirzen um dadurch die Flammen der Leidenschaft am Leben zu erhalten… doch was für andere Menschen mühsamer Erhalt dessen war, was sich irgendwann auf halber Strecke verloren hatte, schien den beiden jungen Männern in der Koralle der Oreo spielend leicht zu fallen.

Ihre Sinne waren aufeinander geprägt, alles am Kleineren zog den Blonden an und selbst die jüngst erworbenen Narben hatten nicht dazu führen können, dass die Chemie zwischen ihnen an Harmonie verlor. Ein einziger Blick, eine Berührung, manchmal auch nur der Hauch eines Kusses… all diese kleinen Nichtigkeiten reichten aus, damit sich die feinen Härchen in Clarence‘ Nacken aufstellten und sich seine Aufmerksamkeit alleine auf Matthew richtete, selbst in unpassenden Momenten wie dem hiesigen.

Noch immer brannten die längst wieder zurückgezogenen Zähne auf Claires Unterlippe nach, selbst dann noch, als sie wieder zurück zum Thema gefunden hatten und der Jüngere begann, schweigend seine Arme unter denen seines Bären hindurch zu schieben. Er wusste wie empfänglich sein Mann für Liebesbekundungen jener Art war; aber weder war der Blonde einer jener Kerle die inflationär mit Komplimenten umgingen um jemand anderem zu schmeicheln, noch hatte er jemals berechnend dem Jüngeren Honig ums Maul geschmiert. Wenngleich oftmals schweigsam, war Clarence ein Mann der sein Herz am Ende doch stets auf der Zunge trug und selten dachte er über etwas das er Cassie zu sagen hatte länger nach als nötig wenn es das war, was er wirklich für den Dunkelhaarigen empfand.

Ohne zu zögern schob Clarence seine Arme über die Schultern des anderen hinweg, breitete sie über dessen Rücken aus und drückte Matthew fest an sich, das anheimelnde Schweigen nicht durchbrechend, welches sich für den Augenblick über sie gelegt hatte. Genauso wie er die Ausgelassenheit genoss, welche oftmals zwischen ihnen herrschte, hatte er gelernt auch die stillen Momente zwischen ihnen auszukosten während denen nichts weiter sprach außer die Gefühle, welche sie deutlich spürbar füreinander hegten.

Wie sehr sie einander wollten und brauchten, dafür gab es keine Worte und es brauchte sie auch nicht um zu wissen, was sie dem anderen bedeuteten. Während Cassie in seinen Armen lag wusste Clarence wie sehr sein Mann ihn liebte und ebenso wusste er, dass der Kleinere sich gewahr war, wie sehr er geliebt wurde.

Was Clarence vom Leben wollte, das hatte er lange Zeit nicht gewusst und auch heute war er sich noch oftmals unsicher darüber, welche fernen Wünsche tatsächlich in seinem Herzen ruhte – und was davon er sich nur einbildete. Er hatte geglaubt auf die Flucht gehen zu wollen, sich dem nicht stellen zu wollen was fernab ihrer heilen, nahezu perfekten Blase auf sie wartete und dass es wohl das Beste für sie wäre einfach allem davon zu segeln, ganz so als würden sich die Dinge schon von alleine irgendwann in ferner Zukunft ergeben.

Erst in der Gegenwart des Jüngeren, in den Gesprächen und in seinen Blicken fand Claire, was er wahrhaftig brauchte um glücklich zu sein. Erst mit Cassie wurde ihm gewahr wonach er sich sehnte und welche Entscheidungen die richtigen waren, welche getroffen werden wollten. Die Antworten, die er in sich selbst nicht fand, begriff er erst so richtig durch die Gefühle welche Matthew in ihm herauf beschwor und alleine dadurch stellte sich am Ende aller Diskussionen nicht mehr die Frage nach Flucht oder Konfrontation.

Du sagt das die ganze Zeit, als wäre es eine Strafe mich für eine der beiden Seiten zu entscheiden…“, antwortete er schließlich leise gegen den Hals des Jüngeren, an den er sein Gesicht ebenfalls gelehnt hatte, und atmete tief durch um den Vertrauten Geruch seines Geliebten wenigstens für einen Moment in sich zu verewigen. „Das dachte ich auch die ganze Zeit, aber… je mehr ich darüber nachdenke…“

Denn Cassie hatte recht, wie der Bär von Mann ihm bereits zugestanden hatte. Selbst wenn sie ihn heute heil aus der Sache heraus bekamen, auf Dauer würden die Bilder auf seiner Haut ewig Fragen aufwerfen. Egal ob vogelfrei oder nicht, eines Tages würden die Bilder und Siegel für den ein oder anderen Fragen aufwerfen – und wenn nicht für fremde Jäger auf Durchreise, dann doch zumindest immer zum Teil auch für ihn selbst.

Brummend genoss er das Gefühl des fremden Brustkorbes der sich unter seiner Umarmung ruhig hob und wieder senkte, verlor sich in dem Duft des Halses seines Mannes und dem Gefühl des langsam wärmer werdenden Leders, je länger seine Arme über dem Harnisch des einstigen Söldners ruhten.

Wenn wir irgendwann irgendwo angekommen sind… richtig angekommen… - wenn wir uns wahrhaft Zuhause fühlen ohne Fernweh, wenn wir vier Wände und ein Dach über dem Kopf haben von denen wir wissen, wir werden hier gemeinsam alt und sterben hier irgendwann zusammen Hand in Hand auf unserer Veranda, alt und senil… dann will ich nicht mehr in den Spiegel sehen und an ein Leben erinnert werden, in dem es dich nicht gab“, erklärte er leise in die Halsbeuge seines Mannes und vergriff seine Finger leicht in den ledernen Schnüren auf Cassies Rücken, um ihn noch dichter an sich zu pressen.

Erst seitdem ich dich habe… fühle ich mich wieder lebendig. So als wäre all das, was vorher geschehen ist, nichts weiter gewesen als ein dunkler, trauriger Traum. Für dich mögen Tätowierungen eine Geschichte voller Bedeutung sein, aber für mich… für mich werden sie immer eine Bürde bedeuten. Eine Erinnerung daran, wie traurig und verloren ich durch meine Verluste jahrelang war, bevor du mich gefunden hast. Eine Erinnerung daran was ich getan habe um nicht daran denken zu müssen, was ich vermeintlich niemals haben würde.“

Er hatte unbedingt fliehen wollen vor diesen Erinnerungen – bis eben gerade noch, als sie durch die Tür ins Zimmer der Gaststätte getreten waren. Doch nun, mit seinem Mann dicht bei sich und vor Augen was vor ihm lag statt hinter ihm, da schien es plötzlich das einfachste der Welt zu sein, eine Entscheidung zu treffen.

Wenn wir nach Falconry Gardens gehen und sie meine Zeichen schwärzen… dann bin ich frei. Von ihnen, von der Last in unserem Rücken… aber auch von all dem, was mich je wieder im Spiegel daran erinnern wird, dass es bereits ein Versprechen vor dem gab, das ich dir gegeben habe. Dann wird alles was bleibt die Gewissheit sein, dass ich weiß, zu wem ich gehöre - und gehören will…“

Zu behaupten Cassie besäße ihn dann mit Haut und Haar wäre eine Plattitüde, die sich Clarence nicht anmaßen würde auch nur zu denken und dennoch hatte er das Gefühl ein deutliches Zeichen setzen zu müssen, weniger für den Jüngeren, als vielmehr für sich selbst. Selbst wenn das Leben sie irgendwann voneinander trennte, egal durch verloschene Gefühle oder durch den Tod, der Blonde wollte keinen Weg mehr zurück in diese Welt von Jägern, Clans und irrsinnigen Strukturen, in der er schon viel zu lange gesteckt hatte – eine Sehnsucht, derer er sich erst just in diesen Sekunden wirklich gewahr wurde.

