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Am Yachthafen

08. Juli 2210


Clarence B. Sky

Vertraut und doch so unheimlich bedrohlich knarrten die Planken der Harper Cordelia unter seinen Füße, während ihr Kapitän damit beschäftigt war das Steuerrad aus seiner Halterung zu schrauben. Teddy und seine Crew hatten wahrlich ein Wunderwerk vollbracht wenn es darum ging das wertvolle Gefährt so sicher wie nur möglich zu gestalten angesichts der gefährlichen Zeiten, in denen sie lebten; völlig unbedacht konnten sie ihr Boot alleine zurück lassen wenn sie die Segel verschlossen, das Steuer entfernten und es dadurch unbrauchbar machten, ebenso wie sie in der Nacht beruhigt schlafen konnten durch die mehrfach verglasten Fenster und die doppelte Zugangstür, die so schnell niemand unbemerkt aufbrechen konnte, ohne dabei die selig schlummernden Besitzer zu wecken.

Das Segelboot, welches Matthew von seinem hart erarbeiteten Sold erworben hatte um ihnen damit ein Heim zu schaffen, war ihnen in den vergangenen Monaten ein Zuhause und ein geliebter Rückzugsort gewesen, in dem sie sich wohlfühlen und eine gemeinsame Basis für ihr neues Leben miteinander hatten entwickeln können, ohne sich dabei nebenher auch noch Gedanken um das nächste Lager, um Vorräte oder Wanderrouten machen zu müssen. Keine Nachtwachen trennten sie mehr voneinander wenn es darum ging nachts eng beieinander zu liegen, sie benötigten kein Gewässer mehr um sich zu pflegen und mit Flüssigkeit zu versorgen. Was Teddy und Matthew geschaffen hatten, war einzigartig – doch auch das schönste Boot der Welt konnte einem nicht das Unbehagen rauben, wenn die Bedrohung um sie herum auf der Lauer lag.

Längst schon hatte die Dunkelheit des Abends die Welt verschlungen und somit das Anlegen in Rio Nosalida unnötig erschwert, nicht nur weil sich wieso ohne Tageslicht schleppend dahin zog, sondern weil es eine halbe Ewigkeit gedauert hatte irgendeinen Verantwortlichen im Hafen zu finden und sich dann irgendwie in die freie Anlegestelle manövrieren zu lassen, die vorerst der feste Ankerplatz der Harper Cordelia sein würde.

In einer Metropole, das hatten sie zum Glück als allererstes durch Coral Valley gelernt, liefen die Dinge anders als in den kleinen Städten und Dörfern außerhalb. Man ließ sich nicht einfahc ungefragt dort nieder wo Platz war und selbst Cascade Hill City hatte sich – als Zwischenstopp für unzählige Händerschiffe – als recht schwierig heraus gestellt, denn manche beanspruchten bestimmte Plätze für sich, hatten durch ihre Ladung Vorrang oder pöbelten einfach nur aus Spaß an der Reiberei herum, weil ihnen gerade nach einem Disput war.

Eine Hafenmetropole hatte also Nachteile wie auch Vorteile und einer der letzteren war nach vielem Hin und Her eindeutig jener, dass man ihnen einen festen Platz zuwies, den man ihnen so schnell nicht würde absprechen können.

Mit missmutig verzogener Mine hob Clarence das Steuerrad aus seiner Position und warf einen kurzen Blick hinüber zum Pier, das schon seit einiger Zeit durch die Einstiegsplanke mit ihrem Deck verbunden worden war. Kaum hatten sie ihr Zuhause vertaut, war sein Mann von Bord gegangen um mit dem Zuständigen die übrige Bürokratie wie auch das Finanzielle für den Platz zu regeln und so sexy es auch war dem Dunkelhaarigen auf Spanisch beim Feilschen mit dem kräftigen Mexikaner zuzuhören:

Sobald Matthew mitten in der Nacht aus dem Sichtfeld des Jägers verschwand, da ergriff Claire ganz automatisch eine bestimmte Unruhe, die er einfach nicht unterdrücken konnte.

Schon seit mehreren Tagen war der Blonde zunehmend stiller und nachdenklicher geworden, hatte mehr in seinen Mahlzeiten herum gestochert als wirklich etwas davon zu sich zu nehmen und sich schweigend mit den Landkarten oder seinen Kräutern beschäftigt.

In Rio Nosalida anzukommen hieß zum Teil auch die unbekümmerte gemeinsame Zeit ohne irgendein Ziel letztlich ein Stück weit hinter sich zu lassen und ein altes Leben wieder einzuholen von dem es nicht gelogen war zu behaupten, Clarence hatte es schlicht und ergreifend verdrängt.

Draußen in der Freiheit, auf offenem Meer und winzigen Siedlungen, da war er nicht irgendein verschollener Jäger gewesen wie in Coral Valley. Es hatte niemanden gegeben der ihn potentiell hätte erkennen können, niemanden der dumme Fragen stellte oder sich einen feuchten Kehricht darum kümmerte, was die beiden jungen Männer so weit ab der Heimat eigentlich trieben. Keine Reibereien in denen Clarence auf offener Straße geriet, keine Gassen oder Kneipen in denen er darauf achten musste welche Köpfe sich nach ihm umdrehten und ob ihnen jemand folgte oder nicht. Das Leben da draußen war einfach gewesen, unbeschwert und – jedenfalls zum größten Teil – sorgenlos… eine Haltung, die sich schon etliche Seemeilen vor Rio Nosalida beim Blonden verloren hatte.

Unverständliche Grummeleien vor sich hin brummelnd, verstaute Claire das Rad unter Deck nachdem er auch die Segel endlich vollends verschnürt hatte und rief die beiden aufgedrehten tierischen Anhängsel zu sich, die es wie immer kaum erwarten konnten, wenn sie Festland direkt vor ihren nassen Schnauzen rochen. Dass die beiden es überhaupt gelernt hatten es für Stunden auf dem Boot auszuhalten ohne an Land austreten und sich austoben zu können, war ein Wunder von dem ihr Herrchen nie gedacht hatte, das würde jemals so gut funktionieren – was vermutlich aber auch mit daran lag, dass Kain und Abel mindestens zwei Mal am Tag so lange von ihnen bei ausgiebigen Spaziergängen ausgelastet wurden, dass ihnen die Lust schlicht und einfach vergangen war, ihre übermütigen Anfälle weiterhin unter Deck auszuleben wie noch zur ihrer Zeit als kleine Welpen.

„Kommt her, ihr zwei Rabauken. Still jetzt“, winkte er die mit dem Schwanz wedelnden Speichelmonster zu sich, die aufgeregt fiepten und brav ihre unruhigen Hinterteile auf dem Deck parkten, während ihr Herrchen ihnen sicherheitshalber die Leinen anlegte. Weder ließ sich in der Dunkelheit die Umgebung überblicken, noch wusste er die Leute hier vor Ort einzuschätzen und sicher war sicher wenn es darum ging alle betroffenen Parteien voreinander zu schützen.

„Lasst uns ein geeignetes Fleckchen für euch suchen während wir auf den Taugenichts waren und dann sehen wir, wie es weiter geht.“

Mit einem sachten Nicken gen Planke, betrat er das erste Mal seit Stunden wieder Festland, ebenso wie die beiden Kleinen. Natürlich hätten sie auch vor Rio Nosalida noch mal anlegen können um die Nacht außerhalb zu verbringen, aber letztlich war es auf die paar überschaubaren Stunden auch nicht mehr angekommen und Clarence kam lieber im Schutze der Dunkelheit hier an als am helllichten Tageslicht, wo viel zu wachen, fremden Augen generell nichts entging.


Matthew C. Sky „Anthony Kilgore“

Rio Nosalida. Eine der großen sieben Metropolen ihrer Zeit, eine Stadt der Widersprüche. Von unglaublichem Reichtum und bitterer Verarmung. 

Matthew hatte auf seinen Reisen und in den vielen gelebten Leben keinen Ort mehr besucht, in dem die Unterschiede zwischen Arm und Reich frappierender waren als in Rio Nosalida. 

Im Stadtzentrum befanden sich die Villen der Großgrundbesitzer, die Straßen waren elektrisch beleuchtet, die Fußwege sauber und sicher. Begrünte Flächen die aufwendig bewässert wurden, unterbrachen die Architektur. 

Je näher man an dem Ojo del cielo kam, umso prunkvoller die Gebäude und aufwändiger die Gärten. In der Nähe der Küste befanden sich einfache Gebäude, zweckmäßig und ordentlich. Das wenige, was es an Mittelschicht in Rio Nosalida gab, konzentrierte sich auf die Hafen- und Küstennähe, hier war das Flair ähnlich wie in anderen Küstenstädten, nur mit dem Unterschied, dass die vorherrschende Sprache nicht Englisch sondern Spanisch war - und das in Rio Nosalida nicht Meeresschätze und Meeresfrüchte exportiert wurden, sondern Gold, Silber und Edelsteine. 

Je weiter man sich vom Meer und dem Stadtzentrum entfernte umso schlimmer die Zustände. Die Gebäude im Kern der Stadt waren Villen und Prunkbauten, die Hütten am äußersten Stadtrand glichen Lehmhügeln. Die meisten Menschen waren arm und ärmer und die Lebenserwartung erschreckend niedrig. Männer wie Frauen schufteten in den Minen für einen Hungerlohn, manche lebten und starben ohne jemals den Hafen auch nur von weitem gesehen zu haben. 

Schon Tage vor Erreichen der Metropole, hatte sich die Stimmung an Bord ihres schwimmenden Zuhauses verändert. 

Clarence war ruhiger geworden. Immer wieder vertat er sich die Zeit mit Grübeleien oder suchte die Einsamkeit. 

Matthew wusste, dass sich in Rio Nosalida ihre bisherige Reise verändern würde. Die Stadt markierte das Ende ihrer Flitterwochen, das Ende ihrer unbeschwerten Segeltour und das Ende einer Tagesplanung, die sich alleine nach ihnen und den Hunden richtete. 

Was als freie und relativ planlose Route begonnen hatte, war mit Ankunft in der Metropole vorbei. Ihr ganzer Tagesrhythmus würde sich den örtlichen Gegebenheiten anpassen müssen und das hieß nicht nur, dass sich das Leben draußen vorrangig in den frühen Morgen- und Abendstunden abspielte. Vor allem bedeutete es, dass die Vergangenheit Clarence eingeholt hatte. 

Ja, es würde sich einiges ändern, nun da sie am Festland und der angesteuerten Südstadt angekommen waren, doch Matthew machte sich keine Sorgen darum, dass ihre Partnerschaft unter dem neuen Umfeld leiden würde. 

Sie hatten auf ihrer Flucht vor dem Winter viel erlebt, waren miteinander gewachsen aber auch einzeln für sich. Sie waren heute andere Männer als sie es noch in Coral Valley gewesen waren. Statt Einzelkämpfer zu sein, zogen sie längst an einem gemeinsamen Strang und statt den anderen mit seinen Problemen allein zu lassen, sei es aus Bequemlichkeit oder Unsicherheit heraus, nahmen sie sich einander an. Matthew hatte gelernt zuzuhören, hinzusehen und er hatte ein Gespür dafür entwickelt, wann sein Mann seinen Rat oder Zuspruch brauchte - oder wann es besser war zu schweigen. 

In den letzten Tagen, je näher sie Rio Nosalida gekommen waren, hatte Cassie sich immer öfter auf Letzteres verlegt. 

Er wusste, dass auf Clarence in der Stadt ein Kapitel aus seiner Vergangenheit darauf wartete abgeschlossen zu werden. 

Weglaufen war zwecklos, sofern Clarence jemals wirklich frei sein wollte - und das war etwas, dass der Blonde mehr als nur verdient hatte. 

Es wäre leicht gewesen, die Metropole hinter sich zu lassen, weiter nach Süden zu segeln oder auf einer der umliegenden Inseln ihr Glück zu versuchen - aber Clarence würde nie wirklich irgendwo ankommen, wenn er nicht regelte was zu regeln war. 

