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Clarence B. Sky

Es gab viele Vermutungen die man anstellen konnte, wenn man wollte. Zum Beispiel gab es da die Möglichkeit, dass irgendwo in der Nähe ein florierendes kleines Dorf existierte, aus dem die Opfer stammten; aber wenn dem so wäre, warum war der Wald dann nicht schon länger voller Suchender, die ihre Vermissten aufzuspüren versuchten?

Vielleicht hatten die drei zusammengehört, der Mann, die junge Frau im Kleid und die ältere Dame. Eine Familie auf der Durchreise, auf der Flucht vor Eis und Schnee und sollte dem so sein… Clarence wusste nicht was besser für die alte Frau war. Sie retten, in der Hoffnung dass die Magie versiegte noch bevor die starb oder sie wider Erwarten erwachte, dadurch in den Genuss kommend, ihr Leben weiter zu leben auch ohne ihre Familie… oder sie nicht vielleicht doch lieber einfach dort zu lassen wo sie war, glückliche Träume verlebend bis alles in Dunkelheit endete, ohne jemals den Schmerz zu erfahren der es bedeutete, die eigenen Liebsten getötet und zerfetzt mit eigenen Augen erblicken zu müssen.

Und wenn sie doch ihre eigenen Leute irgendwo da draußen hatte, so wähnte der Jäger diese erst Recht als tot – denn andernfalls hätten sie schon längst mit bei ihnen im Keller gelegen, so viel stand fest.

Wie man es auch drehte und wendete, für den Blonden war klar sie täten der Frau nichts Gutes wenn sie sie erwachen ließen und sich selbst erst recht nicht angesichts dessen, in welchem Zustand sie sich befanden. Nichts und niemand war es wert, um dafür das Wohlergehen seines Mannes aufs Spiel zu setzen und da er wusste, jenes hing auch von seiner eigenen Unversehrtheit ab, stand zumindest für den Älteren ihres Duos eine Rückkehr in den nassen dunklen Keller völlig außer Frage.

Als hätte Cassie seine Gedanken gelesen, fällte auch schließlich sein Mann eine Entscheidung und eben jene war es, die den Bären verwundert zu seinem Nebenmann aufsehen ließ

„Wir gehen nach Hause?“, echote er als habe Claire den Kleineren aufgrund des unerträglichen Lärms im leeren Wald akustisch nicht richtig verstanden, auch wenn klar war, seine Worte konnten nichts anderes als eine rein rhetorische Frage sein.

Clarence sah seinem Mann an, er hatte diese Entscheidung nicht wie aus der Pistole geschossen entschieden sondern abgewogen, um letztlich zu diesem Entschluss zu kommen – doch was noch wichtiger war, er spürte warum Cassie sich für diesen Weg entschied.

Seitdem sie einander hatten, hatten sie bereits viele Höhen und Tiefen durchlitten. Schöne Momente voller Frieden und Glück, aber auch Sorge und die unvergleichbare Trauer die einen ergriff, wenn die Möglichkeit im Raum stand, der andere könnte sterben. Die Entscheidungen, die sie früher gefällt hatten… sie waren nicht mehr länger nur für sich alleine verantwortlich, sondern für sie beide gemeinsam. Clarence würde nicht mehr so schnell den Fehler machen und seinen Mann in eine gefährliche Situation bringen, derer er nicht gewachsen war wie etwa das tödliche Feld mutierter Spinnen.

Und Matthew?

Nun ja… der wusste mittlerweile unzweifelhaft noch besser wie es war, wenn einem wegen dem Blonden vor Angst das Herz in tausend kleine Splitter zerrissen wurde.

Noch während er das Drücken seiner Hand spürte, legte sich der Ausdruck vollkommener Liebe für den Jüngeren in den Blick des Jägers und er beugte sich sachte hinüber, um Cassie einen weichen Kuss auf die Schläfe zu drücken. Dieser Kerl war das Wertvollste was er besaß und nichts war im Augenblick so wichtig, wie ihn endlich nach Hause hinter Tür und Riegel in Sicherheit zu bringen.

Der Marsch, der vor ihnen lag und an dessen ungefähre Richtung sich Clarence nach kurzer Orientierung wieder entsann, war schon nach wenigen hundert Metern kräftezehrend und ermüdend. Die Muskeln, halb erfroren von der kalten Erde vor derer er Matthew während dessen Schlummers geschützt hatte, forderten schneller als er es hätte erahnen können ihren Tribut und ließen den Jäger völlig neue Stellen an seinem Leib erfahren von denen er bislang nicht mal gewusst hatte, dort überhaupt Schmerz empfinden zu können. Jede Faser seines Leibes schrie nach Ruhe und Schlaf, doch beide würden noch lange auf sich warten lassen wenn man bedachte, was noch vor ihm lag. Entweder sie versetzten die Harper Cordelia an einen anderen Anlegeplatz um sich vor ungebetenem Besuch der Vetala zu schützen – ein Unterfangen das er wohl kaum alleine würde bewerkstelligen können, aber bei dem Claire sich alleine schon beim Gedanken daran die Haare sträubten – oder aber er blieb auf den Beinen, um sämtliche Zugänge zum Innenleben des Bootes mit Sigillen zu beschmieren und dadurch zu versiegeln.

So oder so, an baldigen Schlaf war wohl kaum zu denken.

Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis sie endlich dort angekommen waren wohin Clarence mit seinem Mann wollte um dessen Waffe wiederzubeschaffen und kaum den markanten Baum im Blick, den der Blonde sich ausgesucht hatte um sein Versteck wiederzufinden, ließ er sich nicht lange darum bitten den größten Schatz des Jüngeren von der Einsamkeit zu befreien, im Gegensatz zu diesem nicht mal halb so aufmerksam die Umgebung sondierend.

„Mhh ja, gleich“, murmelte der Bär ungeduldig und verstand den auffordernden Ausruf des anderen eher als Frage ob er sich überhaupt mit der Stelle sicher war, doch kaum da er ein Stück des kunstvollen Holzes unter seinen wühlenden Fingern ertastet hatte, schaute er mit triumphierendem Blick zum Dunkelhaarigen zurück – der schon längst etwas ganz anderes im Auge zu haben schien.

Irritiert darüber was für einen Matthew Cassiel bitte wichtiger sein konnte als sein einzigartiger Bogen, beeilte sich der Jäger den Rest vorsichtig aber zügig frei zu legen und wieder auf die knarrenden Beine zu kommen.

Schon aus der Entfernung sah er das typische Blau durch das dürre Gras hindurch leuchten und langte erneut nach seinem Revolver, von dem er gar nicht wusste, warum er überhaupt noch so dämlich war das Teil zurück ins Holster zu stecken und warum sein Göttergatte so dämlich war, sich ihren übersinnlichen Peinigern überhaupt so weit zu nähern. An manchen Tagen konnte man wirklich meinen, Cassie war früher eines von den übermütigen Teufelsbraten gewesen, die genau das machten von dem man ihnen vorher noch gesagt hatte, sie würden sich dabei weh tun; das Sprichwort gebranntes Kind scheut das Feuer widerlegte Matthew jedenfalls alleine schon durch sein ganzes Dasein.

„Idiot“, raunte Clarence ihm deshalb völlig zusammenhanglos zu, kaum da er zum Dunkelhaarigen aufgeholt hatte und kaum so geschehen, zogen sich die blonden Brauen verstört zusammen.

Was da vor ihm lag, war… jenseits dessen, was der Jäger in den zurückliegenden Jahren jemals gesehen hatte. Natürlich lag es in der Natur der Sache, dass ihm in seinem Leben immer wieder ungeahnte Dinge vor die Flinte laufen würden die er sich nicht mal in seinen düstersten Träumen hätte vorstellen können. Aber das da…?

Das Brummen, welches sich seine Kehle hinauf drängte, drückte Claires vollstes Unwohlsein aus als er vor dem Leichnam in die Hocke ging, der dank dem Jüngeren zum Teil ein Stück weit aufgeplatzt war.

Pack das nicht auch noch an, du Kleinkind!“, fauchend stieß er die nach den schwarzen, zerfallenden Bröseln grabschenden Finger mit dem Bogen beiseite und taxierte Cassie über sich mit strafendem Blick, immerhin hatte er den sturen Bock bestimmt nicht gerettet und aus dem Keller geschleppt, nur damit er sich nun an dieser Stelle hier die Seuche, Milzbrand oder sonst irgendeinen Scheiß einfing.

„Du bist unmöglich, echt…“ – vielleicht bildete er sich das auch nur ein, aber gerade kam es ihm so vor als würde er für wenige Sekunden genau verstehen warum Matthew sonst immer derjenige war, der auf diese Weise an ihm herum nörgelte. „Es sieht fast so aus, als hätten sie… irgendetwas verzehrt, das ihnen nicht bekommen ist. Zumindest danach, wie sie da liegen…“

Unter anderen Umständen hätte er versucht ihr scheinbar verkohltes Fleisch in irgendeines seiner zahllosen Gefäße aufzufangen um es später zu untersuchen, doch in seinem Rucksack befand sich aus naheliegenden Gründen derzeit nur das wichtigste.

„Es gibt einiges da draußen, das sich von frischem Blut ernährt und das davon verendet, wenn es von einem Toten kommt. Aber ich hab noch nie einen Vetala, oder sonst irgendetwas gesehen, das danach so aussieht. Ich meine… es wirkt, als wäre ihr Inneres bis zu ihrer Haut verbrannt worden und als hätten sie furchtbare Schmerzen darunter gelitten. Oder irre ich mich?“

Mit ernstem Blick wandte er sich wieder zu Cassie hinauf, reichte ihm den Bogen und schließlich die Hand entgegen, damit sein Gefährte ihm wieder auf die Beine helfen konnte.

„…erinnerst du dich an sie, wie sie dich verschleppt haben?“, wollte er nach kurzem Schweigen etwas ruhiger von Matthew wissen und musterte ihn aufmerksam, denn bislang schien nicht viel von der Erinnerung des Jüngeren von seinem Ausflug vor dem Zwischenfall zu ihm zurück gekehrt sein. „Die waren nicht gerade vorsichtig im Wald unterwegs und haben ziemlich viele Spuren hinterlassen. Sonst wäre ich vielleicht jetzt noch dabei, die Häuser in dem Dorf nach dir abzuklappern…“


Matthew C. Sky

 Warum Clarence ihn einen Idioten schimpfte war Matthew nicht ganz klar, aber der leblose Vetala war im Augenblick weitaus interessanter, als das Matt sich hätte nun von ihm abwenden können um seinen unhöflichen Gatten zu befragen.

