Pago Estrella Vaga
10. Juli 2210
Unter normalen Umständen hätte Clarence seinen Mann damit geneckt, dass er sich vermutlich wie ein Idiot fühlte, weil er eben einer war. Er hätte das mit einem warmen Unterton in der Stimme von sich gegeben und einem verliebten Blick auf Cassie, immerhin war der Kerl wenigstens sein Idiot und nicht der von irgendjemandem sonst, ein Besitzanspruch den er den Jüngeren hätte wissen lassen damit er bloß nicht vergaß, wem er gehörte.
Doch in diesem Moment war das aus so vielen Gründen unpassend, dass er sie gar nicht alle aufzählen konnte. Auf der einen Seite war ihr Verhältnis nicht mehr das wie zur Zeit ihres Kennenlernens wo es Gang und Gebe gewesen war sich den ganzen Tag lang Frechheiten an den Kopf zu werfen und auf der anderen wusste Cameron nicht, was zwischen ihnen Spaß war und was nicht. Der falsche unüberlegte Spruch an der falschen Stelle würde Cassie tatsächlich als Idiot dastehen lassen und das war eine Rolle, die er ihm nie im Leben absichtlich würde andichten wollen.
„Er wäre sonst früher gewesen, aha“, echote Cameron die Worte des anderen vorwurfsvoll und taxierte den Blonden, während Matthew zwischen ihnen beiden hin und her sah. Man merkte dem jungen Adonis an, dass er bei dieser fragwürdigen Verbindung noch nicht so wirklich durchblickte noch verstand, warum der Hüne auf so einen fremden Nappel hatte warten müssen anstatt seinen Weg alleine fortzusetzen, wie es sich gehörte. Clarence war diesem Kerl nicht verpflichtet, seinem Clan schon; aber das war etwas das sie später unter sechs Augen würden ausdiskutieren können, ohne die Ohren des Fremden mittendrin.
Der Pomadengott jedenfalls hatte keine Einwände wenn es darum ging sich zurück hinab zu begeben wo nicht nur eine Gelegenheit auf ihn wartete nach harter Arbeit die Füße etwas hochzulegen, sondern vor allem ein Gläschen guten Rotweins, den es hier in Hülle und Fülle gab. Alkohol würde wohl ziemlich verlässlich allen dabei helfen sich ein bisschen zu entspannen und darüber hinaus Clarence im Idealfall die Zunge lockern - und im Zweifelsfall würde es eine Flasche Whisky erledigen, die sich garantiert auch irgendwo auftreiben ließ.
Unverhohlen musterte der neue Dritte im Bunde den Unbekannten als dieser mit seiner Tasche zurück kam, betrachtete sich erstmals das Gesamtbild des Ganzen und wusste Matthew doch noch immer nicht einzusortieren. Der Kerl war tätowiert bis unter den Hals, trug aber weder bekannte Wappen eines Jägerclans – was nichts heißen musste angesichts der Hülle und Fülle, die man gar nicht alle kennen konnte – noch benahm sich der Typ wie einer, was es nur noch schwieriger machte zu sondieren, wie Clarence an ihn geraten war.
Letzterer versuchte genauso auffällig wie Cameron den Dunkelhaarigen musterte, genau dies eben nicht zu tun.
Heute Morgen erst hatte er Cassie in den Harnisch eingeschnürt, hatte dabei zugesehen wie die definierten Muskeln unter dem Leder zu tanzen begannen als sein Mann sich das Hemd schließlich übergezogen hatte und dabei abermals festgestellt was für ein attraktiver Kerl er war. Dabei zusehen zu müssen wie ihm dann und wann beim Strecken das Oberteil empor rutschte, wo Clarence doch eh schon eine Vorliebe für das zarte Durchblitzen nackter Haut beim Jüngeren hatte, machte seine Sehnsucht nicht gerade besser, noch festigte es ihre Maske der Freundschaft ohne Plus.
Mit einigen Schritten Abstand zu Matthew und seinem Gefolge, setzte auch Cameron sich schließlich in Gang, wohlweißlich darauf bedacht den beiden Hunden nicht näher zu kommen als gut für ihn war. Das hielt nur leider nicht den leisen Singsang von seinen Ohren fern, der nur wenige Schritte später ertönte.
„Ist der immer so drauf?“, nickte er gen Matthew und hob vielsagend die Brauen ob des angeschlagenen Liedgutes, während er zu Clarence blickte. „Das muss dich doch wahnsinnig machen.“
Was man auf solch eine Frage antworten sollte ohne allzu begeistert zu klingen, war dem Blonden ein Rätsel. Immerhin hatte es anfangs wirklich Tage gegeben, an denen er Matthew dafür hatte zum Schweigen bringen wollen dass er einfach nicht die Klappe hielt – doch wie so viele Dinge, die ihm einstig auf den Keks gegangen waren, war auch das Singen seines Partners ihm irgendwann liebenswert geworden.
Sich mit aller Kraft zusammenreißend ein schmales Lächeln zu unterdrücken, das ihm wie so oft über die Lippen kommen wollte wenn sein Mann während ihren Wanderungen oder an Deck des Bootes sang, presste er ein missmutiges Brummen hervor welches eine mehr als zufriedenstellende Antwort für Cameron darstellte und blickte stur den kleinen Hügel hinab, dessen Abhang sie folgten.
Er wusste, Matthew wählte in diesem Moment ein Lied nicht einfach so und er wusste auch, was sein Mann ihm damit zwischen den Zeilen sagen wollte: Es war alles gut, er hatte alles was er wollte und brauchte wenn sie nur zusammen waren und er würde auch mit dieser Situation zurechtkommen, ganz egal wie lange sie andauern würde.
Missmutig darüber, ob auch er selbst wirklich die Kraft besaß ihre Lage bis zum Ende durchzustehen, ließ er seinen Blick über die nahen Weinreben wandern und erkannte nach kurzer Suche am Fuß der Felder in der Ferne die Umrisse einer jungen farbenfrohen Gestalt, die selbst von hier aus unverkennbar war. Adrianna würde man einfach unter Hunderten wiedererkennen, selbst nach Jahrzehnten noch, und alleine ihr Anblick aus der Distanz reichte dazu aus um in Clarence eine unerwartete Erleichterung zu schüren von der er nicht gedacht hätte, sie würde ihn überhaupt irgendwie berühren können nach all der verstrichenen Zeit.
„Und, was bist du für einer?“, durchschnitt Cameron seinen Anflug von Sentimentalität als er nach langer Musterung einfach über Matthews Lied hinweg diesen auszuquetschen begann auf jene direkte Art und Weise, für die er bekannt und unbeliebt war.
„Woher kennst du den da und was machst du so den ganzen Tag, hn? Ich kenne Sky, der würde dich nicht mitschleppen, wenn man dich nicht für irgendetwas gebrauchen könnte – oder hat er dir seinen Stoff angedreht und jetzt wird er dich einfach nicht mehr los? Würde ich dir auch zutrauen.“

Beim Anstimmen des uralten Liedes God gave me everything von Mick Jagger, hatte Matthew gehofft, Clarence würde verstehen was er ihn wissen lassen wollte.
Nämlich, dass alles gut war, dass er nicht an ihrem Plan zweifelte so lange Clarence bei ihm war. Was er wollte hatte er bei sich - nämlich ihn.
Und obgleich er lediglich das etwas zeitverzögerte Brummen seines Liebsten hörte, so hörte man Matthew das Lächeln an, welches er anstelle des Blonden lächelte.
Denn ebenso wie Clarence ihn verstand, so verstand Cassiel sein auffallend mürrisches Brummen.
Cameron indes hatte keine Ahnung davon in welchem Verhältnis sie zueinander standen und das es nicht mehr als ein Lied und einen scheinbaren Ton aus Missfallen brauchte, damit beide sich verstanden.
Ohne große Umschweife und ohne auf vorsichtiges herantasten Wert zu legen, fragte ihn der vermeintliche König von England woher er Clarence denn kannte, warum der Blonde ihn mit hierher genommen hatte und was er denn so machte und was er denn für einer sei.
Die Fragen waren unkonventionell formuliert aber berechtigt und naheliegend und obwohl Matthew durchaus damit gerechnet hatte, dass man sie ihm stellen würde, hatte er sich trotzdem nicht auf eine Version festgelegt.
Er hatte sehen wollen wie es laufen würde, wer ihm diese Fragen stellte und auf welche Weise. Matthew drehte den Kopf nach hinten und sah über seine Schulter hinweg zu Cameron und verlangsamte seines Schritte etwas, während der Andere seine um ein Müh beschleunigte sodass sie bereits kurz darauf halbwegs auf gleicher Höhe liefen, auch wenn Cameron noch gesunden Abstand zu den Hunden hielt.
Ein kurzes Lachen ertönte, als Cameron die Option in den Ring warf, Matthew könne ein Junkie sein und Clarence sein Dealer.
„Seinen Stoff? Großer Gott nein. Das was er braut davon wird man blind und die Kräuter die er raucht...“, er schüttelte den Kopf und sah nach hinten zu Clarence, noch immer lächelnd wie es so seine Art war.
„Das erste Mal als ich etwas von seiner Mischung geraucht hab, hab ich schwören können das Kaninchen über dem Lagerfeuer erzählt Geschichten. Man...das war unheimlich.“
Diese kleine Anekdote war tatsächlich wahr und seither hatte Cassie nichts mehr in der selben Dosierung geraucht, wie es der Blonde ab und an tat.
„Clarence hat mir den Hals gerettet, so haben wir uns kennengelernt. Ich hab für einen dieser reichen Typen gearbeitet, sollte ihn eskortieren. Hab ihm gesagt, dass man besser nicht durch den Madman Forest reist, weil der ja nicht umsonst so heißt...aber...er war der Boss. Wir wurden von so ein paar Irren aufgestöbert und verfolgt... die haben eine Art Hetzjagd veranstaltet, sowas hab ich...noch nie erlebt. Sie haben alle umgebracht und mich auch fast. Hätte Clarence mich damals nicht gefunden und entschieden mich nicht verrecken zu lassen, ich wäre Wildtierfutter geworden, soviel steht fest.“
Er machte eine kurze Pause, in der er auf das Rauschen des Windes lauschte und auf das gleichmäßige Knirschen ihrer Stiefel auf dem schmalen Weg.
