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Das Lager

28. Mai 2210


Clarence B. Sky

Dumpf und hölzern schallten die Schläge über das idyllische Areal hinweg, während der Jägersmann mit seinem großen Messer auf einen der Äste einschlug, welche noch übrig geblieben waren. Aus dem kräftigen Haufen, der mühevoll in der umliegenden Flora zusammen gesucht worden war, waren mittlerweile handliche Stücke geworden, die unkompliziert ihren Weg in die tanzenden Flammen finden würden.

Prasselnd und warm erhellte das kleine Lagerfeuer die gemütliche Stätte dicht neben der Quelle, die jüngst von zwei jungen Männern bezogen worden war. Vermutlich waren sie nicht die ersten Liebenden, welche an diesem Platz ihr Glück suchten um miteinander eine romantische Nacht unter freiem Himmel zu verbringen – vielleicht war dieser Ort, fernab der kleinen Hafenstadt im restlichen Teil der Insel, aber auch gar nicht beliebt oder bekannt genug um regelmäßigen Besuch zu empfangen.

Clarence gefiel die erstere Möglichkeit deutlich besser, auch wenn es die Fantasie eines von Menschen unberührten Fleckchens zerstören mochte. Doch heute, an diesem Tag nach viel zu vielen Tagen in denen er seinen geliebten Mann an ein Krankenbett hatte entbehren müssen, erschien ihm die Vorstellung viel lohnenswerter, sich in eine lange Tradition von Ausflügen einzureihen.

Das letzte Mal, dass er mit seinem Gefährten ein Lager errichtet hatte um in freier Natur zu übernachten, waren sie nichts anderes gewesen als genau das: Gefährten. Kurz vor Coral Valley war das letzte Feuer entstanden, das letzte Mal das windige Zelt des Dunkelhaarigen aufgestellt und das Innere mit Fellen und Decken ausstaffiert worden. Sie hatten kaum mehr miteinander geredet zu jener Zeit, waren – wie so oft – an verschiedenen Seiten der wärmenden Flammen gesessen und vor allem Cassie hatte seinen Jäger kaum eines Blickes gewürdigt, viel zu sehr war er in seinem Stolz verletzt worden durch die zwei winzig kleinen Worte wann anders.

Seitdem war so viel zwischen ihnen geschehen, dass Clarence sich kaum mehr an jene dramatischen zwei Wochen erinnern konnte, die sie derartig auseinander hatten driften lassen. Jene Tage, miteinander durch den gleichen Weg vereint und doch geschieden durch die Kluft welche zwischen ihnen entstanden war, war in seiner Erinnerung verweht wie frischer Pulverschnee an einem windigen Nachmittag auf offener Straße.

Kurz erhob sich der blaugraue Blick des Bären von seiner Arbeitsstätte hinüber zum Jüngeren und ein warmes Lächeln legte sich bei jenem Gedanken über seine Lippen, bevor er sich dem letzten Ast des gesammelten Feuerholzes zuwandte. Der junge Mann, der früher den Aufbau des Lagers dem Jäger überlassen hatte um in dieser Zeit jagen zu gehen, war nicht länger irgendwer obwohl sein Anblick neben dem tanzenden Feuer noch immer der gleiche war wie früher. Heute war es Clarence‘ Mann der dort saß, der sich ausruhte von den anstrengenden Strapazen des zurückliegenden Tages und der nicht darauf wartete sich zeitig verdrücken zu können um die Arbeit dem Älteren zu überlassen, sondern der darauf wartete endlich wieder Gesellschaft geleistet zu bekommen.

Aus üppig durch Nadeln bedeckten Ästen von Tannen und ein wenig Bastelarbeit hatte der erfahrene blonde Naturbursche ihnen einen passablen Unterstand gebaut, der sicher gegen die Felswand gelehnt war welche die schützende Rückseite der Quellvertiefung darstellte. Der Stein war angenehm warm durch das heiße Quellwasser das durch den Berg dahinter tobte, strahlte in ihre kleine Höhle hinein und würde sie heute Nacht nicht erfrieren lassen, selbst wenn die mitgebrachte Decke alles andere als ausreichend zu wirken schien angesichts des Schneefalls, der einfach keinen Abriss nehmen wollte.

Geräuschvoll warf der Bär sein letztes Stück Feuerholz auf den restlichen Haufen, führte das lieb gewonnene und schon oft gebrauchte Messer in den ledernen Umschlag zurück und trat nach getaner Arbeit endlich zurück an jenen Fleck dieses Ortes heran, an dem er gerade so gerne sein wollte wie nirgendwo sonst. Die letzten Stunden hinweg hatten sie gemeinsam das Holz gesammelt und das Blattwerk, hatten mühsam Feuer entzündet und schließlich einen Teil des Wildschweins zerlegt um es zum Verzehr zuzubereiten, selbst wenn Gewürze momentan nicht gerade das waren, was ihnen hier draußen zur freien Verfügung stand. Doch letzten Endes, so tapfer und tatkräftig Cassie auch mit angepackt hatte, war es für jeden starken Söldner irgendwann an der Zeit sich dem Wort seines Ehemanns zu unterwerfen und so war es gekommen, dass der schöne Dunkelhaarige mit dem letzten Strahl der untergehenden Sonne unter den Unterstand verbannt worden war, um sich wenigstens am Ende des Tages ein wenig Schonung zu gönnen.

„Ich fass es immer noch nicht dass ich den Tag noch mal erleben darf, an dem du freiwillig mit mir hier draußen sein willst“, erhob der Hüne schließlich seine Stimme und reckte sich kurz, bevor er das Messer neben sich auf den Boden warf und sich anschließend hinab begab um sich der schweren Stiefel zu entledigen. „Der Schnösel, ohne Klinge am Hals gewillt in der Kälte zu schlafen statt in einem richtigen Bett. Ich sag ja, es geschehen noch Zeichen und Wunder auf dieser Welt.“

Neckend schielte er zu Matthew empor bevor er sich im Anschluss dem Öffnen seines Mantels zuwandte – vorwiegend deshalb besonders aufmerksam an sich hinab blickend, um sein freches Grinsen vorm Jüngeren zu verbergen.

Es stimmte, Matthew war nie und nimmer derjenige von ihnen beiden gewesen, der in seinem Leben besonders große Freude am Sein und Schaffen in freier Wildbahn entwickelt hatte. Wenn man ihm die Wahl ließ, würde er sich immer für sein Dach überm Kopf, das weiche Bett und die wundervollen Badezusätzchen entscheiden die er so sehr liebte und umso mehr hatte es den Blonden verwundert und sentimental gestimmt zu vernehmen, dass eben jene erdachte Gewissheit sich heute nicht bewahrheiten sollte. Wenn es eines auf dieser großen weiten Welt geben sollte, das der Taugenichts tatsächlich mehr liebte als all diese anderen Dinge, schien es definitiv sein brummender bärtiger Bär zu sein.