Matthew wusste das. Es gefiel ihm nicht, aber er respektierte seinen Mann zu sehr, um die Wichtigkeit seines Entschlusses anzuzweifeln. 

Also hatte er die letzten Tage über versucht, gute Mine zu bösem Spiel zu machen, Clarence abzulenken wann immer es ging. Er hatte ihm versichert, dass er bei ihm war - egal was passieren würde und das Clarence nicht auf sich allein gestellt war. 

Ob dem Größeren das ein echter Trost gewesen war, daran zweifelte Matt, aber es zu versuchen, war alles was er tun konnte.

Davon wie angespannt er innerlich war, merkte der Einheimische jedoch  nichts, mit dem Cassiel um den Preis für die Anlegestelle feilschte. 

Dabei ging es weniger darum, dass ihr Gold und Silber schon aufgebraucht war, als viel mehr darum, dass das Handeln hier zum guten Ton gehörte. 

Nur Naivlinge die von außerhalb kamen, waren dumm genug den Preis zu bezahlen, der zuerst genannt wurde. 

Also handelte er nach allen Regeln der Kunst mit dem Verantwortlichen und schließlich wurde per Handschlag ein Preis von einem halben Silberling pro Tag vereinbart - was ein Fünftel des Preises war, der zuerst zur Debatte gestanden hatte. 

Cassiel zahlte, wie hier üblich, im Voraus und gab José drei Silbermünzen, was es ihnen erlaubte, vorerst für sechs Tage an dem Anlegeplatz zu bleiben. 

Sollte die Zeit nicht ausreichen um die Dinge zu regeln, die Clarence‘ Jägerclan betrafen, würden sie natürlich die Pachtdauer im Hafen verlängern können. 

Die Harper Cordelia wurde in ein Büchlein eingetragen, dazu die Anzahl der bezahlten Liegetage und der Name Anthony Kilgore als Besitzer des Schiffes. 

Als Nachweis für die Rechtmäßigkeit erhielt Matthew beziehungsweise Anthony einen kleinen Zettel mit Unterschrift des Verantwortlichen und einem Stempel des Hafens von Rio Nosalida. 

Die Notiz steckte der Dunkelhaarige zusammengefaltet in seine Ledertasche, kramte dann darin herum und wandte sich von José ab, während er sich eine Zigarette ansteckte. 

Kurz blickte er sich um, Clarence auszumachen und es dauerte lediglich Sekunden, bis er den Hünen etwas abseits des Bootssteges stehen sah. 

Leise klirrten die Schnallen der Taschen bei jedem seiner Schritte. Die Stiefel die er trug waren mit robusten Stofflagen umwickelt, die Hose war eine lässige camelfarbene Jeans. Darüber trug er ein hellgraues T-Shirt mit dem  schwarzen Konterfeit eines Hirschen darauf. 

Den Schabrackentapirpelz würde er in Rio Nosalida nicht brauchen - zumindest das dürfte Clarence an der Stadt gefallen. 

„Hola buen hombre.“ - begrüßte er seinen Mann mit einem kecken Lächeln, dass über seine Sorgen glaubhaft hinwegtäuschte. 

„Ich hab den Platz für sechs Tage bezahlt. Das verschafft uns erstmal etwas Zeit.“ - Zeit, um sich mit den Mitgliedern der American Kestrels zu treffen und zutun, was immer nötig war um dem Verein endgültig den Rücken zu drehen. Zumindest war das Cassiels Hoffnung. 

„Die hiesigen Jäger gehören dem Clan Golden Cross an. Rouge hat mit denen Geschäfte gemacht, deswegen weiß ich, dass die allesamt korrupt sind. Denen geht es nicht um die Bevölkerung - sondern darum, sich die Hände für die Leute schmutzig zu machen, die es selbst nicht tun wollen - und genug Reichtum und Einfluss haben, um für saubere Hände zu bezahlen. Mit Ehre und Codex hat das wenig zutun, deshalb ist es klüger, sich so lange wie möglich bedeckt zu halten. 

Du bist deshalb Joseph Lewis - der Sohn von Abraham Lewis. Du bist ein Großcousin von Raffael Hernandez. Stell dich so vor und wir bekommen keine Schwierigkeiten. Ich bin Anthony Kilgore.“

Die Namen waren nicht einfach wahllos ausgesucht, sondern würden ihnen durchaus helfen sich von Ärger herauszuhalten - zumindest lange genug bis geklärt war, was es hier zu klären gab.

„Golden Cross hat den Hauptsitz im Stadtzentrum, weshalb wir sicherer sind, wenn wir das Zentrum meiden. Aber es gibt reichlich Splittergruppen... deshalb...“, er zuckte die Schultern, als wolle er sagen, dass sie auf Dauer nicht unerkannt bleiben konnten. Irgendwem würde Clarence auffallen, dergleichen lag in der Natur der Sache. Aber Joseph Lewis, Großcousin von Raffael Hernandez würde selbst als Jäger eines fremden Clans keinen Ärger zu befürchten haben. 

„Die zwei Kerle da drüben...“, sprach Cassie weiter, ohne zu den besagten Männern zu blicken. „Haben dich im Auge seit du die Segel eingeholt hast. Ich schlage also vor, dass wir uns hier am Hafen eine Bleibe suchen - so wie jeder es tun würde, der nichts zu verbergen hat.“

Rio Nosalida war ein besonderes Pflaster, hier herrschten Gold, Edelsteine und alte Namen. Es war unmöglich unentdeckt zu bleiben, irgendwer sah einen immer. Sogar Rouge hatte gar nicht erst versucht seine Ankunft geheim zu halten. Man musste sich clever anstellen, unauffällig bleiben ohne sich zu verstecken und man musste das richtige Maß zwischen Selbstbewusstsein und Respekt zeigen.

„Der Hafenmitarbeiter hat uns das Corazón de Oro empfohlen. Das ist gleich hier um die Ecke und hat noch Platz frei. Der Laden gehört seiner Schwester. Wir sollen sagen, dass José uns schickt, dann kriegen wir eines der besseren Zimmer.“

Beiläufig schnippte er die Zigarette nach unten und zertrat den glimmenden Stummel. „Was sagst du, Joseph?“


"Joseph Lewis"

Seit für Clarence bereits unzähligen Monaten war er fernab der sogenannten Heimat, welche Falconry Gardens für den jungen Jäger darstellte. Das wenige Hab und Gut, das er nach der Flucht aus seinem Herkunftsort angesammelt hatte, türmte sich in seinem kleinen dunklen Zimmer des Hauptquartiers und so bekannt wie ihm seine Brüder und Schwestern waren, so waren es auch die Nachbarn draußen in der kleinen Stadt, die man fast alle mit Namen und Gesicht kannte, wenn man länger Zeit dort verbrachte. Man lebte nach einem geregelten Tagesablauf wenn man vor Ort war, man hatte Aufgaben und Pflichten zu erfüllen. Zaunwacht, Putzdienst, Auftragserfüllung in umliegenden Ortschaften, die durch ein paar Tage Fußmarsch zu erreichen waren. Hatte man Glück, wurde man für Eskorten oder Erledigungen in ferneren Städten ausgelost und hatte man noch mehr Glück, durfte man sogar in eine der Metropolen reisen. Und zog man den buchstäblichen Sechser im Lotto, bekam man eventuell vielleicht sogar ein Ticket für einen Zeppelinflug in die Hand gedrückt.

All das und noch mehr hatte Clarence in seinen sieben Jahren in dem Clan erlebt, in welchem er einen steileren Durchbruch zelebriert hatte als manch anderer. Als Liebling des Anführers hatte er sich gewisse Vorzüge heraus nehmen dürfen, sich Fauxpas leisten dürfen von denen andere nicht mal Träumen konnten. Doch wer dem Oberhaupt unterstellt war, an den wurden auch hohe Erwartungen gestellt und so hatte Clarence sich an seine vorgegebenen Strukturen gehalten wie es sich eben für jemanden gehörte, der von klein auf abstruse Regeln und Gesetze gewohnt war.

Sich an die örtlichen Begebenheiten Rio Nosalidas anzupassen, würde ihm also nicht besonders schwer fallen, ganz gleich wie lange er schon in der Freiheit unterwegs war die ein Leben auf Wanderschaft und Flucht mit sich brachte. Je mehr Zeit seit ihrem Aufbruch aus Coral Valley verstrichen war – unterschiedlichsten Zwischenfällen geschuldet – umso offensichtlicher wurde auch der Zwang sich dem Bevorstehenden hinzugeben, der mit vollem Druck in Claires Nacken saß und seine Gedanken beherrschte, je näher sie der einzigen mexikanischen Metropole gekommen waren.

Sein düsterer Blick funkelte unter der Kapuze seines dünnen, stoffenen Jäckchens hervor, die er sich über das blonde Haupt gezogen hatte um sein Antlitz wenigstens bei Ankunft vor bislang unbekannten Augen zu verbergen, und legte sich auf seinen Ehemann, der mit viel zu guter Laune auf ihn zugetrabt kam als wäre der Halt, den sie hier gerade einlegte, nichts weiteres als ein neues wildes Abenteuer auf ihrer Reise – dieses Mal hoffentlich nicht annähernd so gefährlich wie die letzten. Dass Matthew noch immer nicht begriffen hatte was es bedeutete hier zu sein, sechs Monate nach ihrem Erscheinen in einer anderen Metropole und dazu mit zwei Kestrel irgendwo mitten in der Stadt, war nur allzu offensichtlich.

„Du mich auch“, konterte er deshalb die Begrüßung des Jüngeren gewohnt grimmig, wie es ihm in den zurückliegenden Tagen zu Eigen geworden war, und versuchte dabei nach der glimmenden Zigarette zu haschen… ohne Erfolg. Denn wie sich heraus stellte, befand der Taugenichts sich mal wieder im sinnfreien Redefluss, ohne etwas um sich herum mitzubekommen.

Über die Schulter kurz die Lage bei den beiden Hunden überprüfend, denen gerade viel eher nach Bewegung und Bespaßung stand als nach angewurzeltem Herumstehen und Diskussionen, versuchte Claire schließlich abermals sein Glück mit der Zigarette und scheiterte erneut.

„Joseph… hab mal einen gekannt. War eine ziemliche Flachpfeiffe wenn du mich fragst.“ – Aber ihn fragte hier ja niemand und so wurde hoppladihopp aus Clarence Bartholomy Sky Joseph die Flachpfeiffe Lewis, Großcousin von Raffael Hattecassienichtsbessereszutun Hernandez, der zu einem Ausflug in die große, weite Welt hinaus gesegelt war.

Schnippisch gab Joseph ein genervtes „Pfff“ von sich, folgte den Ausführungen Anthonys zum hiesigen Jägerclan oberflächlich und musterte den Typen vor sich abwägend, unsicher ob er ihn lieber in den Dreck schubsen wollte der die Planken des Piers bedeckte, oder ob er den Kerl lieber gleich in voller Montur ins Wasser schmiss. So oder so, sowohl an Land wie auch im Meer würde sein Mann vermutlich noch weiter vor sich hin plappern als wäre nichts gewesen, vermutlich so lange bis ihm letztlich die Puste ausging und er elendig auf offener See ertrank.

Unter dem Schatten seiner Kapuze ließ er den blaugrauen Blick beiläufig über den Hafen wandern, ganz so als suchte er das kleine Büro in dem Anthony eben noch Geschäfte mit dem Mexikaner gemacht hatte, und nahm die beiden dunklen Gestalten in einiger Entfernung wahr, von denen der Jüngere reden musste. Eine Metropole wie diese war ein wahrer Umschlagsplatz was Handel und Reisende anging, wodurch es dem Blonden recht ungewöhnlich vorkam, dass zwei Neuankömmlinge interessant genug waren um sich am Hafen ausgiebig mit ihnen zu befassen – und da keiner von den beiden Trantüten einen Vorbau besaß, noch die beiden Kestrel vor Ort von seinem Boot wussten, schloss sich zumindest eine Option schon mal deutlich aus.