„Er hat mir das Leben gerettet und seither begleite ich ihn. Vier Augen sehen mehr als zwei und es ist selten geworden anderen ohne Eigennutz zu helfen. Wenn man so jemanden trifft, bedankt man sich nicht und geht einfach. Jedenfalls mache ich das nicht so. Ich kann ganz gut mit Waffen umgehen, das ist nicht von Nachteil.“
In einigen Metern Entfernung, sah er eine Frau in der Nähe der Reben stehen. Sie waren noch zu weit voneinander entfernt, aber auch so wusste er, dass es Adrianna war die dort stand und auf sie wartete.
Seine dunklen Augen wandten sich wieder Barclay zu und er lächelte, wobei seine Augen es nicht taten - nicht so wie sie es in den letzten Monaten getan hatten und ganz gewiss nicht so, wie sie es zutun pflegten wenn er mit Clarence redete. Aber dass der Fremde dafür ein Gespür hatte war zu bezweifeln, immerhin kannten sie sich noch keine fünfzehn Minuten.
„Und ich sehe verdammt gut aus, kann kochen und bin einfach ein Mehrgewinn für jedermann. Clarence konnte mich gar nicht wegschicken.“, witzelte er herum, wohlwissend dass er den Blonden über lange Zeit hinweg zur Weißglut getrieben hatte mit seiner Art.
Trotzdem hatte dieser nie, kein einziges Mal, versucht ihn wegzuschicken oder zurückzulassen. Kein einziger Morgen war angebrochen, in dem Clarence nicht in der Nähe gewesen war. Selbst wenn er gejagt hatte, hatte er sich nie sonderlich weit vom Lager entfernt. Er hatte nie vergessen ein Feuer zu entzünden wenn es kalt gewesen war und er hatte niemals nur Kaffee für sich allein zubereitet.
Die Wahrheit war, nicht Clarence hätte ihn nicht loswerden können, sondern Matthew hätte Clarence nie verlassen können.
Sie hatten einfach von Anfang an einen Draht zueinander gehabt, einen jener Sorte wie man ihn nur einmal im Leben zu einer fremden Person aufbauen konnte.
Nur zu gern hätte Matthew Barclay davon erzählt, von den Kartenspielen, den Planungen ihrer Routen, vom Kaffee den Clarence kochte, von wärmender Paste mit der er ungefragt Matthews Ohren einrieb an kalten Wintermorgen.
Er würde ihm gern erzählen vom Funkeln in den graublauen Augen, vom Lachen und von der Fürsorge mit der Clarence ihn bedachte. Vom Mehr welches der Blonde einfach so wieder in sein Leben gebracht hatte.
Aber das ging nicht. Für Cameron würde Clarence niemals Matthews Clarence sein. Er würde ihn niemals auf diese Weise kennenlernen wie Matthew ihn kannte.
„Ich bin ihm was schuldig.“, fügte schließlich Cassiel an und wusste, dass das nicht alles war. In Wahrheit, war er Clarence alles schuldig.
Während Cassie lächelnd über die Schulter zurück zum Blonden blickte, tat der dunkelhaarige Protz es ihm ohne Lächeln gleich. Die Erzählung vom sprechenden Kaninchen überm Lagerfeuer passte eindeutig zu dem Schamanen, dessen Kräutermischungen legendär und heiß beliebt auf Zusammentreffen waren, um sich den gemeinsamen Abend zu versüßen. Auch dass das Ziel von Nagi und seinem Zögling damals der Madman Forest gewesen war, stand völlig außer Frage und dass Clarence‘ Sippschaft einen an der Waffel hatte, wagte hier sicher niemand zu bezweifeln.
Cameron hatte ihn damals noch kennengelernt, den wahnsinnigen Fanatiker der an seinen Vorstellungen festhielt und für den alles um ihn herum nichts weniger hatte sein müssen als das Fegefeuer, in dem bald der Teufel persönlich um die Ecke kam um ihn zu holen. Die Wandlung, die sein blonder Kumpane seitdem vollzogen hatte, hätte extremer nicht sein können. Sich mit dem Fanatiker alleine hinaus in die Welt zu begeben ohne dabei von ihm für sündiges Verhalten gemeuchelt zu werden, wäre früher undenkbar gewesen und dennoch flanierten sie heute hier, in einem engen Vertrauensverhältnis, selbst wenn es nicht gerade von Sympathie füreinander geprägt war.
Für den dazu gestoßenen König gab es keinen Grund an Matthews Ausführungen zu zweifeln, dazu klangen seine Anekdoten zu naheliegend und wie nichts, das man sich spontan auf gut Glück aus der Nase zog um tatsächlich damit richtig zu liegen. Außerdem machte es Sinn, dass Clarence Sky sich hatte wohl oder übel Verstärkung suchen müssen angesichts dessen wie lange er verschwunden gewesen war. Das Verschollen von ihm und Nagi Tanka, dem großen talentierten Geist und Führer der American Kestrel war nicht unbemerkt geblieben und ein Gesicht ohne das andere wiederzusehen, wo die beiden doch sonst aneinander klebten wie Arsch auf Eimer, hätte oder hatte garantiert für Skepsis gesorgt.
Beinahe schon gleichgültig zuckte Cameron die Schultern, als wolle er sagen Geht klar, wegen mir und damit vorerst im Raum stehen lassen, welche Story die beiden da verband. Clarence hatte klar gemacht, dass der Typ zu ihm gehörte also würden sie den so schnell auch nicht mehr loswerden können und selbst wenn er zusammen mit Adrianna beschließen würde den Kerl vom Erdboden u tilgen um ein Problem weniger zu haben, so wusste er schon jetzt, dass der Hüne sie dafür beide ebenso einen Kopf kürzer machen würde.
„Nimm’s mir nicht übel, Sonnenschein – aber hast du in letzter Zeit mal in den Spiegel geschaut? Kann ja sein dass du kochen kannst und in irgendeiner Weise ein Gewinn bist, aber das gute Aussehen hast du dir irgendwo auf halbem Weg zerschreddert.“ – Mit skeptisch erhobenen Brauen musterte Cameron seinen Nebenmann, mit dem er seit seinem Aufholen Schritt hielt, und nickte hinweisend gen Narben die den Fremden zierten und die noch recht frisch aussahen. Mit irgendwas hatte er sich das halbe Gesicht weggeätzt und beinahe den Haaransatz weg skalpiert; wenigstens in seiner Welt hieß verdammt gutaussehend was anderes.
Besonders ausdiskutieren ließ sich diese Feststellung aber nicht, denn kaum da er die letzte Silbe ausgesprochen hatte, schmetterte ihm ein galliges „Halt’s Maul oder ich zerschredder dir gleich deine Visage“ ins Kreuz.
Clarence ertrug vieles, er würde versuchen wegzuhören so gut es ging wenn man seinen Mann klein machte auf den er sonst nichts kommen ließ und irgendwie würde er auch die lange Durststrecke überstehen während der er Cassie weder anfassen, noch ihm etwas sinnliches sagen oder ihm gar falsche Blicke zuwerfen durfte. Aber wenn es darum ging Matthew wegen seines Gesichts dumm anzumachen, für das nicht der Jüngere verantwortlich war sondern der Mann der selbst heute noch Gewissensbisse deswegen hatte, hörten selbst die eisern gesteckten Grenzen des Bären irgendwann auf.
Die Konsequenz folgte indem er sich einen irritierten Blick Camerons einfing für so viel Emotionalität angesichts des Aussehens irgendeines Typen den er in einem dreckigen Wald voller Irrer gefunden hatte – und die ihm deutlich verriet, dass hinter den Narben irgendwelche Geschichten steckten. Die Fanatiker waren auf ihrer Hetzjagd sicher nicht dafür verantwortlich zu machen, sonst hätte es nicht einen derart wunden Punkt beim Ältesten ihrer Runde getroffen; was genau dahinter steckte, wusste Cam aber noch nicht zu sagen.
„Piss dir nicht so ins Hemd, Sky. Man kann’s auch übertreiben.“
Man konnte dem Blonden ansehen dass er darauf gerne noch etwas erwidert hätte, es sich jedoch mit aller Macht verkniff. Nicht etwa um seine Bindung zu Cassie schneller zu enttarnen als geplant, sondern alleine um nicht schon nach zehn Metern gemeinsamen Fußweg eine handfeste Prügelei zu provozieren, die zwar typisch für sie, aber auch recht traurig gewesen wäre nachdem sie sich fast zwei Jahre nicht mehr gesehen hatten.
„Bist also so eine Art Anhängsel, das sich zum Knecht für den Idioten da gemacht hat? - Selbst schuld“, zeigte Cameron zurück an Matthew gewandt nur wenig Mitleid und wenngleich Clarence aus seiner Sicht bislang sonst selbst immer der Fußknecht gewesen war, schien es gar nicht so weit hergeholt, dass er sich nun selbst einen angeschafft hatte wo Nagi zumindest weit und breit nicht zu sehen war. Damit hob sich der Beherrschte zum Herrscher auf und irgendwie schien das zu dem schweigsamen Berg zu passen den Cameron kannte, immerhin waren stille Wasser tief und Sky war bekanntermaßen… sehr sehr still.
Clarence schüttelte unterdessen entnervt den Kopf; hatte ja geahnt was ihn erwarten würde schon als er den Vogel aus der Ferne erkannt hatte, doch dass sich die Dinge zwischen ihnen selbst nach fast zwei Jahren Funkstille nicht ändern würden, war dann doch zu einem geringen Grad überraschend. Cameron hatte nichts von seinem losen Mundwerk und seiner nervtötenden Attitüde verloren – zwei Attribute von denen auch Cassie ein Lied singen konnte, jedoch auf eine völlig andere und viel liebenswertere Weise als der Kasper neben seinem Mann es an den Tag legte.
Im Versuch sich abzulenken, konzentrierte sich der Blonde stattdessen mehr auf die junge Frau am Rande der Reben, die dann und wann einen kurzen Schritt unsicher vor den anderen setzte. Ihr Schulterlanges Haar trug sie offen hinter die Ohren gestrichen und vereinzelte Strähnen waren ihr ins Gesicht gefallen, was die verblasste Tinte nicht davon abhalten konnte, trotzdem prägnant hervor zu stechen.