Wenngleich es so klingen mochte als befände sich Clarence nach getaner Arbeit nun eher wieder auf einem scherzhaften Konfrontationskurs statt in romantischer Stimmung für eine lauschige Nacht zu zweit am Lagerfeuer, so hatte Cassie die Rechnung sicher nicht mit dem jungen Christen gemacht der sich nach der Auseinandersetzung am Morgen und dem kräftezehrenden Marsch über den vollen Mittag hinweg nichts Schöneres mehr vorstellen konnte als die Nacht mit jenem Kerl ausklingen zu lassen, mit dem ein derartiges Zusammensein in ihrem Lager früher niemals möglich gewesen wäre.

„Hab ich dir je verraten…“, brummte es leise hinter dem goldenen Bart hervor, der durch das Hacken der Äste die gewohnte Ordnung leicht verloren hatte. „…dass ich mir genau das hier früher manchmal vorgestellt hab, mh?“

Unter dem Rascheln des Untergrundes schob er mit dem Fuß die Stiefel ein Stück beiseite, duckte sich unter dem hölzernen Rahmen des Unterstandes hinweg und drängte sich vorsichtig um Cassie herum, den er zu einem faulen Dasein in der Hütte verbannt hatte nachdem der Taugenichts sich heute viel zu sehr beansprucht hatte als ihm jemals durch seinen Mann genehmigt worden war.

„Wie schön es wohl sein könnte, wenn… wenn wir nicht an getrennten Enden unseres Feuers sitzen, sondern beieinander?“ – Nicht etwa als Freunde oder einfach nur um ein Gespräch zu erleichtern, sondern um sich nahe zu sein und die Einsamkeit aus ihrer beider Leben zu verbannen.

So viele Tage wie sie auch schon miteinander geteilt haben mochten seit ihrem ersten wiedervereinenden Kuss in Coral Valley: Als Clarence sich bedächtig hinter seinem Mann niederließ und dichter an ihn heran rutschte, die eigenen Beine eng am Leib des Jüngeren ausgestreckt, so kam ihm das Geschehen zwar befremdlich, aber ganz sicher nicht unangenehm vor.

Was sie heute Abend miteinander erlebten war, so seltsam das auch klingen mochte, eine Premiere – denn das Lager, allzu vertraut in seinem Aussehen und in der Erinnerung nicht anders als sonst, diente nicht mehr länger zwei Männern die nur einen Weg und ein Feuer miteinander teilten sondern ein gemeinsames Leben und tiefgründige Gefühle füreinander.

Zaghaft schob der Bär seine Arme um die Brust des Kleineren, zog den frechen Ausreißer eng an sich herab und legte genussvoll seufzend die Stirn am fremden Schopf ab, um einen sehnsüchtigen Kuss hinter das Ohr seines Vordermannes zu hauchen. Sie mochten längst alle Mauern zwischen sich eingerissen und sich füreinander entschieden haben und doch fühlte sich jene Liebkosung so neu und so unbekannt an in dieser Umgebung, dass es Claire ganz kribbelig in der warmen Magengrube wurde.

„Insofern ich mich recht erinnere und mich meine grauen Zellen nicht trügen, hast du mir was von Knutschen und Fummeln versprochen sobald wir ein geschütztes Plätzchen zwischen den Felsen gefunden haben“, erinnerte er den schönen Mann in seinen Armen brummend an exakt jene Worte, die vorhin in der dampfenden Quelle gefallen waren. Das Wildschwein brutzelte noch zischend über dem Feuer, es würde noch einige Minuten brauchen bevor man die ersten Bissen davon nehmen konnte und selbst Kain und Abel waren so erschöpft von ihrem völlig ungewohnt langen Ausflug des heutigen Tages, dass die beiden seit einer halben Stunde keinen Mucks mehr von sich gegeben hatten während sie eng aneinander gekuschelt im Schein des Feuers unweit im Schnee von ihnen entfernt in einer getretenen Kuhle lagen.

„Ich will ja nicht raffgierig klingen, aber…“, unschuldig zuckte Clarence mit den Schultern und ließ seinen Widerspruch offen im Raum stehen, während seine nestelnden Finger damit begannen sich dreist wie eh und je einen Weg unter die Oberteile des jungen Mannes vor sich zu bahnen, stets auf der ewigen Suche nach etwas entblößter Haut nach denen sie grabbeln konnten. „Also ein Mann wie ich, der ist wirklich nicht dafür geschaffen, dass man ihm Versprechungen macht die nicht gehalten werden. Du solltest dringend etwas gegen diesen Notstand tun, mein Hübscher…“


