Eiswüste
13. Juli 2210
Es hätte seltsam geklungen, hätte Clarence sein Empfinden laut ausgesprochen, aber gerade fühlte es sich so an, als wären sie sich beide noch nie so nah und einig gewesen wie in dieser Nacht. All die amourösen Stunden, die leidenschaftlichen Minuten und zarten Küsse… nichts davon hatte Bedeutung verglichen mit jenem einen ersten Kuss nach ihrem Wiedersehen, mit der überwältigten Umarmung oder etwa dem ernsten Blick in Cassies Augen, der genauso sehr wie er verstand, dass nur sie beide zählten, wenn es hart auf hart kam.
Es war immer nur um sie beide gegangen. Darum ein trockenes Lager zu finden, sich nachts im dunklen Wald nicht ausrauben zu lassen. Ein gutes Stück Fleisch fürs Abendessen fangen zu können, wobei das für Matthew grundsätzlich etwas größer zu sein hatte oder genug Wasser abzukochen, um im Notfall für mehrere Tage etwas rationieren zu können.
Selbst wenn sie in Städten oder Dörfern angekommen waren, hatten sie sich spätestens nach wenigen Tagen wieder zusammengefunden und hatten ihre weitere Reise geplant, damit keiner von ihnen Schaden nahm oder sich bei zu viel Übermut verausgabte.
Es hatte sie nie interessiert ob in einer Ortschaft das Elend wohnte, ob die Leute dort genug zu essen hatten oder nicht. Am Ende waren sie sich immer selbst am nächsten gewesen – und hätten sie das nicht, wo wären sie dann heute? Wären sie beide noch lebendig, wären sie dann zusammen?
Sicherlich, heute war es keine einfache Ortschaft durch die ihre Reise sie führte, sondern sie saßen im gleichen Boot mit diesen Menschen, die sie nicht kannten. Vorsichtig achtete Clarence darauf wohin er seine Füße setzte, was ihm durch die Schuhe nun plötzlich gleich noch mal ein bisschen schwerer fiel, denn das Gefühl war noch immer nicht völlig in seine Zehen zurück gekehrt. Sein Blick streifte das überschaubare Areal, das die kleine Gruppe während des Tages abgetrennt hatte und es dauerte einen Moment, bis er an der Spitze des Haufens mit Lumpen an der Wand einen Haarschopf ausmachen konnte von dem das Schnarchen her dröhnte und das Lager der jungen Frau, die ihm bei seiner Ankunft geholfen hatte.
Für sie musste er gewirkt haben wie ein Irrer… oder hätte es zumindest, wenn sie den Hintergrund seines wirren Auftretens nicht gekannt hätte. Ihre Sorge hatte seinem Arm und seinen Füßen gegolten und doch hatte er von nichts anderem reden können außer dem dunkelhaarigen Mann mit den braunen Augen und den großflächigen Tätowierungen, dessen Finden ihm zweifelsohne wichtiger war, als seine eigene Unversehrtheit.
Es dauerte einen Moment bis er begriff, nach wem oder was Cassie wohl hinter dem Tresen geschaut hatte, doch das Fehlen jeglichen roten Haars in diesem Raum und das Ausbleiben von Bedrückung im Blick seines Mannes, ließ ihn schnell begreifen.
Was Matthew mit den anderen Überlebenden hier geschaffen hatte, hätte nüchtern betrachtet sicher traurig und deprimierend gewirkt – und war doch mit realistischem Blick unglaublich angesichts dessen, was heute mit ihnen allen passiert war. Sie hatten einen geschützten, überdachten Ort gefunden den sie hatten wärmen können, an dem sie ohne Anspannung die Augen schließen konnten und sogar schlafen, falls man dafür die Ruhe fand.
Eigentlich wollte er seinen Mann nicht loslassen, weder um ihn bis zum Tresen, noch um ihn bis zum Wagen mit dem Stoffen gehen zu lassen und doch musste er einsehen dass dieser Ort sicher und überschaubar genug war, um Matthew nicht aus dem Blick zu verlieren.
Immer wieder erstaunte es ihn aufs Neue, wie besonnen und gut durchdacht der kleine Taugenichts war, wenn es tatsächlich um etwas ging. Zwar erinnerte Clarence sich nicht mehr an den ersten Tag danach, dafür aber umso besser an all die anderen, als Cassie ihn eigenständig aus dem Spinnenfeld und bis in ihr Bett gezerrt hatte. Der Kleine hatte so fertig und so zerzaust ausgesehen, dass Claire an manchen Tagen ein schlechtes Gewissen bekommen hatte und trotzdem hatte sein Böckchen immer wieder genug Kraft gefunden um ihm durchs Haar oder den Bart zu streicheln… genauso, wie er es eben hinten in den Lagerräumen getan hatte. Es waren diese scheinbar unscheinbaren Momente, in denen er immer wieder zu spüren bekam, wie wichtig er Matthew war und dass dieser Mann sein letztes Hemd für ihn geben würde, mit den letzten Kräften die ihm geblieben waren. Die Liebe, die Cassie für ihn empfand, endete nicht mit kindsköpfigen Aktionen seitens Clarence oder monatelang unterschlagenen Bonbons und genauso wenig endete die Liebe des Älteren mit den frechen Kommentaren, die Matthew sich nicht mal in dieser katastrophalen Situation verkneifen konnte.
Die blonden Brauen hoben sich skeptisch, beinahe abwartend – so als habe er sich vielleicht verhört und würde gleich wohl von selbst auf die richtige Lösung des von Cassie Gesagten kommen, wenn er sich nur einen Moment länger gab. Seine Hände lagen, nach einigem planlosen umher blicken, auf der Kante einer aufgestellten Barrikade die sich bei näherem Hinsehen als flacher Präsentiertisch aus Metall bewies und die einigermaßen die richtige Größe für sie beide haben musste, um sich auf dem direkten Boden nicht in der Nacht die Eier abzufrieren.
„HHalt die Klappe, Reed“, gab er in gewohnt alter Manier auf die Stichelei zurück, doch nicht weil er das ernsthaft so meinte, sondern weil sich Cassie so oder so ähnlich garantiert einen trockenen Kommentar gefangen hätte, würden sie die Zeit um ein Jahr zurückdrehen. Etwas das Clarence nicht wollte, für kein Geld der Welt.
Missmutig brummelte er, denn nicht einmal zum Scherz in die damalige Beziehung zwischen ihnen zurück zu reisen, fand er besonders unterhaltsam. Die Vorstellung, sie wären abgestürzt und wären kein Paar… würden sich mehr als alles darüber freuen den anderen lebendig wiederzufinden, ohne ihn anfassen oder gar küssen zu dürfen, das war ein dystopisches Szenario, das dem Blonden beinahe das Herz brach.
Ein leises Stöhnen drängte sich seine Kehle hinauf als er seinen ramponierten Arm zur Hilfe nahm um den Tisch wieder aufzustellen und ihn möglichst leise in Position zu bringen, ohne dabei die anderen zu wecken. Matthew war so schön wenn er lächelte, ganz gleich welche Narben und Macken den jungen Mann zierten. Erhellt vom flackernden Schein des Feuers, erinnerte ihn der Anblick an den frechen Reed, der ihm abends am Lager ein Ohr abkaute ohne dafür besondere Resonanz zu erfahren und der trotzdem nicht müde wurde zu versuchen, dem Bären ein Lachen zu entlocken. Eines jener Sorte, wie Cassie sie erst viel, viel später zu hören bekommen hatte.
„Du hast mir nicht gesagt, dass… ihr Kinder gefunden habt…“, stellte er mit einem leisen Nicken gen Gitterregal fest und betrachtete sich den freiliegenden kleinen Fuß des Jungen, dessen Zehen im Schlaf zuckten. Träumte er von dem Absturz? Oder von schönen Erinnerungen, die er weit mehr verdient hatte in einer Nacht wie dieser?
Der Anblick der beiden glich einem kleinen Wunder, denn wenngleich verdreckt, wirkten sie weitestgehend unverletzt. Adrianna hatte einen ganzen Arm eingebüßt, Cassie sich das halbe Schulterblatt heraus gefetzt und der Blonde Füße die so zerschunden waren, dass man ihn glatt für eine der bösen Stiefschwestern Cinderellas halten konnte, die versucht hatte sich einen Teil abzuschneiden, nur um in den gläsernen Stiefel zu passen. Und Ellen… die lag tot irgendwo hinter den Regalen, wo man sie nicht gleich zu Gesicht bekam.
Die beiden Kleinen allerdings, die so zart und zerbrechlich waren, schienen kaum mehr als ein paar Schrammen zu haben. Wie ein Funken Hoffnung lagen sie dicht am Feuer, ineinander verwoben und sich gleichzeitig gegenseitig vom provisorischen Bett drängend, so als wäre die Welt völlig in Ordnung wenn man nur etwas Wärme, einen Ort zum Schlafen und einander hatte.
Ein warmes Lächeln legte sich bei diesem Gedanken über seine Lippen, während er dem Tisch einen letzten Schubs gab und schließlich wieder hinüber zu Matthew blickte. Auch für ihn war es machbar hier zu überleben, solange er nur diese drei kleinen Dinge hatte und sie ihn nicht verließen.
Vorsichtig ließ er sich auf dem Tisch nieder, testete die Stabilität und befand die dicke Platte für brauchbar, um sie beide heute Nacht für ein paar Stunden auszuhalten. Sicher, der Untergrund war hart und würde ihrer beider Verletzungen keinen Gefallen tun, aber letztlich war es auch nicht härter als das Regal der Kinder, der Boden des schlafenden Deckenberges oder die auf Steinen gestapelten Regalbretter, auf denen die junge Frau sich niedergelassen hatte.
„Cassie…“ – Halbherzig wischte er mit der Hand etwas Dreck von ihrem neuen Bett, eine Arbeit die die Liegefläche danach auch nicht besser aussehen ließ als vorher, und tätschelte anschließend den freien Platz neben sich um seinem Mann zu bedeuten, er solle sich nicht mehr allzu viel Zeit beim Wühlen und beim Feuer lassen. „Dir ist klar, dass ich hier kein Auge zu tun werde, wenn wir keine Position finden in der wir uns gegenseitig aushalten?“
In den vergangenen Monaten hatte er nur deshalb geschlafen weil der nächtliche Herzschlag und Cassies Wärme ihn beruhigten, zwei Komponenten die sich deutlich reduzierten, nun wo er sich mit seinem Gewicht wohl schlecht auf den kaputten Torso seines Mannes niederlassen konnte. Alternativen zu Matthew gab es nicht besonders viele und über die, die es gab, hatten sie bislang noch kein Wort verloren.
„M-Meinst du… wir finden Abel und Kain? Vielleicht h-haben die beiden… eine Chance hier draußen, wenn der Käfig sie nicht…“, doch weiter wollte er gar nicht reden, alleine schon die Vorstellung war zu grausam für ihn.
„Sie haben… ‚Mutter aus ewiges Eis‘, das sind… gute Voraussetzungen hier zurecht zu kommen wenn sie in Freiheit sind und… uns zu finden. Oder wir sie, je nachdem…“
Ihre Hunde, selbst wenn die beiden anfangs unheimlich viel Platz auf ihrem Boot weggenommen hatten mit zunehmender Größe, waren zu einer solchen Selbstverständlichkeit in ihrem Alltag geworden, dass ihr Fehlen dem Blonden nun umso schmerzhafter auffiel. Sicher, es wäre gelogen zu behaupten er hätte um die beiden mehr Sorge gehabt als um seinen Mann oder er hätte die beiden lieber gefunden als Cassie, aber das bedeutete nicht, dass ihr Überleben dem Jäger nicht wichtig wäre, nur weil er mit Priorität nach Matthew gesucht hatte.
Clarence mochte ihre Anfänge rückblickend betrachtet furchtbar finden, aber Matthew nahm jenes Früher immer wieder gern zum Anlass um ein bisschen herumzualbern.