Ohne es zu merken hatten seine Schritte ihn von den anderen beiden Weg und gen Adrianna geführt, ein Umstand der Kain und Abel kurz zögernd zwischen der gespaltenen Gruppe hin und her sehen ließ, bevor sie sich dazu entschieden an Cassies Seite zu bleiben.
„Lass die beiden“, gab Cameron seinem Nachbarn einen guten Rat und hielt ihn durch einen kurzen Zug am blauen Hemd bei sich; eine gute Entscheidung wie sich wenig später heraus stellte, als sich Clarence und die Frau schließlich zögernd gegenüber standen.
Der Hüne hatte gewusst, dass dieser Tag seltsam werden würde – seltsamer als alles was er in den letzten Monaten mit seinem Mann erlebt hatte. Er fühlte sich eingeholt von seinem alten Leben, von alten Erinnerungen und Gefühlen, die die schöne Zeit mit Matthew bereits nahezu vergessen gemacht hatte. All das Leid, das sein einstiger Lehrmeister über ihn und über andere gebracht hatte, war verloren gegangen auf dem Weg in sein neues Leben in dem er sich viel wohler fühlte als in dem, das man ihm aufgezwungen hatte. Und doch ließ sich nicht verleugnen, dass es bei diesem Treffen nicht nur darum ging was es mit dem ungleichen Paar machte, sondern auch mit anderen Menschen.
Schweigend musterte Adrianna ihn als er vor ihr mit den Händen in den Hosentaschen zum Stehen kam. Sie legte die Hänge an die Gurte seines Rucksacks, den er nicht in dem kleinen Gasthaus zurück gelassen sondern aufbehalten hatte, und rückte Clarence sein Gepäck zurecht, bevor sie ihm sein Hemd glatt strich. Eine unbeholfene und unsichere Geste unter der sie wirkte, als wolle sie überprüfen dass sich an dem alten Bild ihres Bruders nichts geändert hatte, bevor sie sich reckte um die Arme um Clarence Hals zu legen und ihn an sich zu ziehen, mit den Fingern durch sein blondes Haar kämmend.
Schon in den ersten Minuten nach ihrem Kennenlernen offenbarte Barclay Matthew gegenüber seine Fähigkeit ungefiltert daherzureden.
Er legte weder Wert auf Floskeln, noch auf Höflichkeiten. Die Elster gab von sich, was immer ihr in den Sinn kam und sollte es sie kümmern dass sie mit ihren Äußerungen anderen zu nahe trat, so kaschierte sie es perfekt.
Die Bemerkung bezüglich der Narben in Matthews Gesicht war so taktlos, dass Barclay eine Menge von sich preisgab - vermutlich ohne es zu wissen.
Seine Worte identifizierten ihn als nicht besonders gesellschaftstauglich. Wahrscheinlich hing er schon viele Jahre im Clan herum, hatte verlernt wie man mit Leuten umging die nicht zum Clan gehörten oder es scherte ihn einfach nicht.
Er war nicht darauf angewiesen dass irgendwer ihn mochte, dass er neue Kontakte machte und es bedeutete ihm wenig bis gar nichts, was Außenstehende von ihm halten mochten. Seine offensive Gedankenlosigkeit offenbarte entweder ein großes Selbstbewusstsein oder es täuschte selbiges nur vor.
Und was Matthew anging, so konnte er den Kerl auf eigenartige Weise verstehen und nahm ihm sein Gerede nicht übel, auch wenn es einen wunden Punkt in ihm traf.
Vielleicht wäre er auch so geworden, wenn Rouge ihm nicht beigebracht hätte wie man sich in der Öffentlichkeit zu verhalten hatte. Es war besser, die Leute hielten einen für einen Trottel, als das sie glaubten man könne gefährlich sein. Und es war besser sich möglichst viele Türen offen zu halten anstatt sich unbeliebt zu machen.
Die Unwissenheit Fremder war ein Gut, dass es galt zu erhalten. Sich Feinde machen oder unangenehm aufzufallen...dass war etwas, dass Cassie mehrheitlich versuchte zu vermeiden, zumindest wenn die Reviere noch nicht klar abgesteckt waren.
Natürlich gab es auch Ausnahmen von dieser Regel, etwa wenn er Andere ungefragt verteidigte, wenn er Partei für Schwächere ergriff oder schlicht und ergreifend wusste, dass es unnötig war sich irgendwie besonders zusammen zu reißen.
Clarence indes nahm das Gerede seines Bekannten weit weniger stoisch hin, er intervenierte auf überdeutliche Weise und machte klar, dass dieses Thema das vollkommen falsche war.
Barclay, der bisher nicht den Eindruck gemacht hatte er ließe sich gern irgendetwas von irgendwem sagen, maulte zwar zurück, wechselte aber das Thema.
Ob er nun Bock hatte oder nicht, er hörte auf Clarence und in Matthew keimte die Frage auf, in welchem Verhältnis dieser Typ zu Clarence stand. In welchem Verhältnis der Clan zu seinem Mann stand.
„Ein Anhängsel?“ -‚Du meinst, so wie du eins bist? Komm runter, Elster.‘ , er zuckte die Schultern, sah wieder nach vorne und ergänzte schließlich: „Von mir aus nenn es wie du willst. Ich halte ihm den Rücken frei und er hält mir den Rücken frei.“
Der Kerl mochte ihm das abnehmen oder auch nicht, er mochte daran glauben oder es lassen, aber Matthew war nie Clarence‘ Anhängsel gewesen. Zumindest hatte der Blonde ihm niemals dieses Gefühl vermittelt.
Selbst als er ein Pflegefall gewesen war, hatte sich der Blonde um ihn gekümmert ohne es ihm vorzuhalten oder seine Tat zu glorifizieren. Der Blonde hatte niemals versucht herauszustellen, dass Matthew weniger Einfluss auf ihr Team hatte als er selbst.
Aber auch das musste der König von England nicht wissen.
Unterdessen ging Clarence hinter ihnen plötzlich auf Abwege, er passierte beide junge Männer und verließ den ausgetretenen Pfad, um auf direktem Wege die fremde Frau anzusteuern, welche am Rande der Weinreben wartete.
Als hätte er damit nicht warten können, damit sie alle zu gleich dort waren.
Matthew sah irritiert dem Blondschopf nach und wollte ihm folgen, so wie es zwischen ihnen einfach üblich geworden war, aber der Andere hielt ihn zurück, indem er nach seinem Shirt langte.
Unwillig wandte Matthew daraufhin seine Aufmerksamkeit wieder gen Elster und wischte dessen Hand bestimmt von seinem Oberteil.
Eine Geste die deutlich machte, dass er überhaupt nicht darauf stand von ihm festgehalten zu werden – und sei es nur kurz und symbolisch.
„Okay…mach ich. Ich lass die beiden schon, keine Panik. Ich wüsste nur gern wer sie ist.“ – es war ihm gleichgültig ob Clarence die Situation für überschaubar hielt und darauf vertraute, dass seine Mitverschwörer noch auf seiner Seite waren.
Fakt war, wenn Adrianna gleich ein Messer zückte um es Clarence in den Hals zu rammen, dann war er hier neben Mister Pomade viel zu weit weg um ihren Versuch im Keim zu ersticken.
Fakt war außerdem, dass die Elster und seine Begleitung es geschafft hatten, sie binnen weniger Minuten voneinander zu separieren und Matthew sah darin ein potenzielles Komplott.
Entsprechend angespannt war er auch als der Größere die Fremde erreichte und sich einen Moment lang gar nichts zu tun schien. Mit ernster Miene verfolgte er das Geschehen und setzte sich schließlich langsam wieder in Bewegung. Seine Aufmerksamkeit hatte er komplett auf das Duo gerichtet und wandte sie nur widerwillig wieder dem Kerl neben sich zu.
„Und wer bist du eigentlich? Gibt’s zu Barclay noch einen Vornamen?“
Er warf ihm einen Seitenblick zu, zu mehr reichte es im Augenblick nicht, dann sah er wieder zu den anderen beiden.
Sein Mann stand mit dem Rücken zu ihnen und hatte die Hände in den Hosentaschen vergraben. Die Frau, deren Gesicht vollständig tätowiert war, behielt ihre Hände nicht bei sich, sie nestelte an Clarence‘ Sachen herum soweit Matthew das richtig erkennen konnte und es dauerte nicht lange, da umarmte sie ihn, gab ihm einen Kuss auf die Wange und kämmte mit den Fingern durch den Schopf seines Mannes.
Augenblicklich und ohne das Cassie darauf Einfluss hatte, wallte eine in ihrer Intensität unbekannte Form von Eifersucht in ihm auf.
Das einzig gute daran war, dass Adrianna offensichtlich nicht plante Clarence zu erstechen.
„Sieht so aus als hat sie ihn vermisst.“, stellte er fest und fügte sarkastisch an:
„Man, wenn ich das gewusst hätte, hätte ich Blumen und Kuchen mitgebracht für euer Treffen.“
Was auch immer hier genau lief, ob ihr Plan aufgehen würde oder nicht, es war zu spät um einen Rückzieher zu machen. Clarence und die Frau hatten sich in Bewegung gesetzt und kamen wieder in ihre Richtung gelaufen, wobei Matthew immer mehr Details der Fremden auffielen. Auch sie trug Schmuck, Kettchen und Ringe. Sie war schmal gebaut und es fehlte ihr an offensichtlichen Muskeln, auch wenn sie fit und agil wirkte.
Im Gegensatz zur Elster, waren Ihre Fingerkuppen rötlich verfärbt vom Pflücken der Trauben und auf ihrer verwaschenen Jeans zeichneten sich ebenfalls Saftflecke ab. Ihr Gang war aufrecht und bei jedem Schritt wiegte sie ihre Hüften ohne besonders zu kokettieren. Ohnehin konnte man Adrianna nicht nachsagen, eine besonders schöne Frau zu sein... dafür hatte sie gesorgt, war sie doch wirklich über und über mit Tattoos bedeckt. Die bunten Bilder waren teilweise verlaufen und blass, während andere wie frisch gestochen wirkten.