Matthew C. Sky

Schweigsam starrte Matthew in die flackerte Hitze des Lagerfeuers vor dem er im Schneidersitz saß. Der Größere schuftete jenseits des Unterschlupfs welchen sie beide gemeinsam errichtet hatten, auch wenn das Meiste der Wildling gemacht hatte. Matthew hatte einfach nicht so ein Talent dafür, dass hatte sich auch in den zurückliegenden Monaten nicht geänderten und würde es wahrscheinlich auch nicht mehr tun.
Cassiels Haar war zerzaust und verlieh ihm ein verwegenes Äußeres und die Flammen, die sich in seinen Augen widerspiegelten etwas Diabolisches.
Vor dem obligatorischen Lager welches sich geschaffen hatten fiel noch immer Schnee, aber dank der Wärme der Steine und des Feuers war es unter ihrem Unterschlupf nicht kalt.
Leise knackten die Äste, welche dem gefräßigen Untier zum Opfer fielen, hin und wieder stoben Funken nach oben und verglühten schon Augenblicke später wieder.
Feuer war magisch, es war wie eine Art fremdartiges Lebewesen das sich mit Feuerstein und etwas trockenem Moos beschwören ließ, zumindest wenn man wusste wie es ging.
Jenseits der wild-romantischen Zuflucht ertönte ein konstantes und gleichmäßiges, dumpfes Geräusch. Es rührte von dem arbeitenden Clarence her, der nicht müde wurde Holz für die Nacht in handliche Stücke zu spalten. Matthew hätte ihm gern dabei geholfen, aber nachdem der Schamane ein ernstes Wörtchen mit ihm geredet hatte, hatte sich der sonst so uneinsichtige Ex-Kopfgeldjäger gefügt.
Der Tag war lang gewesen und nicht minder ereignisreich. Ihr morgendlicher Besuch bei Sally Mitchell war ausgeartet, der nachfolgende Ritt und die Jagd durchaus kräftezehrend für den angeschlagenen jungen Mann und ihr Wiedersehen in der Quelle nicht weniger anstrengend verlaufen. Clarence hatte recht wenn er darauf bestand, dass Matthew es für heute gut sein lassen sollte. Also ließ er es gut sein und saß - statt sich nützlich zu machen - lieber still vor dem Feuer und betrachtete die züngelnden Flammen, als würde er in ihnen etwas sehen. Erst als das monotone Geräusch des schlagenden Buschmessers verstummte, blickte der junge Mann auf um zu sehen wo Clarence blieb. Einen kurzen Moment sah er gar nichts, weil seine Augen sich nicht so schnell vom grellen Feuerschein umgewöhnen konnten. Aber auch als einige Sekunden verstrichen waren, sah er nicht wie gewohnt scharf. Die Einschränkung seines Sehvermögens war dem Dunkelhaarigen in jedem wachen Moment bewusst, mal spürte er ihn offensichtlicher und mal weniger, aber stets erwachte er mit dem Gedanken und der Hoffnung, dass es am neuen Tag wieder besser sein würde als am Tag davor. Dem Wildschwein welches über den Flammenspitzen röstete, hatte es nicht geholfen, Matthew hatte es dennoch erwischt, nur war ihm klar, dass das nicht reichen würde.
Über kurz oder lang würden sie auf andere Gegner als Wildbret treffen und ob sein Geschick mit Pfeil und Bogen dann noch ausreichte war fraglich.
Nachdenklich seufzte Matt, just in dem Moment als Clarence aus der Dunkelheit auftauchte und ihn ansprach. Die Worte des Älteren zauberten ein schiefes Lächeln auf Matthews Gesicht und er schüttelte den Kopf während er lauschte. „Der ‚Schnösel‘ findet, dass es ein großer Unterschied ist ob man die Nacht draußen mit einem schweigsamen Klotz verbringt, oder mit einem gutaussehenden und charmanten Abendteurer.“ - sowohl Abendteurer als auch der angesprochene „Klotz“ waren ein und die selbe Person, zumindest auf den ersten Blick. Aber das stimmte nur halb, denn Clarence ganze Art hatte sich geändert. In Momenten wie diesen, wirkte er befreit und beschwingt, dunkle Gedanken schienen ihn nicht mehr zu quälen. Stattdessen schien es, als sei er von einer tiefen Zufriedenheit beseelt und wüsste Matthew nicht, dass es unmöglich war, so würde er glauben sein Mann wäre glücklich.
Der schelmische Blick des Blonden und seine neckenden Bemerkungen passten viel besser zu ihm als das Schweigen und die kühle Distanz. Der Größere war nicht für ein Leben als Einzelgänger geschaffen, er hatte viel Liebe zu geben, viel Schabernack zu treiben, viele Seitenhiebe auszuteilen aber noch mehr Küsse und herzliche Worte. Matthew wusste, dass dieser Mann weitaus liebevoller und zärtlicher war als es in dieser Welt gut war, aber wann immer er konnte, würde er auf Clarence aufpassen damit nichts und niemand ihm wieder so wehtat wie Ruby Sue es getan hatte.
Was Clarence einmal hatte durchstehen müssen, würde sich nicht wiederholen, nicht wenn Matt es würde verhindern können.
Aufmerksam verfolgte der junge Mann wie der Ältere seine Schuhe öffnete und aus den Stiefeln schlüpfte um sich dann - nur noch mit Socken an den Füßen - in ihr Lager zu begeben.
In einem heute scheinbar anderen Leben, hatte der Schamane sich geweigert überhaupt Schuhwerk zu tragen, aber auch dieser Punkt war einer von Vielen, die heute kein Gewicht mehr hatten.
"Du bist ein Quatschkopf, Sky. Wirklich.", erwiderte der Dunkelhaarige auf das 'Geständnis' seines Mannes hin, er habe sich diesen Augenblick den sie jetzt gerade teilten, früher schon so manches mal vorgestellt.
"Du hast damals deine heimlichen Wünsche ziemlich gut vor mir verborgen gehalten.", fügte er an, kaum da Clarence sich hinter ihm platziert hatte. Es stimmte, der Hüne hatte lange Zeit nicht gerade mit Herzenswärme und Sentimentalität geglänzt. Er war in jeder Gefahrensituation zur Stelle gewesen, hatte Matthews Wunden versorgt, sein Proviant mit ihm geteilt und hatte auf ihn aufgepasst - aber all das hatte er zumeist schweigend oder missmutig grummelnd getan. Es hatte kein herzlicher Umgang zwischen ihnen geherrscht, weder von der Seite des Schamanen, noch von Matthews Seite aus.
Den größten Teil des Tages waren sie einander auf den Geist gegangen, was aber nichts daran geändert hatte, dass beide sich insgeheim mehr vom Anderen erhofft hatten. Den Teufelskreislauf durchbrochen hatte schließlich Matt, in dem er in die Offensive gegangen war. Damals war er bereit gewesen alles zu riskieren und als er am frühen Morgen, wenige Stunden nach ihrer intensiven Nacht, abermals hauchzart die Lippen des Größeren gesucht hatte, hatte er scheinbar alles verloren. "Wann anders, okay?" - hatte Clarence gesagt und damit jede heimliche Hoffnung des Kleineren zerstört. Aber das war nicht das Ende ihres gemeinsamen Weges gewesen, wie durch ein Wunder hatten sie sich nicht entzweit sondern erst so richtig zueinander gefunden. Dass sie heute hier so zusammensitzen konnten, ganz ohne erzwungene Distanz, Groll oder falschem Stolz, war nicht weniger als unwahrscheinliches Glück
Ohne Gegenwehr und den Versuch wieder etwas Raum zwischen sie beide zu bringen, ließ Matthew zu, dass Clarence sich hinter ihm niederließ. Eine Position in welcher der junge Mann nur Clarence duldete, weil er nur ihm blind vertraute. In ihrer Welt gab es nur wenige aufrichtige Menschen, es gab wenig Loyalität- und selbst jene Menschen von denen man glaubte man könne ihnen trauen, entpuppten sich schnell als käuflich. Vertrauen war ein seltenes Gut zwischen Menschen und meistens endete das Leben desjenigen der vertraute recht früh und auf recht unschöne Weise. Würde Clarence wollen, es hätte nur einen Stich mit dem Messer zwischen Matthews Rippen bedurft und der Söldner würde vom Angesicht der Erde verschwunden sein. Alles Gold und alle Habe würden Clarence zufallen, der sich damit ein sorgloses Leben würde finanzieren können. Aber als der Blonde seine Arme unter denen des Kleineren hindurch schob, da zuckte dieser nicht mal mit der Wimper sondern lehnte sich umgehend nach hinten. Cassiel ließ nicht nur Nähe zu, er suchte sie regelrecht, ein Unterschied der umso frappierender war wenn man seine Geschichte kannte. Behaglich suchte und fand der sogenannte Taugenichts die für ihn gemütlichste Position, nachdem er kurz ein wenig unruhig mit dem Rücken an Clarence’ Brust hin und her gerutscht war.
Einen wohligen Kuss auf das Ohr und wenige vielsagende Worte des Hünen später, erklang ein amüsiertes Kichern von Matthew. Natürlich wusste er noch sehr gut was er in der Quelle in Aussicht gestellt hatte, doch mit welch offener Unverschämtheit der Wildling direkt zur Tat überging war trotzdem unglaublich.
Ich will ja nicht raffgierig klingen, aber…“ - verkündete der Schamane mit gespielter Unschuld, da attestierte Matthew ihm prompt: „Du klingst schon jetzt raffgierig...“ Die Erheiterung in seiner Stimme war nicht zu überhören, gleichzeitig setzte er sich auch nicht gegen die forschenden Finger zur Wehr, die auf Wanderschaft gingen und sich vorwitzig einen Weg unter Matthews Oberteile wühlten.
„Weißt du was mir aufgefallen ist? Wenn es darum geht Dosen zu öffnen, Reißverschlüsse zu benutzen oder die Schnürsenkel zu binden, scheinen deine Finger weit weniger feinmotorisch zu sein als wenn es darum geht... ein bisschen zu fummeln.“ Vielsagend grinste der Jüngere und spähte von unten nach oben in das Antlitz seines geliebten Wildlings.
„Ein Mann wie du...beharrt also auf die Einhaltung von Versprechungen, hm? Mal angenommen...nur theoretisch...“, zart ließ Cassiel seine Nasenspitze über den Hals des Größeren reiben, ehe er diesen mit einem süßen Kuss bedachte. „...Man kommt den Versprechungen nicht nach... mit welcher Strafe ist zu rechnen?“ Nicht das Matt an diesem Abend versuchen würde zu feilschen, doch ein klein wenig Neckerei gehörte zwischen ihnen dazu, so wie Schnee zum Winter gehörte.