Lass uns nicht den Weg wählen von dem wir nicht wissen werden, wie er irgendwann endet. Lass uns… einen endgültigen Schlussstrich ziehen unter das, was mal war – damit wir neu anfangen können. Du und ich und niemand sonst, der uns eines fernen Tages einen Strick daraus drehen kann, dass meine Haut mich schuldig spricht. Damit ich und meine Erinnerungen immer nur dir gehören können und keinem anderen.“


Matthew C. Sky

Als der Dunkelhaarige in einem scheinbar anderen Leben, zum ersten Mal in das Gesicht des Hünen geblickt hatte, da hatte er niemals für möglich gehalten, dass sie beide einmal alles füreinander bedeuten würden, so wie sie es unlängst füreinander taten.

Zu unterschiedlich waren sie, zu wenig Vertrauen setzten sie in andere und obendrein gab es zu wenig, dass man aneinander überhaupt mögen konnte. 

Selbst als Matt klar geworden war, dass dieser Mann ihn nicht an die Verbündeten von Le Rouge liefern würde, hatte er in dem Wildling noch lange nicht das erkannt, was er heute sah. Die Vorstellung, den Blonden einmal wahrhaft zu schätzen oder gar zu lieben, war vollkommen absurd gewesen und hatte in seinem Denken gar nicht erst stattgefunden. 

Clarence war zu schweigsam, zu unlustig und zu verbissen. Er war ein stoischer Mensch der kaum Kompromisse einging, der seine Gedanken selten aussprach und vollkommen andere Ziele im Leben hatte als Matthew. 

Und was Reed anging, so glaubte er von sich selbst, weder ein guter Freund sein zu können, noch einer sein zu wollen. 

Zurückweisung war ein altbekanntes Muster für ihn. Er hatte so oft versucht für irgendwen mehr zu sein, doch jedes Mal wurde ihm vor Augen geführt, dass er niemandem etwas bedeutete. Er war eine Geldeinnahmequelle gewesen und zwar von dem Tage an, als seine Mutter ermordet worden war. 

Er tat sich schwer mit Freundschaften und Vertrauen, er war zynisch und egoistisch und mutete wie ein Kerl an, dem im Grunde alles egal war. 

Zwei solche Charaktere waren nicht kompatibel- nicht nur untereinander nicht, sondern auch nicht mit anderen. 

Und trotzdem hatten sie im Laufe der Zeit eine unerschütterliche Basis des Vertrauens zueinander aufgebaut. Matthew war Nutznießer jener Basis gewesen, er fühlte sich sicher in Gegenwart des Blonden und verließ sich auf ihn, während Clarence sich nur darauf verlassen konnte, dass Matthew unentwegt plapperte. Ihre Beziehung zueinander war zu Anfang in jeder Hinsicht merkwürdig gewesen, doch umso inniger war die Liebe die sich im Laufe der Zeit daraus entwickelt hatte. 

Matthew liebte Clarence mit allem was er geben konnte, jener Mann hatte ihm - ohne es sich bewusst zu sein - bewiesen, dass es immer einen Grund gab an das Gute zu glauben, selbst dann, wenn man soviel schlechtes erlebt hatte wie Matt. 

Clarence brachte das Beste in ihm zum Vorschein, er ließ ihn ausgelassen sein, er ließ in den Hintergrund rücken was er fürchtete. Der Blonde hatte es geschafft, die egoistischen Wesenszüge, die Cassie sich im Laufe der Zeit zugelegt hatte, verschwinden zu lassen. 

Wenn Matthew Angst hatte, dann schaffte Clarence es, ihm wieder Zuversicht zu geben. 

In all dem Chaos und bei all den Unsicherheiten mit denen sie sich konfrontiert sahen, hatte der Blonde noch immer die Gabe, beruhigend auf den Jüngeren einzuwirken. 

Es war, als wüsste Clarence mehr als Cassie, als sei er sich der unumstößlichen Tatsache gewiss, dass am Ende alles gut werden würde. 

Und wenn sie einander so nah waren wie jetzt, dann brachte der Blondschopf die ewig misstrauischen Stimmen und die fortwährenden Befürchtungen des Jüngeren zum Schweigen. Dann sah die Welt gleich weniger düster aus. 

Warm brummten die gesprochenen Worte gegen Matthews Haut, ließen seinen Hals kribbeln und bewirkten gleichsam, dass Matt glaubte, er müsse vor überbordender Liebe und Dankbarkeit zerspringen. So sehr liebte er Clarence, dass er manchmal gar nicht wusste wohin mit all den Gefühlen. 

Der Größere weckte in ihm Empfindungen, von denen der Kleinere niemals geahnt hätte, dass er sie überhaupt empfinden konnte. 

Sein Mann, dass machte dieser ganz deutlich, wollte nicht mehr zurückblicken, er wollte nicht mehr die Vergangenheit in seine Zukunft holen. Sondern was er wollte, dies formulierte er ganz deutlich; ein Leben mit Cassie. 

In jenem Leben, ganz gleich wie es aussehen mochte, gab es keinen Platz mehr für die American Kestrels. Lieber nahm Clarence die Schmerzen in Kauf, als das Risiko irgendwann in vielleicht fernen Jahren, erkannt und verurteilt zu werden. 

Matthew, der unglaubliche Angst bei dem Gedanken daran verspürte was vor ihnen lag, nickte langsam und zeigte damit still, dass er verstanden hatte und den Weg mit Clarence zu gehen bereit war. Trotzdem schimmerten Tränen in den dunkelbraunen Augen, weil er schlicht und ergreifend Angst davor hatte, was man Clarence vielleicht antun würde. 

Nähesuchend schmiegte sich der Dunkelhaarige etwas weiter gegen seinen Geliebten, ehe er seinen Kopf hob und Clarence einen behütenden Kuss auf die Wange drückte. 

„Okay.“, sagte er leise. Nur dieses eine Wort zunächst - und trotzdem hörte man seiner Stimme die Sorge, die Tränen aber auch die unbedingte Liebe an. 

Die Vergangenheit hatte die unschöne Gabe, sie immer wieder einzuholen. Bisher zumindest - doch dieses Mal wollte Clarence das verhindern, ganz gleich ob das hieß zurück in die Höhle des Löwen kehren zu müssen. 

Ich möchte dieses Leben mit dir, hörst du? Ich möchte mit dir ein Zuhause haben...“. Natürlich hatten sie das schon jetzt, doch Matthew meinte ein Zuhause in dem sie angekommen waren. Einen Hort der Ein-und Wiederkehr. 

Behutsam ließ er seine Hände an Clarence’ Rücken herunter wandern, streichelte über die Rippenbögen, hinunter zum Steiß und in einem sanften Bogen wieder hinauf. 

Jeder Zentimeter Haut war ihm vertraut und hatte dennoch nichts von seiner Perfektion verloren. 

„Wenn wir deine Vertrauten treffen, werde ich bei dir sein. Und wenn wir nach Falconry Gardens gehen ebenfalls. Du wirst deiner Vergangenheit nicht allein begegnen müssen.“ Clarence war zu oft und zu lange auf sich gestellt gewesen, ohne Rückhalt und ohne Verbündeten. Aber seit sie einander hatten, war Matthew sein Verbündeter - eine Tatsache die er Clarence deshalb ins Bewusstsein rief, weil er wusste, wie viel Angst das Gefühl in einem auslösen konnte, wenn man glaubte man war ganz auf sich gestellt. 

„Ich werde auf dich aufpassen. Egal was passiert...du hast mich.“

Eine Hand von Clarence’ Rücken lösend, legte er die Finger behütend an die bärtige Wange und streichelte sie ruhig. „Du hattest mich schon immer.“

Langsam neigte er den Kopf und fand schließlich mit den eigenen Lippen die des Blonden.   Der Kuss den er seinem Geliebten gab, war vor allem zärtlich und gab das stille Versprechen, dass sich an seinen Gefühlen zu ihm niemals etwas ändern würde. 

Behutsam ließ er seine Zunge gegen Clarence’ Lippen branden und nutzte ohne zu Zögern den schmalen Spalt sobald er sich ihm bot, um mit der Zunge in die warme Mundhöhle einzudringen. 