„Hi.“, begrüßte Matt sie, als sie einander gegenüberstanden. Doch statt einer Erwiderung, wandte sich die Frau erstmal an ihren Begleiter. Flüsternd fragte sie bei Barclay nach, was er für ein Typ war. Irritiert blickte Matthew zu Clarence, ihn auffordernd ihn vorzustellen aber das übernahm die Elster für ihn.
Dabei vermied es der Typ, Matthew mit Namen vorzustellen sondern erklärte Adrianna lediglich, dass er ein Opfer von Clarence war und seit geraumer Zeit als dessen Knecht fungierte.
„Großer Gott, was stimmt nicht mit dir?!“, brach es daraufhin aus Matthew hervor und er versetzte Barclay einen leichten Schubs gegen den Oberarm, was diesen ins Wanken brachte.
„Jetzt weiß ich warum Clarence mir nichts von dir erzählt hat, hätte er‘s getan wäre ich abgehauen.“, kopfschüttelnd sah er von Barclay zu Adrianna und versuchte es erneut mit seiner Vorstellung.
„Nochmal: hi. Ich bin Matthew Reed, ein Freund von Clarence. Und du bist...?“
Ob es zu Barclay noch einen Vornamen gab oder nicht, blieb im ersten Moment ungeklärt. Stattdessen nahm Besagter deutlich wahr, wie kurz die Aufmerksamkeitsspanne seines neuen Nebenmannes unlängst war kaum dass der Blonde sich von ihnen entfernt hatte und dass dessen Blick mehr an den beiden in der Ferne klebte, als an allem anderen.
Matthew kam ihm seltsam vor, ohne dass Cameron genau sagen konnte, woran er das festmachte. Auf der einen Seite wollte er kein Anhängsel sein, auf der anderen schien eine überspielte Anspannung seiner Herr zu werden, kaum da er Clarence auch nur ein paar Meter von seiner Seite verloren hatte.
Was genau sein offiziell verschollener Kamerad diesem Fremden erzählt hatte oder nicht, das würde vorerst alleine das Geheimnis der beiden Knalltüten bleiben die endlich hier aufgetaucht waren und die sich gesucht und gefunden zu haben schienen. So oder so, dieser Matthew schien zu selbstsicher zu sein um ernstlich ohne sein Ziehpferd panisch zu werden und inwiefern sich die beiden nach Abzug allem was Offensichtlich war tatsächlich kennengelernt hatten weil der eine dem anderen was schuldig war, galt noch zu klären.
„Man, wenn ich das gewusst hätte, hätte ich Blumen und Kuchen mitgebracht für euer Treffen.“
„Neidisch, Sonnenschein?“, griff Cameron den sarkastischen Unterton des anderen auf und hob die übertriebene Reaktion des Unbekannten damit auf eine Ebene, deren Bedeutung er völlig offen ließ.
Er wusste wie es war, wenn man eine geraume Zeit lang nur mit einen oder mit zwei anderen Leuten unterwegs war, das lag immerhin in der Natur des Jägers und würde sich für den Rest seines Lebens kaum ändern, Eid sei Dank. Man erlebte viel über die Wochen hinweg, man wuchs zusammen und entwickelte einen gemeinsamen Rhythmus. Man führte irgendwann Gespräche, manchmal auch tiefgründiger, ob man wollte oder nicht; ab einem bestimmten Punkt kam es einem regelrecht bedeutsam vor was man miteinander erlebt hatte… jedenfalls bis zu dem Moment, wenn einen das normale Leben wieder einholte.
Dann schloss man sich seinen Freunden wieder an und denen, mit welchen man sowieso schon immer gut konnte. Dann erkannte man, dass das, was man miteinander gehabt hatte, lediglich der Einsamkeit geschuldet war und nicht tatsächlicher Bedeutsamkeit selbst – Matthew schien wohl kaum jemanden zu haben wenn er spontan in der Lage dazu war sich Sky anzuschließen und ihm hinterher zu trappeln wie ein übertreuer Hundewelpe. Kein Wunder also, dass es dem armen Kerl nun einen Stich ins Herz versetzte zu erkennen, dass er lediglich die zweite Geige war und nicht etwa die erste, wie gehofft.
Für Adrianna und Cameron war es bis auf das große Wiedersehen ein Tag wie jeder andere und dass sie nicht wissen konnten welche Verwirrung genau bei Matthew vorherrschte, war ihnen unter diesen Umständen wohl kaum zu verübeln.
Zurück bei den beiden jungen Männern angekommen und die einzige Frau im Schlepptau, erkannte Clarence deutlich die Irritierung in Cassies kurzem Blick – auf den er lediglich wortlos mit einem Hochziehen seiner hellen Brauen antwortete und die Augen verdrehte als wolle er sagen: Nimm es einfach wie es kommt.
Jäger waren eine seltsame Zunft, mit eigenem Umgang und eigentümlichen Gepflogenheiten und obendrauf kam, dass sowieso jeder Mensch seinen eigenen kleinen Sprung in der Schüssel hatte. Barclay trieb es mit Fremden, die keine Jäger waren, oft genug auf die Spitze wenn diese auf seine Konfrontationen sensibel reagierten. Und Adrianna? Nun… die war eh anders als andere, aber wenn man sie und ihre Geschichte kannte, konnte man es ihr kaum noch übel nehmen, dass sie einfach nicht gerne mit Fremden redete wenn es sich vermeiden ließ.
Für Clarence war es beinahe unerträglich dem Geschehen zuzusehen und das nicht etwa, weil sein Ehemann gerade zu seinem Knecht degradiert wurde – sondern weil Besagter, wie ins kalte Wasser geworfen, alleine zusehen musste, wie er mit diesen Strukturen hier zurechtkam. Es hatte Zeiten gegeben, in denen hatte es den Jäger nicht im Geringsten interessiert wenn seine Kumpanen miteinander frotzelten und ihre kleinen Kämpfe ausfochten doch just in diesem Augenblick fiel es ihm unglaublich schwer die eiserne Mine zu wahren, als es aus Cassie heraus brach und dieser Cameron einfach einen Stoß versetzte.
Letzterer, anstatt sich ernstlich angegriffen zu fühlen, lachte amüsiert auf über so viel Offensive; besonders da der noch Fremde plötzlich ohne zu Zögern körperlich wurde, nachdem er kurz zuvor noch seine Hand vom Hemd gewischt hatte. Wenn die Zündschnur von Matthew wirklich derart kurz war, dann würden sie garantiert viel Spaß miteinander haben, so viel stand fest.
Adrianna schien unterdes die Welt nicht mehr zu verstehen, immerhin war sie nicht wirklich lange von ihrem Bruder getrennt gewesen und plötzlich rangelten da diese zwei Kerle vor ihr miteinander herum, als würde der Unbekannte schon fest zur Gruppe gehören. Vielleicht hatte sie ja irgendetwas Essentielles vergessen als Clarence damals mit ihrem Clanoberhaupt aufgebrochen war, irgendeinen Begleiter oder einen Packesel der ihnen hinterher laufen solle um sich um die Habseligkeiten zu kümmern? Man konnte ihrem angestrengten Blick ansehen, dass sie ernsthaft über diese Möglichkeit nachdachte und sie schließlich verwarf – da erschien ihr die Option vom zum Knecht gewordenen Opfer ja ernsthaft naheliegender, als dass Clarence Sky sich irgendwelche Freunde machte.
„…verwundert“, komplettierte sie letztlich knapp die Frage des Dunkelhaarigen, ähnlich wie ihr Kamerad sich nicht wirklich vorstellend, und blickte irritiert zwischen den drei Männern umher, bis sie an Clarence kleben blieb. „Wer ist das und was macht der hier?!“
Im Gegensatz zum König von England, schien sie weit unzufriedener zu sein mit diesem neuen Typen in der Runde und machte sich nicht die Mühe zu verbergen, dass ihr das eine unliebsame Komponente war. Sie mochte klare Strukturen und starre Pläne, sie hatten Verabredungen getroffen und bislang waren ihre Pläne – erstaunlicherweise – ziemlich reibungslos aufgegangen, auch wenn sich der Blonde mehr Zeit gelassen hatte als ihr lieb gewesen wäre, um zurück nach Hause zu kommen. Der da allerdings war nicht Teil ihres Ablaufplans gewesen und dass sich die junge Frau damit schwer tat, war ihr überdeutlich anzumerken. Ohne Erfolg hatte sie offensichtliche Clanwappen auf seiner Haut gesucht die ihr allgemein bekannt vorkamen und wenngleich auf seiner Brust ein prächtiger Hirsch erkennbar war, so viel ihr keine Gruppierung ein, die dazu passen würde.
„Aus welchem Clan kommt der?“
„Mit etwas Glück bald zu unserem“, entgegnete ihr Clarence schließlich und wenn Blicke hätten töten können, hätte selbst der kleine Kampfzwerg neben ihm ihn gerade unter die Erde gebracht. „Ist ein fähiger Kerl, den ich auf dem Weg aufgegabelt hab und der genug Talente besitzt, um eine Bereicherung für uns zu sein. Und er ist loyal. Reicht dir das als Antwort?“
„Was soll das heißen, loyal?“
„Das was es heißt. Willst du mit mir diskutieren?“, sie konnten gerne die folgende Stunde die Bedeutung dieses Wortes durchkauen und sie konnte sich dann ihre Gedanken darüber machen oder auch nicht, aber sie schien im Gegensatz zu Cameron auch so zu verstehen, was das hieß.
Drohend bebten für einen Augenblick ihre Nasenflügel und sie wirkte, als würde gleich eine geballte Ladung Keiferei aus ihr heraus brechen – eine Intention die ihr in den Fingern kribbelte und die sie es doch schaffte zu unterdrücken.
Trotzig, einem Kind gleich, echote sie ihm schließlich ein schlecht gemachtes Brummen entgegen mit dem sie den typischen Ton bockig nachäffte, den sonst der Blonde sicher an dieser Stelle von sich gegeben hätte, wäre ihm gewaltig etwas gegen den Strich gegangen.
„Adrianna“, wandte sie sich schließlich bockig kurz dem Fremden entgegen und verschränkte demonstrativ die Arme vor der Brust - ihm ganz sicher nicht die Hand gebend, wenn er sich ungeladen in fremde Leute Angelegenheiten einmischte – bevor sie wieder zu Clarence sah.