Clarence B. Sky

Schweigsamer Klotz, Riese, Jäger, Kauz, Verrückter, Fanatist.

In seinem Leben hatte man Clarence schon viele Namen gegeben, doch nur einen einzigen Menschen gab es, der ihn aus vollstem Brustton der Überzeugung Quatschkopf nannte – und der Blonde zweifelte keine Sekunde daran, dass sein Partner es genau so meinte wie er es sagte.

Sich aus den Augen eines anderen Menschen zu sehen, brachte stets die meist unerwarteten Überraschungen mit sich und bewies, dass ein und dieselbe Situation aus unterschiedlichen Blickwinkeln bei weitem nicht auch die gleiche war. Empfand man sich selbst als introvertiert, empfanden andere einen als ablehnend und hatte man Spaß daran andere zum Lachen zu bringen, verkam man schnell zum Klassenclown einer ganzen Runde. Sah er sich selbst als nichts weiter als Clarence, dann erkannte man im Blick des Dunkelhaarigen die Freude welche man in den Alltag des Jüngeren brachte – aber auch die Verzauberung ob ihrer gemeinsamen Zweisamkeit und die tiefen Emotionen, früher einst undenkbar gewesen.

Mit einem warmen Brummen spürte er das Gewicht des Vorderen gegen seine Brust lehnen und genoss die vollkommen natürliche Nähe zueinander. Es war das erste Mal, dass sie beide derartig vor einem prasselnden Lagerfeuer zusammen waren, dass sie sich trauten ohne unsichtbare Mauern ihren einst heimlich gehegten Bedürfnissen zu frönen und einfach nur dem nachzugehen, wozu sie geschaffen waren. Wahrlich, man konnte behaupten was man wollte: Clarence würde nie daran zweifeln dass sie füreinander bestimmt waren. Denn so wie er seinem heutigen Mann dazu verholfen hatte wieder Vertrauen zu lernen und sich einem anderen Menschen hinzugeben, so machte auch Cassie seinen bärtigen Gefährten von Tag zu Tag mehr zu einem besseren Menschen seiner ursprünglichen Version. Zwar ein wenig raffgieriger als zuvor vielleicht, aber trotzdem unterm Strich definitiv weit lohnenswerter als der alte schweigsame Kauz, der er einst gewesen war.

„Es mag dir nicht bewusst sein, du kleiner Frechdachs – aber die Belohnung für perfektionierte Feinmotorik beim Fummeln spornt einen viel mehr an, als die Aussicht auf den Inhalt einer schnöden Dose oder gut sitzende Stiefel. Denk mal darüber nach“, entgegnete der Bär ohne um eine passende Ausrede verlegen zu sein und musterte das freche Grinsen des Mannes in seinen Armen mit erhobenen Brauen.

Immer wenn Matthew ihn so ansah, mit seinem wachen kandisfarbenen Blick, dann beschwor er in dem Hünen von Mann ein Kribbeln herauf, welches er so bislang niemals zuvor kennengelernt hatte.  Liebe, Vertrauen, Lust und Liebe – er hatte geglaubt all dies in seinem Leben schon längst gekannt zu haben, doch der Jüngere lehrte ihn jedes Mal aufs Neue eines Besseren. Was einst gewesen und von Clarence als das einzig Wahre geglaubt war, verlor in den Armen seines Mannes jegliche Bedeutung denn erst Cassie machte, dass er sich heil und vollständig fühlte in seinem Dasein als Mensch.

Mit unaufhörlicher Intensität breitete sich wohlige Wärme in seinem Bauch aus die nur dann zutage kam wenn sein Partner in seiner Nähe war und so selbstbewusst und stark der Jäger zumeist auch wirken mochte: Wirklich besonders fühlte er sich nur in jenen Momenten, in denen der Dunkelhaarige ihm das Gefühl gab der einzig verbliebene Mensch auf Erden zu sein.

Plötzlich sichtlich verlegen ob dieser doch eigentlich recht unscheinbaren Situation, vergrub Clarence sein spitzes Näschen in der Schulter des Vorderen um dessen aufmerksamem Blick zu entgehen und etwas in seinen eigenen Augen zu verbergen, von dem er nicht verriet was es war und dessen er sich selbst vermutlich nicht mal bewusst war. Stattdessen schob er seine eigenen Arme weiter um den Bauch seines Mannes, drückte sich hauchzart enger an ihn und bettete sein weizenblondes Haupt auf der Schulter desjenigen, der eigentlich gar nicht mit ihm hier sitzen dürfte wenn man vor Tagen noch nach der Meinung des Arztes gegangen wäre. Wo wäre er heute nur, hätte Sally Mitchell es tatsächlich geschafft diesen wundervollen Menschen aus dem Leben und somit auch aus seinen Armen zu reißen? Was wäre mit ihm selbst geschehen, hätte Cassie den Kampf ums Überleben nicht gewonnen und hätte ihn verlassen – entgegen aller Versprechungen, die er seinem Bären einst gegeben hatte und immer noch gab?