Ihre Beziehung war so schrullig gewesen, so anders als jetzt und doch waren sie beiden noch immer die gleichen.
Auch dieses Mal verfehlte seine witzelnde Bemerkung ihr Ziel nicht und auf die grummeligen Erwiderung des Bären hin wurde Cassies Lächeln noch ein bisschen amüsierter.
Ein Lächeln, welches verblasste als der Blonde ihn auf die Kinder ansprach.
Tatsächlich war es wirklich ein kleines Wunder, dass die zwei hier bei ihnen waren, scheinbar fast unverletzt.
„Ich hab sie gefunden als ich dich gesucht habe. Das Mädchen war bewusstlos und hat nicht geatmet... sie heißt Lucy und ihr Bruder Gabriel.“
Nachdenklich betrachtete er die beiden. Sie waren so zart, so klein und so zerbrechlich und doch waren sie heil geblieben. Zerbrochen waren andere.
„Ich denke...es geht ihnen den Umständen entsprechend gut. Lucy wollte heute schon mit mir kommen, als Ceyda und ich einen der Läden durchsucht haben.“
Er lächelte vage darüber und war froh, dass er sie hatte überzeugen können lieber auf ihren Bruder aufzupassen.
Sie war ein aufgewecktes Mädchen, aber so wie sie nun friedlich schlief, war sie eben auch ein erschöpftes Mädchen.
Cassie vergrub die Finger in den warmen Stoffen und blickte einen Moment ins Feuer, dann löste er sich von dem Wagen und legte noch etwas Holzstücke in die Flammen, die sich gierig über die neue Nahrung hermachten.
So würden sie durch die Nacht kommen und zwar hoffentlich ohne sich eine Lungenentzündung zu holen.
Ihre Gruppe war klein und der Verlust von Ellen war schrecklich, wenngleich wenig überraschend. Aber noch einen weiteren Toten bei Morgengrauen zu finden...das wäre zu viel.
Ellen war selber noch mehr ein Kind als eine Erwachsene gewesen, doch darum hatte sich das Schicksal nicht gekümmert. Das tat es nie und nun war sie fort.
Matthew blickte auf, als er seinen Namen hörte. Clarence wischte über den Tisch und klopfte lautlos auf die Platte, eine stille Einladung endlich zu ihm zu kommen. Und bei Gott: da ließ er sich nicht zweimal bitten.
„Finden wir, keiner von uns verzieht sich die Nacht und lässt den anderen allein schlafen.“ verfügte Matthew und nahm sich aus dem Fundus etliche Stoffe. Wenn sie nachher erwachten würden sie vermutlich Muskelkater der schlimmsten Sorte haben, aber angesichts dessen, dass sie den Absturz überlebt hatten waren schmerzende Muskeln kein Problem.
Leise durchquerte Matthew den kleinen Raum und steuerte ihr provisorisches Bett an auf welches er die noch warmen Stoffe legte. Mit mehreren Lagen bedeckte er die glatte Tischfläche und in eine dünne Decke wickelte er mehrere Shirts ein, wodurch eine Art Kissen entstand.
Schweigsam dachte er über Kain und Abel nach.
Ihre zwei Anhängsel, gefunden in Coral Valley wo Clarence sie ihm gekauft hatte.
An sie zu denken tat weh und zu glauben sie seien tot schmerzte noch mehr. Trotzdem mussten sie realistisch bleiben und wie hoch standen die Chancen, dass sie noch lebten?
Während Cassie mehrere Tücher und Oberteile aneinander festknotete um eine Decke zu schaffen unter der sie beide Platz hatten dachte er an die zwei Hunde, die ein Teil ihrer Familie waren. Es war nicht realistisch, dass sie noch lebten. Aber es war auch nicht realistisch selbst den Absturz zu überleben. Es war auch nicht realistisch, dass Clarence ihn überlebt hatte und sich in all dem Chaos wiederzufinden noch bevor man die erste Nacht allein verbringen musste...auch das war nicht wahrscheinlich.
Trotzdem war es so.
„Als ich vorhin draußen war...hab ich Teile des Frachtraums gefunden. Mit...Tierkäfigen. Die meisten Tiere waren schon tot. Aber einige Käfige waren auch offen und leer.“
Sich Hoffnung machen hieß immer, sich angreifbar machen für die grausame Realität. Aber für heute hatte Matt genug Tränen vergossen und genug Angst gehabt.
„Ich hab sie nicht gesehen. Also...sind sie vielleicht noch am Leben und wenn das so ist....finden wir sie morgen.
Das Wetter wird ihnen nichts ausmachen, ihre Mutter war ‚aus die ewige Eis‘ wie wir beide wissen.“
Er schmunzelte ein bisschen.
„Bis wir nicht wissen, dass sie tot sind, glaube ich daran, dass sie leben. So wie ich auch darauf beharrt habe dich lebendig wiederzusehen.“
Er hob den Blick von der ungleichmäßigen Decke und schaute neben sich zu Clarence.
Der Blonde sah fertig aus, müde, zerschrammt, durchgefroren und besorgt.
„Sie sind zäh. Genau wie wir. Deshalb...“ er zögerte kurz, dachte nochmal darüber nach und beantwortete schließlich Clarence gestellte Frage mit den Worten:
„Ja...ich glaube wir finden sie.“
Er ließ die Decke sinken nachdem er ein weiteres Oberteil festgeknotet hatte, schlug sie einmal in der Mitte zusammen damit sie etwas dicker war und drapierte sie dann auf ihrem ‚Bett‘ sodass sie nur noch darunter schlüpfen mussten.
„Los jetzt, rein da...die Stoffe sind noch warm.“
Er stand wieder auf, ging vor Clarence in die Knie und löste dessen Schnürsenkel.
Dass er die gefütterten Winterstiefel eingepackt und Adrianna Clarence‘ Rucksack gefunden hatte, war ein verdammter Segen.
„D-Du legst dich zuerst hin und ich...ich komme dann an dich gerutscht. Ich glaube ich m-muss auf dem Rücken liegen a-aber das wird schon.“
Die Nacht würde vermutlich nicht bequem werden, aber sie würden sie überleben und dank dem Feuer und der Decke wahrscheinlich auch bald nicht mehr frieren.
Etwas umständlich nahm Clarence seinen Platz auf dem Tisch ein, versuchte sich so hinzulegen, dass die Schmerzen erträglich waren und gleichzeitig genug Platz für Matthew zu lassen. Letzterer erkannte die Bemühungen seines Bären, was ihn den Kopf schütteln ließ.
„Leg dich vernünftig hin, ich finde Platz wenn du deinen gefunden hast.“
Kritisch beäugte Matthew seinen Mann und wartete darauf, dass dieser eine Position gefunden hatte die zumindest halbwegs bequem zu sein schien.
Erst dann schob er sich zwischen Regal und Tisch vorbei und setzte sich umständlich auf das Bett.
Unter gedämpftem Stöhnen zog er nacheinander die Knie an und löste die Schnürung seiner Schuhe um sich dieser zu entledigen.
Vorsichtig rutschte er an Clarence, versuchte sich auf den Rücken zu legen und verzog schmerzhaft das Gesicht als er sich ungeschickt selbst den Ellenbogen in die Seite drückte.
Ein leiser Schmerzlaut verließ seine Lippen, bemüht unterdrückt um niemanden zu wecken.
Umständlich robbte er zu Clarence, drehte den Kopf zur Seite um den Blonden ansehen zu können und lächelte.
„Das Fell...Ich vermisse unser altes Fell. Es liegt auf der Harper Cordelia, auf unserem Bett und wartet darauf, dass wir wiederkommen.“
Er zog die Bettdecke etwas höher, über Clarence‘ Brust und über seine eigene.
„Geht es einigermaßen? Wirst du schlafen können?“
Unter der Decke suchte und fand er die Hand seines Mannes und steckte kurz darauf den Kopf unter die Decke um die kalten Finger des Größeren warm anzuhauchen.
„Gleich wird’s wärmer, Bärchen. Versprochen.“
Er hob die Hand an Clarence‘ Wange, streichelte auf zärtlich vertraute Weise durch den Bart und musterte den Blonden. Ihn, jenen Mann von dem er dachte er hätte ihn verloren und der jetzt aller Unwägbarkeiten zum Trotz bei ihm lag.
Lebendig und echt. Sein Bär.
„Ich lieb dich so sehr. So unfassbar sehr.“
Perplex zogen sich die blonden Brauen zusammen bei Matthews Bemerkung, es würde sich in der Nacht keiner verziehen und den anderen alleine schlafen lassen. Clarence hatte mit keinem Wort davon geredet abzuhauen wenn sie keine annehmbare Position fanden, noch war ihm jemals ein derartiger Gedanke gekommen.
„Hast wohl schon darüber nachgedacht dich zu verziehen, mh?“, wollte er also wissen, eher um ein bisschen zu sticheln, als dass er es wirklich ernst gemeint hätte. Eventuell vielleicht, wären sie noch auf ihrem Boot, hätte Clarence sich vorstellen können, einer zog freiwillig auf die Bank der Essecke um, wenn es beieinander vor Schmerzen wirklich nicht auszuhalten war. Aber da waren sie auch Zuhause und hier, in der Eiswüste… da gab es keinen Ort an dem er jetzt lieber sein würde als in Cassies Armen, ganz gleich wie groß die Schmerzen auch waren.
Und wenn sie sich damals schon nicht verzogen hatten, als sie noch schrullige Kotzbrocken zueinander gewesen waren, würden sie es heute erst recht nicht tun.
Kurz erhob er sich um die provisorische Bettauflage auch auf seiner Ecke auszubreiten, bevor er Matthew nachdenklich die kleinen Bündel abnahm, die er nach kurzem Überlegen als Kissen erkannte. Zögerlich drehte er sie in den Händen während er seine Gedanken sortierte und den Erzählungen über den Fund seines Mannes lauschte.
Das Wrack, still und bedrohlich, hatte Clarence nur aus der fernen Höhe bei Tageslicht erblickt und danach nur den dunklen Kadaver in der Finsternis, in dem er auf seinem Weg kaum mehr Details hatte ausmachen können als das Offensichtliche.
Es musste unheimlich und deprimierend gewesen sein, was Matthew dort alles gesehen hatte. Furchteinflößend und atemraubend, letzteres allerdings ohne das be und ohne die positive Überwältigung.
Und ohne die Hunde, was erschreckend war und doch wie ein leichter Schimmer der Hoffnung am Ende der Nacht schien.
Still nestelte der Blonde am Umschlag des zweiten Kissens herum und hob dann und wann die improvisierte Decke auf ihr Nachtlager zurück, wann immer sie auf den Boden fiel.
„Ja… ich hoffe auch, wir finden sie“, murmelte er leise, wobei man seiner Stimme weit weniger die Überzeugungskraft entnehmen konnte, die sein Mann aufwies. Erfahrungsgemäß überlebte das, was er liebte, die Katastrophen nicht, die über ihn herein brachten; dass er Cassie wiedergefunden hatte konnte seinen unaufhörlichen Gebeten zu verdanken sein oder einfach der Toten, die wohl entgegen ihrer eigenen Verfassung zum Trotz alles gegeben hatte, um andere zu retten. Wenige zögernde Minuten später wäre er vielleicht tot gewesen und dass so eine Ellen auch über ihre Hunde herein gekommen war, schien ihm weit weniger wahrscheinlich.
Der heutige Tag war tatsächlich eine Achterbahn der Gefühle, denn selbst der Wiedersehensfreude folgte früher oder später die nüchterne Erkenntnis, dass sie noch lange nicht komplett waren. Vermutlich würden Abel und Kain nie wieder zum Knäuel zusammen gerollt in ihrem Schrank liegen oder morgens zu Cassies Verdruss mit ins Bett steigen um sie zu wecken, noch würden sie je wieder nach dem Mittagessen zu viert zu einem Spaziergang aufbrechen, um mit den beiden Rabauken um Stöcke und Äste zu streiten.