Erst als er mit dem Holzbogen auch noch unsanft eins auf die Finger bekam, zischte er ein entrüstetes und überrascht klingenden „Aua!“ und warf Clarence einen bitterbösen Blick zu.

„Hör auf mich zu schlagen, sonst schlag ich zurück.“ giftete er und meinte es durchaus ernst. 

Schon mehr als einmal waren sie aufeinander losgegangen, aber die letzte körperliche Auseinandersetzung lag schon eine ganze Weile zurück- was jedoch nicht bedeutete, dass könnte sich heute nicht wieder ändern. 

Der Jäger, der in seinem Leben ganz sicher schon jede Menge abgefahrenen Scheiß gesehen hatte, war äußerst vorsichtig und offensichtlich hatte er gerade nicht mehr Schimmer als Cassiel.

„Tut gut zu sehen, dass es noch Dinge gibt von denen selbst du noch überrascht bist.“ Stellte Matthew fest und warf seinem Mann einen frechen Blick zu, der jedoch nicht ganz so bissig anmutete wie es sonst der Fall war.

Der Blonde indes analysierte den Leichnam, taxierte ihn genau und ließ den Dunkelhaarigen an seinen Gedanken teilhaben ohne das Matthew darum bitten musste.

Dass das nicht selbstverständlich war, wusste Matthew noch zu gut aus alten Zeiten, deshalb hörte er den Ausführungen nun auch umso aufmerksamer zu und unterbrach den Größeren nicht.

Der tote Vetala hatte eindeutig Schmerzen gelitten bevor er sein Leben gelassen hatte. Sein Gesicht war verspannt, die ganze Haltung nicht ‚friedlich‘. 

Von einem sanften Entschlummern konnte ganz sicher keine Rede sein. 

„Ich weiß nicht…“, der Dunkelhaarige neigte den Kopf und ging schließlich in die Hocke. Die Unterarme legte er auf seinen Oberschenkeln ab und behielt die Hände vorerst bei sich.

„Sie sehen verbrannt aus, dass stimmt schon. Aber… wie sollte sie etwas von innen verbrennen?“, fragend sah er zu Clarence hinauf, bevor er nach einem kleinen Ast langte der abgebrochen auf dem Boden lag. Damit wischte er über das Kinn des Toten, wobei auch dieses zum Teil zu Staub oder Asche zerbröselte.

Die dunkle und zähe Masse die aus dem Mund des Vetala gelaufen war, hing zum Teil nun an dem Stock und Matt rümpfte angewidert die Nase - sein offensichtlicher Ekel reichte jedoch nicht an seine Neugier heran, weshalb er die eingedickte Flüssigkeit ausgiebig betrachtete.

„Ich hab‘ keinen Schimmer aber könnte das Blut sein?“, so dickflüssig wie es war musste es buchstäblich gekocht haben – ein Vorgang der ganz sicher schmerzhaft und tödlich geendet hatte und der zur Körperhaltung und dem Zustand des Leichnams passen würde.

Auffordernd hielt er Clarence den Stock schließlich entgegen für den Fall dass dieser sich das vermutete Blut auch mal ansah. Dem Blick des Blonden nach zu urteilen war dieser gänzlich unzufrieden mit Matthews Entdeckerdrang, aber er griff nach dem Stock um seine eigenen Rückschlüsse zu ziehen.

„Zier dich nicht so Blondi.“, fügte Matt an, kurz bevor Clarence den Ast an sich nahm. 

Die Frage danach ob Matthew sich an seine Begegnung mit den Vetala erinnern konnte verneinte er verspätet mit einem betretenen Kopfschütteln.

„Ich erinnere mich…an gar nichts so richtig.“, er blickte sich im Wald um, als könne er irgendwo etwas wiederkennen. „Wenn ich daran denke was gewesen ist bevor wir Miami betreten haben... da… fallen mir andere Dinge ein.“, Dinge die nie passiert waren, Worte die nie zwischen ihnen gewechselt worden waren.

„Mir kommen diese Erinnerungen ganz real vor. Sie sind glasklar… aber…“, er unterbrach sich kurz und richtete den Blick wieder auf Clarence.

„…kennst du das Gefühl wenn du langsam ausnüchterst nachdem du sturzbesoffen warst? Du versuchst dich zu erinnern was du gemacht hast und hoffst irgendwie es war nichts allzu schlimmes, aber du…erinnerst dich nur an Bruchstücke und die sind nicht klar, sondern verschwommen. So in etwa ist es, wenn ich daran denke das ich jagen gehen wollte. Ich erinnere mich, aber die Erinnerung daran fühlt sich weit weniger echt an, als das was in Miami passiert ist.“

Als hätten sich die Realitäten irgendwie verschoben. Es war ein verwirrendes, zutiefst irritierendes Gefühl. 

„An den Wald...“, er versuchte angestrengt in seinen verschütteten Erinnerungen zu graben und seufzte letztlich. „...ich glaube, ich wollte einen Hirsch jagen, ich glaube...da waren Spuren. Aber an eine Begegnung mit denen hier kann ich mich beim besten Willen nicht erinnern.“

Was das anging, so tappte er völlig im Dunkeln und war folglich keine Hilfe. 