Clarence wusste keine Antwort auf all diese Fragen und doch war ihm heute mehr bewusst als jemals zuvor in all den vergangenen Monaten dass er ohne den dunkelhaarigen Taugenichts, welcher hauchzart mit der Nasenspitze seinen Hals streifte bevor er einen weichen warmen Kuss darauf hauchte, verloren wäre in der großen weiten Welt.

Es stimmte, es gab Wunden in der Seele des Blonden, die hatten über Jahre hinweg nicht aufgehört zu bluten und auf seinem Herzen Spuren hinterlassen, die man wohl noch bis ans Ende seiner Tage sehen würde wenn man nur gut genau hinsah. Doch unter Matthews unbeirrbarem Zutun, seiner Beharrlichkeit darin den Jäger so zu nehmen wie er war und ihm das Gefühl der Zugehörigkeit zu schenken ohne im Gegenzug etwas dafür zu verlangen… da schien es beinahe so, als würden jene Wunden endlich dazu übergehen sich zu schließen. Eventuell würden sie nie völlig ausheilen, vielleicht würde es auch in Zukunft noch immer den ein oder anderen Tag geben, an dem jene Stellen ohne Vorwarnung aufrissen um ihm den damit einhergehenden Schmerz wieder in Erinnerung zu rufen. Doch bis dahin würden sie damit fortfahren zu vernarben und nichts anderes zu sein als das. Narben die seine Geschichte erzählen mochten, aber den groß gewachsenen jungen Mann nicht länger dominierten wie sie es bisher viel zu viele Jahre schon getan hatten.

„Ich würde ja gerne sagen die Bestrafung für das Brechen dieses Versprechen wäre die Todesstrafe, aber… ich befürchte, ich schneide mir damit nur selbst ins Fleisch“, murmelte Clarence gegen die Schulter des Vorderen, wobei diese den Hauptteil seiner Wörter erbarmungslos verschluckte. Es wäre nicht gerade zielführend den sich verweigernden Taugennichts einen Kopf kürzer zu machen und nicht zuletzt Sally Mitchell hatte ihm aufgezeigt, dass er lieber einen Mann hatte mit dem man die Zweisamkeit etwas begrenzen musste als einen Mann, der zwei Meter tief unter der Erde lag.

Nähe suchend wandte er sich wieder dem Antlitz des Jüngeren zu, das Haupt noch immer auf Matthew abgelegt, und spähte beinahe schon unschuldig wie ein kleiner Hundewelpe zu seinen Mann empor. Seine vorwitzigen Finger schoben sich dabei hinab in die schützende Wärme unter Cassies Hosenbund ohne ihn dabei ernsthaft unsittlich begrabbeln zu wollen; aber das Hacken von Holz in eisiger Kälte war Gift für unschuldige Fingerspitzen, ein Fakt den nicht mal der freche Schnösel würde abtun können.

„Gehen wir mal davon aus, du hältst dein Versprechen wirklich nicht und wärst so dreist deinen fleißigen Herrn Gemahl einfach auf dem Trockenen sitzen zu lassen, dann…“ – Vorsichtig reckte der Eisbär seine Schnauze empor und biss dem frechen Dachs vielsagend ins Ohr, eine der wenigen Sprachen, die dieser Kerl wirklich zu verstehen schien. „Dann würde dich das nicht gerade vertrauenswürdig machen und deine bislang edlen Absichten mir gegenüber in Frage stellen. Und“, fügte der rügende Jäger an, bevor er auf die eben noch malträtierte Stelle mit dem Hauch eines Kusses bedachte, „…es schützt dich am allerwenigsten in der Nacht vor deinem hungrig gelassenen Mann, wenn ich voller Appetit über dich herfalle während du selig in deinen Träumen versunken bist.“

Oh ja, Matthew musste einfach sehen dass ein solcher Vertrauensbruch auf beiden Seiten seine Opfer forderte und ihre stabile Grundlage einer gesunden Ehe völlig ins Wanken bringen würde, das sah ja sogar ein blinder mit Krückstock. Da wäre es doch viel einfacher sich seinem Schicksal zu ergeben, immerhin – und auch das war offensichtlich – gab es weit Schlimmeres auf der Welt als mit einem gutaussehenden und charmanten Abenteurer ein wenig zu knutschen und wild miteinander zu fummeln.