Ein leises und genießendes Seufzen wurde hörbar und Cassiel schloss seine Augen um sich ganz und gar dem prickelndem Gefühl hinzugeben, welches der zarte Kuss in ihm auslöste. 

Die Hand an Clarence’ Wange blieb an Ort und Stelle ruhen, hielt den Blondschopf sanft bei sich, während die andere Hand den Weg zurück an die breite Brust des Hünen fand. 

Scheinbar ohne konkretes Ziel streichelte Cassie über die Haut, zeichnete die Schlüsselbeine und Rippen nach, umgarnte lieblich die Knospenvorhöfe seines Mannes und strich auch die definierten Bauchmuskeln entlang. 

Clarence‘ Körper war nichts anderes als göttlich, seine Haut war weich und geschmeidig und spannte sich über straffe Muskeln, sodass jede Regung besonders definiert wurde. 

Ihm nahe sein zu wollen, war keine Option für Matthew - sondern ein Naturgesetz. 

Noch immer küsste der Kleinere seinen Geliebten sanft und zärtlich, wobei das behutsame  Spiel ihrer Zungen ganz leise hörbar war, da drängte er Clarence mit sanftem Druck zurück auf das Bett, wobei er ihm zeitlich folgte, sodass sich der Kuss nicht für eine Sekunde löste. 


Clarence B. Sky

Woher die Sehnsucht des Menschen rührte, sich unbedingt irgendwo niederlassen zu wollen und ein Heim zu erbauen in dem man verbleiben konnte, das wusste Clarence nicht mit Gewissheit zu sagen. Vermutlich entsprang sie dem instinktiven Antrieb die Familie zu schützen, ein sicheres Nest für die Nachkommen zu sichern, nachts ohne Sorge schlafen zu können und damit sicherzustellen, dass man im Alter nicht mehr den Gefahren einer Wanderschaft ausgesetzt war.

All das waren Dinge, die durchaus auch auf Clarence zutrafen, das konnte der Blonde kaum verbergen und doch wusste er, dass ihm selbst noch weit mehr dieser Vorstellungen wichtig waren. Er wollte einen Ort haben der das Ziel war, an den man nach langen Abenden wieder zurück kehrte oder von dem man aufbrechen konnte mit dem Bewusstsein, es wartete ein Ort auf sie, der ihnen vertraut war und sich nur dann veränderte, wenn sie es wollten. Ein Zuhause war ein Platz an dem man Freundschaften schließen und wiedergefunden werden konnte. An dem es keine Frage des wo war, sondern wann man sich und seine Bekannten wiedersah. Ein Ort der Ruhe und des Friedens, an den man jene einladen konnte die man lieb gewonnen hatte. Das Leben zu zweit war schön und wahrlich, ihnen gingen niemals das Thema oder der Schabernack aus, um einander zu beschäftigen und dadurch Langeweile aufkommen zu lassen. Aber irgendwann einmal… irgendwann, da war es sicher schön Freunde und Nachbarn zu haben. Andere Menschen mit denen man sich austauschte, die einem neue Anstöße gaben, die mit einem größere Runden zum Kartenspielen oder Trinken bildeten als sich nur zu zweit gegenseitig beim Rummy abzuzocken.

Eines Tages wieder ein Zuhause zu haben das auch wirklich eines war, diesen Traum hatte Clarence lange Zeit nicht mehr geträumt als er noch zwischen den Kestrel gelebt hatte. Sein ‚Zuhause‘ war sein Zimmer im Quartier gewesen, ein Ort der sich durch die Gemeinschaft wandelte und durch die Gruppe prägte. Die meiste Zeit war man draußen auf Wanderschaft, blieb nachts in Lagern und schlief unter offenem Himmel oder forderte sich sein Recht auf Übernachtung ein, vorausgesetzt man befand sich auf Durchreise in einer Ortschaft. Aber ein Zuhause… das wurde erst dann zu einem, wenn an jenem Ort jene waren die einen liebten und die man selbst liebte und das war so undenkbar gewesen wie dichter Schneefall im Hochsommer bei vierzig Grad.

Clarence wusste dass das, was sie beide antrieb, in die gleiche Richtung ging und es seit ihrer Eheschließung keine Frage mehr danach gab, wie ernst ihre Beziehung miteinander war oder nicht. Dennoch löste es noch heute nach all der Zeit immer wieder dieses Gefühl von überbordender Wärme und Liebe in der Brust des Blonden aus, wenn er aus dem Mund seines eigenen Mannes hörte, diese lange Zeit vergrabenen Träume würden sich eines Tages doch noch erfüllen können, jetzt wo sie einander endlich gefunden hatten.

Das zarte Prickeln aufblühender Gänsehaut machte sich auf seinem Oberkörper breit während die Finger des anderen daran auf Wanderschaft gingen, er den sachten Kuss noch immer auf seiner Wange spüren konnte und die vertraute Stimme seines Mannes leise in sein Ohr flüsterte. Davon dass er verstand was Claire meinte, aber auch darüber, dass all die Hürden die noch kommen würden keine mehr waren, die sie je wieder alleine zu meistern haben würden.

So wie Cassie in seinem Bären einen Menschen gefunden hatte der genau zu wissen schien wo die Wunden auf seiner Seele lagen und wie man sie kurierte, hatte auch der Ältere in Matthew jenen Mann ans Tageslicht gebracht, der es schaffte alte Narben zu erkennen und sie trotz den lange unbehandelten Jahren langsam verblassen zu lassen.

Clarence war nicht der Typ Mann der hilflos war oder der den Anschluss an andere brauchte um zu überleben. Lange genug hatte man ihn ausgebildet sich zum Herrn über die Natur zu erheben, in widrigsten Bedingungen dem Wetter und dem Hunger zu trotzen und aus Wald und Wiese das zu ziehen, was er selbst benötigte um nicht zu verenden. Hatte gelernt sich zu verteidigen, Gefahren zu trotzen und sogar Menschen zu beseitigen, stellten sie ein Problem für das eigene Leben oder das von anderen dar.

Er brauchte wahrlich keinen Schutz durch andere – aber bei Gott, er wollte ihn. Aus dem einfachen Grund, dass er sich viel zu lange um andere hatte kümmern müssen und es für ihn selbst nie einen Platz gegeben hatte, an den er sich hatte zurückziehen und behüten lassen können.

Erst Matthew war es gewesen der ihn in seine starken Arme nahm, der ihm schützend einen Kuss auf die Schläfe hauchte wenn er krank war und der ihn auch vor sich selbst beschützte, wenn der Jäger sich wieder einmal übernahm oder auf dumme Ideen kam. Sein Mann war sein sicherer Hafen, ein Ort an dem er selbst stark sein konnte aber nicht musste und von dem Claire sich bewusst war welche Charakterstärke ihm den Rücken frei hielt, wenn er Unterstützung benötigte.

Auch Cassie benötigte keinen Schutz wenn er ihn nicht wollte – und genau deshalb liebte Clarence ihn so sehr: Sie benötigten einander nicht zum Überleben, sondern zum Sein.

Umso sehnsüchtiger schloss der Blonde seine Augen als die Lippen des Jüngeren die seinen suchten und fanden, ergab sich in die zärtliche Liebkosung die sein Mann ihm schenkte und die plötzlich jedwede ungestüme Dominanz verloren hatte. Der Kuss, den sie einander schließlich auch mit ihren Zungen teilten, sprach von der Angst vor der Ungewissheit was der nächste Tag bringen würde und dass sie beide unausgesprochen wussten wie viel sich ändern würde, war ihre Zeit zu zweit plötzlich abgelaufen. Clarence wollte seinem Mann nahe sein, nur Cassie und er und die vier Wände um sie herum, welche sicher ähnliche Geschichten bereits schon kannten und niemandem verraten würden; eine letzte Nacht lang noch mal die Vertrautheit spüren, die Sorglosigkeit und auch den Wandel der zwischen ihnen entstanden war und den sie hatten genießen können, bis zur Ankunft an diesem Scheidepunkt hier.