Mit einem leisen Ächzen richtete Cassiel sich wieder auf und nahm seinen Bogen ungefragt wieder an sich. Wie er es sonst auch immer zu tun pflegte, hängte er ihn sich schräg über den Rücken und marschierte dann in Richtung des anderen Vetala. 

Dieser lag unweit der ersten Leiche, wies allerdings deutlich mehr Beschädigungen auf. 

Die fahle Haut war aufgeplatzt und durch die Risse konnte man schwarzes Fleisch erkennen, die Augen waren verkohlt und ein Teil der Beine und ein Fuß bereits komplett zerbrochen. 

Während man bei der ersten Gestalt noch hätte zweifeln können ob sie verbrannt war, war dieser Körper es eindeutig. 

Was auch immer beide dahingerafft hatte, es war nicht auf die Umgebung übergesprungen. Weder der Boden noch die Pflanzen waren in irgendeiner Weise verbrannt. 

Es gab keine Anzeichen dafür, dass die Vetala äußerlich mit Flammen in Berührung gekommen waren und doch lagen sie hier und waren so sicher verbrannt wie...nun ja...Benedict.

„Das ist doch verrückt...“, kam es Matthew über die Lippen und das Erstaunen in seiner Stimme war kaum zu überhören. Er hatte keine Erklärung für das was mit den beiden Vetala passiert war, aber wenn stimmte was Clarence glaubte, nämlich das ihre Nahrung dafür verantwortlich war, dann waren vielleicht noch mehr von den Dingern nun mausetot. 

„Wie viele von denen teilen sich den selben Wirt?“, wollte er wissen und sah über seine Schulter zurück zu Clarence. „Ich habs!“, rief er plötzlich aus und schien über der ganzen Aufregung seine eigentliche Erschöpfung ganz vergessen zu haben. 

„In der Bibliothek...kurz nachdem du mich allein gelassen hast... hat es angefangen zu brennen. Alles hat Feuer gefangen, die Regale, die Bücher sogar die Wände...“, die Art wie er den Selbstmord seines Mannes umschrieb, ließ keine Zweifel darüber aufkommen wie sehr ihn dieses Erlebnis quälte.  Und so schnell wie seine Neugier aufgekommen war, war sie plötzlich wieder Unsicherheit und Sorge gewichen. Alles was sie hatten konnte so schnell vorbei sein, eine Erkenntnis die zwar nicht neu war, aber so deutlich wie es ihm in der Bücherei vor Augen geführt worden war, hatte Matthew es zuvor nicht wahrgenommen. 

Betreten sah er nun kurz zu Boden, schluckte hart und kam dann zu seinem Mann zurück, wobei er den Kopf hängenließ.

„Ich habe die Frau aus dem Vorzimmer gehört. Vielleicht ist sie diejenige auf deren Konto die hier gehen.“ Mutmaßte er gedämpft zu Ende, ohne zu wissen ob das wirklich Sinn machte. 


Clarence B. Sky

Sah man die beiden jungen Männern in Momenten wie diesen, sich angiftend und einander mit scharfen Blicken taxierend wie Clarence es gerade mit seinem Mann tat, manch einer hätte sich bestimmt die Frage gestellt, wie die Beziehung dieser beider Kerle zueinander war.

Es war keine bloße Floskel, Cassie würde zurück schlagen, noch würde sich der Blonde davor scheuen dem Jüngeren nochmals eine zu hauen; in ihren besten Zeiten, noch lange vor ihrem ersten Kuss, waren sie einander schon derart an die Gurgel gegangen, dass ein Veilchen oder eine blutige Nase keine Besonderheit gewesen waren.

Ihre Beziehung zueinander konnte so wechselhaft sein wie der Wind auf der offenen See. In Zeiten des Streits mochte man ihnen tiefgreifende Zärtlichkeit kaum zumuten und liebten sie einander wie das Kostbarste auf der Welt, schien es absolut undenkbar, sie könnten dem anderen ernsthaft auch nur ein winzig kleines Härchen krümmen.

Doch eines war sicher: Packte Matthew dieses Ding noch einmal an, dann fing er sich eine, dass die Glocken läuteten.

„Wie sollte dich etwas durch eine einfache Berührung in einen magischen Schlaf versetzen?“, konterte der Jäger trocken und musterte den Kerl neben sich, ganz so als suche er einen versteckten Schalter, mit dem er Cassies Grips endlich anschalten konnte. „Du musst aufhören zu denken wie ein Kopfgeldjäger und deinen gesunden Menschenverstand abschalten. In dieser Welt gibt es Dinge… die lassen sich mit der Logik unserer Existenzebene einfach nicht erklären.“

Hinterfragte Matthew, wie etwas die Vetala von innen heraus hatte verbrennen können, dann musste er auch die Mächte dieser Wesen an sich hinterfragen und woher sie stammten oder warum es sie gab. Dann stellte er letzten Endes einfach alles infrage und wenn dem so war, verlor er sich viel mehr in dem Wieso und dem Weshalb, statt sich um die wirklich wichtigen Dinge wie Vernichtung und Bekämpfung zu sorgen.

Weiterhin äußerst unzufrieden mit dem was er sah, verzog Clarence das Gesicht und beobachtete wachsam das aufplatzende Kinn des Wesens, bis das Spielkind ihm den verschmierten Ast in die Hand drückte. Das letzte Mal, als er gesehen hatte dass jemand mit einem Stock in etwas totem herum stocherte, war er selbst noch ein Kind gewesen und in Momenten wie diesen zweifelte Clarence lieber ein Mal mehr als ein Mal zu wenig an dem geistigen Stand seines Mannes.