Wieder einmal sollte Joseph die Flachpfeiffe sieglos aus seinem Kampf um die Zigarette heraus gehen – ein trauriges Los, das vermutlich schon von Geburt an seinem Beinamen geschuldet war – und verdrehte schließlich unverhohlen die Augen, als das gute Stück dann auch noch achtlos auf den Boden geschnippt und dort zertreten wurde.

„Joseph fragt sich gerade, ob du für deine tolle Ansprache ein Fleißbienchen erwartest oder ob es dir reicht, wenn ich dir auf dem Weg ins Gasthaus zur Belohnung kein Bein stelle, lieber Anthony“, tat der Ältere seine Meinung zu dem Ganzen deutlich kund und riss sich scheinbar deutlich zusammen, das Gesagte seines Mannes nicht rotzfrech nachzuäffen, so wie es sonst oftmals seine Art war.

Seitdem Rio Nosalida in greifbare Reichweite gerückt war, konnte Matthew es seinem Mann kaum noch recht machen, ganz gleich was er tat. Nicht mal das sexy Geschwafel auf Spanisch reichte derzeit dazu aus um das fragile Nervenkostüm des Größeren auf andere Gedanken zu bringen, noch die deutlich weniger werdende Kleidung des Jüngeren hatte das geschafft, je näher sie an die heißere Zone heran und vom Winter hinfort gerückt waren. Vermutlich hätte Cassie die Segel sogar ganz und gar nackt einholen können und selbst dann hätte der sonst so leicht um den Finger zu wickelnde Jäger es noch geschafft, dem anderen einen Strick aus der Angelegenheit zu drehen.

„Lass uns unsere Sachen vom Boot holen und dann dahin gehen, in dieses Koralle der Oreo. Ich hoffe schwer für dich, die bieten einem da genug Schnaps an um das alles hier den Rest des Abends zu ertragen, sonst wird das eine echt unangenehme Nacht für uns beide.“

Natürlich konnte Cassie nichts für diese Situation, zumindest… zum größten Teil nicht. Er meinte es nur gut, das wusste Clarence; und so wirklich verdient hatte es der Jüngere auch nicht, das wusste der Blonde, dass er sich eher die Gesellschaft seines eigenen Mannes heute Abend schön trinken musste als alles andere. Es wäre das eine gewesen, sich der hiesigen Anforderungen ganz alleine zu stellen – doch etwas anderes war es mit seinem eigenen Ehemann im Schlepptau, der nicht mal einen Bruchteil davon ahnte was anstand, und dem man früher oder später in irgendeiner Weise verpflichtet war, Rede und Antwort zu stehen.

Natürlich lieber später als früher, wenn es nach Claire ging.

Trotzig wie es seine Art war, wenn die schlechte Laune von ihm Besitz ergriffen hatte, betrat er mitsamt des Anhanges für ein letztes Mal an diesem Tag die lieb gewonnene Harper Cordelia, um das Nötigste zur Übernachtung an einem anderen Ort als ihrem Zuhause in Claires Rucksack zu stopfen und sich zu wappnen für eine Nacht, die Schlaf voll und ganz entbehrte – und der Trotz hatte auch dann noch keinen Abriss genommen, als sie nach einer guten halben Stunde zurück unter den sternenklaren Nachthimmel hinaus traten, um das Boot ein letztes Mal für diesen Tag abzuschließen.

„Also, Anthony. Wohin. Und komm mir nicht mit dummen Spüren wie Immer der Nase nach oder Wohin unsere Füße uns tragen, ich bin heute nicht für sowas aufgelegt.“


„Anthony Kilgore“

Die Launen von Joseph waren in den zurückliegenden Tagen zunehmend unangenehmer und schwieriger zu ertragen gewesen, doch hatte sich Anthony daran gewöhnt, so gut er eben konnte. 

Der fragliche Höhepunkt der mürrischen Attitüde wurde jedoch unmittelbar nach Vertäuen der Harper Cordelia erreicht, der Größere sah ihn derart ungehalten an, als plane er, den Dunkelhaarigen entweder zu erschlagen oder im Meer eigenhändig zu ersäufen.

Nahezu nichts schien Anthony seinem Gefährten recht machen zu können und man musste kein Genie sein, um zu erraten, dass der Blonde sich sicherlich auch von den Erklärungen zum Clan Golden Cross auf den Schlips getreten fühlte. 

Aber Anthony tat so, als würde er die schlechte Stimmung nicht merken.

Natürlich war Clarence nicht auf den Kopf gefallen, er war ein schlaues Kerlchen und Matthew hatte sich noch nie die Mühe gemacht, ihm irgendetwas über Jägerclans zu erzählen - und zwar aus offensichtlichem Grunde. 

Dass Matthew, beziehungsweise Anthony, es für nötig hielt dieses Mal explizit Hinweise zu diesem Clan zu machen, sollte den Größeren hellhörig werden lassen. 

Aber stattdessen plusterte sich der Kerl auf und spulte sein gesamtes Repertoire an Feindseligkeit und Gereiztheit ab, ganz so als könne Anthony irgendetwas für die Lage, in der sich beide Männer befanden. 

„Weißt du, was ich am meisten an dir schätze?“, wollte der Kleinere schließlich von seinem Gegenüber wissen, der ihn noch immer ansah, als überlege er ernsthaft ihm eine mitzugeben oder ihn einfach stehen zu lassen. 

„Gar nichts.“ Beantwortete Anthony die Frage selber und nahm Clarence die Leinen der Hunde ab, damit der Typ endlich die restlichen Sachen vom Boot holte. 

Was ihn betraf, so hatte er alles was er wollte schon bei sich. 

Nach dem Verlust seines Köchers und der darin befindlichen Pfeile, war der Bogen nicht mehr sein ständiger Begleiter. Stattdessen trug er unter seinem Oberteil eine Art Lederharnisch. Es bedeckte seine Brust und den oberen Rücken. Messer und Wurfklingen waren daran befestigt und griffbereit und durch die exzellente Anpassung und Verarbeitung des Leders, nahezu unsichtbar unter seiner Kleidung verborgen. 

In seiner Tasche befanden sich sein Notizbuch, Bleistift, Kompass, Zigaretten und ein Feuerzeug. Dazu noch ein weiteres Messer und Klimbim wie ein Deck Karten. 

In einem unscheinbaren Ledersäckchen, welches er an einer der Gürtelschlaufen seiner Hose befestigt hatte, hatte er eine überschaubare Anzahl Münzen. Genug, damit sie nicht zu darben brauchten und gleichzeitig zu wenig um wirklich aufzufallen. 

Während Joseph also noch den restlichen Krempel suchte und packte, setzte sich Anthony mitsamt der Hunde in Bewegung. Er folgte dem Pier ein paar Meter, atmete durch und kehrte schließlich zu dem mürrischen Kerl zurück. 

„Wie hast du unser Ziel so schön genannt? Koralle der Oreo. Dorthin zieht es uns. Hach, was bin ich froh mit dir zu reisen, Joseph. Deine Gesellschaft ist ein Quell der Freude. Wie du sofort dein Herz für Land, Leute und Kultur öffnest ist wirklich beeindruckend.“ 

Ironisch klopfte Anthony seinem Begleiter zwischen die Schultern und ging schließlich mit den Hunden voraus. 

Der Hafen war um die aktuelle Uhrzeit relativ leer, Reisende waren entweder schon in den frühen Abendstunden an Land gekommen oder würden es erst am nächsten Tag wieder tun. 

„Nun? Erzählst du mir, wie wir deine Kumpels finden sollen? Die Stadt hat an die zwanzigtausend Einwohner und Gott allein weiß, wie viele Reisende hier jeden Tag anlanden. Wie hast du dir die Sache also vorgestellt, Joseph?“ 

Was auch immer das genaue Problem war, dass es nötig machte hierher zu kommen und sich mit den Beteiligten des Komplotts zu treffen, es würde im schlimmsten Fall Wochen dauern, wenn sie diese Leute erst suchen mussten. 

Aber so viel Zeit in Rio Nosalida zu verbringen, dass hieße zwangsläufig irgendwann aufzufallen und auffallen wollten sie eigentlich beide vermeiden. 

„Will hoffen, du und diese...alten Kollegen von dir, ihr habt einen Plan. Ansonsten garantiere ich euch, dass ihr euch die falsche Stadt ausgesucht habt um Verstecken zu spielen.“ 

Gemächlichen Schrittes ging das ungleiche Vierergespann am Pier entlang, Cassie lauschte auf die Stimmen der Hafenmitarbeiter und Bootsführer. Diejenigen die Fracht ver- oder abluden hatten für Fremde keinen Blick. Aber das würde nicht immer so sein.

Von dem Trubel, der in den Morgenstunden an diesem Ort herrschen würde, waren sie aktuell weit entfernt und dennoch entging einem nicht, wie geschäftige es hier war. 

Rio Nosalida war eine geschäftige Stadt, in der es fast ausschließlich arme Menschen gab. Diese schufteten hart, um ihren bescheidenen Lebensstandard halten zu können und die Mittelschicht, konnte es sich ebenfalls nicht leisten die Hände in den Schoß zu legen. 

Wer nicht reich geboren war, der hatte kaum Chancen sich aus dem jeweiligen Stand nach oben zu arbeiten. Fleiß und Intelligenz reichten nicht. Um nicht in der Versenkung zu verschwinden musste man sich gut stellen mit jenen, die hier das Sagen hatten. 

Golden Cross ist nicht wie übliche Clans. Ich weiß, du denkst, du kennst dich besser aus als ich es tue und in den allermeisten Fällen stimmt das auch, zumindest was deinen Berufsstand angeht. Aber in dem Fall...a, er zuckte die Schultern. 

 „Von Joseph Lewis werden sie die Finger lassen, aber von einem Kerl aus dem Madman Forest, der zu einem anderen Clan gehört, trifft das nicht zu. Wenn deine Freunde also auch nur halb so clever sind wie sie es von sich selbst glauben, dann versuchen sie nicht, durch herumfragen an dich heranzukommen. Sie hinterlassen dir auch keine auffällig unauffälligen Botschaften oder lassen dir Informationen durch Einheimische übermitteln. 

Weil wenn sie das tun, dann verspreche ich schon jetzt, dass wir auffliegen werden und auch wenn es nicht verboten ist, dass sich hier Mitglieder anderer Jägerclans treffen, so liegt die Sache bei dir anders, nicht wahr?“

Clarence war eben nicht irgendein Mitglied eines fremden Clans. Und er hatte sich auch nicht gegen irgendwen verschworen und diesen Jemand getötet. 

Anthony wusste wenig über das, was sich vor seiner Zeit bei seinem Gefährten abgespielt hatte. Aber er hatte in etwa eine Ahnung und die reichte schon aus, um sich ausmalen zu können, dass die wahre Identität von Joseph Lewis besser von niemandem der Golden Cross aufgeschnappt wurde. Und hier reichte es eben nicht, sich vor den Leuten in acht zu nehmen, die Tätowierungen auf ihrer Haut trugen, oder in dem Viertel der Jägergilde lebten. Ein Jäger, der den Anführer des eigenen Jägerclans getötet hatte, war für jeden interessant - auch für Leute die ihre gesellschaftliche Stellung verbessern oder festigen wollten. 

In Rio Nosalida war das Netz engmaschiger als in anderen Städten und Anonymität praktisch nicht gegeben. Selbst fähigen Söldnern fiel es schwer hier unterzutauchen, denn selbst mit Gold konnte man sich hier keine Loyalität kaufen - es sei denn, die richtige Familie stand hinter dem Gold. Clarence, oder besser Joseph war kein Narr, aber was Ränkespiele, Traditionen und Hintergrundwissen zu der hiesigen Bevölkerung anging, konnte er nicht auf Erfahrungen zurückgreifen. Sein Wissen stammte aus Erzählungen von anderen, aber das war nicht das selbe. 

Korruption war ein Begriff, der nirgends so treffend war wie in dieser Metropole und Anthony machte sich keine Illusionen darüber, dass man früher oder später dahinter kommen würde, dass der Blonde kein entfernter Verwandter von Raffael Hernandez war. „Und wenn wir uns mit deinen...Bekannten getroffen haben, was dann, hm? Wie gehts weiter? Geht jeder seines Weges und das wars?“

Clarence hatte sich zu keinerlei handfesten Informationen hinreißen lassen, das gesamte Thema war ihm verhasst gewesen und Matthew hatte das so lange akzeptiert wie es eben ging. Aber jetzt und hier, war es allmählich an der Zeit die Karten offenzulegen und ihn einzuweihen in das, was immer sie genau hierher geführt hatte.