„Du warst schon… immer viel besser im Basteln mit Sachen. Ich könnte dir einen trockenen U-Unterstand für die Nacht… aus Blättern und Ästen bauen, aber ich wäre nie auf d-die… die Idee gekommen, einfach die Sachen aneinander zu knoten. Du w-weißt, dass ich… dich nicht immer für einen T-Taugenichts gehalten habe… oder?“, wollte er leise wissen und reckte eine Hand unter die warme Knüpfdecke, während Matthew ihn umsichtig aus den Schuhen befreite. Einerseits hatte der Blonde ein schlechtes Gewissen, dass sein Mann so viel tat und ihn so umsorgte obwohl er doch selbst Schmerzen hatte, andererseits hätte Clarence die Stiefel sonst wohl auch einfach im Bett angelassen. Sie waren nie ein Team gewesen, das sich gegenseitig Vorwürfe gemacht hatte an Tagen wo einer mal weniger mit angepackt hatte oder an dem es einem nicht so gut gegangen war, um so viel zu leisten wie sonst.
Dass sich diese seltene Eigenschaft auch nicht bei Kälte und Schmerzen mitten in der Nacht verlor, war sicher eine ihrer vielen guten Angewohnheiten, wegen derer sie bis ins hohe Alter gut miteinander auskommen würden.
Kaum waren ihm die Stiefel ausgezogen, spürte er die eigentlich warme Luft kalt um seine Füße peitschen und das unangenehme Pochen zurück kehren, das sich anfühlte wie schneidende Peitschenhiebe. Schon vor Coral Valley hatte er sich die Füße unterkühlt und zu spüren bekommen wie schmerzhaft seine Selbstkasteiung werden konnte, doch das war nichts im Vergleich mit heute.
Blieb nur zu hoffen, dass er keine bleibenden Schäden davon behielt.
Die Aussicht darauf sich endlich hinlegen zu können, von den Füßen zu kommen und keinen einzigen Meter mehr durch den Schnee waten zu müssen mit ungewisser Aussicht darauf seinen Mann überhaupt zu finden, ließ seine Glieder schlagartig schwerer und den Hünen erstaunlich müde werden. Sein Gesicht wirkte eingefallen und erschöpft; er fühlte sich nicht nur schlagartig um Jahre gealtert, er sah auch so aus.
Mit einem leisen Ächzen hob er die schmerzenden Beine auf den Tisch und versuche seinen Platz zu finden, doch sein Bemühen darum möglichst viel Platz für Cassie zu lassen, wurde direkt im Keim erstickt – denn letztlich hatten sie eines gemeinsam: Sie hatten beide ein unglaublich waches Auge wenn es darum ging ihren verletzten Ehemann zu beglucken, das musste man ihnen einfach lassen.
Wenngleich es ihm unheimlich unüberlegt erschien, dass erst er selbst sich hinlegen sollte, folgte er den Anweisungen seines Mannes artig und folgte dem jungen Mann schließlich mit den Augen, als er ums provisorische Bett herum ging um zu ihm zu steigen. Matthew sah genau so fertig aus wie Claire sich fühlte und für einen Moment ergriff den Blonden die Angst, was war, wenn sein Böckchen derjenige sein sollte, der nachts einfach still und heimlich neben ihm starb.
Das gedämpfte Stöhnen Matthews, als er sich zu ihm begab, machte es nicht besser – immerhin hörte man von ihm selten Klagen wenn er Schmerzen hatte. Und wenn doch, dann musste es in der Regel schon ziemlich schlimm sein.
Besorgt beobachtete er seinen Mann, der sich zwischen Regal und Bett hatte hindurch zwängen müssen. Gewohnheitsgemäß hatte Clarence sich die Seite des Lagers genommen, die der Tür beziehungsweise Raum zugewandt war; so hatte er es sich angewöhnt seitdem sie sich ein Bett teilten, einerseits weil es sich so gehörte das Kleine zu beschützen wenn aus dieser Richtung Gefahr drohte, andererseits weil er ihn nicht wecken wollte, wenn Claire mal wieder früher aufwachte und schon mal aufstand.
Allem Leid zum Trotz, fand Cassie schließlich seinen Platz neben dem Bären und sogar noch Kraft dazu ihm die Hände zu wärmen und ihn zuzudecken. Dieser Mann hatte ihm gegenüber mal besorgt geäußert, dass er sich nicht vorstellen könnte ein guter Vater zu sein und just in diesem Moment fiel dem Blonden mal wieder kein guter Grund ein, warum er es nicht sein sollte.
„Ich lieb dich auch“, hauchte er schließlich leise zurück und griff nach Cassies Hand die über seine Wange streichelte, führte sie an seine Lippen und hauchte einen zarten Kuss auf die Finger seines Mannes.
„Ich w-weiß noch… wie du damals geschimpft hast über das Fell, als d-du mich… das erste Mal über Nacht in… dein Zelt eingeladen hast. Weil es dir zu alt und zu schmuddelig aussah… auch wenn es nur unter unseren Decken lag, um die Kälte vom Boden abzuhalten.“
Ein müdes Lächeln legte sich über seine Lippen, während er die Finger vorsichtig mit denen des Dunkelhaarigen verwob.
„I-Ich weiß nicht, ob… es dir aufgefallen ist… aber ich hab… das Fell gewaschen und ausgebürstet, als… wir damals das nächste Dorf erreicht haben. Ich dachte, wenn… w-wenn du mich schon in dein Zelt einlädst… sollst du dich wenigstens wohl mit mir und meinen Sachen fühlen.“
Und heute?
Heute trug Cassie seinen Pullover, vermisste das alte Schmuddelfell und genoss jede Sekunde, in der er seinen Bären möglichst dicht an seiner Seite hatte.
Nachdenklich brummte der Bär und musterte den Mann neben sich, der trotz allen Schrammen und dem Dreck auf seiner Haut so unbeschreiblich schön aussah, wie Clarence ihn in Erinnerung hatte. Wenigstens war dieses Mal Matthews Gesicht verschont geblieben, alles andere hätte der Jüngere sonst sicher nicht gut weggesteckt.
„L-Lass mich… was versuchen, ja?“, vorsichtig gab er Cassies Fingerspitzen frei und wühlte sich umständlich unter der Knotendecke umher. Selten machte Clarence etwas aus Zufall heraus und auch heute hatte er sich nicht unüberlegt hingelegt, sondern genau so, dass seine gute Schulter an der des Böckchens lag.
Auf diese Weise schaffte er es schließlich sich irgendwie auf die Seite zu wuchten und den Arm vorsichtig über Matthews Brust hinweg zu schieben, so wie er schon immer am liebsten lag und vermutlich immer liegen würde. Außerdem konnten sie sich so doch viel besser warm halten, als züchtig nebeneinander liegend.
„G-Geht das so für dich, mh? Bin ich zu schwer?“, wollte er leise wissen und musterte Cassie wachsam, damit das Böckchen ihn nicht anflunkern konnte. Zaghaft stupste er es dabei unter der Decke mit dem Fuß an, bevor er diesen langsam über das fremde Bein hinweg schob, sein Gewicht möglichst an Stellen auf seinem Mann drapierend, wo er wenige Wunden zu verzeichnen hatte… und wo sein Weg am Ende nicht mehr so weit war, mit seinen Lippen die des Jüngeren berühren zu können.
Warm und weich reckte er den Kopf um Matthew einen müden Kuss zu geben. Natürlich war es nicht ihr weiches Bett auf der Harper Cordelia und natürlich fühlten sie sich nicht halb so vital wie sie es auf hoher See tun würden, aber all das würde ihnen ihre gewohnten Nachtrituale nicht nehmen können.
„M-Morgen… räumen wir auf und… bauen uns ein richtiges Bett. W-Wir… werden ein paar Tage hier bleiben müssen, i-ich schaue… nach Addy und nach deiner Schulter. Wir stellen… einen Plan auf mit den Dingen die wir b-brauchen und… u-und du bastelst den Rest. Und dann… wenn wir a-alles haben und… alle soweit stabil s-sind… brechen wir von hier auf. V-Versprochen.“
Leise kicherte Matthew und musterte seinen Mann ganz verliebt als er ihm verriet, das alte Berglöwenfell damals extra gereinigt zu haben, nachdem Matthew sich darüber beschwert hatte.
„Ich hab mich immer mit dir wohlgefühlt, Claire. Was glaubst du, warum ich sonst bei dir geblieben bin, hm?“
Braune Augen blickten fragend in Blaue.
Sein Lachen war verstummt, aber in seinem Blick lag eben jener weiche Ausdruck von Liebe, der mehr Dankbarkeit und Glück verriet, als Worte allein es je könnten.
„Ich hatte viele Gelegenheiten zu gehen...aber die Wahrheit ist, dass ich niemandes Gesellschaft je so gemocht habe wie deine. Schon damals war das so und seither hat sich nichts daran geändert.“
Clarence hatte ihn gefunden, ihn gehegt und gepflegt und dann, als alle Wunden versorgt und das Fieber längst abgeklungen war, als sie eigentlich getrennte Wege hätten gehen können... da hatte er einfach weiter auf ihn aufgepasst. Und irgendwann hatte Matthew begonnen ebenso auf ihn acht zu geben.
Sie waren ein Team geworden, Freunde die sich aufeinander verlassen konnten selbst dann, wenn man eigentlich im Klinsch miteinander lag.
Aber selbst Streit über Kleinigkeiten reichte aus, um in dem anderen etwas zu bewegen. Und sei es sogar, dass Clarence sich die Mühe machte, einen Pelz zu säubern.
„Ich hab es nicht gemerkt... das Fell lag ja immer ganz unten.“ nun musste Cassie doch wieder leise Giggeln, aber der Schmerz in seiner Brust brachte ihn schnell wieder zum schweigen. Er schloss gequält die Augen und legte eine Hand an seine Seite, als könne er die gebrochenen Rippen dadurch abschirmen und beruhigen.
Hörbar stieß er den Atem aus, öffnete die Augen wieder und suchte erneut Clarence‘ Blick.
Der Blondschopf betrachtete ihn besorgt, ja regelrecht ängstlich, so als befürchtete er, Matthew würde hier und jetzt sterben. Vielleicht weil sich ein Teil einer zerborstenen Rippe verschob und sich in sein Herz oder in seine Lunge bohrte.
Aber das passierte nicht. Matthew lag einfach auf dem Rücken, atmete bemüht ruhig und versuchte sich die Schmerzen nicht anmerken zu lassen.
Ganz vorsichtig lehnte Clarence sich an ihn, legte den Arm um seine Brust und ein Bein über das des Jüngeren.
Diese Position war vertraut und anheimelnd und Cassie lächelte wieder - allen Schmerzen zum Trotz.
Die Hand, die eben noch auf der Wange des Bären geruht hatte, stahl sich nun hinauf zu seinem Schopf. Träge streichelten die schlanken Finger durch das Haar seines Liebsten, entwirrten die feuchten Strähnen und kämmten sie behutsam aus Clarence’ Gesicht.
„Du bist nicht zu schwer für mich...“, erwiderte der Dunkelhaarige müde und strich mit der Nasenspitze über die des Größeren.
„Diese Position ist genau die richtige.“ flüsterte er und küsste die eben noch gestreichelte Nase.
Nun da sie so friedlich beieinander lagen und zur Ruhe kamen, wurde Matthew von Sekunde zu Sekunde müder.
Er hatte das Gefühl, dass ihm jeder Knochen im Leib wehtat und jeder Muskel angerissen war.
Über weite Teile des Tages hatte er heute nur funktioniert, das Adrenalin hatte ihn aufrecht und wach gehalten, dazu die Panik seinen Mann gar nicht mehr oder nur noch tot zu finden.
Er war fertig und doch fühlte er sich jetzt gerade unglaublich wohl. Es war die Nähe zu Clarence, das Wissen darum, dass sie einander nicht verloren hatten.
Er brauchte nichts um zufrieden zu sein, kein Fell, kein Bett, kein Zelt. Nur Clarence war wichtig.