An manchen Tagen war Matthew so ein schlauer Kopf, erstaunte den Blonden mit seinen Fähigkeiten und Talenten. Er imponierte dem Jäger mit seiner Bildung, machte sich selbst unglaublich anziehend für den Bären mit den klugen Dingen die er von sich gab. Nicht nur sein makelloser Leib war es, den Clarence an ihm begehrte, sondern durchaus auch der helle Verstand seines Mannes; nichts war so attraktiv wie die Unterwerfung eines derartigen Mannes und sich von ihm holen zu können, was immer man wollte.

Und dann kamen die Tage, an denen der Kerl mit einem Stock in Leichen herum piekte und spontan vergessen zu haben schien, wie strunz besoffen Clarence schon neben ihm gestanden hatte oder im Suff sogar in Coral Valley von einem Dach gestürzt war.

Zweifelnd, beinahe so als könnten die Vetala Clarence verarscht und den Jüngeren durch eine stumpfsinnige Ausgabe seiner selbst ersetzt haben, musterte er den anderen wachsam aus der Ferne bevor er den Blick schließlich wieder auf die schwarze klebrige Masse am Stock zurück senkte.

„Vetala gehören zu den Dschinn… den Legenden nach, wenn man dem Koran glauben mag-“, begann der Jäger nachdenklich zu erklären, wobei man wohl recht einfach erahnen konnte, dass ein Fanatist nicht gerade viel von diesem Buch hielt, „…hat Gott den Menschen erschaffen aus Erde, er hat Engel erschaffen aus Licht – und er hat auch die Dschinn erschaffen, und zwar aus rauchlosem Feuer. Ihre Magie manifestiert sich in kalten, blauen Flammen, weshalb sie für Hitze eigentlich unempfindlich sind.“

Sie in Brand zu stecken machte keinen Sinn, ein Grund mehr warum der Anblick von verbrannten Leichnamen dieser Wesen für den geübten Jäger so unerklärlich war und ihm eine regelrechte Verstörung in die blaugrauen Iriden zauberte.

„Verkochtes Blut, diese Haltung… mhh.“

Brummend wandte Claire den verschmierten Ast vor seinen Augen. Auch wenn er kein Detektiv oder Friedenswächter war, sein Beruf beruhte viel darauf eins und eins zusammen zu zählen, anhand von Indizien zu erschließen welchem Übeltäter sie auf der Spur waren und wirklich, man musste keine helle Leuchte sein um zu erkennen, was hier über kurz oder lang geschehen sein musste.

„Egal wie sehr ich mir auch den Kopf zerbreche, ich wüsste nicht welches Blut von welchem Geschöpf verursacht haben könnte, dass ein Vetala verbrennt.“

Matthew hingegen schien da weit fantasiereicher zu sein als er, was den Bären kurz zusammenzucken ließ, als der plötzliche Aufruf die Stille des Waldes durchschnitt.

Irritiert kam Clarence wieder auf die Beine und wandte sich dem Jüngeren zu; eine Euphorie die allerdings nicht lange anhielt angesichts dessen, wie Cassie augenblicklich wieder in sich zusammensackte und die spontane Ablenkung durch ihre Häscher nachließ.

Jedem anderen, da war der Blonde sich sicher, wäre es ein Leichtes gewesen die Sorge in der fremden Stimme zu übergehen um stattdessen beim Thema zu bleiben. Es hatte schon so viele Menschen in Matthews Leben gegeben, die die Traurigkeit in seinen kandisfarbenen Augen zwar erkannt, jedoch nie kuriert hatten. Leute wie Jeyne Copper, unzählige Liebschaften, oberflächliche Freundschaften… vielleicht hatten sie es versucht, das konnte Clarence ja schlecht wissen – immerhin war er nicht dabei gewesen. Aber selbst wenn, gelungen war es ihnen nie und das war wohl auch einer der vielen Gründe, warum der junge Mann schließlich Vertrauen in seinem wilden Barbar gefunden hatte, aber nie in all den anderen die vor ihm da gewesen waren.

„Vielleicht war es auch die junge Frau die wir vorher gesehen haben. Sie hatte ein Sommerkleid an, auch im Keller… ich meine, wer trägt schon bei diesem Wetter ein Kleid“, gab er leise zu bedenken und warf desinteressiert den Ast beiseite, kaum da Cassie wieder auf ihn zu kam. „Vermutlich war sie eine Feuerhexe, dass ihr die Kälte nichts ausgemacht hat… und deshalb hat ihr Blut die Vetala vielleicht auch in Brand gesteckt.“

Das war zwar nur eine These, letzten Endes war sie aber nicht besser oder schlechter als die seines Mannes.

Gerade waren es aber nicht mehr länger ihre Entführer, die ihn interessierten; auch nicht wie sie zu Tode gekommen waren oder wer daran aus welchem Grund schuld war.

Das einzige, was für ihn wirklich wichtig war im Leben, war sein Ehemann.