„Wie hast du dir das vorgestellt, hä? Rollst du den ein und versteckst ihn in deinem Zottelbart während wir später im Zeltlager einmarschieren? Wer passt auf den Typen auf während sie dir die Daumenschauben anlegen und dich ausquetschen?“
„Addy“, versuchte Cameron ihr das Wort abzuschneiden, immerhin waren das Dinge die sie besser unter sechs Augen besprachen, bevor hier schon nach wenigen Augenblicken unangenehme Fragen aufkamen. Doch Addy holte lediglich zittrig Luft, sichtlich darum bemüht, einen folgenschweren Wutanfall zu unterdrücken.
„Du raffst auch gar nichts, du bist so ein dämlicher Vogel ey. Ich will gar nicht wissen, wie oft deine Mutter damals erfolglos versucht hat, sowas dummes wie dich im Waschbottich zu ertränken. Tu mir den Gefallen und versuch deine Blutmassen aus der mittleren Etage wieder hoch in dein Spatzenhirn zu bringen oder halt einfach den Mund wenn das nicht geht, sonst will ich keinen Ton mehr von dir hören, du Vollhorst. – Und du“, blaffte sie im Anschluss an ihre Hasstirade Matthew an, musterte diesen abschätzig und schüttelte den Kopf. „Mit dir setze ich mich später auseinander, wenn ich mit deinem Lehnsherrn hier fertig bin.“
Die Kerbe des Knechts war ihr gut genug um dort in den kommenden Tagen noch ein paar weitere Male hinein zu schlagen, immerhin kannte sie Clarence gut genug um zu wissen, dass sie den Kerl nicht würde loswerden können.
Oh Matthew hatte sich in den letzten Tagen so seine Gedanken zum Ablauf ihres ersten Aufeinandertreffens gemacht. Und obwohl er geahnt hatte, dass seines Gegenwart den anderen nicht behagen würde, so hatte er ganz bestimmt nicht mit der offenen Ablehnung gerechnet, die ihm von Seiten der kompletttätowierten Frau entgegenschlug.
Während die Elster zwar ein Großkotz zu sein schien, der viel auf sich hielt und dabei dennoch eine Art unterhaltsamen Dachschaden hatte, wartete die junge Frau ebenso mit einem Dachschaden auf - war dabei aber überhaupt nicht unterhaltsam.
Sie lieferte sich ein kurzes aber aufschlussreiches Wortgefecht mit Clarence, wobei sie so tat als würde Matthew nicht anwesend sein und blaffte anschließend Barclay an, dessen Vornamen er immer noch nicht kannte.
In gewisser Weise, war amüsant den dreien zuzuhören und wäre er ein Außenstehender gewesen den all die Dispute nichts angingen, so hätte er der Auseinandersetzung sicher interessiert gelauscht.
Allerdings war Matthew kein Außenstehender sondern ein Außenseiter - und das war beileibe nicht das gleiche.
Die Art, wie sie ihn anfunkelte - so als wäre er alles Übel der Welt - offenbarte ihr flatteriges Nervenkostüm und wüsste Matthew nicht aus erster Hand, dass er gerade Clanverräter vor sich hatte, spätestens jetzt hätte er geahnt, dass die drei mehr verband als bloße Freund- oder Kameradschaft.
„Mit meinem Lehnsherrn?“, echote er ungläubig und schüttelte den Kopf über so viel geballte Ignoranz. „Ja... ich freu mich auch dich kennenzulernen.“ murmelnd blickte Cassiel zu Clarence, der permanent unter Beschuss stand und mit allerlei Fragen bombardiert wurde auf die er kaum Gelegenheit hatte zu antworten.
Ein Umstand, der dem Dunkelhaarigen allmählich so sehr gegen den Strich ging, dass er einsprang um zumindest einen Augenblick lang die junge Frau zum Schweigen zu bringen.
„Jetzt komm mal runter, Prinzessin. Auf mich muss keiner aufpassen wenn wir euer Lager erreichen und wenn du Fragen an mich hast, dann stell die auch mir und nicht ihm.“ -
Clarence war zweifellos für sein Erscheinen in dieser illustren Runde verantwortlich. Aber das bedeutete nicht, dass er für ihn sprechen musste oder sollte.
„Keine Ahnung für wen du mich hältst... Aber ich bin ganz sicher nicht den ganzen beschissenen Weg hierher gekommen, nur damit du oder sonst wer jetzt so tut, als wäre ich euer größtes Problem. Ich hab mir auf dem Weg hierher den Arsch abgefroren, mir anschließend das halbe Gesicht wegätzen lassen und mir auf See bei Sturm die Seele aus dem Leib gekotzt. Das alles in der wenig unterhaltsamen Gegenwart von Meister Grimmbart hier, der meistens nur brummt, wenn er nicht schweigt. Und jetzt kannst du mir sicherlich verraten, warum ich das gemacht habe.“, aber ganz ähnlich wie Adrianna zuvor, ließ nun auch Matthew keine Zeit verstreichen um ihr Gelegenheit zu geben zu Wort zu kommen.
„Ist es, weil es so viel Spaß gemacht hat? Oder weil ich Langeweile hatte? Oder vielleicht, weil ich mir nichts besseres vorstellen konnte, als diese beschauliche Reise an den Arsch der Welt zu unternehmen, an dessen Ende ich ein paar Wildfremden richtig ans Bein pisse? Ich verrate dir die Antwort: sie lautet Nein.“ - Matthews Tonfall war weniger aggressiv als es der von Adrianna gewesen war und auch sonst wirkte der Dunkelhaarige weniger zornig als denn ironisch.
Trotzdem war unverkennbar, dass er nicht zu der Sorte Mensch zählte die kuschten oder sich schnell beeindrucken ließen. Er war weder auf den Kopf, noch auf den Mund gefallen und ganz bestimmt würde er nicht schweigend daneben stehen, während man versuchte auf Clarence oder ihn Druck auszuüben.
Besser, die zwei Gestalten erfuhren das früher als später.
„Clarence hat mir den Hals gerettet und ich habe mich revanchiert, deshalb bin ich hier. Wir sind...“... kurz blickte er zu dem Blonden, abschätzend statt liebend, so als wisse er noch nicht sicher, ob auch wirklich stimmte was er zu sagen gedachte.
„...Freunde. Ich bin auf seiner Seite und das bedeutet auch, ich bin auf eurer.“
Das war die reine Wahrheit, weshalb es Matthew nicht schwerfiel das nötige Maß an Überzeugung in der Stimme aufzubringen. Für die Dauer der bevorstehenden Reise würden diese zwei schrägen Gestalten notgedrungen seine Verbündeten sein.
Sie würden gegenseitig aufeinander acht geben und das letzte was sie unter diesen Umständen gebrauchen konnten, waren verhärtete Fronten nur weil sich Adrianna durch seine Anwesenheit auf den Schlips getreten fühlte.
„Also...Adrianna, es tut mir leid, dass ich eure Wiedersehensparty gesprengt habe.“
‚Aber ich bin Clarence‘ Party, deshalb werdet ihr mich nicht los. Leb damit.‘
Kluger Weise fanden diese Worte weder den Weg über seine Zunge, noch sein Amüsement über den Gedanken den Weg in seine Augen.
„Aber ich bin nicht das Problem für das ihr mich haltet. Wäre dem anders...ich wette, Clarence hätte mich nicht mitgenommen.“
Und wenn die junge Frau seinen Mann auch nur halb so gut kannte wie sie es glaubte zutun, dann wusste sie, dass er damit Recht hatte.
Clarence war kein Mann der faule Kompromisse einging, der Entscheidungen leichtfertig traf und der sich mit Fehlern leicht tat. Dieser Kerl, dass wusste Cassie zu gut, war überlegt und wog jede Entscheidung sorgsam ab bevor er sich zu ihr durchrang. Zwar gab es durchaus...impulsive Augenblicke, doch bezweifelte Matthew dass die beiden anderen schon viele davon gesehen hatten. Sie mussten wissen, dass der Blonde ihn nicht mitgebracht hätte, wenn es Anlass gäbe ihm zu misstrauen.
Ob es klug war Adrianna direkt zum Einstieg durch einen Spitznamen wie Prinzessin zu provozieren, nachdem sie sowieso schon leicht reizbar zu sein schien, würde sich sicher noch zeigen – wenigstens für den Moment presste die junge Frau widerwillig ihre Lippen aufeinander und starrte den ihr Unbekannten an, redlich darum bemüht nicht auf ihn loszugehen
Sie verstand noch immer nicht was das für ein Typ war, der einfach aufkreuzte und sich anmaßte hier Leute herum zu schubsen, ihnen über den Mund zu fahren und sich ungefragt Redezeit zu erkämpfen, obwohl er hier eigentlich überhaupt nichts zu melden hatte. Adrianna interessierte es nicht was der Typ dachte oder wie er hierhergekommen war, immerhin hatte nicht der da als verschollen gegolten, sonder Clarence – aber dieser Matthew Reed nicht zu begreifen oder nicht begreifen zu wollen, dass man die Story seines traurigen kleinen Lebens gar nicht hören wollte, wo es weit wichtigere Fragen zu klären gab.
„Och du Armer. Hat dich jemand gezwungen, diesen beschissenen Weg hierher zu kommen?“, warf sie brastig ein, untermalt von einem weit mehr interessierten „Auf See?“ seitens Cameron, der nichts gegen gute Geschichten von Fremden einzuwenden hatte, ganz im Gegensatz zu seiner Kameradin. Ein missgelauntes Brummen ertönte derweil von Meister Grimmbart, dessen Talent hinsichtlich dieses Geräusches just im gleichen Augenblick noch durch den Kakao gezogen wurde.
Das ganze Gespräch glich unlängst einem reinen Chaos das Clarence schon lange nicht mehr gewöhnt war. Schon früher hatte er die Stille auf den einsamen Reisen mit Nagi genossen, hatte es geliebt diese verrückte Meute mal für wenige Tage oder Wochen nicht um sich zu haben, sodass er es dann auch wieder hatte genießen können, wenn das bunte Stimmengewirr durchs Haus wehte, wo man sowieso keinem Gesprächsstrang so richtig folgen konnte selbst wenn man es versuchte.