Ohne Gegenwehr ließ der Bär von Mann sich auf das Bett zurück drängen, seufzte wohlig in den Kuss der sich nicht unterbrach und legte dabei die starken Hände auf Cassies dargebotene Oberschenkel ab, um sie noch etwas dichter an seinen eigenen Körper heran zu ziehen. Niemals zuvor im Leben hätte er sich jemals gedacht eines Tages einen Mann derart bei sich zu wissen, seine Gesellschaft ohne Gewissensbisse zu genießen oder gar mit einem verheiratet zu sein. Matthew war es, der ihm all diese neuen Horizonte geschenkt und der ihm beigebracht hatte sich darunter wohl zu fühlen anstatt unter dem Entsagen seiner eigenen Natur zu leiden und genau deshalb war ihm – sicher im Gegensatz zu anderen Paaren – die Gesellschaft seines Partners auch nie langweilig geworden. Noch immer übte der Dunkelhaarige die gleiche Faszination auf ihn aus wie beim ersten Mal, noch immer ließ es alles im Älteren prickeln und warm werden wenn er ihn zu schmecken bekam und allem voran schaffte Cassie es selbst heute noch in manchen Situationen in ihm die Nervosität eines halbstarken unerfahrenen Jünglings zu wecken, wenn er ihn auf ganz besondere Art und Weise verführte.

Seine Sinne waren auf Matthew geprägt worden, der Jüngere hatte sich eingebrannt in die Nervenenden seines Bären und so war es kaum verwunderlich durch welch einfache Zärtlichkeiten sich der Größere nach der Nähe seines Partners zu sehen begann, selbst in scheinbar völlig unpassenden Augenblicken.

Ein leises, seufzendes Brummen wehte durch den Kuss als Clarence‘ Zunge damit begann ihre Gegenspielerin zärtlich aus ihrem wohlschmeckenden Versteck zu locken und der heiße Atem des Oberen in vertraut rhythmische Zügen auf seine Lippen hinab brandete. Seine Hände wanderten dabei in streichelnden Bewegungen weiter die Schenkel des anderen hinauf, bis sie sich schließlich in zielstrebiger aber nicht fordernder Manier über die festen Rundungen seines Mannes hinweg schoben, ähnlich wie Cassie eben noch zärtlich Kreise um die Knospen des Älteren gezogen hatte, ohne damit etwas forcieren zu wollen.

Einander einfach nur zu küssen, zu streicheln und zu spüren war nicht immer Teil ihrer Beziehung gewesen sondern hatte sich genauso langsam eingeschlichen wie die Gefühle füreinander, die sie im Laufe der Zeit entwickelt hatten. Schon immer waren sie Meister darin gewesen ihre Bindung in völlig anderer Reihenfolge aufzubauen wie es normalerweise der Fall war, aber dass Zärtlichkeit ihren Platz erst nach der Entstehung von Intimität ihren Raum gefunden hatte hieß nicht, dass Clarence sie deswegen weniger genoss. Ganz im Gegenteil.

Einige letzte Male ließ er seine Zungenspitze noch gegen die seines Mannes tanzen, neckte und umschmeichelte sie zugleich, bevor er Cassies Lippen mit einem weichen Kuss bedachte und die Daumen dabei zärtlich über das Gesäß des Oberen hinweg streicheln ließ.

Ich liebe dich so sehr“, Clarence wusste, sie sagten sich diese Worte nicht annähernd so oft wie sie sie auch empfanden. Oftmals waren es eher Gesten und Blicke die ihre Gefühle füreinander offenbarten oder wahre Liebesbekundungen die man als aufmerksamer Zuhörer zwischen den Zeilen heraus lesen konnte, was es nicht weniger bedeutsam machte. Aber dann und wann, das war dem Blonden wichtig, sollte Matthew genau wissen, was seinem Bären durch den Kopf ging.

Diesen plappernden, vorlauten Typen irgendwann zu lieben, das war nichts das jemals nahe gelegen hatte und genauso wenig fühlte es sich mittlerweile selbstverständlich an seinen Partner immer wieder aufs Neue zu erkunden oder ihn eng bei sich liegen zu haben, so wie in diesen Augenblick.

Voller Genuss stoben die unvollständigen Finger des Jägers deshalb für einen Moment tiefer in die festen Rundungen von Cassies Gesäß, was dem Bären ein leises Raunen über die Lippen perlen ließ, bevor sie die strafen Rundungen freigaben um stattdessen auf dem Rücken des Oberen hinauf zu wandern.

So sehr ihn der Anblick Matthews in einem ledernen Harnisch auch betörte, in dieser letzten Nacht sollte es nichts geben, was zwischen ihnen stand. Nicht nur keine unsichtbaren Mauern oder Grenzen, sondern auch kein störendes Leder, das seinen anbetungswürdigen Mann vor ihm verbarg.

Umsichtig suchten und fanden die Hände Claires die Schnüre, welche er am Nachmittag noch sorgsam auf dem Rücken seines Geliebten in Schlaufen gelegt hatte um ihn im schützenden Harnisch einzuschnüren, bevor er geschickt daran zog um ihre Verkettung zu lösen. Eine nach der anderen zog er aus der Schleife, untergrub mit seinen Fingern die strammen Bahnen und löste sie langsam, wobei die Enden immer wieder hauchzart über den Rücken seines Geliebten hinweg tanzten.

Du bist so wunderschön… weißt du das eigentlich, mh?“

Nicht nur äußerlich – wie dem Jüngeren im Laufe seiner Karriere sicher schon viele bestätigt hatten – sondern vor allem an einem ganz besonderen Ort: Seinem Innersten, wie Clarence ihm kurz darauf wortlos offenbarte, als er sich genug Platz geschaffen hatte um mit einer Hand das starre Leder zu unterwandern und sie auf der Mitte der Brust seines Mannes abzulegen.

Cassies Haut war warm und weich und hauchzart spürte er die Abdrücke der Schutzkleidung in Striemen darüber hinweg laufen, während seine andere Hand noch immer auf dem fremden Rücken ruhte, damit der Dunkelhaarige sich nicht einfach von ihm erhob und die prickelnde Nähe zwischen ihnen wieder auflöste.

Mit verliebtem Blick mustere er das Antlitz über sich, einen Hauch Melancholie innewohnend durch die Narben die das schöne Gesicht in der Zeit mit ihm hinzu gewonnen hatte und die den Jüngeren dennoch zu keiner einzigen Sekunde jemals weniger begehrenswert für Clarence hatten werden lassen.

Sachte streichelte er mit seinen Fingern über die vertraute Haut, streifte die sinnlichen Erhebungen von denen Claire wusste dass sie sich rosig und keck auf dem Leib seines Mannes abzeichneten und so süß schmeckten wie kaum ein anderer Ort an seinem definierten Leib.

Heute Nacht bleibst du bei mir, oder? Wir können das zweite Zimmer morgen in aller Herrgottsfrühe verwüsten, damit… es so aussieht, als würden Joseph und Anthony nichts weiter miteinander teilen als die Arbeit“, wollte Clarence wissen, selbst wenn sein Partner nicht gerade so wirkte, als habe er vor sich in der nächsten Zeit weiter von ihm zu entfernen als notwendig.

Als bräuchte es tatsächlich eine gute Überredung um die erhoffte Antwort zu forcieren, zogen seine Fingerspitzen zärtliche Kreise um die empfindsame Knospe seines Liebsten und kosten sie sanft, immerhin sollte ein Verweilen dem Jüngeren nicht zum Nachteil gereichen, sollten seine Pläne ursprünglich andere gewesen sein.


Matthew C. Sky

Nicht nur für Clarence war es früher undenkbar gewesen, einmal einen Mann zu lieben. Was dem Christen sein Glaube war, waren Matthews schlechte Erfahrungen und seine nachvollziehbare Aversion und tief verwurzeltes Misstrauen Männern gegenüber. 