Egal wie unbequem ihr Tischbett eigentlich hätte sein müssen, für Matthew war es gerade der beste Platz auf der ganzen Welt.
Müde schloss der junge Mann die Augen, atmete leise durch und es schien, als würde er bereits einschlafen.
Aber dann versprach Clarence ihm, dass er sich morgen daran machen würde ein richtiges Bett zu bauen und aus dem Unterschlupf von heute ein richtiges Lager zu machen.
Matthew wusste, dass Clarence das konnte.
Er hatte schon immer aus nichts einen sicheren Hort zu schaffen vermocht und daran würde sich nie etwas ändern.
Es dauerte trotzdem einen Moment bis er antwortete, leise wispernd und mehr schlafend als wachend.
„Morgen...hmmm...du bist da... morgen wird gut.“, fasste er seine einfache Sicht auf die Dinge zusammen.
Was sollte schiefgehen, nun da sein Mann wieder bei ihm war? Sie würden Vorräte finden, die Häuser der Alten nach nützlichem Zeug durchforsten, nach Überlebenden suchen... und sie finden.
Sie würden die Toten begraben und dann würden sie weiterziehen und sie würden überleben.
Und warum?
Weil sie noch fünf Metropolen vor sich hatten in denen sie heiraten würden. Ganz einfach.
Weil ihr Leben noch vor ihnen lag. Und während Matthew genau daran dachte, den Duft seines Liebsten einatmend und seine Wärme spürend...wurden seine streichelnden Finger immer langsamer und träger, bis sie ruhten, vergraben im Schopf des Hünen und dessen Kopf sanft bei sich haltend.
In seinem Kopf sagte er Clarence, dass er ihn liebte und ihm eine gute Nacht wünschte, doch tatsächlich schlief Matthew ein, noch bevor er diese Worte wirklich aussprach.
Er schlief und es waren die wohl erholsamsten Stunden seit langer Zeit, denn er dachte nichts, träumte nichts, beschäftigte sich gedanklich mit nichts.
Nur einmal wurde er wach, zwei oder drei Stunden nachdem sie sich hingelegt hatten.
Und in jenem Augenblick, schlaftrunken und benommen, hauchte er einen winzigen Kuss auf die Lippen seines ruhenden Bärchens.
Clarence‘ Atem spürte er warm und weich auf seiner Haut und tatsächlich war das schon alles was er fühlen musste um wieder friedlich einzuschlafen.
Für weitere Stunden verschluckte ihn die Wärme und die Dunkelheit, bis er irgendwann hörte, wie wieder Bewegung in das kleine Lager kam.
Jeremy flüsterte mit Ceyda, hievte sich auf die Beine und verließ dann scheinbar den abgetrennten Raum.
Raschelnd legte jemand Feuerholz nach und wenig später erwachten auch Lucy und Gabriel.
Das Mädchen erkundigte sich bei Ceyda nach der Frau mit dem Arm - und meinte vermutlich die Frau der ein Arm fehlte. Aber die Antwort der Anderen war wenig verständlich und Lucy erkundigte sich schließlich auch nach Ellen.
Danach... folgte leises Weinen.
Cassie öffnete die Augen, drängte das Gesicht gegen Clarence‘ Halsbeuge und küsste diese verschlafen.
Anders als vor ein paar Stunden noch war ihm nicht mehr kalt sondern angenehm warm und dafür, dass er auf einem Tisch geschlafen hatte fühlte er sich erstaunlich gut.
„Hey Baby...wir sollten...wir sollten aufstehen und nach den anderen sehen.“
Natürlich hatten die anderen vor ihnen geschlafen und damit war es auch wenig verwunderlich, dass sie zuerst wach waren. Trotzdem wollte Cassie Ceyda nicht allein mit den zwei Kindern lassen. Jeremy war verletzungsbedingt keine große Hilfe und Adrianna musste auch versorgt werden.
Dazu kam Ellen...die sie begraben mussten.
Die Liste der zu erledigenden Dinge war jetzt schon lang genug, weshalb liegenbleiben und den Tag verschlafen keine Option war.
Sehr zu Matthews Leidwesens und obgleich er sonst immer für einen faulen Tag zu haben war. Einen solchen konnten sie sich nun nicht gönnen. Nicht in ihrer jetzigen Situation.
Clarence‘ Wangen waren in der Dunkelheit von stillen Tränen geziert, während er einige Zeit nach seinem Mann einschlief. Nicht etwa, weil er traurig war oder ihm etwas weh tat, sondern weil er so glücklich war, dass Matthew noch lebte und er ihn gefunden hatte. Dass vertraute Finger ihm beim Einschlafen durchs Haar strichen und er die Nasenspitze in Cassies dunkles Haar drängen konnte, mit dem Duft seines Geliebten einschlafend.
Der Rest der Nacht hatte sich so kurz angefühlt wie er vermutlich auch gewesen war, denn imm
er wieder war Clarence aufgewacht. Aus Sorge um den Jüngeren, die ihn hatte aufschrecken und nach ihm sehen lassen, aber auch weil er sich hatte etwas anders hinlegen müssen, damit seine linke Schulter nicht auch noch einen Hau weg bekam. Obwohl halb schlafend, hatte sich die Hand seines Mannes dabei sofort über ihn gelegt, so als befürchte Cassie selbst im Schlaf, ihm könne der Bär wieder verloren gehen.
So vernarrt waren sie in- und so besorgt umeinander, dass sie nicht mal im Land der Träume aufhören konnten, stets übereinander zu wachen und sich zu behüten.
Gerade mal so viel Licht schaffte es über die Köpfe der zur Barrikade zusammengeschobenen Regale hinweg, dass man im provisorischen Lager einigermaßen dämmernd erkennen konnte, was die Dunkelheit der Nacht noch vor Clarence verborgen gehalten hatte. Das Feuer, vor wenigen Stunden noch lodernd und den begrenzten Raum aufheizend, war nun zu züngelnden Flämmchen verkommen die sich um ein frisches Stück Holz gelegt hatten und die entstandene Wärme hielten, anstatt sie noch weiter anzutreiben.
Obwohl er zwischenzeitlich die Decke irgendwann ein Stück weit von sich gestrampelt hatte, fror Clarence nicht, sondern erfreute sich mittlerweile warmen Fingern und erstaunlich warmen Füßen, in denen er zwar noch den Schmerz spürte, dafür aber auch wieder das volle Leben. Die Geräusche und fremden Stimmen, die an sein Ohr drangen, klangen abgedämpft und unbekannt. Vieles von dem was um sie herum geschah, konnte der Blonde noch gar nicht zuordnen, weder bestimmten Tätigkeiten, noch Personen.
Und doch wusste er eines ganz sicher: Die fremde Nase, die zaghaft begann sich gegen seine Halsbeuge zu schmiegen, kannte er als einziges ganz sicher.
Der sanfte Kuss der folge, löste eine leichte Gänsehaut aus die sich bis auf seine Brust zog und ihn wohlig schauern ließ. Dabei spürte er, dass jede Faser seines Leibes noch immer höllisch weh tat, trotz den wenigen Stunden Schlaf – aber höchstwahrscheinlich war er nicht der einzige dem es so ging, weshalb er seinen Unmut herunter schluckte und etwaiges Wehklagen für sich behielt.
Lediglich ein unwilliges Brummen brachte der Bär zustande, dessen dunkelblonde Locken sich zerzaust aus dem Haargummi gelöst und zum Teil wirr über sein Gesicht gelegt hatten. Tief in seinem noch schlafenden Unterbewusstsein wusste er, dass es nur wenig Zeit zu verschwenden gab und noch genug Dinge anstanden, die erledigt, besorgt und geplant werden mussten.
Und doch… gerade fiel ihm kein besserer Zeitpunkt ein, um das bisschen Zeit, was ihnen zum sinnlosen Verplämpern zur Verfügung stand, für sich zu nutzen.
„Lass uns noch… fünf Minuten füreinander Zeit… bevor du uns aufscheuchst. Oder nicht?“, murmelte er fragend und weil die Gefahr bestand, dass sein Mann vor lauter Tatendrang gar nicht wusste was gemeint war, schob er den Arm wieder etwas weiter über Cassies Brust und zog dabei auch den Saum der geknüpften Decke weit über ihre Schultern, bis auch ihre Gesichter zum Teil ein Stück bedeckt waren.
Hinter geschlossen Augen wusste er ganz sicher wo sie waren und was passiert war, denn die grausamen Erlebnisse des gestrigen Tages hatte er auch im Schlaf nicht vergessen können. Trotzdem stellte er sich vor, sie wären in ihrem Bett, der geliebten kleinen Höhle der Harper Cordelia und unter ihrer eigenen Decke. Auch dort standen sie nie sofort auf wenn sie beide wach geworden waren und Claire nicht schon früher aufgestanden, sondern schmiegten sich noch ein wenig aneinander, bevor sie sich den grausamen Pflichten des Tages stellten. Wenigstens dieses kleine bisschen Normalität wollte er sich auch hier behalten dürfen, wenn sonst schon nichts mehr normal war.
Raunend zog er die Decke noch ein ganz kleines bisschen höher und tastete sich in der Dunkelheit mit der Nase unbeholfen an Cassies Gesicht entlang, bis er die fremden Lippen gefunden hatte und sie mit einem zarten Guten Morgen Kuss bedecken konnte.
Es war erst wenige Stunden her, da hatte es ganz danach ausgesehen, als würden sie nie wieder in den Armen des anderen wach werden oder einander so küssen können, wie sie es letzte Nacht getan hatten. Auch jetzt suchte Clarence die Lippen seines Mannes wieder etwas fester, beinahe als bestehe doch noch die Möglichkeit er könne aufwachen und Cassie zu einem wohligen Traum verpuffen, wenn er nicht vorsichtig genug mit ihm umging – doch Matthew blieb, bei ihm, ganz so wie er es dem Blonden versprochen hatte.
Wohlig leckte er sich über die Lippen, schmeckte den Jüngeren noch einen Moment auf sich nach und ließ erst danach mit einem erleichterten Seufzen das Haupt wieder zurück aufs Kissen sinken.
Seine Hand hatte mittlerweile die Decke wieder losgelassen, war am Leib des Jüngeren ein wenig hinab gewandert und hatte sich in alter Manier mit den Fingerspitzen unter Cassies Pullover geschoben um seine warme Haut zu fühlen, ganz so wie der Bär es gerne hatte, der die ganze Nacht durch den Schnee gewandert war auf der Suche nach seinem Liebsten.
„Hast du… ein bisschen schlafen können, mh? Geht’s dir etwas besser?“ – Das war fast schon eine dümmliche Frage, immerhin wusste er, dass drei bis vier Stunden Schlaf solch ein Erlebnis und auch ihre Verletzungen nicht richten konnte. Trotzdem würde sein Bestreben nie versiegen, dass das Böckchen es immer möglichst wohlig und gut bei ihm hatte.
„Ich glaube, ich… hab ein wenig geträumt. Weißt du noch der eine Strand, an dem wir… wir mal angelegt haben? Der Sand war fast… so weiß wie Schnee und ich hab nach dir gerufen, weil ich dachte, ich sehe eine Schildkröte. Aber dann…“, leise unterbrach er sich für ein müdes Gähnen, legte den Kopf zurück auf Matthews Schulter und lehnte die Stirn etwas gegen ihn. „Aber dann… war es doch nur ein Stein…“
Vielleicht hatten sie dort auch nie angelegt, sondern es war wirklich nur ein Traum gewesen. So müde wie er war, wusste Claire das nicht mal zu sagen… aber ganz gleich ob Realität oder nicht, es war ein wohliges Erlebnis, das ihn in Gedanken wärmen konnte wenn sie bald wieder draußen in der Kälte waren.
Die Nacht war kurz gewesen, aber auch bei aller Unbequemlichkeit wäre Matthew nie auf die Idee gekommen sich zu beklagen.