Matthew C. Sky

In vielerlei Hinsicht kannte Clarence den jungen Mann gut und wusste ihn einzuschätzen. Er wusste dass der Dunkelhaarige ihn liebte, er wusste dass der Dunkelhaarige ihn brauchte und alles für ihn tun würde.
Aber in einer Sache irrte er sich auch, nämlich wenn es darum ging zu erkennen wie Matthew ihn ansah.
Nicht als wäre Clarence der einzige Mensch auf der Welt, sondern als wäre die Welt voller Menschen - aber Clarence war in jener unerschöpflichen Menge, der einzige der zählte. Ein Unterschied, auf den Matthew bestehen würde, wenn er denn wüsste was der Blonde glaubte.
Es wärmte das Herz des jungen Mannes, den Schamanen bei sich zu wissen, seine Nähe zu spüren und zu wissen, dass dieser Mann der seine war. Dass ausgerechnet er in den Armen des Hünen die Liebe seines Lebens finden würde, war etwas das zu Beginn ihres Kennenlernens vollkommen unwahrscheinlich und undenkbar angemutet hatte. Der Wildling war ihm zu grob erschienen, zu unkultiviert, zu wenig kompatibel mit allem was Cassiel schätzte. Er zog ein Lager in der Wildnis den weichen Betten von Gasthäusern vor, er lehnte Schuhe für sich ab, er scherte sich nicht darum ob die Sonne erbarmungslos vom Himmel knallte oder ob es Bindfäden goss- war eine Route festgelegt, war Clarence sie auch gegangen. Scheinbar hatte beide Männer nichts, aber auch gar nichts verbunden. Aber bei allen Unterschieden, die sie auch noch heute auszeichneten, vereinte sie ihr weiches Herz unter einer harten Schale. Unnahbar hatte der Wildling oft gewirkt, so als sei ihm vollkommen egal was Matthew wollte oder machte. Und Cassiel? Der hatte nicht selten so getan als sei ihm gleichgültig was Clarence so trieb, ob er murrte, ob er im Schlaf unruhig stöhnte und offensichtlich Alpträume hatte. In Wahrheit aber hatte Matt sich sehr oft gefragt was hinter der Stirn für Gedanken lagen, was Clarence eigentlich wollte, warum er immer so ernst war und scheinbar an nichts echten Gefallen fand. Nur ernsthaft gefragt hatte Cassiel ihn nie, aus Sorge der Hüne könnte ihm antworten und dann irgendetwas von ihm wollen oder erwarten, womit Matt nicht dienen konnte.
Cassiel war - und das wusste er sehr genau - ein egoistisches Arschloch gewesen. Manchmal auch ein Freund, aber öfter noch ein echter Taugenichts. Er hatte es Clarence so wenig leicht gemacht, dass er sich noch heute fragte wie es sein konnte, dass der Wildling ihn nicht mal aus Wut erschlagen hatte. Die Geduld und die Nachsicht des Schönen war der Grund warum sie beide heute hier waren, das wusste Cassiel mit unumstößlicher Sicherheit.
„Du bist um keine Ausrede verlegen, hm? Kann es sein, dass du eine ganz schön große Klappe gekriegt hast seit wir verheiratet sind? Gerade so als hättest du nur darauf gewartet mich sicher zu haben bevor du dein wahres Naturell zeigst.“ - und wenn das so wäre? Cassie war es nur recht. Das freche Grinsen auf den Lippen und in den Augen des Größeren ließ Matthew regelrecht strahlen. Es machte ihn glücklich seinen Mann so zu sehen und zu hören. Locker, aufgeschlossen und nicht mehr allein mit seinen Gedanken und auch Sorgen. Sie teilten mittlerweile so viel mehr als Matt je geglaubt hatte und es verging kein einziger Tag an dem er dafür nicht dankbar war.
Offensichtlich verlegen verbarg der sonst so selbstbewusste und imposante Hüne sein Antlitz kurz hinter Matthews Schulter, was den Jüngeren wieder amüsiert lächeln ließ.
Sein stilles Schmunzeln wurde zu einem ehrlichen Lachen, kaum da der Ältere die Frechheit besaß mit seinen eiskalten Fingern auf Tauchstation zu gehen. Gefangen von dem geradezu unschuldigen Blick des Größeren, hatte Cassiel für einen winzigen Moment nicht mehr darauf geachtet wohin sich die Finger seines Mannes stahlen. Erst als die eisigen Kuppen sich auf die Wärme seiner Haut unterhalb der Gürtellinie legten, zuckte der junge Mann etwas erschrocken zusammen und tadelte den Wildling mit einem überraschten „Hey!“, welches in ein kurzes aber herzliches Gelächter überging.
Da vertraute man diesem Kerl einmal und wie wurde es einem gedankt? Auf äußert fragwürdige Weise, so viel stand fest. „Du bist schlimm. Clarence Sky, richtig schlimm.“, setzte Matthew ihn in Kenntnis und versetzte dem Handrücken seines Liebsten einen sachten Klaps.
„Ich dachte immer, christlichen Jungs kann man vertrauen und das sie....nicht so hinterhältig sind wie andere. Aber du mein Freund...“, verneinend schüttelte Cassiel den Kopf und schnalzte mehrmals mit der Zunge um zu unterstreichen wie unverschämt der Jäger war. „Du bist ganz besonders heimtückisch.“ Dieses Wort war ganz offensichtlich eines der Unpassendsten für den Schamanen, weshalb Matthew sich selbst das Lachen verkneifen musste als er es gegenüber Clarence ins Felde führte.
„Zuerst machst du, dass ich deinem unverschämten und...über alle Maßen großen Charme erliege und mich daraufhin freiwillig mit dir in einem Lager mitten in der Natur aufhalte und dann... dann muss ich auch noch helfen dich wieder aufzuwärmen.“, die Tragik seines Daseins lag wohl auf der Hand, zumindest dann wenn man nur die Worte des Jüngeren allein hörte, nicht aber sein verschmitztes Schmunzeln auf den Lippen und den Schalk in seinen Augen sah. Amüsiert kicherte er, als der Jäger ihm in das Ohr biss und erklärte welche Konsequenzen es haben würde, sollte Cassiel sein Wort brechen. Welch Glück war es da, dass der Dunkelhaarige gar nicht vor hatte den Jäger auflaufen zu lassen - würde er das tun, würde er sich nicht weniger ins eigene Fleisch schneiden als Clarence, wenn dieser ihn einen Kopf kürzer machte.
Heiteren Blickes in die Flammen vor sich schauend, hob er die Schultern an um erst die Zähne und kurz darauf auch die kitzelnden Barthaare zu vertreiben, die sich an seinem Ohr zu schaffen machten. Im Moment schien es so, als seien sie zum ersten Mal beide gleichermaßen sorglos und unbeschwert. Wie zwei alberne Burschen saßen sie zusammen, neckten einander und verteilten verbale Seitenhiebe die niemals wirklich schmerzhaft waren. Sie waren angekommen in des Anderen Herzen und nach allem was ihnen widerfahren war, war dies das kostbarste aller Geschenke.
„Aber...“, setzte Cassiel nach und legte seine Hand schließlich an die Wange des Bären, rieb mit dem Daumen sacht darüber und musterte den wachen, klaren Blick des Größeren, den er so sehr vergötterte.
„Angesichts der Tatsache, dass ich schon immer eine Schwäche für Abendteurer und Schwerenöter hatte, könnte ich mir schlimmeres vorstellen als Küssen und Fummeln.“
Und gerade weil das so war und weil es auf der Welt nichts gab das sich besser anfühlte und besser schmeckte als die Lippen seines charmanten Schwerenöters, beugte sich Cassie so gut es eben ging zu Clarence und hauchte einen süßen Kuss auf den Mund seines Mannes.
Prüfend musterte er ihn daraufhin aus nächster Nähe, blickte beinahe verträumt in die schönen hellen Augen des Wildlings und lächelte neuerlich warm. „Weißt du was mich schon bei unserem allerersten Kuss fasziniert hat?“ - natürlich konnte Clarence das ebenso wenig wissen wie Matt hatte wissen können was sich der Hüne so manches mal vorgestellt hatte. „Dein Geschmack...Du schmeckst nach...Freiheit und nach Wind.“, das klang albern, wie er selber wusste, aber eine bessere Beschreibung fiel Cassiel nicht ein. „Ich liebe es wie deine Haut riecht...und wie sich dein Bart anfühlt und wie deine Lippen schmecken...Und wie du die Augen schließt wenn du etwas besonders genießt...“ Nichts an Clarence war gewöhnlich. Nicht sein Aussehen, nicht sein Auftreten, nicht seine Werte und erst recht nicht sein Charakter. Und alles an ihm liebte Matthew mit einer Reinheit und Intensität, zu der kaum ein Mensch fähig war. „Es gibt nichts was ich nicht an dir liebe, Claire...Gar nichts.“ und als Matthew seinen Geliebten dieses Mal küsste, da tat er es voller Hingabe und Sehnsucht, ganz so als hätten nie Mauern und Missverständnisse zwischen ihnen existiert und als seien sie schon immer die gewesen, die sie heute waren.
Heil und ganz.