Das vermeintlich starke Geschlecht war für den Dunkelhaarigen immer verbunden mit Dominanz und Aggression, einer der Gründe weswegen er derart misstrauisch war wie man ihn eben kannte. 

Er fasste kaum Vertrauen, er war stets distanziert und selbst die, die ihn glaubten zu kennen, kannten nur was Matthew sie sehen ließ. 

Es mutete paradox an, dass ausgerechnet er es gewesen war, der den moralisch fragwürdigen Deal zwischen Clarence und ihm vorgeschlagen hatte, erfüllte der Blonde doch auf den ersten Blick jedes Klischee der Männer, gegen die Matthew die größten Vorbehalte hegte. 

Aber aus irgendeinem unerfindlichen Grund, war dem Jüngeren verhältnismäßig schnell klar geworden, dass Clarence anders war als andere. 

Er sah aus wie ein Barbar, er pflegte Charakterzüge die Matt fremd waren, er konnte ebenso zielsicher Tiere jagen wie Menschen töten und Exorzismen durchführen. Die Bilder auf seiner Haut waren archaisch, der Blick des Blonden roh, sein Haar wild. 

Alles an ihm strahlte Kraft und Unbändigkeit aus - und doch...

Es waren die zahllosen Kleinigkeiten gewesen, die Matthew frühzeitig sein vorgefasstes Bild von dem Hünen hatten revidieren lassen. 

Die Art wie Clarence immer ein Auge darauf hatte ob er genug trank, ob er Schritt halten konnte, ob er kräftig genug war um sein Gepäck durch unwegsames Gelände zu schleppen. Als der Winter hereingebrochen war, da hatte er sich um seine Kleidung gesorgt, hatte ihm Nacken und Ohrenspitzen ungefragt mit wärmender Paste eingerieben...

Der ach so plakativ-aggressiv scheinende Jäger hatte sehr schnell gezeigt, aus welchem Holze er geschnitzt war und irgendwann, da hatte Matthew begriffen, dass es auf der Welt keinen besseren Menschen gab als Clarence Bartholomy Sky

Mit ihm verheiratet zu sein, dass war noch heute genau das, was es auch damals im Blauer Hund gewesen war, als Clarence ihn gefragt hatte ob er ihn heiraten würde:

Ein unbeschreibliches Privileg, dass zu erfahren er niemals für möglich gehalten hatte.

Die Art wie Matthew jenen Mann sah und liebte, Unterschied sich nur in einer Sache von der Liebe zu damals - heute liebte er ihn mehr. 

Mit jedem Tag der verging liebte Matthew seinen Mann mehr und noch immer entdeckte er Kleinigkeiten die er tags zuvor noch nicht gesehen hatte. 

Es waren unbedeutende Gesten, kaum sichtbare Ausdrücke im Antlitz oder Tonfälle in der Stimme. Immer fand er neuen Zauber in Clarence und zugleich wurde er niemals müde die schon bekannten Eigenschaften mehr zu lieben.

Was sie beide ineinander gefunden hatten, ohne damit zu rechnen, fanden andere Menschen ein ganzes Leben lang nicht.

Auch diesen unverschämten Glücks war sich der Jüngere bewusst, noch während sie einander küssten. 

Voller Sehnsucht versuchte Matthew der fremden Zunge nachzuspüren, als diese sich nach einem letzten geschmeidigen Drängen, zurückzog. 

Er öffnete seine Augen und blickte in das Antlitz seines Geliebten, ohne recht zu verstehen, wieso dieser den wunderbar prickelnden Kuss gelöst hatte. 

Die Worte „Ich liebe dich so sehr“ zauberten schließlich ein weiches Lächeln auf Matthews Lippen und in dessen Augen, eines von der Art, wie es allein nur für Clarence bestimmt war. 

Auf das Lächeln folgte kurz darauf ein nervöses Kichern und flüchtig verbarg der Jüngere sogar das Gesicht an Clarence‘ Schulter, als dieser ihn fragte, ob er denn wisse, dass er wunderschön war. 

Es stimmte, im Laufe der Zeit hatte Matt schon oft gehört attraktiv zu sein. Männer wie Frauen hatten ihm gleichermaßen bescheinigt, verflucht attraktiv zu sein. 

Und was er bei jenen hingenommen und für sich ausgenutzt hatte, jedoch ohne sich darauf wirklich etwas einzubilden, sorgte heute - da Clarence diese Worte sprach - für regelrechte Schamesröte auf den Wangen Matthews. 

„Oh...ach was...nun hör schon auf, du bringst mich in Verlegenheit...“ stammelte Cassie und hob den Kopf wieder, nachdem er Clarence einen Kuss auf die Schulter gedrückt hatte. 

Verliebt und zugleich fasziniert betrachtete er das Gesicht des Blonden und verlor sich einmal mehr in dessen graublauen Iriden. Sie glichen der Farbe des Meeres, an einem bedeckten Tag. Geheimnisvoll waren sie - und unergründlich.

Sprenkel von hellem Blau zierten vereinzelt die Schattierungen von Grau und Rauchblau. Schönere Augen, so dachte er bei sich, hatte er nie gesehen. 

Gern ließ Matthew während seines Versinken’ in der See der fremden Augen, die unvollständigen Finger gewähren, welche allzu oft Schwierigkeiten dabei hatten eine Dose zu öffnen - dafür aber zuverlässig ihren Dienst taten, wenn es darum ging ihn zu entkleiden. 

Und auch jetzt waren sie geschickt dabei, die Schnüre seines ledernen Harnisch‘ zu lösen und zu lockern, damit Clarence mit beiden Händen unter das Leder wandern konnte. 

Beinahe schon zufällig streiften die fremden Finger die unter der Schutzkleidung verborgenen Knospen des Oberen und lösten - ob nun beabsichtigt oder nicht - ein wohltuendes Kribbeln auf Matthews Haut und in seinem Innersten aus. 

Er seufzte leise und genießend, schloss kurz seine Augen um den Streicheleinheiten nachzuspüren und öffnete sie erst wieder als Clarence ihn danach fragte wo er die Nacht zu verbringen gedachte. 

Nichts lag ihm so fern wie das Verlassen seines Mannes und auch wenn er sicher war, dass Clarence das eigentlich wusste, so scheute er sich nicht, es ihm nochmals zu bestätigen. Dieser Abend war voraussichtlich der Letzte den sie in trauter Zweisamkeit verbringen würden, trafen sie morgen auf die Mitglieder der American Kestrels würde sich ihr Alltag zwangsläufig radikal ändern. 

„Natürlich bleibe ich heute Nacht bei dir... und morgen Nacht und alle Nächte die noch kommen werden.“, er hob eine Hand an Clarence Wange und streichelte mit den Fingerspitzen hauchzart darüber hinweg. 

„Selbst wenn sich morgen alles ändern sollte...wir sind ein Team, hm? Du bist mein und ich bin dein. Auch wenn es niemand wissen darf, darfst du nie vergessen, was du mir bist. Ich sehe dich an und ich sehe...“, er zögerte kurz, seufzte verliebt und fuhr damit fort mit den Fingerspitzen über goldenen Bart zu kämmen. 

„...ich sehe den gütigsten und selbstlosesten Menschen den ich je kennengelernt habe. Du hast es verdient, frei und glücklich zu sein. Und ich werde immer alles dafür tun was ich kann, damit du endlich das Leben führen kannst, das du verdienst.“

Nachdenklich neigte er den Kopf zur Seite und genoss das Streicheln der fremden Finger über seine Brust ebenso wie die Art wie Clarence zu ihm empor sah. 

„Damals...in diesem Wald, als du mich gefunden hast...da war ich sicher du würdest zu denen gehören die mich gejagt haben. Und auch Wochen später...habe ich gedacht, du würdest mich irgendwann an sie verkaufen. Aber je länger wir zusammen gereist sind...umso mehr hab ich erkannt wer du bist. Du bist aufmerksam und klug, du suchst immer einen Weg, selbst wenn es keinen zu geben scheint. Du bist mutig und zugleich beschützend. Du bist selbstlos und nachsichtig. Mit mir mehr als mit dir selbst...“, Cassiel lächelte schief und beugte sich zu Clarence hinunter um ihm einen Kuss auf die Nasenspitze zu geben. 