Er hatte nach dem Erwachen aus der Bewusstlosigkeit die unauslöschliche Angst gehabt, nie wieder neben seinem Mann einschlafen und aufwachen zu können, aber das Schicksal, Gott oder sonst etwas hatte andere Pläne.
Und das war ein verdammtes Glück.
Statt allein, war er in den Armen des Blonden eingeschlafen und statt nach dem Aufwachen vor Kummer und Schmerz zu vergehen, konnte er lächelnd beobachten wie der Größere wieder munter wurde.
Clarence erwachte widerwillig und zerzaust. Wie ein kleines Käuzchen, welches aus seinem Nest lugte, noch nicht ganz flügge aber schon jetzt wissend, dass es die Welt da draußen gar nicht sehen wollte.
Matthew hob die Hand und legte sie über den lädierten Hals seines Liebsten und strich vorsichtig mit dem Daumen über die verfärbte Haut.
„Ich konnte schlafen, weil du mir bei mir gewesen bist.“, flüsterte er, wieder etwas tiefer unter der Decke vergraben. Früher, daran erinnerte er sich noch gut, war er immer allein aufgewacht. Clarence war stets vor ihm aufgestanden und hatte sich um das gekümmert was eben nötig war.
Das Lager aufräumen, ein Feuer schüren, ihre Sachen packen, sich darum kümmern, dass zu Essen und zu Trinken parat war. Er flickte Ausrüstung, pflegte Waffen und wetzte Klingen.
Ein Clarence Sky war nie nach ihm aufgestanden, jedenfalls nicht in jener grauen Vergangenheit die heute kaum noch mehr als eine Erinnerung war.
Seit Coral Valley hatten sich die Dinge geändert, eine Veränderung die mittlerweile liebgewonnener Alltag geworden war und der sich doch nie weniger alltäglich angefühlt hatte als heute, eine Nacht nach ihrem verhängnisvollen Absturz.
„Fünf Minuten.“, bestätigte Matthew seinem Mann und lächelte. Dieser stahl sich Küsse von seinen Lippen, erst einen und dann noch einen – und dann rümpfte Cassie gespielt angewidert die Nase und drängte das Gesicht kurz albern in den Stoff unter sich, um sich vor einem weiteren Kuss zu bewahren.
„Sei nicht eklig.“ nuschelte er dabei, obgleich er nie zuvor so glücklich darüber war, einen Guten-Morgen-Kuss von seinem Geliebten abzustauben. Ungeputzte Zähne hin oder her.
Keck hob er den Blick und sah Clarence an. Er war so verliebt, so unvernünftig vernarrt in jenen Menschen, dass ein Leben ohne ihn vollkommen undenkbar war.
Auf vertraute Weise suchten und fanden die Finger des Größeren schließlich ihren Weg unter seine Sachen und streichelten verträumt über seine Haut.
Cassie brummte wohlig, machte die Augen wieder zu und genoss einfach die Dunkelheit, die Wärme und die Nähe zu seinem Mann.
„Mhhh…. Ich erinnere mich. Ich hab dich den ganzen Tag über damit aufgezogen.“
Auf so ziemlich jeden Stein – auch wenn er noch so offensichtlich ein Stein gewesen war – hatte er gedeutet und so getan als sei es eine Schildkröte. Sogar mit Seetang und Treibholz hatte er diesen Schabernack getrieben, einfach weil er es konnte und weil er es unheimlich amüsant fand.
„Du hast mich dann über den Strand gejagt.“ – und nicht nur das. Er hatte ihn auch geschnappt, ihn sich einfach über die Schulter gehängt und war mit ihm zum Wasser marschiert wo er ihn in die Wellen geworfen hatte.
Es war eine wunderschöne Erinnerung von denen sie mittlerweile so viele hatten wie der Strand Muscheln.
„Ich weiß, du willst es nicht glauben, aber dass du mich gefangen hast war pure Absicht. Ich hatte Mitleid mit dir.“ Schwindelte Cassie und belebte damit dieselbe Lüge wieder, die an jenem Tag geboren war.
Seit Clarence ihn ins Meer geworfen hatte, behauptete er, er habe sich fangen lassen und ebenfalls seither bestritt Clarence eben jene Möglichkeit.
„Und ich war besorgt, dass du noch umfällst so wie du gekeucht hast…“ Es war ein tadelloser heißer Tag gewesen. Sonne, blauer Himmel, kühles Wasser. Sie hatten Vorräte gehabt, Kain und Abel waren bei ihnen und es hatte keinen Grund gegeben, sich um irgendetwas zu sorgen.
Jetzt, wenige Wochen später, war ihre Lage weitaus weniger rosig, aber zumindest für die Dauer weniger Minuten war das, was draußen auf sie wartete, nicht Teil ihrer Welt.
Behutsam hob er die Hand an Clarence‘ Wange und reckte sich selbst seinem Bärchen entgegen, um dieses Mal ihre Lippen einander berühren zu lassen.
Es war ein zarter, liebevoller Kuss währenddessen er die Augen wieder geschlossen hielt und die Stimmen des Lagers versuchte auszublenden.
Sie würden nicht ewig so verharren können und Matthew war auch klar, dass ihr Glück für die anderen vermutlich schwer zu ertragen war. Ceyda war zwar allein gereist aber für Jeremy galt das nicht und er würde Hilfe bei der Suche nach seinen Lieben benötigen.
Letztlich war genau dieser Gedanke der Grund dafür, warum der Dunkelhaarige die Augen wieder öffnete, Clarence durch das Haar strich und ihn daran erinnerte, dass sie beide sich um die anderen kümmern mussten.
„Wir müssen den anderen helfen.“ flüsterte er im Schutze der Decke.
Das zerzauste Käutzchen schien nicht begeistert zu sein und wenn Cassie ehrlich war, dann war er selbst auch nicht scharf darauf ihr warmes Bett zu verlassen.
„Der Kerl der die ganze Nacht geschnarcht hat… heißt Jeremy. Er hat sich das Bein verletzt und er ist mit seiner Familie gereist. Er braucht unsere Hilfe, um die Menschen zu finden die er liebt.“
Er musterte seinen Mann, die vertrauten Züge, die Art wie er seinen Blick ruhig erwiderte.
„Ich hab meinen wichtigsten Menschen schon gestern gefunden.“ erneut lächelte Cassie ein kleines Lächeln, dann überwand er die kleine Distanz, rutschte ganz dicht an seinen Mann heran und küsste ihn innig, während er ihn umarmte und sich an ihn drückte.
Der Schmerz seiner gebrochenen Rippen war über Nacht nicht verklungen und was seine Schulter anging so hatte er das Gefühl sie tat mittlerweile mehr weh als noch ein paar Stunden zuvor.
Aber trotzdem fühlte er sich besser, weil er heute daran glaubte, dass wirklich alles gut werden würde.
Sie hatten den ersten Tag nach dem Absturz überlebt, hatten die erste Nacht überstanden und sie hatten in etwa einen Plan wie es weitergehen konnte.
Ein letztes Mal gab er dem Blonden einen Kuss, dieses Mal auf dessen Stirn, dann schlug er die gemeinsame Decke ein Stück zurück und konfrontierte sie beide unabänderlich mit dem neuen Tag.
Lucy, die am Feuer saß und mit einem Stock in der Glut stocherte, drehte kurz den Kopf in ihre Richtung, dann wandte sie sich wieder den Flammen zu. Ihr kleiner Bruder Gabriel hingegen blickte unverwandt in ihre Richtung.
Cassie setzte sich umständlich auf, wobei er scharf die Luft einsog als seine Schulter mit glühendem Schmerz gegen die Bewegung protestierte.
Gabriel sah ihn an, ohne etwas zu sagen, weshalb Matthew zögerlich die Hand hob und dem Jungen von seinem Bett aus zuwinkte. „Hey…“ begrüßte er ihn, erhielt jedoch keine Reaktion oder Antwort.
„Habt ihr Hunger? Ich jedenfalls schon. Wollen wir mal nachsehen was es gibt?“
Die Wahrheit war: er war überhaupt nicht hungrig. Aber die Kinder mussten es sein und da Ceyda gerade nicht anwesend war, fühlte er sich für Lucy und ihren Bruder zuständig.
Als sich endlich auch Clarence aufsetzte, schien der Junge verwirrt und ein bisschen ängstlich, was daran liegen mochte, dass der Blonde selbst sitzend ein Hüne war und er durch den übel verfärbten Hals nicht gerade gesund aussah.
„Das hier ist Clarence. Er ist okay, er gehört zu mir.“ – nun drehte sich auch Lucy wieder um und schenkte ihnen einen Augenblick ihrer Aufmerksamkeit. „Der war gestern nicht da.“ stellte sie fest und Cassie nickte.
„Stimmt, er hat uns gefunden als ihr schon geschlafen habt.“ – ihre Augen huschten von Matthew zu dem Größeren, dort ruhten sie schließlich. „Hallo.“ sagte sie „Schön, dass du uns gefunden hast. Er hat die ganze Zeit über nach dir gesucht.“
Clarence erinnerte sich noch gut daran, dass es Zeiten gegeben hatte, in denen sie eben nicht hatten schlafen können, wenn der andere bei ihnen war. Es war damals gewesen während der ersten starken Regenfälle, als Matthew ihn das erste Mal zu sich ins Zelt geholt hatte, damit die Regenflut ihn des Nachts nicht weg spülten.
Das stete Atmen neben ihm war ungewohnt gewesen, die Ausdünstungen eines anderen – konzentriert durch die begrenzten Verhältnisse des Zelts – kaum auszuhalten für jemanden, der frische Luft und freien Himmel gewohnt war. Jedes Rascheln der anderen Decke hatte er gehört, jeden ungewollten Tritt Cassies gegen seinen Fuß wahrgenommen und nicht selten war er am nächsten Tag mit Kopfschmerzen aufgewacht, wenn er denn überhaupt hatte schlafen können.
Und heute?
Heute würde er nicht mal im Sekundenschlaf versinken können ohne Matthew unter oder auf sich und ohne morgens den Geruch seines verschlafenen Geliebten in der Nase zu haben.
Ein amüsiertes Schmunzeln legte sich über die Lippen des Blonden nachdem er seinem Mann den einen oder anderen Kuss abgenötigt hatte, denn Cassies sonstige Abneigung hätte er auch heute nur allzu gut in dessen Reaktion lesen können, dazu hätte es den murmelnden Kommentar gar nicht benötigt.
„Mecker nicht“, nuschelte er verschlafen zurück, wobei man seinem Tonfall deutlich anhören konnte, dass der Kerl lieber froh sein sollte, überhaupt noch einen Mann mit morgendlichem Mundgeruch zu haben, der ihn küssen konnte. Andere wären froh darüber, Leute wie der einsame Kerl der die ganze Nacht geschlafen und teilweise im Schlaf geweint hatte und dem die ungeputzten Zähne seiner Frau sicher egal gewesen wären, wäre sie jetzt noch bei ihm.
Sich dessen mehr als deutlich bewusst, was ihm trotz der Katastrophe geblieben war, drängte er sich enger an Matthew und hauchte ihm stattdessen einen warmen Kuss aufs Kinn.
In den Erinnerungen der sorgenlosen Tage wie damals am Strang zu hängen, war nichts was Clarence ob ihrer derzeitigen Lage deprimierte. Stattdessen tat es gut sich die warme Sonne auf der Haut vorzustellen, ihre Hunde aufgeregt bellen zu hören weil Cassie über seiner Schulter kreischte wie ein kleines Mädchen und selbst das trottelige „Guck mal, guck mal!“ bei jedem kleinen Stückchen Treibholz, ließ Claire die Kälte und Trostlosigkeit vor den Türen des Lagers fast vergessen.
Wohlig brummte er, als Cassie sich nun doch wieder anschickte seine Lippen zu haschen und ließ sich wehrlos auf den zarten Kuss ein, der ihn benetzte.