Auch Cassie hatte damals schnell begriffen dass von seinem schweigsamen Weggefährten nicht viel Konversation zu erwarten war wenn dieser seine Ruhe haben wollte, auch wenn der Dunkelhaarige die Stille oftmals mit seinen unterhaltsamen Einwürfen versucht hatte zu durchbrechen.
Mit erhobenen Brauen hob der Hüne die Hand um sich geduldig an der Stirn zu kratzen, abwartend bis die Streitvögel geklärt hatten was es untereinander zu klären gab, ohne wirklich viel dazu beizutragen – selbst wenn er das gerne getan hätte. Matthew musste seinen eigenen Standpunkt in dieser Gruppe finden, musste klarstellen was er denn für einer war und wenngleich das derzeit noch aus naheliegenden Gründen zu Reibereien führte, würde es auf langer Sicht hilfreich sein Adrianna begreiflich zu machen, dass er nicht kuschte… wie es sich für einen potentiellen Jäger gehörte.
Sich durchzusetzen da draußen in der Welt war nicht einfach und führte oft zu Disputen, denen man nicht aus dem Weg gehen konnte oder durfte. Mit anderen Clans geriet man schnell aneinander und wer buckelte, zog den Kürzeren. Selbst Auftraggeber versuchten einen schamlos über den Tisch zu ziehen wenn man ihnen nicht entweder mit geschickter Gesprächstaktik oder einem drohenden Auftreten klar machen konnte, dass es keinen Raum für Diskussionen gab oder Möglichkeiten, den Sold für ihre Arbeit herunter zu handeln. Wer seine Talente hinterm Berg hielt, der verlor – da draußen wie auch im Clan selbst, in dem der Umgangston zwar oft rau und direkt war, sich dadurch Differenzen aber auch zeitnah klären ließen statt sie weiter zu verschleppen.
In defensiver Körperhaltung, die klar stellte dass sich Adrianna nur wenig von dem beeindrucken ließ was Matthew abgeliefert hatte, holte sie Luft – nur um kurz darauf den Mund wieder zu schließen und erneut hinüber zu Clarence zu blicken.
„Ist er fertig mit seinem Monolog?“, wollte sie provokativ vom Blonden wissen und hätte vermutlich den Dunkelhaarigen selbst gefragt, wäre ihr nicht eben noch die Prinzessin an den Kopf geknallt worden und die Aufforderung, Fragen direkt an Matthew zu stellen. Sie mochte schnell aufbrausend sein und Fremde oft ungerecht behandeln, dafür wusste sie aber genau ihren Standpunkt weiter zu verhärten und dabei eine Dickköpfigkeit an den Tag zu legen, die Clarence in vielen Fällen alle Ehre machte.
Genervt schüttelte jener den Kopf.
„Ja ist er – und du auch“, mit dem Arm drängte er die junge Frau vor der Brust einen Schritt zurück aus der Runde, während er mit der anderen Hand nach dem Riemen von Cassies Tasche griff um ihn daran etwas zu sich zu ziehen.
Die Geste benötigte keiner weiteren Worte mehr um seine Meinung zu diesem Chaos hier zu offenbaren, so wie man es vom Blonden gewohnt war, der lieber Handlungen sprechen ließ statt sich in endlose Diskussionen zu verstricken, die sich sowieso nur im Kreis drehten.
Ein fassungsloses schnaufen wehte ihm aus Adriannas Nase entgegen, wobei schließlich ein einzelnes Klatschen die aufgekommene Stille unterbrach, als Cameron gespielt froher Dinge in die Hände klatschte.

„So, schön, ihr munteren Partygäste“, griff er dabei die Umschreibung Matthews auf und blickte abwartend in die Runde - gegen eine gediegene Prügelei hatte er zwar sonst in der Regel nichts einzusetzen, aber er wusste wie schmerzhaft die kleinen knochigen Finger seiner Kameradin sein konnten und das war etwas, das er dem Fremden innerhalb der ersten zehn Minuten dann doch gerne ersparen würde – das schien der einzige hier zu sein mit dem man sich ernsthaft amüsieren konnte und angesichts eines solchen Glücksfalls, würde er darauf achtgeben müssen, dass die Volltätowierte ihn nicht augenblicklich wieder vertrieb wenn er selbst das schon nicht geschafft hatte.
„Ich nehm an, ihr zwei seid ihm Gasthaus untergekommen? Um die Stimmung vielleicht wieder etwas aufzulockern, schlag ich folgendes vor:
Ich und Adrianna ziehen uns in der Arbeiterbaracke was Sauberes an -“, wobei er unterschlug sich nicht wirklich durch harte Arbeit schmutzig gemacht zu haben, „- Sky beruhigt in der Zeit unser Sonnenschein hier und danach treffen wir uns unten im Schankraum. Ich hab ‘nen mords Kohldampf und ein gutes Essen beruhigt bekanntlich die Gemüter, genauso wie drei oder vier Flaschen Wein zum runter spülen.“
Mit abwartendem Blick scannte er die Runde ab, darauf gefasst dass sich nicht gleich doch noch jemand gegenseitig an den Hals sprang. Adrianna bevorzugte es allerdings sich mit einem unwilligen Geräusch ihres Missmutes aus Clarence‘ Dunstkreis zu entfernen und noch hielt auch keiner eine Waffe gezückt.
„Wir plaudern ein bisschen über die guten alten Zeiten und eure Reise um uns kennenzulernen und wenn es für deinen Knecht an der Zeit ist die Schlafgemächer herzurichten, können wir uns über Clan-interne Dinge unterhalten. Wie klingt das für euch?“

„Ist er fertig mit seinem Monolog?“ - mehr Worte brauchte Arianna nicht, um deutlich zu machen dass an ihrer Anti-Haltung vorerst nicht zu rütteln war.
So innig sie Clarence begrüßt hatte, so konfrontationslustig war sie Matthew gegenüber. Eine Haltung, die der Dunkelhaarige in ihrer Offenheit nicht gewohnt war.
Beileibe war er nicht jedermanns Liebling, doch in den Teilen der Welt wo es noch so etwas wie Kultur gab, ging man mit Antipathien anders um. Und dort wo bittere Armut und eine verrohte Gesellschaft anzutreffen war, hatte man nicht selten ihre Dienste gebraucht. Matthew war es nicht gewohnt, dass man ihm den goldenen Teppich ausrollte und er hatte auch nicht damit gerechnet, mit offenen Armen empfangen zu werden.
Immerhin - und das hatte er nicht vergessen - war der Grund des Treffens ja ein durch und durch ernster. Er hatte nichts mit diesen Leuten zu schaffen, hatte nichts beigetragen zu dem Komplott von vor ein paar Jahren. Dementsprechend verstand er, dass Adrianna nicht begeistert sein konnte ihn nun hier zu wissen. Es blieb ihr ja gar nichts anderes übrig, als in ihm eine Variable zu sehen die sich nicht bestimmen ließ - und als solche barg er eine gewisse Gefahr für ihren Deal.
Soweit so verständlich.
Was er aber nicht verstehen konnte und nicht verstehen wollte war die Ernsthaftigkeit mit der sie sich offenbar vorgenommen hatte ihm zu misstrauen und ihn nicht zu mögen.
Ihre Blicke piekten wie Nadelstiche und Matthew würde schwören können, dass ihn noch nie jemand so angesehen hatte - zumindest nicht nach so kurzer Zeit.
Der Dunkelhaarige beschwor sich innerlich zur Ruhe, presste die Zähne aufeinander und konnte gerade noch verhindern die Hände zu Fäusten zu ballen, da bereinigte Clarence gewohnt souverän und gewohnt schweigsam die Situation.
Zu Matthews Überraschung schob er Adrianna aus dem kleinen Kreis heraus und zog ihn dafür näher an sich heran. Eine Geste, die weitaus deutlicher klarstellte wer hier zu wem gehörte als es Worte gekonnt hätten.
Mit der Rothaarigen zu diskutieren würde rein gar nichts bringen, sie hatte sich ihre Meinung schon gebildet in dem Moment als sie Matthew gesehen hatte und wenn überhaupt, dann würde höchstens etwas Abstand dazu führen können, dass sie ihre vorgefertigte Einstellung nochmal überdachte.
Innerlich atmete Matthew auf, als der Größere ihn zu sich zog und eigentlich hätte er nun am Liebsten nach seiner Hand gegriffen... aber statt sich von seiner Erleichterung und Liebe etwas anmerken zu lassen, blickte er nur trotzig in das Gesicht der Prinzessin.
Wie wenig ihr das passte, damit hielt sie nicht hinterm Berg. Verächtlich schnaubte sie und ließ damit alle Anwesenden daran teilhaben, dass ihr die neue Konstellation überhaupt nicht gefiel.
Barclay indes bewies ein unbeschreibliches Talent dafür, unangenehme Situationen noch zu verschlimmern. Denn statt sich zurückzunehmen... klatschte er plötzlich in die Hände und spendete Applaus. Irritiert sah Matthew zu ihm und man konnte ihm irgendwie ansehen, dass er nicht wusste was hier gerade ablief.
Keiner der beiden benahm sich normal oder vorhersehbar und plötzlich wurde ihm auch klar, warum Jäger größtenteils nicht besonders beliebt waren.
Wenn er sich vorstellte eine ganze Gruppe solcher schrägen Gestalten marschierte in ein kleines Kaff ein... dann sorgten die schon für Chaos noch bevor der eigentliche Auftrag erfüllt war.
Ob Barclay es ihm nun ansah oder einfach eins und eins zusammenzählte, sein folgender Vorschlag diente nicht weniger als seiner Rettung aus dieser befremdlichen Situation in die Matthew geraten war.
Und egal ob nun Elster oder nicht, ob ein paar Schrauben locker waren oder schon sämtliche der Kleinteile verloren waren... Matthew war froh über die Idee sich vorerst wieder zu trennen - und sei es nur für wenige Minuten.
Die Aussicht auf Erlösung ließ Cassie fast schon die neuerliche Spitze des Anderen überhören, allerdings nur fast. Im Unterschied jedoch zu Adrianna, hatte er bei Barclay ein gutes Gefühl und seine Bemerkung klang in Matthews Ohren eher wie ein Necken als ein Unterstreichen von etwaiger Ablehnung.