„Da ist...nichts Böses an dir...kein winziger Flecken Bosheit...und das ist selten, Claire. Das ist...so verdammt selten.“

Die Bewunderung und die unumstößliche Liebe, die Matt für Clarence empfand, fußte nicht auf der naiven Annahme dass sein Mann nicht in der Lage dazu war schlechte Dinge zutun. Auch er hatte Blut an den Händen, doch es machte einen Unterschied ob man Blut vergoss weil es notwendig war oder weil man sich daran berauschte. 

„Lass dir niemals von irgendjemandem einreden, dass du etwas anderes als wunderbar bist. Und zweifle niemals daran, dass ich dich liebe und das...du mein erster Gedanke nach dem Aufwachen bist und der Letzte bevor ich einschlafe. Selbst wenn ich...nicht bei dir liegen kann, ich bin trotzdem da. Jede Nacht.“

 


Clarence B. Sky

Matthew eines fernen Tages verlegen zu stimmen war etwas, das der Blonde früher niemals für möglich gehalten hätte. In der Regel war die Sachlage stets eine völlig andere gewesen und so schamlos wie Cassie dann und wann an gepflegte hübsche Mädels in irgendwelchen Gaststätten ran gegangen war wenn sie das erste Mal seit Wochen wieder auf gesittete Menschen gestoßen waren, hatte der Christ dem Spektakel kaum mehr zusehen können.

Lieber hatte er an der Bar gesessen – zumeist in schienbar selbstgewählter Einsamkeit versunken – und seine geleerten Gläser Whisky auf dem abgenutzten Holz umher gedreht oder hatte sich in eine abgelegene Sitznische zurück gezogen, um dort schweigsam seine Pfeife zu stopfen. Dann und wann hatte eine Dame halt gemacht und ihn gefragt ob er denn alleine hier wäre, eine Frage die er mehr oder weniger mit Ja hatte beantworten müssen… nur um dem Weib daraufhin in scharfem Ton mitzuteilen, dass das kein Grund war, sich nun ungefragt zu ihm an den Tisch zu setzen.

Clarence mutete auf der einen Seite für viele sicher kompliziert an, war aber auf der anderen Seite umso einfacher gestrickt. Seine Gedanken sprangen komplex umher und schienen alle möglichen Ausgänge einer Situation im Voraus zu berechnen, der Jäger war zumeist auf alles vorbereitet und wenn nicht, dann folgte auf wenige Sekunden Schweigen eine recht plausible Lösung für alle Probleme. Er lernte schnell, war flexibel und aufmerksam; vielleicht lag es auch nur an seinen viel zu ausufernden Gedankengängen, dass ein Stand mit Welpen auf dem Markt ihm eher wie die Fleischabteilung vorkam oder ein barfüßiger Matthew sicher überfallen sein worden musste. Denn wo er Abstriche in wilden Vermutungen machen konnte, da tat er diese auch und wählte im Alltäglichen lieber das Naheliegende… zum Beispiel, dass ein Matthew Reed sicher niemals an einem verschrobenen Kerl wie ihm Interesse finden oder jemals an seiner Seite liegen würde, wenn es nicht gerade dem Aufwärmen bei minus vierzig Grad bei zwei Metern Neuschnee diente.

Der blonde Bär hatte in seinem alten Leben mit vielem gerechnet, aber dass Cassie eines Tages das Gesicht in seiner Schulter vergraben würde um sein verlegenes Kichern zu verbergen, dass ausgerechnet er es schaffen würde diesen Mann eines Tages erröten zu lassen… handzahm und vertraut werden zu lassen, sich lachend in die Arme des Älteren zu schmiegen, sich ihm hinzugeben mit Haut, Haar, Herz und Seele…

Manchmal fragte er sich im Stillen, wie sie es nur all die Zeit lang nebeneinander hatten aushalten können ohne miteinander so umzugehen wie heute und je länger Clarence darüber auch nachdachte, umso mehr wurde es ein Mysterium für ihn.

Noch immer die eine Hand auf Cassies Rücken und die andere unter dem ledernen Harnisch verborgen, fühlte er die warme Haut seines Mannes und genoss das Gefühl von Liebe und Geborgenheit, welches von diesem vertrauten Gefühl ausging. Schon lange war draußen die Sonne hinterm Horizont verschwunden und das einzige Licht, das das kleine Zimmer erleuchtete, ging von den Kerzenhaltern an den Wänden aus, welche Lucia während ihrer Vorbereitungen entzündet hatte um die Ankunft so angenehm wie möglich zu gestalten. Dunkelbunte Schatten rahmten seinen Geliebten ein, tanzten in sanften Orange- und weichen Schwarztönen über den definierten Leib hinweg und verliehen den kandisfarbenen Augen diese geheimnisvolle Wildheit, welche Claire in Momenten wie diesen so sehr liebte. Matthew strahlte Würde und Stärke aus, er war ein selbstbewusster Mann dem man nichts vormachen konnte – und all dieser Attribute zum Trotz, die ihn schnell zu einem harten und überheblichen Typen hätten werden lassen können, hatte der Jüngere mehr Liebe zu geben als Clarence je das Gefühl hatte ihr in all dieser geballten Hingabe gerecht werden zu können.

Die Gewissheit, Matthew war immer bei ihm, gab ihm Kraft und stärkte ihm den Rücken auf eine Weise, wie es kein Clan der Welt jemals können würde – egal wie viel Mitglieder man dort auch hinter sich stehen hatte. Selbst mochte die Nacht kommen an der sein Mann mal nicht bei ihm war, am Ende war es Cassie doch immer. Sein Herz und seine Gedanken hatte er schon lange für sich eingenommen, es verging kein Tag an dem er nicht an den Dunkelhaarigen dachte und selbst während ihrer Anfänge in Coral Valley, an denen der Söldner noch seinen Auftrag zu erfüllen gehabt hatte, hatte sich Clarence tagsüber nie mehr wirklich alleine gefühlt. Sein Freund und Partner würde am Abend zu ihm zurück kehren, eine unumstößliche Gewissheit die ihn schon damals mit Wärme erfüllt hatte und es heute umso mehr tat nach allem, was sie seitdem hinter sich gebracht hatten.

Das sanfte Streicheln der fremden Finger ließ den Bären wohlig brummen während er das vom Kerzenschein tanzende Kandisbraun in den Iriden seines Geliebten beobachtete und ein weicher Ausdruck schlich sich dabei in seinen eigenen Blick, während er den Worten des Oberen lauschte.

Sich selbst durch die Augen desjenigen zu sehen der einen liebte, das kam einem oftmals so vor, als blickte man auf einen Fremden den man gar nicht kannte. Selbst- und Fremdwahrnehmung gingen manchmal weiter auseinander und allen Erlebnissen der vergangenen Jahre zum Trotz, fand Clarence sich dennoch in den sanft gehauchten Worten des Jüngeren wider.

Den Mann, den Cassie beschrieb, kannte der Jäger noch von früher. Ein warmherziger und guter Kerl, der dunkle Gedanken nur dann gehegt hatte wenn er das in Gefahr sah, was er liebte. Eine Sorte Mensch, der sich selbst hintenan stellte um die vor zu lassen, die es aus seinen Augen viel eher verdient hatten und der zu gut gewesen war für diese Welt, als das er es außerhalb der schützenden Grenzen des Madman Forest zu irgendetwas hätte bringen können. Zu einem großen Teil hatte er sich abstumpfen lassen, hatte gelernt einen schützenden Panzer um sich herum aufzubauen und sich nicht mehr angreifbar zu machen. Hatte den fehlenden Skrupel, den er sonst nur im Rahmen der fragwürdigen Praktiken der Fanatiker gezeigt hatte, auf das harte Leben hier draußen gemünzt und unter alldem vergessen, wer er früher einmal selbst gewesen war.