„Wenn wir wieder heiler sind… jage ich dich statt durch Sand durch den Schnee und werfe dich in den größten Schneehaufen, den ich finden kann“, versprach er seinem Mann leise und schmiegte die Wange tiefer in die warme Hand, die sie bedeckte. Es war ihm gleich ob sie im Warmen oder im Kalten waren, ob sie viel besaßen oder wenig hatten. Schrammen, Prellungen und leichte Brüche würden ihnen heilen wenn sie nur gut aufeinander achtgaben und sich schonten. Irgendwann, in einigen Wochen, würden Angst und Schrecken vergessen sein die sie am gestrigen Morgen durchlebt hatten und in ein paar Jahren… wer wusste, ob sie da nicht wieder ganz unbefangen in solch einem Luftschiff sitzen würden.
Bis es so weit war, lag allerdings noch viel Weg vor ihnen, an den Cassie nicht zögerte ihn zu erinnern. Den anderen helfen, ein wertvoller Teil der Gruppe sein, sich kümmern… all das waren keine Dinge die für Clarence just in diesem Augenblick Priorität hatten wo ihm endlich wieder warm war und Matthews inniger Kuss so süß auf seinen Lippen nachbrannte, doch sein Mann ließ ihm nicht die Zeit, auch nur ein einziges Widerwort zu sprechen.
Obwohl sie nicht lange der Dunkelheit ausgesetzt gewesen waren, blinzelte der Blonde verstört als das Dämmerlicht wieder auf seine Augen traf und blickte dem Jüngeren verstört hinterher, dem die Schmerzen beim Aufsetzen mehr als deutlich anzusehen waren. Verschlafen rieb er sich mit einem Zipfel der Knotendecke durchs Gesicht, als könne ihn das auf irgendeine Weise tageslichttauglich machen und lauschte dabei dem Gespräch, welches sich von ihrem Bett aus quer durch den Raum spannte.
„Ich bin okay? Das merk ich mir…“, murmelte er und schüttelte verhalten den Kopf, was er allerdings schnell wieder unterband, nachdem es dabei anfing in seinem Kopf zu dröhnen. Der Alkohol der vorletzten Nacht und die Tatsache, dass er gestern nicht wirklich etwas getrunken hatte außer zwei Handvoll Wasser, die Ceyda ihm aufgedrängt hatte, forderte heute auf schmerzliche Weise ihre Rache.
Es dauerte einen Moment bis er sich auf der abgetrennten Fläche grob orientiert hatte, um schließlich das junge Mädchen am Feuer zu entdecken, die den Stock noch immer in der Hand hielt, mit dem sie im Feuer gestochen hatte. Trotz der zerschlissenen Kleidung und dem zerzausten Haar konnte man unter dem Dreck erkennen, was für ein hübsches Ding die Kleine war und mit welch wachen Augen sie die beiden Männer musterte. Sie wirkte aufgeweckt und hatte ohne Frage den Schalk im Nacken, ganz im Gegensatz zu ihrem Bruder, der mit den wirren dunklen Locken und der unsicheren Haltung auf der Decke des provisorischen Betts eher zurückhaltend, ja regelrecht scheu wirkte – ein unglücklicher Charakterzug für eine Situation wie diese, wo der Junge sich unter einer Horde Erwachsener zurecht finden musste, die er alle gar nicht kannte.
Clarence sah dem Jungen an, dass er mit dem plötzlich aufgetauchten, unbekannten Mann wenig anfangen konnte und auch wenn sich der Jäger noch nicht selbst gesehen hatte, hatten ihm Cassies besorgte Blicke in der Nacht gereicht um zu wissen, dass er im ersten Moment ziemlich erschreckend aussehen musste. Ein Anblick, der für ein Kind sicher noch etwas schwieriger einzuordnen war, was sich dadurch bestätigt, wie oft der Junge unsicher zu seiner Schwester hinüber sah, ohne ein Wort zu sagen. Er orientierte sich an seinem großen Geschwisterkind und in einer Situation wie dieser hier, konnte Clarence das dem Jungen am wenigsten verübeln. Vielleicht würde er mit der Zeit etwas entspannter werden wenn er merkte, dass die Kleine kein Problem mit den Erwachsenen hatte oder bekam.
„Das will ich doch hoffen, dass er das getan hat. Ich hab ihn auch die ganze Zeit gesucht. – Wen… sucht ihr denn, mh? Mit wem seid ihr im Zeppelin gewesen?“
Lucy schaute für einen Moment erschrocken drein als sie das heisere Krächzen seiner Stimme hörte und blickte unsicher zu Matthew, wobei sie wirkte, als habe sie den Blonden nur schlecht verstanden weil sie nicht darauf gefasst gewesen war. Nachdem sich Clarence etwas geräuspert und bemüht hatte, schien es ihr schon besser zu gelingen.
„Uhm… mit keinem. Unser Onkel soll uns in Poison Ivy abholen, das Personal im Zeppelin hat auf uns aufgepasst und…“ – unsicher zuckte sie die Schultern, sie schien selbst nicht zu wissen, was sie dazu sagen oder wie sie die Lage von ihr und ihrem Bruder beschreiben sollte, den sie zum Glück noch bei sich hatte. Zögerlich begann sie wieder damit im Feuer zu stochern, wahrscheinlich dachte sie gerade darüber nach wie es ihrem Onkel wohl gehen würde wenn er erkannte, dass da kein Zeppelin in Poison Ivy eintraf und somit auch keine Nichte und kein Neffe – eine furchtbare Sorge, wie Clarence sich gut vorstellen konnte.
„Ceyda ist raus gegangen und sucht noch Holz, weil wir so viel verbrannt haben und nichts mehr da ist. Sie hat gesagt ich soll rufen wenn das Feuer kleiner wird aber nicht damit spielen, damit es nicht aus geht. Aber das ist schon eine Weile her. Hast du was zu essen gefunden?“, wollte sie nun an Matthew gewandt wissen. Sicher wollte sie nicht drängeln, sonst hätte sie nicht so weit ausgeholt, trotzdem war ihr das Loch im Magen regelrecht anzusehen und auch der Junge wirkte schon eingefallen genug, um eine kräftige Mahlzeit zu vertragen.
Melancholisch musterte Clarence die Kinder, die so völlig verloren zwischen all dem Dreck und dem Gerümpel wirkten und trotzdem so tapfer drein schauten, dass sie sich nicht mal trauten sich zu beklagen. Selbstverständlich war diese Ruhe bei den beiden nicht, die genauso gut weinen, schreien und bockig sein könnten angesichts des Alptraums, den sie durchlebt hatten – aber vielleicht brach das auch erst in den kommenden Tagen so richtig bei den beiden durch. Wer wusste das schon…
„Ich weiß nicht, was ihr alles an Vorräten gefunden habt… müssen wir raus und was suchen?“, murmelte er seinem Mann leise zu um die beiden nicht zu verschrecken, doch zum Glück enttäuschte Cassie ihn auch dieses Mal nicht.
„Gut, dann… würde ich vorschlagen, du kümmerst dich um was Warmes und ich… schaue nach dem kaputten Fuß von dem Typen und nach… Adrianna.“
Da niemand sie wach gemacht hatte um ihnen schlechte Nachrichten zu überbringen, ging er davon aus, dass die Rothaarige noch lebte – aber wer wusste das schon nach dem, was Matthew hatte tun müssen, um sie überhaupt frei zu bekommen.
Natürlich war Clarence mehr als okay und das wusste der Kerl auch. Deshalb ignorierte Matthew seine gemurmelte Entrüstung auch und behielt einfach Lucy und Gabriel im Blick.
Geschickt entlockte der Blonde den Kindern, dass sie allein gereist waren, was erklärte weshalb insbesondere Lucy gestern nicht ein einziges Mal nach Mutter und Vater gefragt hatte.
Diese unbegleitete Reise war zwar merkwürdig, aber immer noch besser als würden die zwei mit dem Tod der Eltern konfrontiert werden.
„Ich hab was zu Essen gefunden. Darauf könnt ihr euch verlassen.“, er lächelte Lucy an und so wie auch gestern schon, schien sie keine Sekunde zu fremdeln sondern erwiderte das Lächeln.
Gabriel, der sich sehr an ihr orientierte blickte nun auch Matthew an, dann lehnte er sich zu seiner Schwester und flüsterte ihr ins Ohr, wobei er seine Lippen mit seiner kleinen Hand abschirmte.
„Gabe fragt, ob du gestern sein Stofftier gefunden hast. Er hatte es bei sich als... der Crash passiert ist.“
Matthew, der gestern das gehabt hatte was man einen waschechten Tunnelblick nannte, dachte einen Moment darüber nach ob er in den Trümmern bei den Kindern irgendwo ein Kuscheltier gesehen hatte, aber wenn ja, so war es ihm nicht bewusst aufgefallen.
„Leider nicht. Ich hab...nicht darauf geachtet.“ räumte er schließlich ein und sah entschuldigend zu dem Kleinen, dessen Augen zu glänzen anfingen.
„Aber hört mal, ich kümmere mich um etwas zu essen und wenn wir alle hier zusammen sitzen, dann beschreibt ihr uns wie das Stofftier aussieht - dann können wir alle die Augen danach offenhalten. Wie klingt das, hm?“
Gabe, der die Unterlippe vorgeschoben hatte und dessen Augen in Tränen schwammen, nickte ein paar mal energisch und verdrängte ein Weinen während er sich an Lucy lehnte und diese einen Arm um seinen Rücken legte.
„Okay, dann.... sehen jetzt alle mal weg damit mich keiner auslacht, wenn ich hier herunterklettere und dabei wirke wie ein alter Mann.“
Tatsächlich lachte niemand. Weder die Kinder noch Clarence und Matthew selbst war auch nicht nach lachen zumute. Seine Rippen schmerzten bei jeder Bewegung und sie taten es in einem Maße, dass es mutmaßlich nicht nur eine oder zwei waren die da in Mitleidenschaft gezogen waren.
Aber wie so oft im Leben und so wie sein alter Lehrmeister es ihm beigebracht hatte, schluckte er den Schmerz herunter und ließ sich wenig davon anmerken.
Er zog sich die Schuhe an und half Clarence in seine, nachdem er die Polster erneuert hatte die gestern Nacht als Schutz für die verletzten Sohlen fungiert hatten.
Noch warm von der Decke und dem Lager verließ er selbiges schließlich und schob sich an den Regalen vorbei.
Das Zeug das er gestern gefunden hatte war noch genau dort, wo er es zurückgelassen hatte, nur der improvisierte Schlitten war weg. Cassie ließ den Blick kurz über ihren Fundus schweifen, dann blickte er nach draußen.
Durch die große Schaufensterscheibe konnte er Ceyda sehen, die im Schnee schuftete. Gerade war sie dabei den mit Holzplanken und Brettern beladenen Schlitten zum Markt zu ziehen.
Stoßweise konnte er ihren Atem vor den Lippen kondensierten sehen, kleine weiße Wolken die in den hellblauen Himmel stiegen und verwehten.
Die junge Frau stapfte durch den Pulverschnee in Richtung ihres Domizils und als sie fast da war, lief Matthew zu der verbarrikadierten Tür und öffnete diese, bevor Ceyda ihre Fracht absetzen musste.
„Guten Morgen“ wünschte Matthew ihr als sie hereinkam und sie erwiderte den Gruß außer Puste.
„Die Kinder haben Hunger. Ich dachte, ich kümmere mich ums Essen und hole dich und Jeremy dann. Dann können wir reden.“ ungefragt langte er nach einer der Stangen des Schlittens und half Ceyda das Holz über den gefliesten Boden zu zerren. „Einen Plan machen.“, fügte er an und als sie die neuen Vorräte endlich zu dem Regal gebracht hatten vor dem auch die restliche Habe stand, ließen sie das mit Plane verbundenen Gestänge fallen.
Ceyda stützte die Hände in den Rücken und nickte. Sie war außer Atem, weshalb es einen kleinen Augenblick dauerte bis sie sagte: „Klingt vernünftig.“
Ihr Groll von vor ein paar Stunden schien abgeklungen zu sein und Matthew würde den Teufel tun und wieder damit anfangen.