Clarence B. Sky

Die Tage waren seltsam geworden seitdem sie ein Paar geworden waren, aber nicht unangenehm. Zwischen ihnen hatte sich eine Losgelöstheit und eine bequeme Atmosphäre eingestellt, wie sie vermutlich derart nur unter Liebenden und Familien herrschten und würde man Clarence fragen, dann traf aus seiner Sicht beides auf ihre kleine Gemeinschaft zu. Sie waren bequem geworden ohne darunter zu vergessen dem anderen weiterhin Anreize zu bieten, in ihrem Sexualleben hatten sie sich aneinander gewöhnt ohne einander überdrüssig zu werden und selbst ihr Alltag hatte sich mittlerweile eingespielt, ohne die gewohnten Abläufe der alten Zeit zu entbehren.

Es war als hätte es immer so zwischen ihnen sein müssen und als wäre es niemals anders gewesen und eben jenes Vergessen von alten Mauern und unsichtbaren Grenzen war es, was das Leben mit Cassie so verführerisch und befriedigend für den jungen blonden Mann machte. Spürte er die Nähe seines Mannes bei sich, dann war es egal welche Hürden sie einst hatten überwinden müssen oder welch schwere Schläge sie in den vergangenen Wochen beide getroffen hatte. Nichts gab es was nicht überwindbar schien wenn er den Kampf nur mit seinem geliebten Gefährten angehen konnte und kein Wort der Welt fühlte sich während ihrer Neckereien mehr bösartig und verletzend an wenn man gelernt hatte zu verstehen, dass all die kleineren und größeren Seitenhiebe dich all die Monate hinweg nichts anderes gewesen waren als die heimliche Offenbarung von verschwiegenen Gefühlen füreinander.

„Eine große Klappe? Pff…“, widersprach der Blonde schließlich kopfschüttelnd und schien damit weiterhin felsenfest auf seiner Unschuld zu beharren, die völlig diskussionslos war. Es stimmte, er war wesentlich gesprächiger geworden seitdem ihre Bindung zueinander eine ernste Komponente erfahren hatte und damit tiefgründiger geworden war, aber das lag ganz bestimmt nicht an einer ominösen Sicherheit, die zuvor nicht derartig vorgeherrscht hatte. „Wir wissen beide ganz genau, dass ich dich schon hatte bevor wir geheiratet haben. – Und sag nicht es wäre nicht so, lügen sind in diesem formschönen Lager hier verboten!“

Tadelnd zwickte er den Dunkelhaarigen in die angenehm warme Haut seines Bauches, bevor sich Clarence dichter an ihn schmiegte. Der vorlaute Taugenichts war es gewesen, welcher ihn zuerst geküsst und damit seine bisher verborgenen Ambitionen offenbart hatte und auch Cassie war es gewesen, welcher den Weg zu ihm ins Blauer Hund gesucht und gefunden hatte – nur um ihn abermals zu küssen und ihm zu sagen, dass er seinen schweigsamen Gefährten liebte.

Er hatte ihn bereits sicher gehabt noch Tage bevor die Sprache überhaupt auf so etwas wie Heirat und Ehe gefallen war, aber selbst wenn Matthew seinen Antrag nicht angenommen hätte, hätte das nichts an der aufkeimenden Redseligkeit des Jägers geändert. Wenn man mit jemandem wie dem ehemaligen Söldner liiert war – vorlaut, frech und niemals das lose Mundwerk haltend – dann war es einfach unumgänglich, dem Ganzen irgendwann Paroli zu bieten wenn man nicht untergebuttert werden und in dreißig Jahren als unterdrücktes Heimchen vorm Herd enden wollte.

Doch statt den Weg des Heimchens einzuschlagen, sah sein Mann ihn viel eher als schlimmen Schwerenöter und war damit unter Garantie auch der einzige Mensch der Welt, welcher den Jäger jemals derartig betiteln würde.

Der leichte Klaps auf die Hand ließ Clarence schelmisch grinsen; eine Reaktion die er nicht mal dadurch verbergen konnte, dass er versuchte sein Antlitz erneut hinter der Schulter des Vorderen zu verstecken: „Hey… das ist Gewalt in der Ehe“, monierte der Bär nuschelnd, bevor er mit sichtlichem Schalk im Funkeln seiner blaugrauen Augen die des Jüngeren suchte. „Dass mir das bloß keinen Einzug hält. Ich will immerhin einen Gentleman an meiner Seite, keinen Schlägertypen der mir die verbliebenen paar Finger auch noch kaputt macht.“ – Nicht, dass diese Gefahr wirklich bestehen würde. Aber auch eine Lady Claire hatte gewisse Vorstellungen von einer gesunden Beziehung und dazu gehörte eindeutig, auf Händen getragen statt darauf geklapst zu werden.

So sehr er das dreiste Vorgehen seines Partners auch ankreiden mochte, seine dreisten Finger zog er dennoch nicht aus dem Hosenbund des Jüngeren hervor sondern ließ sie gerade aus Protest genau dort, wo sie seiner Ansicht nach am ehesten hin gehörten… und bewies damit eindeutig eben jene Heimtücke, die Cassie ihm vorwarf. Daran änderte nicht mal sein Dasein als christlicher Junge etwas.

Verschmitzt beobachtete eben jener die erhellten Gesichtszüge seines Liebsten und einmal mehr wurde dem Hünen dabei offenbar, wie sehr er Matthew für sein loses Mundwerk und die humorvolle Art liebte, die den jungen Mann in seinen Armen definierte. Cassie hatte etwas Losgelöstes und Freies an sich, das einen einfach mitreißen musste und wäre der Jüngere so in sich gekehrt wie sein damals oft schweigsamer Gefährte, der Jäger wüsste nicht zu sagen, ob sie dann noch zueinander gefunden hätten sie sie es in Coral Valley getan hatten.

Sie ergänzten sich gegenseitig in Aspekten ihres Seins, von denen Claire niemals gedacht hätte es würde ihnen etwas fehlen und doch würde selbst einem Fremden schon auf den ersten Blick klar werden, dass sie einander ihre besten Seiten zum Vorschein brachten. Wo Matthew einst zurückhaltend und sich selbst der Nächste gewesen war, hatte er sich für Liebe und Vertrauen geöffnet und an jenen Stellen wo der Blonde geschwiegen und sich zurück gezogen hatte, scherzte und freute er sich heute mit seinem unverschämten Mann, sobald dieser zu Späßen aufgelegt war. Selbst nach all der Anstrengung und dem Ärger des heutigen Tages änderte nicht mal die Dunkelheit der Nacht etwas daran sehr bewusst Zeit miteinander verbringen und ihr Beisammensein positiv gestalten zu wollen anstatt sich direkt hinzulegen und die Stille des Schlafes über sich kommen zu lassen – eine enorme Errungenschaft in ihrer Beziehung, die Clarence nie wieder missen wollte.