Erst nach dem Tod Nagi Tankas – alleine, ziellos und schließlich sein verletztes Bündel bis ins Lager geschleppt – hatte er in den vermeintlich letzten Tagen, die ihm geblieben waren, zum ersten Mal seit langem wieder auf sein früheres Inneres blicken können und darunter erkannt, dass es keinen Grund mehr gab um alte Masken aufrecht zu erhalten, die ihn so lange Zeit am Leben gehalten hatten. Und je kräftiger sein Fund geworden war, umso mehr der längst vergessenen Charakterzüge hatten sich wieder in den Vordergrund geschlichen, um dieses Mal zu bleiben. Es war keine Lüge zu behaupten, Matthew hatte ihm ein Großteil seiner Menschlichkeit zurück gegeben und dass er heute nicht der Mann wäre der in diesem Bett lag, wenn der Jüngere nicht seinen Teil dazu beigetragen hätte.

Ihre Liebe zueinander zeigte sich jeden Tag in der Art wie sie einander ansahen, an kleinen Aufmerksamkeiten oder wohligen Augenblicken spätabends im Bett. Sie waren noch nie der Schlag Mensch gewesen, der sich gegenseitig mehr Süßholz raspelte als jenen, der ihnen gerade auf der Zunge lag und dennoch fiel Clarence kein einziger Moment in den vergangenen Monaten ein, an dem sie sich jemals derart warmherzige Dinge gesagt hätten wie jene, die sein Mann ihm gerade entgegen flüsterte.

Das Bild des Jüngeren über ihm wurde etwas undeutlicher als Clarence spürte welche Rührung sich von seiner Brust aus bis hoch zu seinen Augen ausbreitete, eine Reaktion die der unbeschreiblich bedingungslosen Liebe zuzusprechen war die sein Mann ihm entgegen brachte und von welcher der Jäger noch vor wenigen Monaten niemals gedacht hätte, er würde derartiges jemals wieder erleben. Zu sagen, Cassie war seine Familie, war wirklich nicht nur eine platte Floskel die ihrer Eheschließung geschuldet war, sondern ein echtes und innerliches Empfinden, das er beim Anblick des Anderen schon lange vor den ersten zärtlichen Anbahnungen von Liebe empfunden hatte. Selbst schweigend oder plappernd, im Streit oder gemeinsam als Team unwegsames Gelände bezwingend: Schon damals war es ihm so vorgekommen als müsste es einfach so sein und deshalb hatte sich für ihn auch niemals eine Gelegenheit ergeben, die verlockender anzumuten schien als weiter mit dem Jüngeren durch die Weltgeschichte zu wandern.

Lautlos zog er seine Finger unter dem Harnisch hervor, rahmte das Gesicht des Oberen mit seinen Händen ein und gab Cassie einen sanften Kuss auf die vertrauten Lippen, die der Bär genauso sehr liebte wie den Rest seines Mannes.

Als du damals zu spät zur Kirche gekommen bist…“, begann er leise ohne näher ausführen zu müssen wann genau das war, immerhin war sein Partner nicht gerade dafür bekannt, dass er sich in solchen Einrichtungen öfter mal herum trieb. „…ich hatte nicht eine Sekunde lang Angst davor, du könntest vielleicht nicht auftauchen. Ich wusste einfach… ich wusste, du würdest da sein. Weil ich damals schon gewusst habe, dass das mit uns etwas Besonderes ist.“

Sorgsam strich er mit den Fingerspitzen Cassies Schläfen entlang, zeichnete die vereinzelten kurzen, dunklen Haarspitzen nach welche sein Antlitz rahmten und musterte das Gesicht, welches er mittlerweile genauso gut kannte wie sein eigenes.

Seit sie einander hatte Matthew unzweifelhaft die ein oder andere Sorgenfalte hinzu gewonnen, besonders zwischen seinen Brauen, die sich jedes Mal dann zeigte, wenn der Blonde mal wieder auf eine waghalsige Idee kam oder irgendwelche Berge oder Bäume erklimmen wollte, die der Jüngere für unbezwingbar hielt. Ihr Zusammensein hatte sie beide innerlich wie äußerlich verändert und trotzdem erkannte er in Matthew noch immer den jungen Mann von einst, der damals durch völligen Unfug verzweifelt versucht hatte, seinen griesgrämigen Schatten irgendwann mal zum Lachen zu bringen.

Meine Welt war immer dunkel, bevor du gekommen bist. Meine Gedanken waren pessimistisch und grau. Und hätte ich dich damals nicht im Wald gefunden… wäre ich heute noch in diesem Lager, ohne dass mehr von mir übrig geblieben wäre als Staub und Asche. Auch heute noch spüre ich oft, wie schlimme Gedanken oder Erinnerungen sich anbahnen aber dann… dann sehe ich dich an und alle Befürchtungen sind wie weggeweht. Ob es um das heute oder das gestern geht, um morgen… darum die Flucht zu ergreifen oder nach Falconry Gardens zu gehen. Wenn ich dich ansehe, Matthew… dann weiß ich, dass immer alles gut werden wird.“

Zärtlich ließ er die Finger über die Wangen des Jüngeren gleiten, seinen Hals hinab und über die Schlüsselbeine hinweg, über die ihn sein Weg sonst führte wenn er sich seinen Weg hinab an der Brust des Jüngeren küsste. Heute aber war ihm dieser Pfad verborgen und auch nicht sein Ziel, sondern er hakte sich unter dem Halsausschnitt des Leders ein, um den Oberen abermals zu einem leise Kuss zu sich hinab zu ziehen.

Mit dir fühle ich mich heil… so als hätte ich nie im Leben etwas verloren und als gäbe es keine schlechten Erinnerungen, die mich trüben und traurig machen könnten. Als wir uns… das erste Mal geküsst haben… da wusste ich schon wie viel du mir bedeutest – und davor hatte ich Angst. Denn mit großer Bedeutung geht auch großer Schmerz einher, wenn dir etwas passiert… und auch wenn ich eine grobe Ahnung davon hatte wie schlimm das für mich werden würde, träte dieser Fall ein… ich hab mir es trotzdem nicht richtig vorstellen können bis zu dem Moment, als du bei Bennett lagst. Bewusstlos und blass…“

Noch heute bekam Clarence Gänsehaut wenn er sich daran zurück erinnerte und das machte das verschwommene Abbild seines Mannes vor seinen Augen nicht besser, aber er hielt sich wacker – in der Gewissheit, dass diese Tage längst vorbei waren und Matthew wieder wohlauf an seiner Seite war.

Aber ich wusste… spätestens in Coral Valley… auf dich zu verzichten würde sich noch schlimmer anfühlen als alles andere sonst. Ich will dass du das immer weißt, Matthew. Egal wo wir sind oder was wir machen. Du warst schon da längst ein Teil von meinem Leben und ein Teil von mir… und das wird sich nie wieder ändern.“


Matthew C. Sky

„...ich wusste, du würdest da sein. Weil ich damals schon gewusst habe, dass das mit uns etwas Besonderes ist.“

Hallte es in Matthews Gedanken nach und er lächelte.

So wie auch er immer gespürt hatte, dass das zwischen ihnen irgendwie anders war als die Bekanntschaften die er sonst unterhielt, hatte auch Clarence gewusst, sie teilten etwas Besonderes. 

Noch lange bevor Matt sich dazu durchgerungen hatte, dem Blonden seine Gefühle zu gestehen, hatte er zu ihm aufgeblickt und ihn auf eine Weise bewundert, wie man sie nur selten auf der Welt fand. 

Ihre Gefühle füreinander waren rein und unverdorben, sie begegneten einander mit Respekt, setzten Vertrauen ineinander und boten dem jeweils Anderen nicht weniger an, als das eigene Herz. 

Und Clarence? Er hatte ihm auch am Tage ihrer Hochzeit die Gewissheit voraus, dass sie nichts mehr würde trennen können. 

Der junge Mann schloss ergeben seine Augen, während sein Partner behutsam über seine Schläfen strich. Er spürte den sanften Blick des Blonden auf sich ruhen und konnte sich ganz genau vorstellen, welcher Ausdruck im Graublau der Iriden lag. 