"Joseph Lewis"

In Momenten wie diesen, zweifelsohne, da wünschte sich Matthew sicher die Zeiten zurück, in denen er von seinem wilden Barbaren nichts anderes zurück bekommen hatte als ein mürrisches Brummen. Manchmal waren Tage vergangen, ohne dass Clarence auch nur ein einziges Wort mit ihm gesprochen hatte und wenn, dann waren seine Entgegnungen recht kurz ausgefallen. Ein Ja oder Nein hatten völlig ausgereicht um dem Jüngeren seine volle Befindlichkeit mitzuteilen und wenn es das nicht gewesen war, dann ein einziger stiller Blick oder ein desinteressiertes Achselzucken.

Die vielen unterschiedlichen Gemütszustände, die der Jäger besaß, waren damals recht offensichtlich aber dennoch weitestgehend erträglich ausgefallen – ein Umstand der sich geändert hatte, seitdem Claire sich die Mühe machte, wie gewünscht mehr zu reden und seinen Partner an dem teilhaben zu lassen, was er dachte.

Dieser Wandel, der ihren Umgang miteinander seit geraumer Zeit prägte, hatte recht simple Vor- und Nachteile. Letztere waren, dass Cassie die volle Breitseite seiner schlechten Laune zu spüren bekam, wenn der Blonde sie denn hegte… doch auf der anderen Seite, und das ließ sich nicht von der Hand weisen, waren dafür die glücklicheren Tage miteinander umso intensiver geworden.

Ein paar wenige Tage hatten sie auf offenem Meer gebummelt, hatten die zunehmend wärmer werdende Sonne genossen. Sich gemeinsam an Deck bräunen lassen, hatten lange Tagesausflüge an Land unternommen und die freie Natur erkundet, um gemeinsam Sammeln oder Jagen zu gehen. Das Leben auf Reisen mit der Harper Cordelia war einfach, aber dafür auch unglaublich schön, wenn man Clarence fragte. Ein Zustand, den er von Rio Nosalida nicht behaupten konnte; denn Metropolen schliefen nie, egal wo man dort hinging.

Als Joseph zurück an die frische Luft kam, die Türen zu ihrem Wohnreich tunlichst verschlossen und seinen alten, abgewetzten Rucksack geschultert der ihn schon seit eh und je begleitete, war bereits eine geraume Zeit vergangen. Dass er sich Zeit gelassen hatte seinen Krempel zusammenzusuchen war absehbar gewesen, doch anstatt Anstalten zu machen sich in Erklärungsnot bringen zu lassen wo er so lange abgeblieben war, musterte er den Jüngerem beim Nähertreten und gab ein mürrisches Brummen von sich, als die Hand des anderen ihn wenig aufmunternd zwischen den Schultern traf.

Wäre dieser Ort nicht so verflucht wie er selbst, Clarence hätte an dem Ausflug viel Schönes erkennen können, genauso wie es damals in Coral Valley der Fall gewesen war. Mit Matthew zu reisen, einzigartige Orte wie die Metropolen ihres Kontinents zu entdecken und die dortigen, immer unterschiedlichen Gepflogenheiten kennenzulernen, war ein einzigartiges Privileg – und zumindest in der Theorie wurde es durch eine Facette umso besser:

Matthew, der in der zivilisierten Welt einer Großstadt ganz einzigartige Charakterzüge entwickelte, die charmanter nicht hätten sein können.

Sein Umgang mit den Leuten war bezaubernd, sein Lächeln keck und entzückend – immerhin wusste man nie, ob man den Fremden später noch mal brauchen würde – und sein Auftreten gepflegt und gleichzeitig verwegen, eines echten Abenteurers würdig. So brummelig wie der Bär von Mann seit Tagen auch sein mochte, er hatte es sich nicht nehmen lassen dem Dunkelhaarigen aus den Augenwinkeln dabei zuzusehen, wie er sich für den Einfall in die Stadt zurecht machte. Da wurden Lagen mit schlanken, geschickten Fingern um die Stiefel gelegt, eine definierte aber nicht zu breite Brust in einen Lederharnisch gezurrt und glänzende Messerchen in Schlaufen verteilt, die ihn auf verdammt verruchte Weise gefährlich erotisch erscheinen ließ.

In den Augen des Jägers, ohne Frage, war sein Ehemann ein zweifelsohne unglaublich attraktiver Kerl auf den Clarence unheimlich abfuhr – eine Abfuhr die sich auch an diesem Abend bemerkbar machte, allerdings auf andere Weise, wie Cassie sie sich unzweifelhaft erhoffte.

„Plärr doch noch ein paar Mal den Namen des Clans durch die Gegend, dann weiß endlich auch der letzte taube Trottel, dass wir uns ungewöhnlich intensiv über die Arschlöcher von hier unterhalten“, warf Joseph gereizt, aber für die vergangenen Stunden ungewöhnlich ruhig ein und schenkte seinem Partner einen scharfen Seitenblick, denn im Auenblick war er sich nicht mehr sicher ob Cassie wirklich clever war, oder einfach einen Schlaganfall erlitten hatte.

Einerseits – und damit hatte sein Mann Recht – war es von äußerster Wichtigkeit Vorsicht zu wahren und sich klug zu verhalten für die Tage, die sie in dieser Stadt hier verbrachten. Und auf der anderen Seite benutzte er den Namen Golden Cross in den letzten Minuten derart überzogen oft, dass Claire sich wirklich fragte, ob der Kerl nicht vielleicht für jedes Mal lauten Aussprechens eine Silbermünze von irgendeinem Ansässigen bezahlt bekam.

So oder so, Clarence mochte keine tiefgründigere Ahnung von den hiesigen Gepflogenheiten haben womit er seinem Mann in einiges nachstand, aber das hieß nicht, er wäre einfach blauäugig von Bord gegangen. Dem Anbruch des Abends sei Dank, hatte er seine gute Ausrede ein langärmeliges Hemd zu tragen das seine Tätowierungen verbarg und auch die dünne Stoffjacke, die er sich bei der vorherrschenden Meeresbrise zum Schutz vor Zug über den blonden Schopf gezogen hatte, war nichts besonders zu später Stunde. Seine lückenhaften Finger, wohl das auffälligste Erkennungsmerkmal für den verschollenen Jäger und nicht gerade gewinnbringend in einer Situation wie dieser, hatte er unter dünnen Lederhandschuhen verborgen und auch jene erklärten sich noch einigermaßen von selbst unter der Arbeit, die er an den rauen Tauen des Bootes geleistet hatte.

Anstatt an seine eigenen Hände noch mehr Aufmerksamkeit zu verschwenden als nötig, ließ er den wachsamen Blick verstohlen am Arm seines Nebenmannes hinab wandern und blieb kurz an der freien Hand des Jüngeren hängen.

„Bei mir ist so einiges anders als an anderen, das sollte dir längst aufgefallen sein“, erhob Joseph nach kurzer Stille scheinbar versöhnlicher wieder die Stimme.

„Wie’s weiter geht? Keine Ahnung“, zuckte er mit den Schultern, kurz angebunden wie eh und je wenn es um das leidliche Thema dessen ging, weshalb sie hier waren. „Lass uns das nicht hier besprechen, sonst wirst du nur wieder laut. Lass uns, bis wir auf dem Zimmer sind, einfach nur zwei Kerle sein, die auf ihrer Reise den unumgänglichen Halt in einer Metropole gemacht haben, so wie es sich für Leute gehört, die diese einmalige Möglichkeit zur Verfügung gestellt bekommen. Okay?“

Seufzend blickte der Hüne in den sternenklaren Nachthimmel empor, dehnte seinen Nacken nach links und rechts und wandte sich schließlich wieder seinem Mann zu, an dessen Seite die Hunde artig folgten.

„Wie stehen Anthony Kilgore und Joseph Lewis zueinander, mh? Wäre es inzestuös, wenn die beiden Hand in Hand zur Koralle der Oreo marschieren oder irgendwie anderweitig anrüchig? Denn weißt du… Joseph weiß, dass man hier schon seit fast zweihundert Jahren nicht mehr dafür erschossen wird mit einem anderen Mann anzubändeln und alle anderen wissen, dass Männer aus dem Madman Forest“ – eine schlimme Bezeichnung, wie Clarence selbst heute noch fand, „niemals mit einem anderen Kerl Händchen halten würden. Du könntest also der Held der ganzen Nation werden, wenn du nicht nur meinen neue Identität festigst, sondern auch meinen guten Willen, dir gegenüber etwas mehr Nachsicht walten zu lassen.“

Ein einmaliges Angebot wenn man Clarence fragte, immerhin war ein solches Angebot in der Zivilisation noch nie selbstverständlich gewesen, noch weniger in einer Großstadt. Lediglich an ihrem Hochzeitstag hatte er in Coral Valley unverblümt gezeigt, an wessen Seite er gehörte; alles was über diesen Tag hinaus gegangen war, hatte sich meistens auf einen kleinen Finger oder dunkle Seitengassen erstreckt, in denen sie unter sich gewesen waren.

„Das und ein von Anthony spendierter, doppelter Whisky könnten meine Gesellschaft wohl deutlich lockern und wenn du ein paar Umdrehungen nachschiebst, vielleicht auch zu späterer Stunde meine Zunge. Ich mein ja nur.“

Gewiss, das war eher ein Versuch sich die Ankunft schön zu trinken und ein paar Schnaps auf Cassies Kosen abzustauben als wirklich ein Versprechen seinen Mann am Abend mehr wissen zu lassen als die Bruchstücke die ihm bereits bekannt waren – aber versuchen konnte man es ja mal.


„Anthony Kilgore“

Man konnte ja vieles behaupten, aber das Anthony den Namen des hiesigen Clans gefährlich laut nannte, geschweige denn plärrte, war reichlich weit hergeholt.

Dass der Blonde ihn derart anherrschte, war Cassie nicht mehr gewöhnt und es wäre eine Lüge gewesen zu behaupten, es würde ihn nicht verdrießlich stimmen. 

Auf der anderen Seite, war er kein allzu zartes Pflänzchen und er wäre nicht mit dem Kerl zusammen, wenn er nicht ein gewisses Maß an ‚mir doch scheißegal‘ Einstellung mitbringen würde. 

Die Tatsache, dass die Nerven seines Mannes derart gespannt waren, dass er sein Unwohlsein an ihm ausließ, war für den Dunkelhaarigen offensichtlich und diente Clarence unverdienterweise als Ausrede. 

Anthony übte sich in Geduld und Nachsicht, obwohl Joseph es ihm nicht gerade leicht machte. Eine unglückselige Kombination. 

Die Worte „Der einzige taube Trottel hier bist du!“ lagen dem Jüngeren auf der Zunge, aber verließen jetzt und hier nicht seine Lippen. Stattdessen verdrehte er die Augen und schüttelte im Gehen den Kopf. 

In gewisser Weise, dass wurde ihm gerade klar, hatte Clarence mit Rio Nosalida einiges gemeinsam! Der Widerspruch der hierzulande an jeder Ecke lauerte, lauerte auch im Blonden selbst. 

Dieser Mann konnte so anbetungswürdig sein, so bewundernswert. Er konnte klug reden und klug handeln, er konnte ein Mann sein, zu dem man aufsah und sich wünschte, ein bisschen wie er zu sein. Aber in eben jenem Kerl, steckte auch ein ausgemachtes Arschloch. Unfair und stets eifrig dabei, andere für das eigene Ungemach verantwortlich zu machen. In eben jener Phase befand sich der Ältere seit einigen Tagen. 

„Das Theater findest du im Stadtinneren, keine Ahnung ob die Rolle des dramatisierenden  Hünen noch frei ist. Aber du hast die Nummer echt gut drauf, einen Versuch könnte es also wert sein.“, konterte Anthony mit beiläufiger Ironie, wobei er sich nicht mal die Mühe machte Joseph anzusehen. 