Ohne ein weiteres Wort über das zu verlieren worüber sie eben noch gesprochen hatten, langte Clarence nach den Schultern des Kleineren, zog ihn dichter an sich heran und schob schließlich fest seine Arme um den Rücken Cassies, ihm gar keine andere Wahl lassend als sich von seinem Bären umarmen zu lassen. Was geschehen war, was Matthew hatte mit ansehen müssen

Es stimmte, oftmals stumpfte die Arbeit als Jäger ab da man gewisse Bilder einfach gewohnt war im Vergleich zu jenen, die niemals in einer derartigen Situation gewesen waren. Für Clarence war es naheliegend gewesen sich zu erschießen, immerhin war es die einzige Lösung für das Problem in dem sie sich befunden hatten. Doch je mehr Stunden mittlerweile zwischen dem Geschehenen und dem Hier und Jetzt lagen, begriff der Blonde erst so richtig, welche Lawine diese Erfahrung los getreten haben musste.

Es tut mir leid, dass das alles passiert ist. Wirklich…“, wisperte seine brummende Stimme leise in das unvollständige Ohr seines Mannes, während Claire die Nasenspitze sachte durch das dunkle Haar streicheln ließ. „Ich verspreche dir… ich verlasse dich nie wieder auf solch eine Weise. Ich will nicht, dass du so etwas noch mal mit ansehen und erleben musst. Das hast du nicht verdient…“

Er selbst war sich sicher gewesen, alles war nur Illusion – aber was wäre, wären ihre Rollen vertauscht gewesen?

Zog Cassie mitten auf einem Ausflug einfach eine Waffe um sich vor seinen Augen zu erschießen, völlig aus dem Nichts heraus, Clarence wäre am Ende… so viel stand fest. Wäre er sich selbst sicher sie befanden sich in der Realität und sein Mann würde sich einfach das Leben nehmen… was bliebe ihm dann noch? Verzweiflung darüber, dass sein Geliebter verrückt geworden war? Wut auf Matthew, dass er einfach weg geschmissen hatte was sie miteinander hatten, so als hätte es ihm nie etwas bedeutet? Würde er vielleicht sogar abwägen, ob er sein Leben alleine ohne den Jüngeren würde fortführen können – oder sich ebenfalls das Leben nehmen… und wenn ja, aus welchem Grund? Weil er einfach tot sein wollte vor seelischem Schmerz – oder weil er wirklich daran glaubte, danach würde noch etwas kommen?

Fragen über Fragen würden sich auftürmen, würden ihm das Herz regelrecht aus der Brust reißen vor haltloser Verzweiflung und sein ganzes bisher angenommenes Leben aus den Fugen reißen. Und selbst wenn es danach noch etwas gab… niemals würde er wieder den Schmerz und den Anblick vergessen können den das Mitansehen seines sterbenden Mannes verursacht hätte, ganz gleich ob er auf der anderen Seite wieder quicklebendig war oder nicht.

All das und viel mehr begriff Clarence erst zunehmend je wacher er wieder wurde und wenn er ehrlich war, er wusste nicht ob es überhaupt etwas gab, das die Wunden wieder schließen konnte die er in Matthews empfindsame Seele gerissen hatte.

Behutsam küsste er die Schläfe seines Geliebten und kraulte Cassie sachte über den Rücken, auch wenn er bezweifelte, dass das durch die lederne Weste überhaupt etwas brachte.

Ich will dass du weißt, du gibst mir keinen Grund dich ernsthaft verlassen zu wollen. Alles was ich will, bist du. Ein Leben mit dir… eine Zukunft. Dein freches Lachen, deine biestigen Drohungen und auch dein geknickter Blick, wenn du mal traurig bist. Es gibt nichts, rein gar nichts, wegen dem ich dich jemals verlassen würde… oder zulassen würde, dass man mich dir nimmt. Weder heute, noch morgen, noch in ein paar Jahren. Ich gehöre dir… und du gehörst mir. Okay?“


Matthew C. Sky

Aus rauchlosem Feuer geschaffene Wesen, unempfindlich gegen Flammen und mit magischen Fähigkeiten ausgestattet. All das, und vermutlich noch weit mehr, wurde den Vetala nachgesagt ... und doch lagen die mächtigen Dschinn mausetot im Wald. Verbrannt und all ihren Fähigkeiten beraubt. 

Was auch immer sie getötet hatte, es war offensichtlich noch mächtiger und obgleich es sicherlich wichtig oder zumindest spannend sein würde herauszufinden wer oder was dazu in der Lage war, Vetala verbrennen zu lassen, so hatte sich der Fokus ihres Gesprächs unvermittelt um 180 Grad gedreht. 

Matthew, der sich nicht anmerken lassen wollte wie sehr ihn die Erinnerung an das Gesehene quälte, ließ sich ohne Widersetzlichkeit in die Arme seines Mannes ziehen.

Er drängte den Kopf gegen die Schulter des Größeren und presste die Lippen aufeinander. Die Arme hob er nicht, blieb eine Erwiderung der Umarmung also schuldig und ließ auch nicht zu, dass er mit Weinen anfing. 

Was gewesen war, hatte ihn so sehr verunsichert - und verunsicherte ihn noch - dass er im Moment nicht wusste wohin mit sich. 

Clarence‘ Nähe tat weh und gleichzeitig tat sie gut. Jedes Wort das der Blonde ihm ins Ohr flüsterte schürte den unvorstellbaren Schmerz in seiner schmalen Brust. 

Clarence schien sich der Tragweite der Ereignisse sehr bewusst und Matthew wünschte sich nichts mehr als das er die Sache abhaken konnte. 