Und als Cassiel die Lider wieder hob, da fand er genau jene Mimik auf Clarence‘ Zügen vor, die er sich ausgemalt hatte. 

Erneut schmunzelte er sanft und erspähte schließlich, im goldroten Licht der Kerzen, den schimmernden Glanz in den Augen des Unteren. 

„Sssshhht....Baby.“, machte er leise und streichelte behutsam durch das blonde Haar. 

Doch was Clarence ihm sagen wollte, sprach er auch aus und es war, entgegen der besorgten Annahme Matthews, auch nichts trauriges oder schlimmes. 

Stattdessen beschrieb der Blonde, wie seine Wahrnehmung gewesen war, bevor sie ineinander all das Gute wiedergefunden hatten, das einst verloren gegangen war. 

Er sprach von grauen Gedanken, von Dunkelheit und von schlimmen Erinnerungen. 

Matthew schwieg und lauschte, während er unablässig mit den Fingern durch den blonden Bart strich und mit der anderen Hand die weichen Haarsträhnen zurückkämmte. 

Es tat weh, den Menschen den man liebte hören zu sagen, wie trist sein Leben und seine Gedanken einst gewesen waren. 

Doch auf der anderen Seite gab es kein größeres Geschenk als zu erfahren, dass all der Schmerz vergessen war seit sie einander hatten. Ebenso wie Clarence Matthew gerettet hatte, so hatte der Dunkelhaarige den Größeren gerettet, etwas, dass so deutlich noch nie jemand  ausgesprochen hatte, oder dass zu zumindest von Cassiel noch nie so begriffen worden war. 

 „Wenn ich dich ansehe, Matthew… dann weiß ich, dass immer alles gut werden wird.“ Cassie wollte etwas erwidern, doch sein Mann zog ihn zu sich herunter und abermals küssten sie sich leise und voller vertrauter Sehnsucht.

Dass sie beide sich einmal so nah sein würden, dass war niemals absehbar gewesen und umso mehr wussten sie zu schätzen, was sie am anderen hatten. 

Schon mehr als einmal hatten sie der Gefahr ins Gesicht geblickt, schon mehr als einmal einander Wunden geflickt - und doch hatte Clarence noch ein Weilchen gebraucht um zu begreifen, wie unglaublich schnell alles vorbei sein konnte.

Matthew presste die Lippen aufeinander und fühlte den Kloß im Hals wachsen, während Clarence von den Geschehnissen in Cascade Hill City sprach. Der Glanz in des Anderen Augen verstärkte sich und beinahe schlichen sich nun auch Tränen in Matthews Iriden. 

Er hatte diesen Schmerz und diese Angst niemals Clarence zumuten wollen und auch wenn er wusste, dass er für den Anschlag nichts konnte, fühlte er sich schuldig. 

Soviel Leid hatte der Blondschopf in seinem Leben schon ertragen, da war es nicht richtig, jener Liste noch etwas hinzuzufügen. 

Mit glänzendem Blick und einem verliebten aber auch melancholischen Lächeln, sah Cassiel auf seinen Bären hinunter und schüttelte sanft den Kopf. 

„Ich werde...nie daran zweifeln, versprochen.“

Manchmal, dass wussten sie beide, lief es nicht wie geplant. Manchmal, da ging es unweigerlich bergab, aber auch diese Phasen waren vergänglich. Alles war vergänglich. Glück und Pech. Freude und Schmerz. 

Nur ihre Liebe nicht. Ihre Liebe war unerschütterlich. 

„Soll ich dir sagen, was ich empfunden habe, als wir uns zum ersten Mal geküsst haben?“, flüsterte Matthew verschwörerisch und wartete nicht auf eine Antwort.

„Ich habe gedacht, dass...wenn ich dich küsse und sei es nur für einen winzigen Moment, bevor du mich dann wegstößt, sich der Kuss trotzdem gelohnt hätte. Ich war so neugierig und konnte nicht mehr länger warten. Und als ich es dann getan habe...da....hat alles gekribbelt. Mein Bauch, meine Haut, meine Nerven. Ich war so nervös, aber es hat sich so gut und so richtig angefühlt. Um Welten besser als ich es mir vorgestellt hatte.“, er lächelte, versunken in der Erinnerung an jene Nacht am Lagerfeuer. 

„Es war das erste Mal, dass ich so empfunden habe und es war...das erste Mal, dass ich gedacht habe, ich müsste dir sagen, dass ich dich liebe.“

Und vielleicht hätte er es einen Tag später sogar getan, wenn ihn in den frühen Morgenstunden des nächsten Tages  nicht jene Zurückweisung ereilt hätte, die er schon am Abend zuvor gefürchtet hatte. 

„Ich liebe alles an dir. Dein zufriedenes Schweigen ebenso wie dein nachdenkliches Brummen, die Art wie du Kräuter sortierst und zu Bündeln zusammenfügst um sie zu trocknen. Ich liebe, wie gewissenhaft du bei unseren Lese-und Schreibübungen bist, wie du manchmal vor dich hinträumst. Und dann...“, in Cassies Gesicht leuchtete ein Strahlen auf, wie seine alten Freunde und Gefährten es nie gesehen hatten.

„Dein Lachen... ich liebe dein Lachen so sehr... Wenn nichts von dir bliebe außer dein Lachen und das Funkeln in deinen Augen, du wärst immer noch der Mann meiner Träume. Der Mann meines Lebens. Ich liebe dich...für all die Dinge die du bist - und auch für die, die du nicht bist.“

So offen und ehrlich hatten sie einander bisher nie ihre Gefühle gestanden und doch fühlte Matthew sich vollkommen sicher. Sein Herz schlug langsam und kräftig in der Brust, seine Gedanken überschlugen sich nicht. 

Hier bei Clarence, da fühlte er sich behütet und sicher.  

„Ich weiß, dass ich nicht ungeschehen machen kann, was passiert ist. All die Menschen...die du verloren hast...ich kann sie dir nicht zurückbringen. Aber ich weiß auch, dass ich alles tun werde um dir keinen weiteren Verlust zuzumuten. Ich werd dir nicht verlorengehen. Nicht heute, nicht morgen und auch dann nicht, wenn alle Träume geträumt und alle Wünsche erfüllt sind...“

Langsam beugte Matthew sich zu seinem schönen Mann herunter, strich mit der Nasenspitze behutsam über Clarence‘ Schläfe und hauchte einen Kuss auf die weiche Haut. 

„Ich liebe dich Clarence Sky, ich liebe dich seit ich dich zum ersten Mal wirklich gesehen habe. Seit diesem Augenblick kann ich nicht mehr ohne dich leben. Weil du alles bist, dass für mich zählt. Manchmal...da kommt es mir vor...als seist du die Entschädigung für alles was vorher war. Vielleicht...“, zögernd befeuchtete er seine Lippen und musterte den Größeren sanft. „... wenn es einen Gott gibt, dann hat er dich mir geschickt, hm? Wäre das denkbar?“, er lachte leise über diese Gedanken, die nicht so recht zu ihm zu passen schienen. „Nach allem was ich über Religion weiß, wäre es möglich... Und wenn nicht...“, er zuckte die Schultern „Dann ist unser Kennenlernen der eine aus einer Milliarde Zufälle, der vollkommen perfekt ist.“

Mit dem Hauch einer Berührung, küsste der Jüngere das Ohr seines Geliebten und folgte einem unsichtbaren Weg den Hals hinunter und bis zu Clarence‘ Schulter. 

„Egal was kommt, wir bleiben zusammen. Ich schwöre es bei meiner Seele. Ich verlasse dich nicht.“ Bei jenem Versprechen, blickte er in die Augen des Unteren, ließ ihn im eigenen Blick den Schwur erkennen und begreifen. Niemand, kein Schatten aus der Vergangenheit oder schlechtes Omen für die Zukunft, würde Matthew von Clarence trennen. 

 

 


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