Stattdessen richtete er seine Aufmerksamkeit auf den Hafen und die Gebäude, die sich jenseits des Piers erhoben. In den meisten Fenstern herrschte Dunkelheit vor, doch vereinzelt gab es auch Licht. 

Während Matthew das nicht mehr weit entfernte Gasthaus ansteuerte, stellte sein Gefährte fest, dass bei ihm allerhand anders war als bei anderen. 

„Mhmmm. Keine Einwände meinerseits.“, pflichtete Anthony ihm daraufhin bei, wobei er noch immer gelassen klang. 

„Wie du meinst, reden wir später.“ - nicht dass ein Gespräch sicher war, immerhin war Joseph gut darin, unliebsame Dinge lieber totzuschweigen als anzusprechen. Aber eine Diskussion auf offener Straße war ganz und gar nicht das, was ihrem Bestreben nach Unauffälligkeit gerecht werden würde. 

Ein paar Schritte gingen sie nun also schweigend nebeneinander her, Matthew behielt ihr Ziel im Blick und Clarence ordnete seine Gedanken offenbar neu, denn als er schließlich wieder die Stimme erhob, da schlug er versöhnlichere Töne an. 

Die Frage nach dem Beziehungsstand von Joseph Lewis und Anthony Kilgore brachte Letzteren zum Schmunzeln, dann hob er seine linke Hand an und wackelte mit den Fingern. Selbige waren vollzählig und sauber wie eh und je - doch fehlte ein ganz entscheidendes Detail an ihnen. Der gemeinsame Ehering.

Joseph Lewis ist nicht verheiratet. Über seine sexuellen Neigungen ist nicht viel bekannt - dass heißt, er und Anthony könnten durchaus miteinander ... angebändelt haben.“

Noch während er das sagte, griff Matt nach der behandschuhten Hand seines Mannes und machte auch keine Anstalten sie wieder loszulassen. 

„Anthony arbeitet für Raffael Hernandez. Dem gehören zwei Goldminen im Süden. Früher hat Hernandez auch noch zwei Minen voll mit Saphiren besessen, aber die musste er verkaufen. 

Er macht jetzt in Schmuck. Anthonys Familie arbeitet schon seit Generationen für Hernandez und was die Familie Lewis angeht... die sind für den Verkauf des Schmucks und der Rohware zuständig. Der ganze Betrieb ist in Familienbesitz. Vom früheren Glanz der Familien ist nicht mehr ganz so viel übrig, aber die Namen haben noch immer genug Gewicht. Tradition und so...

Streng genommen, hat Joseph also mit einem Angestellten angebändelt - aber auch das ist nichts besonders. Weder hier, noch sonst irgendwo auf der Welt.“

Matthew zuckte lapidar die Schultern und sah zu seinem Mann herüber, noch immer lächelnd, weil es ihm gefiel Hand in Hand mit Clarence über den Hafen zu gehen. 

Die Sache mit der gelockerten Zunge...“, der fragende Tonfall gepaart mit seinem kecken Lächeln, ließ bereits erahnen was kommen würde noch ehe die Worte über die Lippen des Dunkelhaarigen kamen. 

„Meinst du das in Bezug auf ein Gespräch über die nächsten Schritte hier oder vielleicht in Bezug auf das, was deine Zunge noch so kann - außer reden?“

Tatsache war, dass ihm beides sehr gelegen kommen würde, hatte es doch in den zurückliegenden Tagen immer weniger Muse für Intimität gegeben. 

Ob sich daran allerdings sobald etwas ändern würde, war angesichts der Situation in der sie sich befanden fraglich.

Das Corazón de Oro war eines der wenigen Häuser in denen noch Licht brannte, leise Musik drang von drinnen hinaus auf den Gehweg, den die vier schließlich betraten. 

Ein Blick durch die Fenster zeigte einen fast leeren Schankraum. Hinter dem Tresen spülte eine Frau mit Schürze Gläser, davor saßen drei Gäste mit jeweils zwei Stühlen Abstand zwischen sich. 

An den Tischen saßen weitere vereinzelte Gestalten. Die meisten stierten gedankenverloren vor sich hin, andere schienen noch im Halbschlaf. Anders als noch in Coral Valley erlebt, wurde im Hafenviertel kaum ausgelassen gefeiert oder eine Nacht durchzecht. 

Anthony betrat schließlich als Erster den Schankraum, Kain und Abel liefen an seiner Seite, je ein Hund an einer Flanke. Die wenigen anwesenden Gäste interessierten sich nicht für ihr erscheinen, anders als die kräftige Frau hinter dem Tresen. 

Ihr dunkles Haar war zu einem strengen Knoten zusammengefasst. Sie war groß, hatte volle Lippen und weiße Zähne. Sie wirkte abgespannt aber wach und begrüßte die jungen Männer mit einem herzlichen Lächeln und den Worten: 

„Buenas noches, caballeros. ¿Cómo puedo endulzar la noche a vosotros?“ 

Matthew erwiderte das aufgeschlossene Lächeln nicht weniger herzlich und antwortete in der Landessprache, wobei die Worte aus seinem Mund so elegant klangen, als hätte er noch nie eine andere Sprache als Spanisch gesprochen.

„Wir haben gehört, es soll hier freie Zimmer geben. José hat uns empfohlen herzukommen. Und noch dazu hat mein Freund hier gehörigen Durst auf einen doppelten Whiskey.“, fügte er in seiner Muttersprache an, der Gastwirtin höflich aufzeigend, dass Englisch die gewohntere Sprache für seinen Begleiter und ihn war. 

„Ich befürchte, unser Spanisch ist lächerlich im Vergleich zu Ihrem Englisch.“

Wieder lächelte er ausnehmend charmant und das Gesicht der Frau hinter dem Tresen, erhellte sich noch weiter. 

„Ahhh euer Spanisch ist vorzüglich. Besser als von manchem meiner Stammgäste“, sie lachte und winkte ab. Ihre dunklen Augen richteten sich kurz auf Clarence. 

„Also für dich einen doppelten Whiskey und was bekommst du?“

Sie sprach mit ausgedehntem Akzent, was ihrer Authentizität jedoch nur noch weiter entgegenkam. „Wenn ich ein kaltes Bier bekommen könnte... wäre ich glücklich.“ - „Das sagen alle Männer die zu mir kommen.“, wieder lachte sie herzlich und machte sich sofort daran, die Getränke einzuschenken. 

„Nehmt Platz, nehmt Platz. Ich bringe euch eure Gläser und dann gehe ich rauf und richte zwei schöne Zimmer für euch her.“ 

Matthew korrigierte sie nicht, warf jedoch Clarence einen kurzen Seitenblick zu, unschlüssig ob sie es einfach dabei belassen sollten oder eben nicht. 

„Husch. Na geht schon, lasst die alte Lucia das mal machen.“, mit einer scheuchenden Handbewegung dirigierte sie die neuen Gäste weg vom Tresen und animierte sie, sich an einen der Tische zu setzen. 


"Joseph Lewis"

Angebändelt nannte man das also heutzutage, so so. Skeptisch hoben sich die blonden Brauen über den blaugrauen Iriden etwas, denn wie der Jüngere den aktuellen Ist-Stand Josephs beschrieb, hätte man den Namen genauso gut durch den eines gewissen Hünen und eines neunmalklugen Taugenichts ersetzen können, wenn man zu den Kestrel gehörte.

Wie er erklären sollte wieso und weshalb da dieser fremde Typ an seiner Seite war, darauf hatte Claire bis heute noch keine Antwort gefunden und um ehrlich zu sein wagte er zu bezweifeln jemals dem Moment Herr zu werden, wenn er denn erstmal eintrat. Niemals seitdem er seine einstige Heimat verlassen hatte, hatte Clarence jemals Anstalten gemacht einem anderen Mann hinterher zu sehen und so war der Eindruck dessen entstanden, was er all die Jahre im Clan verkörpert hatte:

Ein Mann der alleine für die Gilde und seine Arbeit lebte und kein Interesse hegte an Dingen wie Zuneigung oder Intimität mit anderen Menschen.

Dass ausgerechnet jener Kerl, der in der Anfangsphase noch im Wahn versucht hatte an alten Regeln und Traditionen der Fanatiker festzuhalten, dass ausgerechnet jener Mann heute mit einem anderen Kerl an seiner Seite herum lief… das war mehr als schwer zu erklären und er konnte sich schon jetzt die berechtigt fragwürdigen Gesichter seiner Leute vorstellen, wenn sie erstmal begriffen, was zwischen Cassie und ihm lief.

Allerdings war das eines der vielen Probleme, um die sich Joseph an diesem Abend noch keine Gedanken machen musste und wollte und so nutzte er die letzten weitestgehend unkomplizierten Stunden die ihnen verblieben, bevor die Dinge eine Wendung nehmen würden.

Ungewohnt handzahm für die letzten Tage, griff der Blonde ohne weitere Aufforderung nach den wackelnden Fingern seines Gefährten und umschloss diese fest, was scheinbar zwar ein völliger Widerspruch zur schlechten Laune darstellte die er bevorzugt am Jüngeren ausließ, jedoch unterm Strich nur umso mehr aufzeigte, dass kein Streit und keine über die Leber gelaufene Laus sie so wirklich mehr voneinander entzweien konnte.

Wachsam lauschte er den Erklärungen des anderen – immerhin könnte es vielleicht noch nötig werden sich an all die Verbindungen zu erinnern, die die fremden Namen miteinander teilten – und versuchte sich die Erklärungen so gut es eben ging auf der kurzen Strecke und am späten Abend einzuprägen. Immerhin mit dem Versetzen und somit ja beinahe schon Verkaufen von Schmuck, kannte Clarence sich tatsächlich aus und wenigstens das würde ihm ein bisschen helfen, den geschäftstüchtigen Joseph Lewis etwas glaubwürdiger über die Bühne zu bringen, sollte es wirklich dazu kommen müssen.

Außer reden? - Anthony!“, empört schüttelte der Blonde den Kopf und ließ einen tadelnden Blick auf den Kleineren hinab fahren, bevor er ihm mit ihren ineinander verwobenen Händen einen leichten Schubs in die Flanke gab. „Du bist mein Angestellter. Reiß dich etwas zusammen wenn wir unter Leuten sind!“

Wäre ja noch schöner, wenn man ihm hinterher noch nachsagte, seine Arbeiter könnten sich beim Boss hochschlafen oder sich alleine dadurch eine Beförderung erkämpfen, indem sie ihm schöne Augen machten.

Nein, wenn schon, dann war Joseph Lewis ein anständiger Juwelier und seinen guten Namen würde er sich sicher nicht beschmutzen lassen, indem seine Mitarbeiter ihm in der Öffentlichkeit derart eindeutig zweideutige Dinge unterstellten.

Seine schlechte Laune mochte der Blonde noch immer nicht völlig verloren haben, aber das sinnbefreite Geplänkel lud ihn spielen dazu sein seine Sorgen wenigstens für einen Moment lang hinter sich zu lassen. Dankbar nahm Joseph dieses Angebot an – schon immer leichter damit umgehen könnend seine Launen hinter dem Deckmantel fremder Rollen zu verstecken – und folgte an der Seite seines Partners den dunklen Pier entlang, der nur noch durch wenige brennende Laternen teilweise beleuchtet war.

Die Tür zur Koralle der Oreo quietschte hörbar beim Eintreten und verlieh dem Ort eine eigentümliche Lebendigkeit, wie sie nur den alten Kneipen und Gaststätten zu Eigen war, selbst wenn sie kaum noch gefüllt waren. Was die hiesigen Wände schon alles gesehen und gehört haben mochten, war mit bloßer Fantasie kaum zu begreifen und wenn man bedachte, dass vielleicht sogar schon die großen Männer ihrer Zeit hier gewesen waren, in einer namenhaften Stadt wie einer der großen sieben Metropolen, wurde einem abermals bewusst welch Privileg es war hier zu sein. Der Großteil der Menschen, die heutzutage auf diesem Kontinent lebten, hatten lediglich die berühmten Namen der Großstädte gehört, doch nicht mal deren Luft auch nur aus der Entfernung atmen dürfen; sie beide hingegen hatten heute offiziell zwei der sechs verbliebenen in nur sechs Monaten gemeinsam bereist und waren damit schon deutlich weiter herum gekommen als jeder andere, den sie auf ihren Reisen außerhalb noch treffen würden.