„Okay, weißt du wo Jeremy ist?“ den Mann hatte er seit dem Morgen nicht zu Gesicht bekommen.
„Ja. Er steht draußen beim Wrack. Ich hol ihn rein.“ Matthew nickte und fuhr sich durch das Haar: „Ein Königreich für eine Zigarette“, murmelte er, woraufhin Ceyda innehielt und nochmal die wenigen Schritte zurückkam die sie sie schon gegangen war. Sie langte in das Innere ihrer Jacke, beförderte ein Zigarettenetui heraus und hielt Matthew es hin. „Ich nehm dich beim Wort, wenn wir hier raus sind.“ sagte sie mit einem schrägen Lächeln das Matthew erwiderte. Er nahm sich eine Zigarette, ließ sich Feuer geben und nahm den ersten Zug.
„Danke...“ - „Schmeckt nach Normalität.“ - „Das kannst du laut sagen.“, Ceyda lächelte erneut schmal, dann wandte sie sich wieder um. „Ich geh Jeremy reinholen.“
Cassie sah ihr noch einen Moment nach, dann ging er in die Hocke und sondierte die Vorräte die drinnen waren, nahm eine der Stichwaffen der toten Jäger, ehe er den Supermarkt verließ und draußen vor der Tür einen der Fleischbrocken aus dem Schnee ausgrub.
Der Batzen Fleisch gehörte zu einem gestreiften Wildtier, eine Art Springbock wie es sie in der Umgebung von Rio Nosalida noch vereinzelt gab, in Poison Ivy allerdings nicht.
Die exotische Fracht würde die Metropole nicht erreichen, ihnen aber für die kommenden drei Tage volle Bäuche verschaffen. Wenn sie rationierten sogar um einiges länger.
Noch draußen machte sich Cassie daran den Brocken zu zerteilen und ihn in handliche Stücke zu hauen.
Wenige Minuten später war er wieder im Lager. Das Fleisch briet auf einem Stück Metall über den neu gefütterten und lodernden Flammen.
Gabriel und Lucy beobachteten den Vorgang ganz genau. Sie hatten solchen Hunger, dass sie sich nicht mal jetzt beschwerten über diese Art Frühstück.
„Psssst....“, machte Cassie leise. Er hatte den Rucksack seines Mannes durchsucht und zwei Himbeerbonbons aus dem Säckchen gefischt.
„Hier ihr beiden. Für euch.“, er legte die Bonbons in Gabriels kleine Hand und der Junge machte große Augen.
Man sah ihm an, dass er so etwas bisher nur selten bekommen hatte und die pinke, zuckerige Himbeere gern essen wollte, aber selbst jetzt noch traute er sich nicht, etwas zu nehmen dass Cassie ihm gegeben hatte.
„Ist schon gut, die sind von Clarence. Er hat eine Schwäche für Süßes.“ - nun langte Lucy nach den Bonbons in der Hand ihres Bruders, nahm eines und steckte es sich in den Mund. Erst dann tat es Gabriel ihr gleich.
„Und? Die sind gut, hm?“ - der Junge nickte.
„Hab ich doch gesagt.“, er lächelte, erhob sich wieder und ging zurück zu Clarence und seinem Bett, wo er den Rucksack abstellte.
Der Blonde selbst war hinter dem Tresen, hatte ihm den Rücken zugewandt und kümmerte sich um Adrianna.
Einen Moment beobachtete Cassie ihn und er hatte das unglaubliche Bedürfnis zu ihm zu gehen und ihn von hinten zu umarmen.
Stattdessen ging er zu dem Tresen, blieb davor stehen und stürzte sich mit den Händen ab, während er sich über die glatte Fläche beugte.
„Und? Wie...geht’s ihr?“
Er nahm einen Zug von der Zigarette, aschte kurz auf den Boden und nahm sie wieder zwischen die Lippen.
Der Qualm kräuselte sich vor seinem Gesicht, hüllte die Welt in graublauen Dunst und doch sah er seinen Mann ganz genau. Er sah ihn und er wusste, dass das nicht selbstverständlich war, nichts war mehr selbstverständlich wenn es das überhaupt je gewesen war.
Keinem einzigen von ihnen war zum Lachen zumute als Cassie sich vom provisorischen Bett hinab quälte, vermutlich weil er dabei genauso aussah, wie sich alle anderen fühlten. Keiner von ihnen war gänzlich ohne Schramme davon gekommen, selbst bei den Kindern konnte man den ein oder anderen frischen blauen Fleck entdecken und doch wagte keiner von ihrer Gruppe sich mehr als nötig über die eigene Lage zu beschweren, immerhin ging es niemandem wirklich besser.
Cassie wurde von ihm mit einem Blick bedacht der von Unwohlsein sprach als der Jüngere sich nicht davon abhalten ließ ihm auch heute Morgen wieder in die Stiefel zu helfen, und das, obwohl sein tapferes Böckchen doch weit mehr schmerzhafte Bewegungen ob seiner Verletzungen ertragen musste als der König des Waldes – der zu einem heimatlose Herrscher geworden war, ganz ohne seinen Wald und ohne seine funktionstüchtige Höhle zum Überwintern in dieser kalten Gegend.
Nicht nur hatten sie die Sicherheiten verloren, die sie sich in den letzten beiden Jahren erarbeitet und dabei gehabt hatten… auch hatten sie menschlichen Ballast hinzu gewonnen, der ungeplant gewesen war und mit versorgt werden musste. In so einer Gegend war es oft schon schwer genug sich selbst zu versorgen, stattdessen hatten sie vier weitere Mäuler zu stopfen – mindestens. Keiner konnte sagen, ob nicht doch noch jemand zwischen den Wrackteilen atmete und zwar mehr tot, aber doch noch lebendig darauf wartete gefunden zu werden.
Jenseits potentieller überlebender und Barclay, der ebenso fehlte um wenigstens ihre ursprüngliche Gruppe wieder komplett zu machen, hatten sie jetzt auch noch ein Stofftier zu suchen, das vermutlich nur noch aus zerschlissenen Einzelteile bestand und nie gefunden werden würde. Auf der einen Seite war es herzallerliebst, wie Matthew auf die beiden Kinder einging und versuchte ihr Vertrauen zu gewinnen, auf der anderen Seite sprachen die sonstige Schweigsamkeit und der verletzte Blick des Blonden ausreichend darüber, wie weh ihm der Anblick der Kleinen tat. Auch wenn sie ruhig schienen und wenigstens das Mädchen nicht zögerte sich zu öffnen, ging solch ein Erlebnis trotzdem nicht spurlos an den kleinsten von ihnen vorbei und sicher war es nur eine Frage der Zeit, bis die ersten Anzeichen eines Traumas hinauf an die Oberfläche brachen.
Obwohl ihm noch immer ein ziemlicher Batzen Schlaf fehlte und er sich elendig fühlte, hatten ihm die Hände seines Mannes an seinen Füßen und Beinen unheimlich gut getan und auch der kurze Moment, während dem Clarence ihm mit den Fingern durchs Haar gestrichen hatte um sich von ihm zu verabschieden für die wenigen Tätigkeiten während denen sie getrennt sein würden, versprach ein warmes Wiedersehen, wie es gestern Nachmittag für sie beide kaum denkbar gewesen wäre. Selbst der Gedanke daran den Jüngeren für ein paar Minuten hergeben zu müssen schmerzte ihn und ließ eine kurze Angst in ihm aufkeimen, es könnte seinem Mann etwas passieren – doch eben jene Furcht zwang er sich herunter zu schlucken, um am Ende nicht völlig durchzudrehen. Es würde ihm schon nichts geschehen während er sich ums Frühstück für alle kümmerte, genauso wenig wie Claire selbst etwas zustoßen würde, nur weil er die grundlegenden Dinge für den Start in den ersten Tag verrichtete.
Während Matthew den Weg hinaus an die frische Luft einschlug, hatte Clarence sich etwas frisch abgekochtes Wasser ins Gesicht geworfen und versucht sich die Haare frisch zusammenzubinden, um wenigstens nicht so abgekämpft auszusehen wie er sich fühlte. Die ramponierte Schulter allerdings wollte ihm nicht mal normalste Tätigkeiten einigermaßen einfach machen – ein Umstand der ihn sich nutzlos fühlen machte, zumindest bis zu jenem Moment, als er einige Minuten später endlich vor Adrianna stand. Erst dann verstand er, dass seine stillen Befindlichkeiten Beschwerden auf höchstem Niveau waren.
Klein und verletzlich sah die Rothaarige aus, wie da so ihr Schopf, die eingefallenen Augen und die unter der Farbe blasse Nasenspitze über dem Saum ihrer Decke hervor lugten. Von der Stärke der jungen Frau war nichts geblieben, die sich sonst selbst vor einem Berg von Mann aufbäumte, weder Streit noch Prügelei scheute und sich am allerwenigsten aus dem Clan etwas sagen ließ, wenn sie damit nicht konform ging.
Vorsichtig stellte Clarence den alten Blechbecher aus seinem Rucksack ab den er für die Verletzte mit Wasser gefüllt hatte, ließ sich umständlich bei ihr nieder und betrachtete Addy aus der Nähe, während er sie vorsichtig etwas aufdeckte.
Die Bandage, die den Arm oben auf der Brust halten sollte damit er hochgelagert war, hatte seinen Dienst zur völligen Zufriedenstellung verrichtet und auch der Verband um den stumpf selbst war nur wenig durchgeblutet. Dass der Blutverlust vom Wrack bis hierher dennoch beträchtlich gewesen war, sah man nicht nur der ungewohnt blassen Frau an, sondern hatte Clarence gestern schon an seinem Mann gemerkt, der sonst nicht so ergriffen von Adriannas Befreiung gesprochen hätte.
Sorgsam tauchte er ein sauberes Stück Stoff in den Becher, drückte ihn etwas aus und fuhr der Verletzten mit dem warmen Lappen durchs Gesicht, um sie vom Dreck des gestrigen Tages, aber auch von den Strapazen ihrer Nacht zu befreien. Sie war etwas kaltschweißig, kein Wunder nachdem sie so viel Blut verloren und auch sicher starke Schmerzen hatte, doch ansonsten atmete sie regelmäßig und reagierte auch auf die plötzliche Berührung mit einem elenden Verziehen des Gesichts… wohl mehr als man überhaupt hätte erwarten können angesichts dessen, was ihr wiederfahren war.
Sorgsam überprüfte Clarence die Bandage, schob ihr schließlich den guten Arm unter den Schultern durch und richtete die Jägerin vorsichtig auf, wobei er ihren Kopf stützen musste, damit er ihr nicht zu sehr in den Nacken fiel. Sie war kraftlos und stöhnte gequält - was man ihr nicht verübeln konnte – und trotzdem musste sie nun da durch, wenn sie die junge Frau nicht einfach sterben lassen wollten.
„Ist schon gut, entspann dich. Ich hab dich“, wisperte er ihr leise zu als sie sich ein wenig mit der Brust aufbäumte. Ihre Stirn fühlte sich nicht allzu heiß an, ein gutes Zeichen dass sie noch kein Fieber entwickelt hatte und der Hüne hoffte schwer, dass das auch so blieb. Viele Möglichkeiten hatten sie hier nicht, sich medizinisch zu versorgen.
Kurz beobachtete er sie, ob ihr Kreislauf die veränderte Position aushielt. Ihre Lippen warne blass und aufgesprungen, vermutlich weil sie gestern so lange der Kälte ausgesetzt gewesen war. Leises Schmatzen verließ ihre Kehle, ein träger Versuch etwas von sich zu geben, doch ihr Mund war deutlich zu trocken und sie selbst zu schwach. Selbst ihre Augen öffnete Adrianna nur träge, wobei ihr Blick ins Leere zu gehen schien – etwas das sich hoffentlich im Laufe des Tages änderte, wenn sie es schaffen wollte.