Es war ein Traum gewesen, eine Art Hirngespinst und nichts weiter und auch wenn er das wusste, so hatte das Geschehen ihm doch etwas ganz reales vor Augen geführt: 

Der Tod konnte jederzeit über sie hereinbrechen - und was dann?

Das Leben hatte ihn gelehrt zu lieben aber der Tod hatte ihn geprägt. 

Der Tod für alle um ihn herum, für alle die ihm kostbar waren. 

Aber niemals für ihn, niemals für ihn selber, als sei er verflucht zu leben und zuzusehen wie starb was er liebte. 

Vorsichtig legte er die Hände an die Brust des Hünen und drückte ihn sanft von sich. 

Er konnte gerade nicht leisten was Clarence verdient hatte zu erhalten. 

Echte Nähe zuzulassen war ihm schon immer schwer gefallen und gerade schien Clarence nicht die Lösung für seine Angst zu sein, sonder der Grund. 

„Lass...gut sein, Claire...“, er wischte sich die Hände fahrig an der Hose ab, leckte sich über die Lippen und sah Clarence kurz ins Gesicht. Doch lange hielt er dem Blick nicht Stand und dementsprechend zügig wandte er sich von dem Blonden wieder ab. 

Er wollte das Thema weder vertiefen, noch wollte er länger hier im Wald bleiben. 

Die toten Vetala interessierten ihn nicht länger, was auch immer mit ihnen passiert war würde sowieso für immer ungeklärt bleiben. 

„Wo müssen wir lang? Ich will nach Hause.“, sogar sein verschollener Köcher war ihm gegenwärtig egal. 

Was ihn umtrieb war der Gedanke an den Tod, der am Ende unausweichlich sein würde. Selbst wenn alles gut ging in den kommenden Jahren, am Ende würde Clarence sterben. Er musste sich dafür nicht die Pistole unter das Kinn drücken und abdrücken, aber vielleicht würde er das doch eines Tages tun. 

Was waren Versprechen wert, wenn die eine aus zehntausend Situationen kam, in der alles was vorher war unwichtig wurde?

Wenn Clarence starb, ganz egal wie, dann würde Matthews Welt in Millionen Scherben zerbrechen, die ihn erst verletzen und schließlich innerlich verbluten lassen würden. 

Und obgleich der Blonde lebendig war und das Erlebte nichts als ein furchtbarer Schrecken, so fühlte sich Cassie ganz genau so. 

Ausgeblutet. 

Die Logik sagte ihm, dass Clarence es nicht getan hätte wenn es nicht nötig gewesen wäre. Sie sagte ihm auch, dass sein Mann es sich nicht leicht gemacht hatte. 

Aber auch wenn er das wusste so half ihm das nicht über den Schrecken hinweg. 

Clarence hatte sich getötet, er hatte es getan weil es hatte sein müssen - aber das änderte nichts daran, dass er dem Jüngeren etwas zugemutet hatte, dass niemandem zugemutet werden sollte. 

Für Cassie war der Ausflug in Miami real gewesen, die Küsse waren real gewesen, die Abenteuer ebenso und so war es wenig verwunderlich, dass auch der Tod seines Mannes für ihn real gewesen war. Das Entsetzen und die maßlose Panik, der Schmerz und das Begreifen seinen Mann verloren zu haben... all das war echt gewesen. 

Ihre Träumereien und Pläne, alles was sie geglaubt hatten zu haben war binnen einer Sekunde zu Ende gewesen. Das Zucken des fremden Zeigefingers hatte alles zerstört, zumindest für die Dauer weniger Minuten bis Matthew sich ebenfalls erschossen hatte. 

Entscheidend war nicht, dass es nicht real gewesen war oder das es der einzige Weg gewesen war wieder aufzuwachen und dem echten Tod zumindest vorläufig noch zu entgehen. Entscheidend war allein was es für Matthew bedeutet hatte hilflos und unverständig neben dem Mann zu stehen den er so sehr liebte wie nichts zuvor in der Welt und dabei zusehen zu müssen, wie dieser seiner Existenz ein Ende bereitete. 

Den Schritt zu gehen und sich zu töten, hatte der Hüne bewusst entschieden. 

Das war kein Traum und keine fremdbestimmte Handlung, keine Fantasie. 

Ohne Zweifel, er hatte die Entscheidung treffen müssen und doch hatte er - in dem Moment der Selbsttötung Cassiel allein gelassen und ihm einmal mehr vor Augen geführt, dass in jeder Sekunde alles zu Ende gehen konnte wovon sie träumten. 

Die ernsten Worte des Blonden machten deutlich, dass er um die Bürde wusste die er dem Jüngeren zugemutet hatte, aber dieses Wissen war keine Hilfe. 

Matthew, der wieder etwas auf Distanz gegangen war nachdem er sich von Clarence gelöst hatte, wartete darauf das der Größere wieder die Führung übernahm und als es schließlich soweit war, folgte er seinen Mann schweigsam. 

Der Köcher, mit dem Cassie nicht weniger verband als mit seinem Bogen, war und blieb auf ihrem Weg verschwunden, dafür fanden sie einen weiteren toten Vetala. Auch er war verbrannt und seine Leiche schon von äußeren Einflüssen zum Teil zerstört. Aber das Interesse, welches Matt noch bei den ersten beiden an den Tag gelegt hatte schien verflogen.