Während Anthony sich weiterhin um das Geschäftliche kümmerte, mit dem Selbstbewusstsein voran schreitend das ihm in der Zivilisation schon immer zu eigen gewesen war wenn er mit seiner Bildung und seinem guten Benehmen glänzen konnte, ließ Joseph den Blick durch den Schankraum wandern. Nur noch wenige einsame Seelen saßen am Tresen versammelt, nicht besonders verwunderlich für eine Uhrzeit wie diese mitten am Hafen wo meist nur noch Arbeiter ihr waches Unwesen trieben. Die Saufnasen entzogen sich also recht schnell wieder seiner Aufmerksamkeit und so nahm der Blonde sich Zeit, um das ungewohnte Ambiente näher in Augenschein zu nehmen. Dass sie hier in einer völlig fremden Kultur angekommen waren zu der Clarence bisher kaum Kontakt gepflegt hatte, wurde schon mit Eintreten in die Räumlichkeiten recht offenbar – und mit seinem Interesse an der Ausstattung machte er sich auch nicht allzu verdächtig, denn Cassie ließ keinen Zweifel daran offen, dass sie nicht oft im Süden Amerikas unterwegs waren.

Obwohl Lucias Bewegungen und ihr ganzes Auftreten mehr als gepflegt und umgänglich waren, kam er nicht umhin sich für einen Augenblick an die Schankwirtin im Feurigen Kessel zu erinnern, wo sein damals noch Verlobter ihm ihre neuen Eheringe präsentiert hatte. Dianne war von ähnlicher Erscheinung gewesen, groß gewachsen und trotzdem zu kräftig gebaut, mit dunklen Haaren und einem strammen Knötchen am Ende ihres leergefegten Kopfes. Da gefiel ihm Lucia wesentlich besser, die weder derart pampig wirkte wie die Frau damals, noch irgendwelche Warzen in ihrem Gesicht trug oder die Zähne so gelb wie den Vollmond am höchsten Stand.

So gut wie möglich ließ er die Tatsache an sich vorbei wehen, dass die Hausdame ihnen zwei Zimmer aufs Auge drücken wollte anstelle von einem und dass damit ihre letzten Vorräte Münzen mehr angegriffen wurden als geplant.

Ja, so fingen Trennungen und Scheidungen sonst wohl an: Erst trug der eigene Ehemann nicht mehr den gemeinsamen Ring am Finger – denn das war Clarence nicht entgangen - und nur kurze Zeit später teilte man sich nicht mal mehr ein Bett, ein Umstand der sich gerade viel schneller einstellte als man das meinen sollte.

Lass sie, warf er dem Kleineren einen kurzen Blick zu, denn nun deshalb mit der Frau herum zu diskutieren würde nur ungewollte Aufmerksamkeit auf sie ziehen und überdies hinaus war es vielleicht wirklich besser, wenn Lewis und Kilgore sich nicht von vornherein ein Zimmer miteinander teilten. Im Zweifelsfall hielt das ungeplante Katz-und-Maus-Spiel nur den vorgegebenen Schein umso besser aufrecht, dass Joseph ein Verhältnis mit seinem Angestellten begonnen hatte das er nicht an die große Glocke hängen wollte, und auf der anderen Seite würde sie das ja nicht trennen, nur weil ihre falschen Namen auf irgendeiner einer Liste in verschiedenen Zeilen standen.

Schweigsam, so wie es üblich geworden war wenn Matthew seinen Charme sprühen ließ und damit das Gespräch dominierte, lockte Claire die Hunde dadurch auch den Jüngeren mit einem Schnalzen seiner Zunge ihm zu folgen und ließ sich artig von Lucia zu einem der etwas abseits gelegenen Tische scheuchen, ein Stück weg vom Tresen. Man merkte deutlich, sie war nicht erst seit gestern hier tätig und begriff, dass die Leute vermutlich etwas ihre Ruhe haben wollten wenn sie nach viel zu langem Turn endlich in der Stadt angelegt hatten; dafür nahm sie auch längere Wege in Kauf, wenn sie nur die Kundschaft zufrieden stellen konnte.

Mit einem leisen Rumms ließ Joseph den Rucksack von der Schulter auf den alten abgetretenen Boden gleiten und schließlich sich selbst auf den hölzernen Stuhl am Platz, zu dem sie dirigiert worden waren. Waren stundenlangem steuern der Harper Cordelia kam ihm selbst die eigentlich recht unbequeme Sitzgelegenheit vor wie der Himmel auf Erden und so wie die Dinge gerade standen, sah er sich schon jetzt einschlafen, noch bevor sein Körper später das Bett auch nur mit dem kleinen Zeh berührt hatte.

„Für Verheiratete zwei getrennte Betten also, mh?“, sprach er schließlich das Offensichtliche an solange sie noch untereinander waren, während Lucia am Tresen das Bier einfüllte. „Ist ja wie in Willow Creek hier, wird mir direkt sympathisch.“

Mit einem melancholischen Schmunzeln auf den Lippen, schob er die abgewetzte Karte beiseite die mittig den Tisch bedeckte. Nach Essen war ihm sowieso nicht, schon seit Tagen, und das würde sich auch heute Abend kaum mehr ändern.

„Hat auch Vorteile. Nächtliche Besuche beim anderen können was ziemlich aufregendes sein und wenn du mir in den kommenden Nächten ein Mal zu viel den Ellenbogen in die Seite rammst, nur weil ich mal wieder ein bisschen schnarche… dann zieh ich einfach aus und hab meine Ruhe vor dir. Hinterher gefällt uns das noch so gut, dass sich einer von uns die Speisekammer als zweites Schlafzimmer ausbaut.“

Soweit würde es hoffentlich nie im Leben kommen, immerhin schließ Clarence dazu viel zu gerne mit seinem Mann in einem Bett – doch wenigstens der Ernst in seiner Worte ließ einen Zweifel an der puren Möglichkeit eines solchen Ausganges nicht aufkommen, alleine schon weil es viel zu schön war, seinen fast noch frisch angetrauten Mann damit zu necken.

Ungewollt erheitert über die Vorstellung, wie Anthony des Nachts zum Besuch an seine Zimmertür klopfte nur um von seinem eigenen wilden Barbaren angewiesen zu werden, zupfte sich der Blonde einen nach dem anderen die Finger von den Handschuhen frei und verstaute sie in der Tasche seines Jäckchens, bevor er die Arme vor der Brust verschränkte um die auffällig unvollzähligen Finger mit dem eigenen Körper zu verbergen. Neben den Tätowierungen, die sich ja noch irgendwie verstecken ließen wenn man sich nicht gerade übermäßig sommerlich kleidete, waren die Amputationen eine der größten Auffälligkeiten wenn man ihn dem Hörensagen nach erkennen wollte und so blieb nur zu hoffen, dass er seine Patschehändchen lange genug in der Öffentlichkeit bei sich behielt, um kein ungewolltes Getuschel zu verursachen wenn die falschen Leute in der Nähe waren.

„Wo ist dein Ring eigentlich? Sag bloß du kannst mich in der Stadt der Hurenkönigin heiraten wo du fast schon Zuhause bist, aber hier in der Fremde werd ich dir plötzlich unangenehm“, wollte Clarence wissen und lehnte sich skeptisch im Stuhl zurück, um seinen Partner aufmerksam zu mustern. Wenn ihm auch kaum noch etwas heilig geblieben war, seitdem er seine Heimat verlassen hatte, die Ehe würde es immer bleiben; umso weniger gefiel es ihm, dass die Hand des anderen sich so seltsam nackt in seiner eigenen angefühlt hatte. Schon alleine der kurze Glaube nach dem Erwachen aus Miami, wo er seinen eigenen Ring nicht mehr hatte finden können, hatte ihm ausgereicht um regelrecht panisch zu werden.

„Wenn du mir jetzt sagst, dass der eine Mexikaner mit dem du mal was hattest, noch immer hier lebt und du ihm seine Hoffnungen durch den leeren Finger schonend nehmen willst…“

Er mochte keine Ahnung haben wie es war mit ehemaligen Liebschaften umzugehen – dafür waren seine ein bisschen zu tot – aber dass man seinen Ring nicht abnahm um Hoffnungen zu nehmen, das verstand selbst noch der unschuldige Christenjunge.



Anthony Kilgore

Die Tatsache, dass Lucia offenbar davon ausging, sie beide stünden in einem rein platonischen Verhältnis zueinander, gefiel Matthew nicht. Aber Anthony wiederum wusste, dass es klüger war, sie einfach in dem Glauben zu lassen. 

Es war nur vernünftig, kein großes Aufheben um ihre Beziehung zueinander zu machen. 

Trotzdem erfreute es ihn nicht gerade, als er den Blick seines Mannes auffing und zu lesen verstand. Kurz nur hatten ihre Augen einander mitgeteilt was es wortlos zu klären galt und doch hatte der flüchtige Moment ausgereicht, um sich schweigsam eine Frage zu stellen und sie auch zu beantworten.

Sollten Sie Lucia korrigieren? Nein. 

Die Vernunft siegte also gegen das Bedürfnis richtigzustellen, dass sie nur ein Zimmer und auch nur ein Bett brauchten. Und zumindest der Kleinere war innerlich so gar nicht begeistert, such wenn er es tadellos schaffte die Form zu wahren. 

Statt also irgendwelche Einwände zu erheben, gingen beide jungen Männer zu dem Platz, der am weitesten von den vereinzelten Gästen entfernt war. 

„Nicht für Verheiratete, hörst du mir überhaupt zu?“ offensichtlich nicht so richtig öderes war mit dem verstehen nicht allzu weit her. 

„Na wie auch immer...Da kommen bei dir Kindheitserinnerungen hoch, hm?“

Clarence war Christ, da biss die Maus keinen Faden ab. Kein besonders guter Christ mehr seit sie einander kannten, aber das Konstrukt der Ehe war ihm bekanntermaßen sehr wichtig. Was Matthew anging, so hätte ihm nichts besseres passieren können, als Clarence kennenzulernen und dessen Heiratsantrag anzunehmen.

Für beide jungen Männer bedeutete dies vermutlich in etwa das selbe, nur gründeten sie dem Sinn und den Nutzen einer solchen Gemeinschaft auf anderen Werten. 

Bei Matt war es nicht Gott oder die christliche Tradition, die den Wert für ihn bildete - sondern das sichere Gefühl geliebt und geschätzt zu werden und zu Clarence zu gehören. Clarence hingegen glaubte an die Ehe, weil Gott selbige vorsah, laut dem Glauben der Fanatiker nur zwischen Mann und Frau, laut Glauben der weltoffenen Christen auch für Mann und Mann und Frau und Frau. 

Aber warum auch immer sie einander geheiratet hatten, Fakt war, Matthew wollte bis an sein Lebensende nur allein Clarence Bartholomy Sky gehören, auch dann, wenn er sich unmöglich aufführte, ihn anmotzte und seinen Namen notwendigerweise in Joseph Lewis wechselte. Kein anderer Mensch konnte von sich behaupten, je Matthews Herz gewonnen zu haben und Clarence allein war es auch, den Cassie mehr liebte als alles sonst. 

Jenem Mann, der ihm gegenüber Platz nahm, sich die Handschuhe von den Fingern zupfte und seine markanten Hände schließlich geschickt verbarg, gehörte Anthony

Er war ein kluger Kerl, dieser Joseph und doch war ihnen wohl beiden klar, dass sie sich auf Dauer nicht verstecken konnten. 

„Nächtliche Besuche? Ich bin froh wenn ich ein Bett für mich habe.“, gab Anthony leise zu bedenken, klang aber nicht im mindesten überzeugt - weil schlicht und ergreifend nicht überzeugt war und auch nie davon überzeugt sein würde.