Sicher lehnte er sie an seine Brust um sie zu stützen, wobei er sich an jene Tage erinnerte, in denen Cassie ihn auf ähnliche Weise gehegt und gepflegt hatte. Das Gefühl von Wärme und nicht alleine zu sein, hatten seine Schmerzen damals erträglicher gemacht und so hoffte der Blonde, dass er ein ähnliches Empfinden auch in Adrianna auslösen konnte, um sie mit ihrer Verletzung nicht alleine zu lassen.
Die noch saubere Seite des Lappens tränkte er mit der freien Hand im Wasser, faltete sie etwas zusammen und strich ihr anschließend damit über die Lippen. In ihrem jetzigen Zustand würde sie nicht ausreichend trinken können, das war offensichtlich, aber vielleicht weckten nach und nach ein paar Tropfen wenigstens die Lebensgeister in ihr, damit sie bis zum Mittag etwas wacher wurde.
Clarence musste nicht empor sehen um zu wissen, dass der Schatten auf ihnen zu seinem Mann gehörte, der vor Adrianna nichts weiter sein durfte als sein guter Freund Matthew Reed, der durch Zufall genauso überlebt hatte wie sie. Es war noch nicht lange her, da hatte sich Cassie auf ähnliche Weise über die Reling ihres Boots gelehnt während Clarence es am Ufer vertaut hatte – meist mit irgendeinem frechen Spruch auf den Lippen. Die Sonne hatte geschienen, ihre Sorgen waren überschaubar gewesen und der Dunkelhaarige war, wie meistens wenn sie allein gewesen waren, halbnackt unterwegs.
Jetzt steckten sie im tiefsten Winter und ihre Sorgen waren noch größer als damals im Wald, wo sie sich kennengelernt hatten.
„Mhh… den Umständen entsprechend scheiße?“, vermutete Clarence eine ungefähre Antwort auf die Frage des Jüngeren, feuchtete den Lappen erneut an und tauchte ihn tiefer zwischen Adriannas Lippen, um ihn dort etwas auszudrücken. Man konnte sehen, wie sie aus Reflex schwerfällig den Schluck in ihrem Mund verteilte, doch um mehr als ihre viel zu trockene Zunge anzufeuchten, reichte es kaum. Wenn sie nicht anfing etwas wacher zu werden und schluckweise zu trinken, war ihre Prognose mehr als schlecht…
„Hoffentlich finden wir nicht noch mehr Leute in so einem Zustand in den Trümmern. Ich glaube nicht, dass wir noch mehr davon versorgt bekommen“, fasste der Jäger seine überschaubaren Gedanken zu Adriannas Anblick zusammen und tränkte den Lappen ein weiteres Mal, um ihr davon zu kosten zu geben. „…falls wir überhaupt eine schaffen wieder auf die Beine zu bekommen. Irgendjemand muss versuchen ihr immer mal wieder was einzugeben während wir draußen suchen sind. Der Kerl mit dem kaputten Bein wäre am besten, wir brauchen auch wen, der hier auf die Kinder aufpasst… aber ich glaube nicht, dass er sich darauf einlässt. Er wird nach seiner Familie suchen wollen…“
Das war nicht nur eine grobe Vermutung, sondern auch eine Tatsache aus eigener Erfahrung. Er selbst war ja auch nicht über Nacht im Sicheren geblieben, sondern hatte unaufhörlich nach seinem Mann gesucht, genauso wie Cassie es gemacht hatte.
„Die nächste wäre Ceyda, aber die können wir besser da draußen gebrauchen. Sie ist am wenigsten verletzt und kann auch besser ins Wrack steigen, wenn wir da etwas finden. Ansonsten… müssten wir vorschlagen uns abzuwechseln mit der Begründung, dass man sich dadurch hier auch etwas ausruhen und aufwärmen kann, damit keiner von uns sich doch noch den Tod holt. Aber da draußen alleine lassen werde ich dich auch nicht“, fasste er die Optionen und das Offensichtliche zusammen, womit sie ohne Frage in einer Art Zwickmühle waren. Keiner von ihnen würde hier im Lager ausharren wollen, genauso wenig wie jemand von ihnen nachgeben würde, wie er befürchtete.
„Wie war es vor der Tür, gibt es Neuigkeiten? Zufällig… irgendeine belebte Stadt am Horizont entdeckt oder so? Sonst weiß ich nicht, ob wir alle hier lebend raus kommen, aus der Eishölle da draußen.“

Sie hatten schon viele harte Zeiten erlebt. Jeder für sich aber auch gemeinsam als Team. Ob es Verletzungen waren, Knappheit von Proviant, Ratlosigkeit ob einer verfahrenen Situation. Sie waren verfolgt worden, sie hatten Kämpfe ausgefochten und hatten einander beschützt.
Und auch jetzt würden sie genau das wieder tun. Aufeinander aufpassen und überleben.
Weil es das war was sie immer taten.
Matthew beobachtete still die Handgriffe seines Mannes, wie er den Stofffetzen ins Wasser eintauchte und über den Lippen der Verletzten auswrang. Er folgte dem Tresen ein Stück um einen besseren Blick auf Adrianna zu haben und was er sah verwunderte ihn nicht.
Die junge Frau war mehr als nur benommen und sie sah so klein aus wie ein zerbrochenes Vögelchen. Ihre roten Haare passten nicht zum Rest, sie strotzten vor Lebendigkeit, während die junge Frau selbst nicht sehr lebendig aussah. Doch sie versuchte das wenige an eingeflößter Flüssigkeit zu trinken, was zumindest bewies, dass ihr Lebenswille nicht versiegt war.
Nach wenigen Augenblicken wandte Cassie sich ab und lehnte sich gegen den Tresen.
Er nahm noch einen Zug von der Zigarette, lauschte auf das leise Plätschern des Wassers, auf Clarence‘ Stimme und machte sich so seine Gedanken.
Der Blonde war pessimistisch und besorgt und wahrscheinlich war das auch angebracht in ihrer Situation, aber Matthew mochte das Lächeln seines Bären zu gern als das er zulassen wollte, dass Clarence nur das Schlechte in ihrer Lage sah.
„Oh ja... hab ich. Es war auch schon ein Rettungstrupp da, aber ich hab sie wieder weggeschickt. Um die Spannung aufrecht zu halten. Ich dachte... es geht uns zu lange schon zu gut.“, er warf Clarence einen Seitenblick zu und lächelte ironisch. Noch ein letzter Zug an der Zigarette folgte, dann schnippte er den winzigen Rest zu Boden und trat ihn aus.
Als er den Blick und schließlich auch die Stimme wieder erhob, war er wieder ernst und das kleine Lächeln verschwunden.
„Ich weiß, dass dir meine Meinung dazu nicht gefallen wird.“
Matthew kannte Clarence, er wusste, dass der Blonde alles tun würde um ihn jederzeit vor Schaden zu bewahren.
Der Größere würde lieber sich selbst gefährden bevor er ihm eine Aufgabe zumutete die das Potential hatte Cassies Fähigkeiten zu übersteigen.
Deshalb würde ihm nicht schmecken was Matt zu sagen hatte, was aber nicht bedeutete, dass der Dunkelhaarige ihn verschonen würde.
„Ich bitte dich darum, dass du heute hier wartest.“ - sagte er frei heraus und wusste ganz genau, dass Clarence das nicht wollte.
„Deine Füße sind so verletzt... wenn du da draußen rumläufst und den ganzen Tag auf den Beinen bist, werden die Wunden nie heilen, vielleicht entzünden sich deine Fußsohlen und irgendwann liegst du mit Fieber am Feuer.“, er schüttelte den Kopf um die Vorstellung daran zu vertreiben.
„Und dann noch dein Arm. Du kannst nichts heben, nichts ziehen. Du wirst da draußen nicht wirklich helfen können und wenn du es doch tust, dann wirst du heute Abend solche Schmerzen haben, dass es unerträglich ist.“ - egal wie man es drehte und wendete, Clarence‘ Verletzungen waren zu massiv als das er belastbar wäre. Und wenn sie da draußen waren um Überlebende oder Vorräte zu finden und zu transportieren, dann würde Clarence seine Verletzungen noch verschlimmern, sollte er versuchen mit anzupacken.
Für einen Mann wie der Blonde es war, war das ohne Frage schwer zu akzeptieren und sich einzugestehen, aber sie waren eine Gruppe und es gab keinen Grund weshalb er sich nicht schonen sollte, wenn es anderen besser ging als ihm.
Schweigend bettete der Blonde derweil die junge Frau wieder, tat so als hätte er Matthew nicht gehört aber der Jüngere wusste, dass dieses Schweigen nicht gleichbedeutend mit Einverständnis war.
Es war eines der frostigen, widerborstigen Art.
Er verschränkte die Arme locker vor der Brust und beobachtete wie Clarence sich erhob und die Schlafstätte der Rothaarigen wieder verließ.
Nun setzte sich auch Cassie in Bewegung um ihn abzufangen und ein Stück bei Seite zu nehmen.
Er hob beide Arme und legte sie über die Schultern seines schweigsamen, missgestimmten Bären. Mit einer Hand löste er den unordentlichen Knoten den Clarence sich heute gemacht hatte und strich ihm dann durch das offene Haar.
„Überleg mal... du weißt am Besten wie man Addy versorgt und du kannst ein Auge auf die Kinder haben. Sie brauchen jemanden... jemanden der nicht die ganze Zeit weint, so wie Jeremy.“ Und auch wenn der Mann sicherlich durch sein verletztes Bein ebenso nicht in das Wrack klettern konnte, so würde er es sich nicht nehmen lassen wenigstens davor auf und ab zu humpeln.
„Er sucht seine Familie und er wird nicht hierbleiben. Wir können ihm das auch nicht ausreden, er will sie suchen und er hat dieses Recht. Wir haben unsere Familie auch gesucht und...w-wir haben sie gefunden.“, er räusperte sich, weil er nicht wollte, dass ihm die Stimme versagte. Noch immer wenn er seinen Mann ansah, konnte er kaum fassen wie viel Glück er hatte. Wie groß war die Chance gewesen, dass sie beide überlebten? Gering. Sehr gering.
„Wir wissen beide, dass du heute hier die Stellung halten solltest.“
Bittend sah Cassie zu seinem Mann auf und appellierte an dessen Einsicht und Vernunft. Da draußen würde der Blondschopf seine Verletzungen nur schlimmer machen - eine Angst die Clarence umgedreht wahrscheinlich ebenso um Cassie hatte.
Dieser neigte nun den Kopf ein bisschen, blickte seinem Liebsten in die Augen und reckte sich schließlich zu ihm empor um ihn sanft zu küssen. Es war nur ein kurzer Moment, aber er reichte aus damit Cassie wieder das Gefühl der Geborgenheit und unbändigen Erleichterung verspürte.
„Ich bin so froh dich zu haben.“ flüsterte er ihm gegen die Lippen und küsste ihn nochmal, dieses Mal länger.
Clarence war alles was er haben musste um zu überleben, er war seine Gewissheit, dass sie es schaffen würden auch wenn ihre Lage ungünstig war.
Ungünstige Lagen waren ihnen nicht fremd und sie hatten dennoch niemals aufgegeben.
„Wir kommen hier raus, hörst du? Ich brauch dich an meiner Seite und dafür musst du dich eine Weile schonen. Du hast mich gestern hier aufgespürt und ich schwöre, dass ich das nicht zunichte machen werde in dem ich da draußen Kopf und Kragen riskiere. Aber sei vernünftig, hm?“
Verliebt streichelte er Clarence durchs Haar, das Band das er entwendet hatte hing dabei lose über seinem Handgelenk.
Ungefragt strich er schließlich die blonden Strähnen zurück, raffte sie zusammen und bändigte sie zu einem neuen Knoten, der dieses Mal fest genug war um zu halten statt sich gleich wieder in Wohlgefallen aufzulösen.
„Was denkst du, hm? Schweig mich nicht an wie früher. Sag mir... was in dir vorgeht.“