Einsilbig marschierte er mit Clarence durch den Wald, sah sich immer wieder um, versuchte sich einerseits einzureden das alles gut war und andrerseits sich an irgendetwas zu erinnern. 

Zu der Kulisse zwitschernder Vögel gesellte sich irgendwann das Murmeln eines Bachlaufs und nachdem sie diesem stromabwärts eine Weile gefolgt waren, das monotone Rauschen von Wellen.  

Anders als in seiner Erinnerung an Miami, gab es in Wirklichkeit hier keinen Sandstrand sondern eine felsige Küste. Moose und Flechten überzogen die Steine, es roch nach Seetang und Fisch. Möwen kreischten und stießen immer wieder kamikazeartig unter die Wasseroberfläche um kleine Fische zu fangen. 

Die Harper Cordelia trieb zwischen zwei Felsen im Wasser, von beiden Seiten geschützt vor etwaigen Blicken. Die kleine Bucht war völlig verlassen und gerade als Matthew nach den Hunden fragen wollte, hörte er aufgeregtes Gebell. 

Kain und Abel kamen über den steinigen Boden gerannt, ihr Fell war nass und voller Seetang aber ihre Augen leuchteten vor Freude. 

Die Abwesenheit ihrer beiden Herrchen hatte ihnen nicht geschadet, sie waren weder verletzt noch ausgehungert und doch waren sie über alle Maßen glücklich, dass ihre Menschen wieder zurückgekehrt waren. 

Krebse und Muscheln hatten sie geknackt und verschlungen und sich dabei - allem Anschein nach bestens amüsiert. 

„Hey ihr beiden, hey kommt her...kommt her und lasst euch ansehen.”,obgleich beide  Hunde nach Meerwasser stanken und nass waren, ging Cassie in die Hocke und kraulte ausgiebig durch das dichte Fell. 

Die schlabberigen Hundeküsse brachten ein Lächeln zurück auf sein Gesicht und auch ein kurzes Lachen als Abel ihn übermütig von den Füßen riss. Abel schlawenzelte abwechselnd zwischen Clarence und Matthew umher, sprang aufgeregt an dem Hünen auf und ab und schien ihn zum Spielen animieren zu wollen. 

Eine derart ausgelassene Wiedersehensfreude hatte noch nicht einmal das Spinnenfeld im Nachhinein verursacht und es war in den folgenden Minuten nahezu unmöglich Kain und Abel zu beruhigen. 

Erst nachdem sich beide junge Männer dazu hatten breitschlagen lassen noch ein bisschen mit ihnen über die Küste zu toben, waren die Hunde bereit den Heimweg anzutreten. 

Friedlich und verschlossen war die Harper Cordelia als sie an Deck kamen. Präsentierte sich unberührt und ordentlich, wie Clarence sie verlassen hatte. 

Augenscheinlich war niemand hier gewesen, weder Vetala noch Menschen und doch fühlte Cassie sich - so nah an der Küste - nicht wohl. 

Also legten sie aller Erschöpfung zum Trotz noch in der selben Stunde ab. 

Handgriffe die gemacht werden mussten gingen ineinander über, routiniert aber ohne die sonstige Lockerheit halfen sie einander, wobei Matthews Schweigsamkeit es war, die besonders auffiel. 

Erst nachdem sie etwa eine Stunde von der Steinküste entfernt waren, ankerten sie erneut. Auf offener See dieses Mal. Am Horizont ließ sich Land erkennen, aber für den heutigen Tag hatten sie genug Meilen hinter sich gebracht. 

Die beiden Hunde schliefen an Deck, aneinander geschmiegt und träumend von ihren Erlebnissen, während die jungen Männer sich nacheinander mit den unterschiedlichsten Notwendigkeiten befassten. Der Umgang miteinander war nicht gereizt, nicht feindselig, nicht grollend... und doch, so schien es, mied Cassie Clarence ein bisschen. 

Erschöpft bis auf die Knochen verließ der Dunkelhaarige schließlich das Bad. Ein schwarzes Handtuch um die Hüften während er sich mit einem weiteren die Haare abrubbelte und in den Wohnbereich tappte. 

Das Feuer im Ofen war durch Clarence geschürt worden und Cassie warf ihm einen knappen Blick zu. 

„Du kannst ins Bad...“, informierte er den Blonden und mühte sich ein schwaches Lächeln ab, welches nicht mehr war als der jämmerliche Versuch Clarence weiszumachen, dass alles in Ordnung war. 

„Ich leg mich schon mal hin, ich bin todmüde.“, erklärte er ungefragt obgleich der Platz ihres Heims begrenzt war und es kaum Möglichkeiten gab verloren zu gehen. Einen Moment zögerte er noch, Clarence betrachtend als würde er noch etwas sagen wollen. 

Aber dazu kam es letztlich nicht, er drehte sich wieder um, verschwand in ihre kleine Schlafnische und tauschte Badetuch gegen frische Unterwäsche um sich anschließend hinzulegen. Er rutschte auf seine Bettseite, blickte nach oben aus dem Fenster und machte schließlich die Augen zu, doch obgleich er wirklich müde war fand er keinen Schlaf. Er lauschte auf die Bewegungen und Geräusche die Clarence verursachte, unfähig Ruhe und Entspannung zu finden...

 

 


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