Aufmerksam ließ er den Blick durch den Raum schweifen und schenkte der Wirtin eines seiner charmantesten Lächeln, als diese kam um ihnen die Getränke zu bringen.

Anders als der Rest der anwesenden Gäste, schien sie vollkommen wach und zufrieden zu sein, sie hatte ihr geregeltes Einkommen, was durchaus dafür sprach, dass sie zu einer der linientreuen Menschen in Rio Nosalida zählte. 

„Gracias.“, bedankte sich der Dunkelhaarige gut erzogen und erntete ein warmes Lächeln und kleines Nicken Lucias. 

Cassie langte nach dem Bier und klopfte sich mit der anderen Hand kurz auf die Brust. 

„Der Ring ist hier. Und da du Schmuck vertickst, kannst du deinen lassen wo er ist. Keiner wird ihn für einen Ehering halten, so lange ich meinen nicht auch anstecke.“, antwortete er leise und setzte das Glas an die Lippen. 

Das Bier war stark, dunkel und angenehm kühl und für einen Moment vergaß Matthew die Umstände unter denen sie hier waren. Noch während er trank, warf er Clarence einen schelmischen Blick zu und man konnte den Anflug eines Lächeln erkennen. 

Clarence war kein Fan von Ramires, aber das war etwas, dass Cassie ihm nicht verübeln konnte. Wer mochte schon den verflossenen Partner der eigenen Liebe? 

„Ramires? Ich glaube schon, dass der noch hier lebt. Hatte ein recht passables Leben, kann mir nicht vorstellen, dass er Rio Nosalida verlassen hat.“

Er zuckte die Schultern und betrachtete Clarence weiterhin mit diesem herausfordernd schelmischen Blick. 

„Aber wer weiß das schon? Hab keinen Kontakt gehalten.“ - tatsächlich hätte Ramires sich darüber vermutlich gefreut. Der junge Mann hatte relativ zeitig durchblicken lassen, dass er für Matthew mehr übrig hatte als es umgedreht der Fall gewesen war. 

Die gemeinsame Zeit war schön gewesen und Cassiel hatte an den Mexikaner keine bösen Erinnerungen. Gleichzeitig jedoch hatte er ihn nie geliebt und ihn nach seinem Weggang auch nicht wirklich vermisst. 

Tiefe Bindungen aufzubauen, zu pflegen und zu halten, dass waren alles Dinge in denen Matthew nicht besonders gut war. Clarence, der viel hatte erdulden müssen in Bezug auf die mangelnden sozialen Kompetenzen des Jüngeren, konnte davon sicher ein Liedchen singen. 

„Ich glaube, du kennst mich besser als das, hm? Bin ich jemand, der irgendwem schonend die Hoffnung nimmt? Komm schon, Joseph, du weißt dass das nicht der Grund ist.“

Tatsächlich hatte Matthew seinen Ring nur abgenommen, weil Joseph nicht verheiratet war und selbst wenn er heimlich geheiratet hätte, was natürlich theoretisch möglich war, so hatte er garantiert nicht seinen Angestellten Anthony auserwählt

Wenn Lewis und Kilgore miteinander angebandelt hatten, dann gab es im Hintergrund des Blonden sicher trotzdem eine Frau die für den Stammhalter sorgte. 

So liefen die Dinge nun einmal.  

Anthony nahm noch einen Schluck Bier zu sich und langte im Anschluss nach einer kleinen Schale die auf dem Tisch stand und auf der sich Nüsse und Streifen von Dörrfleisch befanden. 

Er warf sich eine kleine Handvoll Nüsse in den Mund und ließ den Blick dabei durch den Schankraum schweifen. Lucia war nicht mehr zugegen, was darauf schließen ließ, dass sie die Zimmer herrichtete. 

„Was meinst du, Joseph...? Wie viele Tage sollen wir hier bleiben? Deine Freunde wissen nicht wo wir sind, also...sollten wir vielleicht dahin gehen, wo sie sich am wahrscheinlichsten aufhalten. Ich hoffe du weißt wo das sein könnte.“

Der gesamte Ablauf des Aufeinandertreffens war Cassiel ein Rätsel. In einer Metropole mit an die zwanzigtausend Bewohner und unendlich vielen Händlern und Reisenden die jeden Tag kamen und gingen, war Rio Nosalida eine der lebhaftesten Städte überhaupt. Wenn die Bekannten seines Mannes also nicht genau gewusst hatten, wann sie hierher kommen würden, würde es schwierig werden sich zu finden. 

Dabei im Idealfall auch noch unentdeckt zu bleiben, dass war eine echte Königsdisziplin von der Anthony keine Ahnung hatte, wie sie sie bewerkstelligen sollten. 

Als nächstes stibitzte sich der Dunkelhaarige einen Streifen des getrockneten Fleisches, biss einmal ab und kaute das zähe und faserige Ding, bis es ihm gelang es runterzuschlucken. 

„Schmeckt furchtbar.“, deklarierte er ungefragt und streckte angeekelt die Zunge heraus und schüttelte sich kurz. 

Das angebissene Stückchen hielt er nun den Hunden entgegen, wobei Kain schneller war und den Streifen gierig herunterschlang. Abel bekam daraufhin einen zweiten Streifen zugesteckt, ehe Matthew den widerlichen Geschmack mit einem weiteren Schluck Bier herunterspülte. 

„Wenn Lucia wiederkommt, lass uns hochgehen, okay? Ich denke für heute waren wir lange genug auf den Beinen und du wolltest mir außerdem noch etwas erzählen.“, erinnerte er Clarence an den Deal. Seinen doppelten Whiskey hatte er bekommen und damit was Matthews Teil der Abmachung erfüllt.

Nun war der Blonde an der Reihe. 


"Joseph Lewis"

Kindheitserinnerungen nannte sein Mann es, für Clarence hingegen waren es Werte und gesellschaftliche Grundregeln, die über viele Jahre hinweg das Leben und Streben des jungen Christen bestimmt hatten.

Es gab gute wie auch schlechte Erinnerungen an seine Heimat, Dinge die er sich gerne zurück gewünscht hätte und viel zu straffe Strukturen, auf die er gut und gerne verzichten konnte. Matthew hatte ihm, seitdem er wusste woher der Ältere stammte, noch nie wirklich viele Fragen gestellt wie es war im Zentrum des Madman Forest zu leben und wenngleich sich der Blonde unterm Strich gerne an jene Zeit zurück erinnerte, war die Unwissenheit seines Partners vielleicht doch besser so. Es gab genug Lebensweisen, für die niemand Verständnis haben würde der weder in einem religiösen Rahmen, noch anderweitig in einer Parallelgesellschaft aufgewachsen war und wenn man bedachte als wie aggressiv man die Fanatiker einstufte, die dort lebten, fiel es noch mehr Menschen sicherlich umso schwerer glauben zu können, dass dort auch ein friedliches, beinahe idyllisches Leben möglich war, wie man es hier draußen kaum kannte.

Wie dem auch war, Anthony fing sich schließlich einen kritischen Blick seines blonden Gefährten ein der weniger auf die Anspielung der Kindheitserinnerungen beruhte, sondern viel mehr auf die schändliche Äußerung zu ihrer Schlafstätte, welche dem Jüngeren soeben entfleucht war.

Joseph stieß ein leises Schnaufen voller Unverständnis aus und nickte Lucia still zum Dank entgegen, als sie die sehnsüchtig erwarteten Getränke an den Tisch brachte, ohne sich länger als nötig bei ihren beiden Gästen aufzuhalten.

„Ich brauche kein Bett für mich alleine - selbst wenn das heißt, dass wir uns zu unchristlichen Zeiten aus dem Zimmer des anderen schleichen müssen“, stellte er klar während er der kernigen Dame hinterher blickte. Seine Stimmlage ließ vermuten, er unterhielt sich über nichts bedeutsames wie etwa das Wetter oder die Einrichtung der Schänke; in Wahrheit aber versuchte er damit nur seine eigenen Gesichtszüge und Blicke im Zaum zu halten von denen er wusste, sie würden ihm ansonsten in absolute Verliebtheit entgleiten, die selbst einem Blinden verriet dass Anthony und Joseph weit mehr waren als nur zwei Männer auf Geschäftsreise.

„Ich brauche meinen Mann bei mir, der mich wärmt und den ich in den Arm nehmen kann wenn mir danach ist. Dessen Atem ich auf mir spüre und dessen Herzschlag ich unter mir hören kann, damit ich besser schlafe. Wenn du also ein Bett für dich alleine willst, würde mich das ziemlich deprimieren, Anthony.

Dass es dem anderen nicht ernst damit gewesen war, war an Joseph nicht vorbei gegangen und trotzdem war ihm heute nicht danach, das Katz-und-Maus-Spiel aus Frechheiten und Necken heute zu führen, an dem sie sonst ihren Spaß fanden. In einer Stadt, in der sie weder ihre Ringe oder Namen tragen, noch offiziell ein Zimmer miteinander teilen konnten, sollte sie nicht auch noch ihre Ausdrucksweise voneinander entfremden und um nicht doch noch in eine Haltung zu verfallen in der man ihm seine Sehnsucht deutlich ansah, verbarg der Blonde seine Miene schließlich hinter dem Glas Whisky, aus dem er einen großzügigen Schluck nahm.

Das unerwartet kühle Glas, in dem Lucia ihm den Hochprozentigen serviert hatte, ließ Joseph noch für ein paar Sekunden länger an seinen Lippen verweilen und musterte dabei den Dunkelhaarigen und dessen Reaktion aus den Augenwinkeln. An sich wirkte Anthony nicht gerade so, als wäre er aktuell auf dem Laufenden was seine verflossene Liebschaft betraf und so sehr er sich auch bemühte, aber die Neugierde einer ehemals flammenden Leidenschaft schlug auch keine Funken in den kandisfarbenen Augen. Trotzdem war da dieser herausfordernde Schelm im Nacken seines Angestellten, der Joseph überhaupt nicht gefiel und alleine schon für diesen herablassenden Blick, hätte er dem Typen eigentlich eine Abmahnung schreiben müssen.

„Ramires…“, wiederholte er trotz den umfangreichen Bekundungen des Anderen recht abfällig den Namen des einstigen Liebhabers und schüttelte dabei missgünstigend den blonden Schopf, ähnlich wie man sich über den dorfbekannten Säufer aus der Nachbarschaft ausließ, ohne sich tiefer hinein steigern zu wollen.

Wer auch immer dieser Mann war und welche sentimentalen Erinnerungen der noch immer an Matthew hegen sollte, zweifelsohne hatte er den jungen Mann nicht verdient, der gerade an der anderen Seite des Tisches saß. Schelmisch über den Rand seines Glases hinweg grinsend, die Oberlippe geziert von dem hellen Schaumbärtchen welches er sich unbedacht zugezogen hatte und trotz der Schrammen in seinem Gesicht noch immer genauso süß wie an jenem ersten Morgen ihres Kennenlernens, nachdem Clarence ihn von Schmutz und Blut befreit hatte. Sich mit seinen schlanken Fingern Tischknabbereien in den Schlund schmeißend, noch genauso neugierig und unwissend ob des weiteren Vorgehens wie noch die Tage zuvor und doch handzahm, statt sich mittlerweile gegen seinen schweigsamen Partner aufzulehnen.

Wer auch immer dieser Ramires war, er hatte nicht mal annähernd so viel Zeit, Aufwand, Zuwendung und Liebe in Matthew Cassiel investiert wie der Jäger es getan hatte und egal welch einzigartig strahlende Schönheitsgestalt dieser Kerl auch sein mochte:

Clarence war sich über die vergangenen Monate hinweg seines Wertes für Cassie mehr als bewusst geworden. Ganz gleich wie sprunghaft der Dunkelhaarige früher einst gewesen sein mochte, er würde ihre Partnerschaft nicht für ein kurzes, unüberlegtes Tête-à-Tête aufs Spiel setzen wenn damit die Gefahr bestünde, seinen bibel(un)treuen Christen zu verlieren.

Der Schamane mochte ein eifersüchtiger Gefährte sein, aber echten Grund zum Neid, das hatten andere.