„Ist diese Knecht-Nummer irgendein Faible von dir? Seit wir uns kennengelernt haben, fängst du immer wieder damit an. Ich kann ja verstehen, wenn dir die Vorstellung gefällt Clarence’ Schlafgemach herzurichten. Wenn du ihn nett bittest, lässt er dich bestimmt sein Bettzeug aufschütteln.“, entgegnete er sarkastisch, wobei er durchaus auch ein Minimum amüsiert zu sein schien.
„Davon abgesehen, ist das der beste Vorschlag den ich heute gehört hab. Von mir aus geht das so klar.“
Ob es nun noch Einwände gab oder nicht, spielte keine Rolle, denn niemand sprach sie aus. Also trennte sich die ungleiche Vierertruppe wieder, Adrianna ging in einigem Abstand zu Barclay in Richtung der Arbeiterbehausung und Clarence und Matthew setzten sich in Richtung der Mühle in Bewegung. Angespannt und still lief der Dunkelhaarige neben dem Größeren her, vermied es tunlichst sich hier draußen zu äußern und versuchte gleichsam nicht so angespannt zu wirken wie er sich fühlte.
Selten war er sich derart fehl am Platze vorgekommen wie in Gegenwart der Rothaarigen und ebenso hatte er noch nie so dringend das Bedürfnis verspürt, Abstand zu gewinnen bevor ein Wortgefecht vielleicht eskalierte.
In der kleinen Mühle in der sie zuvor schon gewesen waren, orderten sie statt einer Mahlzeit nun ein Doppelzimmer. Wie alles an diesem Ort, entpuppte sich auch der Zimmerstandard als einfach. Boden und Wände bestanden aus Holzdielen, es gab zwei Betten, zwei Sessel, einem Schreibtisch mit einem Fass Tinte darauf und einer Feder daneben. Zwei Schränke und eine Kommode komplettierten die Einrichtung auch schon, wobei auf Letzterer eine Vase mit frischen Blumen stand. An den Wänden hingen Bilder mit unterschiedlichen Motiven.
Das Fenster zeigte gen Süden und bot einen herrlichen Blick über die Weinfelder und den Wald. Vor den Betten lag jeweils ein Schafsfell.
Aber all das hätte Matthew gar nicht egaler sein können, denn in dem Moment als die Tür ins Schloss fiel, fiel auch die innere Anspannung von ihm ab.
Er befreite sich von der Umhängetasche und warf sie achtlos zur Seite, fuhr sich mit beiden Händen durch das dunkle Haar und wischte sich dann über das Gesicht.
„Scheiße Clarence, was sind das für Leute?!“ platzte es aus ihm hervor und er drehte sich zu dem Blonden herum.
„Die Frau ist doch nicht ganz sauber und Barclay...“, er schnaufte „...gegen die Alte ist er ein richtiger Quell der Freude.“ - nicht Barclay würde ihnen Ärger machen, davon war Cassie überzeugt.
„Hast du gesehen wie sie mich angeglotzt hat? Ich schwöre dir, sie hasst mich jetzt schon.“ Nicht das Matthew großen Wert auf ihre Freundschaft legte aber so hatte er sich die Reise dann doch nicht vorgestellt.
Angefressen und überfordert schritt er durch das Zimmer, öffnete das Fenster sperrangelweit und stützte sich mit den Händen auf dem Rahmen ab, während er hinaus in die Natur schaute ohne sie wirklich zu sehen.
Müde von der langen Anreise und – bis auf ihr kurzes Mal unten im Schankraum – der fehlenden Pause am heutigen Tag, legte Clarence seinen Rucksack an einem der beiden Bettenden ab, kaum da die Tür hinter ihnen ins Schloss gefallen war. Er war erschöpft von der Anspannung die ihn bereits seit Wochen gefangen hielt angesichts des heutigen Wiedersehens und ausgelaugt von dem langen Fußmarsch den sie nicht mehr wirklich gewohnt waren, seitdem sie mit ihrem Boot auf hoher See Strecke machten. So wie er sich heute fühlte, musste Matthew sich ähnlich gefühlt haben mit Seekrankheit unter Deck und trotzdem war er nicht der einzige der eine kurze Pause zu brauchen schien, nun da sie fünf Minuten Ruhe hatten und wieder unter sich waren.
Das kleine Zimmer, das sie mit zwei Einzelbetten gebucht hatten, war einfach aber bequem behalten und die wenigen Mittel die man hatte um es wohnlich zu gestalten, hatte man ausgenutzt. Auf alten Bildern konnte man den frühen Anfang des Weinbaus des Pago Estella Vaga entnehmen, braun gebrannte Mexikaner die mit ihrer harten aber ertragreichen Arbeit zufrieden waren und die zu wissen schienen, dass sich ihre Mühen auszahlen würden. Er wagte nicht zu bezweifeln wie anstrengend es war hier im Hochsommer Wein zu treten, die Reben per Hand zu wässern wenn kein Regen fiel – Hand für Hand einzelne Eimer in Massen die Berge hinauf schleppend um die kleinen Pflanzen am Leben zu erhalten, so wie man sich sonst nur darum bemühte die eigenen Kinder zu versorgen.
Hätten sie nicht ein bestimmtes Anliegen das sie hierher getrieben hatte, sondern wären ihm Rahmen eines Tagesausflugs hier gelandet, sicher hätte Clarence vorgeschlagen ein wenig hier zu bleiben und die Idylle zu genießen. Die Aussicht aus ihrem kleinen Zimmer war traumhaft, durch die Berge schienen sich bis an den Horizont Wein und Wälder zu erstrecken und von dem regel Treiben der Metropole, die gar nicht allzu weit entfernt war, bekam man durch die im Tal gelegenen Hütten nicht wirklich etwas mit. Hätte er gekonnt, er hätte sich für ihre Flitterwochen eher so etwas hier ausgesucht anstelle von tödlicher Riesenspinnen und einer Insel voller geistig Zurückgebliebener; ihre Flitterwochen waren allerdings just seit knapp vier Stunden vorbei, die sich nie wieder würden zurückdrehen lassen können.
Abwartend beobachtete Clarence seinen Mann und ließ ihm Raum um die geballten Emotionen aus sich heraus platzen lassen zu können von denen der Blonde ihm bereits angesehen hatte, dass sie Matthew auf der Zunge lagen. Es schien ihn zu fuchsen wie wenig Adrianna von der ersten Sekunde an damit hinterm Berg gehalten hatte seine Gesellschaft nur wenig erstrebenswert zu finden, Cameron war ihm nicht direkt unsympathisch aber dafür noch immer suspekt – ersteres missfiel dem Bären, letzteres fand er nachvollziehbar - und alleine die Vorstellung, die kommende Zeit seine Tage mit ihnen teilen zu müssen, schien auszureichen um ihm den Verstand zu rauben.
So wie jetzt hatte Clarence seinen Mann selten gesehen und wenn, dann höchstens deshalb, weil Claire selbst ihn an den Rand des Wahnsinns befördert hatte mit seiner dickköpfigen Art. Dass auch andere das fragwürdige Talent besaßen den einstigen Söldner so zu zermürben, war neu für Clarence – vermutlich genauso neu wie es für den sonst bei Damen eher beliebten Matthew war, nicht sofort allein durch sein charmantes Lächeln zu punkten.
Eine kurze Stille legte sich über den Raum, während derer Clarence den anderen dabei beobachtete wie er sich ins Fenster lehnte und das vergangene Gespräch Revue passieren zu lassen schien. Wie er da so stand mit seinem blauen Hemdchen, den breiten Schultern und der ausgewaschenen kurzen Hose, konnte der Blonde sich genau daran erinnern wie sehr es ihn jedes Mal aufs Neue geärgert hatte, dass Reed damals am Abend nicht mit ihm nach Hause gegangen war, sondern meist mit irgendwelchen Weibern aus der nächstbesten Kneipe. Der heutige Reed teilte sich allerdings nicht nur ein Zimmer mit ihm, sondern war auch auf dieses mit hinauf gekommen. Er legte Wert auf Clarence‘ Meinung und Zuspruch, aber auch darauf von ihm aufgefangen zu werden, wenn Dinge nicht so liefen wie erhofft.
So viel hatte sich geändert seitdem er diesen Mann kennengelernt hatte und aus dem einstigen Bestreben wieder in seinen Clan zurück zu kehren wenn die Sache erledigt war, war der Wunsch geworden so weit von dort fort zu kommen wie nur möglich – mit demjenigen, der sich freiwillig den Zorn Adriannas antat, wenn es nur dem höheren Wohl diente.
Beinahe lautlos hallten die dumpfen Schritte seiner nackten Füße auf dem Dielenboden wider als Clarence schließlich zum Kleineren ans Fenster heran trat und sich mit einem Arm über ihm an der Seite abstützte, um sein Haupt an Cassie vorbei durch den Rahmen zu drängen. Hinter der Mühle gab es nichts mehr außer Wiese, Wein und dahinter Wald; die Arbeiter waren mittlerweile weitestgehend in ihre eigenen Unterkünfte zurück flaniert um sich vom harten Arbeitstag rein zu waschen, ein Umstand der den Ausblick aus ihrem Zimmerfenster menschenleer machte.
Nicht zwei Mal darauf wartend, dass sich ihnen solch eine Situation bot, lehnte Clarence seine Stirn Nähe suchend an Cassies Schläfe und schloss für einen kurzen Moment die Augen, die fremde Wärme und den bekannten Duft an seiner Seite genießend. Obwohl seit ihrer Ankunft vielleicht kaum mehr als drei Stunden vergangen waren, fühlte sich die Trennung für ihn schon jetzt an wie eine halbe Ewigkeit. Wie Monate und Jahre des Versteckens und der Enthaltung – zwei Dinge in denen er als Fanatiker früher eine Koryphäe gewesen war, mit denen er sich heute allerdings unlängst schwer tat.
„Tja… die Leute sind die, zu denen Matthew Reed unbedingt gehören will, weil er ja Jäger werden will“, wisperte er seinem Mann beruhigend zu, ganz so als könne das wirklich etwas entschuldigen. Vorsichtig streifte er mit der Nase Cassies Schläfe, bevor er einen sachten Kuss darauf hauchte.