Vermutlich hatten alle anderen außer ihm auch die Möglichkeit auf unendliche Flitterwochen, so oder so ähnlich stellte Joseph sich das jedenfalls vor, nachdem seine eigenen durch den Zwischenstopp in Rio Nosalida vorerst unterbrochen wurden.

„Wir machen morgen einen langen, ausgedehnten Spaziergang durch die Stadt und lernen die örtlichen Gepflogenheiten ein wenig kennen. Und wenn es sein muss, spazieren wir übermorgen auch, falls das deine Frage bezüglich unseres Aufenthaltes beatwortet.“

Das wagte er natürlich stark zu bezweifeln, aber ganz als wäre es nicht so, warf er Anthony einen vielsagenden Blick über den Rand seines Glases hinweg zu und nippte dabei erneut an seinem Whisky. Der Tropfen war sicher nicht der edelste den eine Metropole zu bieten hatte, sondern reichte für die hart arbeitende Hafenzunft bei weitem aus; Joseph war jedenfalls nicht anspruchsvoll und so war es Clarence auch nicht.

„Weißt du noch was ich dir darüber erzählt habe, auf welche Weise ich mich wo mit meinen Freunden verabredet habe? So oder so ähnlich wird es hier auch laufen, nur im kleineren Stil eben und daher etwas langatmiger. Wir sind im Zeitplan ziemlich zurück gefallen… ich kann mir nicht vorstellen, dass sie allzu lange an Ort und Stelle geblieben sind.“

Die beiden zu finden würde sicher eine wahre Schnitzeljagd werden wenn man bedachte wie wachsam die Augen in einer Stadt wie dieser hier fremden Jägern gegenüber waren, aber seine Komplizen waren zwei helle Köpfe, wie sich schon bei den Planungen heraus gestellt hatte – dass sie als Treffpunkt keinen öffentlichen Platz auserkoren hatten, lag wohl offensichtlich auf der Hand.


Matthew C. Sky

Natürlich wollte Clarence in etwa so gern über das Bevorstehende reden, wie eine Katze danach verlangte ein Bad im Meer zu nehmen. 

Aber auf der anderen Seite, war es wichtig, dass Matthew eingeweiht war und wusste wie der Plan aussah. Denn wusste er das nicht, würde er Clarence im Ernstfall nicht nur nicht helfen können, vielleicht würde er sie beide sogar in Schwierigkeiten bringen. 

Aber bevor es ernst wurde, ließ sich Joseph dazu hinreißen, klarzustellen, dass er kein Bett für sich brauchte und auch keins für sich alleine wollte. 

Die unverhohlene Offenheit mit welcher der Blonde die Dinge beim Namen nannte, zauberte Matthew beziehungsweise Anthony eine charmante kleine Röte auf die Wangen. 

Er betrachtete seinen Mann über das Bierglas hinweg und je länger er in die Augen von Clarence blickte umso weicher und verliebter wurde der Ausdruck in seinen eigenen. 

Als das mit ihnen angefangen hatte, da war es ihm vollkommen irrsinnig erschienen, dass sie irgendwann offen miteinander über ihre Gefühle reden würden. 

Der Blonde war verschlossen gewesen und Matthew hatte sich lange Zeit schwer damit getan, sich mehr einzufordern. Außerdem war er selbst alles andere als gefühlsduselig gewesen und weder hatte er sich vorstellen können, Clarence einmal ganz deutlich sagen zu können, dass er ihn liebte, noch hätte er gedacht der Größere würde diese Worte ihm gegenüber je gebrauchen. 

Aber da saßen sie nun, Joseph und Anthony und obwohl sie beide offiziell unverheiratet waren und in einem beruflichen Verhältnis zueinander standen, sehnten sie sich beide nach nichts mehr, als das sie jene Fassade fallenlassen konnten um wieder die zu sein, die sie eigentlich waren. 

Clarence Bartholomy Sky und Matthew Cassiel Sky.

Geht mir genauso...“, stimmte der Dunkelhaarige also zu, klang dabei nicht minder beiläufig als sein Gegenüber. 

„Ich glaube, ich könnte gar nicht mehr alleine schlafen.“ und schließlich fügte er an, den Blick kurz durch den Raum schweifen lassend 

„Aber ich weiß ganz sicher, dass ich es nicht will, so lange ich dich habe.“

Matthew nahm einen weiteren Schluck aus dem Glas und wischte sich dann mit dem Unterarm über die Lippen. 

Wenn es nicht so wichtig wäre, die Fassade ihrer neuen Identitäten zu wahren, Cassie wäre am liebsten aufgestanden und hätte sich zu Clarence gesetzt, seine Hand an die bärtige Wange gelegt und ihn geküsst. 

Er liebte diesen Kerl so sehr, dass er noch nicht einmal für wenige Stunden, nicht als sein Mann erkannt werden wollte. Aber dieses Mal war es wichtig, dass sie die Sache so gut wie möglich über die Bühne brachten, keine Risiken eingingen und kein Aufsehen erregten - und dafür mussten sie möglichst lange Joseph und Anthony bleiben. 

Nicht als Clarence’ Mann erkannt zu werden, war in Rio Nosalida vorerst der größte Liebesbeweis den Cassie dem Hünen machen konnte. 

Also unterdrückte er das Bedürfnis zu ihm zu gehen, trank stattdessen sein Bier weiter und lauschte auf das, was der Größere ihm erzählte. 

Offensichtlich bestand das Auffinden seiner Freunde darin, Augen und Ohren offen zu halten und darauf zu hoffen, dass sie noch hier waren oder zumindest Hinweise hinterlassen hatten wohin sie als nächstes gereist waren. 

Dieser Plan war kein Plan und Matthew schüttelte ungläubig den Kopf.

Joseph und Anthony borgten ihnen Zeit, Zeit nicht erkannt zu werden und damit Zeit, sich frei in der Stadt bewegen zu können. 

Aber das würde nicht ewig funktionieren und wenn sie dann noch immer auf Clarence‘ Freunde warten mussten oder irgendwelchen Spuren nachgehen mussten, dann wäre das mit erheblichen Schwierigkeiten und Gefahren verbunden. 

Matthew gefiel das ganz und gar nicht. Bisher waren sie immer selbst ihres Glückes Schmied gewesen, hatten Wohl und Wehe in den eigenen Händen gehabt. 

Aber dieses Mal waren sie auf andere angewiesen. Darauf, dass diese Leute das Vertrauen von Clarence verdient hatten und nicht gegen ihn ein ähnliches Komplott planten wie damals gegen Nagi Tanka. 

Der Blonde mochte sich auf seine Kollegen verlassen und ihnen glauben, aber für Matthew galt das nicht. Er vertraute sein Leben nur einem an und dieser jemand saß ihm gegenüber und trank Whiskey. 

„Das klingt nicht klug, nicht im mindesten.“, fasste er sein Empfinden in Bezug auf ihr Vorhaben zusammen und leerte schließlich sein Bierglas. 

„Lass uns hochgehen, hm? Und da den Rest besprechen.“

Noch bevor Joseph Einwände erheben konnte, stand der Dunkelhaarige auf und mit ihm die Hunde. Lucia, die erkannte, dass ihre neuen Gäste nun auf ihre Zimmer wollten, kam Anthony entgegen, warf den Vierbeinern einen kurzen Blick zu und schien dann zu entscheiden auf einen Hinweis bezüglich der Zimmerordnung zu verzichten. 

Weder die Hunde noch die jungen Männer sagen verwahrlost oder ärmlich aus. Im Gegenteil sogar. Und so setzte sie voraus, dass ihre Gäste ihr keine Schwierigkeiten bereiten würden. 

„Ich bringe euch rauf, die besten Zimmer hab ich rausgesucht.“, erklärte sie im Gehen nachdem auch der Blonde sein Glas geleert hatte und aufgestanden war. 

Vor dem Tresen führte eine kleine schmale Treppe sie hinauf, die Wände waren gelb verputzt und Kerzen erhellten flackernd den Weg. 

Die leicht gewundende Treppe bestand aus flachen, abgewetzten Stufen aus Stein und mündete schließlich in einen wenig breiteren Flur. 

Auf dem Boden lag ein alter Läufer in den Farben blau und weiß. Am Ende des Gangs gab es ein Fenster mit Blick zum Meer. Auch hier flackerte Kerzenlicht und malte ihre dunklen Schatten an die Wände. 

„Hier ist ein Zimmer.“, erklärte Lucia und öffnete die Türe mit einem Schlüssel.

„Und direkt gegenüber, ist das zweite. Beide haben Blick aufs Meer. Beide haben Bad mit Wanne und ein großes Bett. Wenn etwas ist, lasst es mich wissen, sí?

Gracias por la hospitalidad. Estoy seguro de que estamos durmiendo bien.“

Lucia strahlte Anthony entgegen, als dieser so charmant und höflich für ihre Gastfreundschaft dankte und ihr versicherte, dass sie gut nächtigen würden. 

Sie wünschte den beiden Männern „Buenas noche“ und händigte ihnen die Zimmerschlüssel aus, ehe sie sich daran machte den Flur wieder hinunter zu gehen. 

Kurz darauf verschwand sie auf der kleinen Treppe und ließ Joseph mit Anthony allein. 

Diese schauten sich nacheinander beide Zimmer an, wobei sie weitestgehend schwiegen. 

Die Einrichtung der Zimmer war unterschiedlich, aber qualitativ bei beiden in Ordnung. 

Überraschenderweise, bestand weder die Füllung der Matratzen noch die der Decken und Kissen aus Stroh - was nicht mal in gehobeneren Lokalen in Coral Valley selbstverständlich war. Die Betten waren in beiden Zimmern nicht riesig, aber annehmbar, die Ausstattung der Bäder zweckmäßig und solide. 

Nachdem sie also das zweite Zimmer begutachtet hatten, schloss Matthew die Türe und stellte seine Tasche ab, um darin zu kramen. 

Kain und Abel erhielten etwas Dörrfleisch und klebrig gekochten Reis von heute Mittag, ein Mahl mit dem sich die Hunde zufrieden gaben. 

„Oh man... was für ein Tag... wenn ich dran denke, dass das heute wahrscheinlich noch der geschmeidigste von allen war, die wir hier haben werden, reicht es mir jetzt schon...“

Er trat ans Fenster, blickte hinaus aufs Meer und zog sich schließlich sein T-Shirt über den Kopf um es direkt auf einen nahen Sessel zu werfen. 

Dann zog er die Vorhänge vor und sah über seine Schulter zurück zu Clarence, der sich daran machte seinen Rucksack auszupacken. 

„Du kannst dich nicht den restlichen Abend mit deinem Gepäck beschäftigen.“, erinnerte Cassiel seinen Mann. 

Mit leisen Schritten näherte er sich dem Bett, auf dem der Rucksack stand und ausgeräumt wurde.

Ungefragt griff er nach dem Teil und stellte es runter auf den Boden, entzog es damit der Reichweite seines Mannes und drängte diesen mit sanftem Druck dazu, sich auf das Bett zu setzen. 

Er selbst blieb davor stehen und sah herunter auf seinen Mann.

Schweigend legte er eine Hand an Clarence‘ Hinterkopf und drückte den Größeren mit der Stirn an seinen nackten Bauch während er mit den Fingern durch die blonde Mähne kämmte. 

„Du machst dir Sorgen. Ich weiß... Aber ich weiß auch, dass wir das hinkriegen. Wir haben bisher immer alles hingekriegt, seit wir zusammen sind.“

Behutsam strich er Clarence weiter durch sein Haar, hielt ihn bei sich und schwieg wieder still. Es war keine einfache Zeit, die ihnen bevorstand, aber wenn sie zusammenhielten und sich - wie sonst auch - auf den anderen verließen, würde alles gut werden. So wie immer - und daran glaubte Matthew auch dieses Mal. “Ich liebe dich, Baby. Du hast keine Ahnung wie sehr. Wir passen aufeinander auf wie immer und ehe wir uns versehen bist du deinen Clan offiziell los und wir kümmern uns nur noch um das was vor uns liegt, statt um die Vergangenheit. “


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