„Adrianna wird dich schon noch akzeptieren irgendwann und Barclay… mit dem Idiot kann man auch normal reden, wenn er denn will. Der will nur selten.“
Für Clarence war das der ganz normale Wahnsinn, eine Gruppendynamik die er gewohnt war, da er die beiden und all die anderen Mitglieder seines Clans schon lange genug kannte um zu verstehen wie sie es meinten – und die er lange genug kannte um zu verstehen wer sie waren und warum sie so waren.
„Sie hasst dich nicht, sie ist nur -“, ratlos hoben sich seine Schultern, unsicher wie er dem anderen erklären sollte, warum sich die junge Frau so heftig aufführte.
Vorsichtig löste er Cassie vom Fensterbrett, griff nach seiner Hand und bat ihn durch sanften Zug zum Bett hinüber und weg von der Öffnung hinaus in die Welt, in der man sich nicht zwingend über derlei sensible Themen unterhalten sollte.
„Nagi war jemand… der anderen unfassbare Dinge zugemutet hat, um sich danach als den Retter dieser Menschen hinzustellen – und ich habe den Mann getötet, der ihr Unmenschliches angetan hat. Stell dir vor, ich wäre ausgezogen um Rouge auszumerzen wenn er noch leben würde und wir hätten uns eine Ewigkeit nicht gesehen. Du hättest in der Zeit weder gewusst ob ich noch lebe, noch ob ich ihn erwischt habe. Und an dem Tag, an dem ich wiederkomme… hab ich irgendeinen Fremden im Schlepptau, der es nicht möglich macht mich sofort über all das auszuquetschen was passiert ist, geschweige denn um mich auszufragen wie ich es getan habe.“
Natürlich war sein Verhältnis zu Adrianna ein völlig anderes als zu Matthew, aber das änderte nichts an der Wiedersehensfreude und die unfassbare Erleichterung darüber, dass der Richtige noch lebte und nach Hause zurück gekommen war.
Sanft drängte er seinen Mann hinab aufs Bett und setzte sich neben ihn, die müden Beine vor sich ausstreckend, die ihm gerade weit mehr Kopfzerbrechen bereiteten als die Gefühlsausbrüche seiner verschrobenen Clan-Schwester.
„Ich hätte dich dafür knutschen können wie du Barclay weggestoßen hast, weißt du das? Wenn der Typ hingeflogen wäre, hätte ich’s vielleicht sogar getan“, versuchte er die Laune des Jüngeren wieder etwas aufzuheitern, wenigstens für den Moment. „Lass dich von den beiden Trantüten nicht unterbuttern, das würde ihnen nur Anlass dazu geben, dich irgendwann ernsthaft zu schikanieren. Versuch nur keine Rangelei mit Adrianna anzuzetteln, die Kleine weiß ernsthaft an welchen Stellen es weh tut und nutzt das aus, ohne Rücksicht auf Verluste. Außerdem kann die dir das Leben richtig zur Hölle machen, wenn du offiziell auf ihrer Abschussliste stehst.“
Auffordernd ihn anzusehen, umgriff der Bär Cassies Kinn und beugte sich zu ihm um ihm einen zufriedenen Kuss zu rauben, den Clarence sich nach all der Zeit der Entbehrung mehr als verdient hatte, wie er fand.
„Ich bin fast schon ein bisschen stolz auf dich, weißt du das? Ich finde, für den ersten Auftritt von Matthew Reed nach so langer Zeit, hast du das richtig gut gemacht.“

Währen Matthew Reed aus dem Fenster sah und auf die dumpfen leisen Schritte seines Freundes lauschte, dachte er an all die Zeit die schon vergangen war.
In Jahren gerechnet kannten sie sich noch gar nicht lange und trotzdem fühlte es sich für ihn so an, als sei Clarence schon immer bei ihm gewesen.
Als seien sie beide dazu bestimmt einander zu kennen und zu lieben.
Jede Berührung des Größeren fühlte sich richtig an, jeder Blick, jedes Wort und jedes Schweigen.
„Ich will nicht, dass du barfuß rumlaufen musst.“, warf er zusammenhanglos ein und blickte auf die nackten Füße herunter.
Widerstandslos ließ er sich vom Fenster wegziehen und zum Bett dirigieren, setzte sich darauf und blickte betreten auf seine Hände, die an seinem Shirt-Saum nestelten.
Clarence, der sich neben ihn gesetzt hatte, versuchte ihn aufzuheitern und ihn gleichzeitig zu sensibilisieren. Er sprach von Nagi, von Adrianna, von ihren Gründen ihn nicht zu mögen - und wahrlich, er hatte recht.
Matthew sprach der Rothaarigen gar nicht ab, dass sie Gründe hatte ihn nicht leiden zu können. Womit er überhaupt nicht zurecht kam war eher die Vehemenz und die Offenheit mit der sie ihn das spüren ließ.
Dieses Verhalten brachte ihn in eine Zwickmühle, denn einerseits sollte er sich nicht unterbuttern lassen, auf der anderen Seite hingegen warnte ihn Clarence davor, sich die junge Frau zum Feind zu machen.
„Ich hätte dich dafür knutschen können wie du Barclay weggestoßen hast, weißt du das?“, fragte Clarence ihn unvermittelt und ebenso plötzlich lachte Cassiel kurz auf.
Es war ein unerwartetes Geräusch in der friedlichen Ruhe des Zimmers und Matthew sah kurz zu seinem Mann neben sich, noch immer lächelnd.
„Ja...die Vorstellung wie er hinfliegt ist verlockend...“, aber so richtig verlockend daran war eher die Aussicht darauf, dass Clarence ihn geküsst hätte wäre es so gekommen.
Erst wenige Stunden war es her, da hatten sie das Weingut erreicht und doch kam es Matthew so vor, als seien sie schon seit Wochen zu der Scharade verdammt die sie eigentlich erst seit so kurzer Zeit spielen mussten.
Betreten sah Matt wieder nach unten. Er wusste, dass er Clarence nichts vormachen brauchte und es würde rein gar nichts bringen wenn er nun so tat als sei alles in schönster Ordnung. Der Blondschopf wusste, dass es das nicht war - aber er wusste auch wie er es zumindest besser machen konnte.
Ohne große Reden zu schwingen umfing er Matthews Kinn und drängte ihn sanft dazu, ihn anzusehen um ihm Sekunden später einen kleinen Kuss zu stehlen.
Zu hören und vor allem zu spüren, dass Clarence stolz auf ihn war, bedeutete Matthew mehr als er selbst bis vor kurzem noch geglaubt hatte.
Die meiste Zeit seines Lebens war niemand je stolz auf ihn gewesen, es hatte nicht nur keine Rolle gespielt was er wollte und was nicht, es war auch vollkommen irrelevant wie er sich anstellte.
Hatte er seine Sache gut gemacht hatte das für ihn nichts geändert.
Mit Clarence hingegen war das anders. Der Blondschopf war auf seiner Seite und zwar immer, selbst dann wenn Matt im Unrecht war und Clarence es wusste.
Weder war er mit seiner Unsicherheit allein, noch mit seinen Zweifeln.
Endlich suchten Matthews Augen nicht wieder den Weg nach unten, sondern blieben auf den vertrauten Gesichtszügen des Größeren ruhen.
„Du weißt, dass Matthew Reed nicht wirklich da ist, hm? Auch wenn ich...Dinge sage...über dich... wenn ich dich Grimmbart nenne oder so...“
Auch das war etwas das an ihm nagte, auch wenn es dazu eigentlich keinen Grund gab. Es war ihnen beiden klar gewesen, dass sie mit dem anderen nicht so reden konnten, wie sie es mittlerweile taten. Doch in der Theorie war das einfacher als es sich nun in der Realität darstellte.
„Ich habe oft darüber nachgedacht warum ich dir gefolgt bin...“
Weil er ohnehin kein Ziel gehabt hatte, weil niemand ihn vermisste, weil es naheliegend war sich nicht in der Wildnis zu trennen. All das waren gute Gründe.
Aber der Hauptgrund war ein anderer gewesen.
Einem inneren Impuls folgend, lehnte Matthew sich zu seinem Mann und umarmte ihn.
„Es gab hundert Gründe es nicht zu tun, aber Tatsache ist... ich war gern mit dir unterwegs, schon damals. Selbst als du schweigsam warst und mich kaum beachtest hast.“
Nähesuchend schmiegte er seine Nase gegen Clarence‘ Halsseite und hauchte einen winzigen Kuss auf die weiche Haut.
„Ich mochte dein Schweigen, ich mochte dein Brummen, die Art wie du mit Blicken alles gesagt hast, wie du gewissenhaft Fallen vorbereitest oder über deinen Sold gesprochen hast wenn es um einen Auftrag ging. Ich mochte all diese Dinge irgendwie schon immer. Wenn ich etwas anderes sage...dann nur, weil ich nicht sagen darf wie ich dich wirklich sehe, okay? Alles gemeine was Reed über dich oder unsere Reise erzählt, meint Matthew Sky nicht so.“
Ernst und eindringlich blickte der Dunkelhaarige seinen Geliebten nun an, hob eine Hand an Clarence‘ Stirn und kämmte ihm mit den Fingern das blonde Haar zurück.
„Ich werde versuchen, mich etwas zurückzunehmen wenn wir gleich alle vier da unten essen. Ich weiß nicht ob das die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass Adrianna nicht mehr versucht mich mit Blicken abzustechen, aber einen Versuch ist es wert, schätze ich.“
Die junge Frau wirkte auf ihn nicht wie jemand der eine gefasste Meinung nochmal überdachte, aber vielleicht irrte er sich ja auch.
„Und nur damit wir uns einig sind...ich will unbedingt Jäger werden, weil ich sonst nicht weiß was ich anstellen sollte. Ich hab dir ein paar mal über die Schultern geschaut bei deinen Vorbereitungen und so...und wir sind uns beide einig gewesen, dass die Kestrels ein guter Clan für mich wären. Ist das so... plausibel? Falls die Tochter Satans mich danach fragt will ich nicht ihr Misstrauen erregen... nicht noch mehr jedenfalls.“