Kaum dass sich die kosende Hand an seine Wange gelegt hatte, schienen alle Widerworte seinerseits alsbald wieder vergessen wie der Besuch bei Sally Mitchell am Morgen und ein plötzlich warmes Brummen erhellte die Kehle des bärtigen Bären, das Gesicht folgsam dem Daumen seines Partners entgegen geschmiegt und den warmen weichen Blick des Jüngeren auffangend.

Wusste dieser unverschämt gutaussehende Typ vor ihm eigentlich, wie sehr er von Clarence Bartholomy Sky geliebt und angebetet wurde? War sich Cassie bewusst dass selbst ein Hauch, dass selbst die eichteste sanfte Berührung den eisigen Klotz dazu bringen konnte die Welt um sie herum zu vergessen, so lange Matthew ihn nur mit diesem Blick betrachtete und ihm das Gefühl gab geliebt zu werden, wie niemals je zuvor ein Mensch auf dieser Welt ihn geliebt hatte?

Es gehörte verboten wie dreist und unverblümt der freche Schnösel ihn an diesem Abend anflirtete – denn auch wenn Claire die verliebten Seitenhiebe nicht minder neckend parierte, so war ihm der Grundtenor all jener Äußerungen ganz sicher nicht vergangen.

Streit, Liebesgeflüster, Geständnisse unter Tränen, all das hatten sie miteinander schon hinter sich gebracht in den zurückliegenden Wochen. Doch so wie heute hatte der Jüngere nur selten in so kurzer Zeit mit getarnten Komplimenten und Liebesgetuschel um sich geschmissen und wüsste Claire es nicht besser, vermutlich würde er denken er sei betrunken oder würde träumen.

Selbst wenn der Jäger gewollt hätte, die warmen Schmetterlinge in seinem Bauch ließen sich nicht wieder zur Ruhe bringen und so schloss Clarence genießend die Augen; just in jenem Augenblick, als sein Gatte eben jene Eigenart zur Sprache brachte.

Widerwillig ob der Tatsache ertappt worden zu sein, schüttelte Clarence den Kopf ohne die Augen wieder zu öffnen und spürte nur wenige Sekunden später fremde Lippen seine eigenen suchen, die sich ohne Gegenwehr dem lieblichen Kuss seines Mannes ergaben. So wie er selbst für den Vorderen nach Freiheit und Wind schmecken mochte, schmeckte Matthew für ihn seit jeher nach Vertrauen und nach Sehnsucht; schon der allererste Kuss, den der Dunkelhaarige ihm geschenkt hatte, hatte damals in dem jungen Christen etwas ziehen lassen, was er gar nicht mehr hatte einfangen wollen. Nämlich sture Ideen von festgeschriebenen Regeln, von Weltanschauungen die dem Leben seiner Heimat entsprachen und vom Entsagen einer Bindung, die er sich in Wahrheit so sehr wünschte wie kaum etwas anderes in seinem Leben.

Clarence konnte das Brennen seiner Wangen spüren als eine zarte Röte sich darauf niederlegte. Kaum dass sich ihre Lippen wieder voneinander gelöst hatten, nutzte der sonst so siegessichere Bär von Mann seine Position dazu aus um die weibische Scham gekonnt hinterm Jüngeren zu verbergen, die Cassie ihm dank seiner beharrlichen Baggerambitionen entlockt hatte.

Du bist doof, Sky… echt.“ – Ein Vorwurf der stark anzuzweifeln war, immerhin hätte er Matthew dann sicher nicht geheiratet und ihn sich damit für den Rest des Lebens ans Bein gebunden. Aber selbst diese Tatsache half nicht darüber hinweg, dass Claires Wangen nur noch mehr zu glühen schienen alleine dadurch, dass er den Schönen in seinen Armen beim gleichen Nachnamen nennen konnte wie jener ihn.

Vorsichtig bettete der Bär die Stirn im Nacken des Jüngeren und hob sein Haupt kaum dass es sich dort niedergelegt hatte, um mit der Nasenspitze durchs kurz geschnittene dunkle Haar seines Partners zu streichen.

„Als wir unten im Kerker waren… da hast du gesagt, dass nur Gott alleine uns voneinander scheiden kann“, erhob sich nach einer kurzen Stille leise die Stimme des Blonden, ruhig und warm wie eine frische Sommerbrise im Frühling. „Hast du das… so gemeint wie du es gesagt hast?“


Matthew C. Sky

Ging es nach Matthew, brauchten sie dieses Lager die nächste Zeit überhaupt nicht zu verlassen, wartete in der Zivilisation des kleines Handels-und Fischerdörfchens doch nur neuer Ärger und Pflichten denen der junge Mann nicht nachkommen wollte.
Nach allem was er heute Vormittag von Sally Mitchell gehört und gesehen hatte, hatte er wenig Hoffnung darauf, dass die Verrückte wieder zur Vernunft gekommen war.
Was machte man mit einem Menschen, der offensichtlich von einem tiefen und unumkehrbaren Hass getrieben war? Töten? Wegsperren? Laufen lassen. In den meisten Fällen wurde Ersteres praktiziert, schon allein deshalb weil es sich Dörfer und Siedlungen nicht leisten konnten für den Unterhalt kriminell gewordener Mitbürger aufzukommen. Auf Dauer jemanden einzusperren hieß, auf Dauer auf des Beschuldigten Mithilfe zu verzichten, ihn mit Nahrung und Wasser zu versorgen obwohl es kaum für die eigene Familie reichte.
Das Urteil durch die geschädigte Partei stand aus und Matthew wusste noch immer nicht wie er urteilen sollte. Im Bauch der Harper Cordelia hatte er dem Jäger anvertraut, dass Töten ihm nicht lag und ein Urteil zu fällen welches zum Tod eines Menschen führte lag ihm folglich ebenso wenig.
Aber hier in ihrem "formschönen" Lager, das eigentlich ziemlich spartanisch war und nur mit wenig architektischer Finesse und mit ebenso geringem Komfort glänzte, spielten die Sorgen und Lasten keinerlei Rolle mehr. Clarence nahm die Bürden von den Schultern des Kleineren, er machte das er heil und sorglos war. Unbekümmert wie ein Kind und ohne den einstmals typischen und fortwährenden Ausdruck von Kummer in den dunklen Augen, konnte Matthew der junge Mann sein, der er geworden wäre ohne all die Gräueltaten die in seiner Vergangenheit lagen.
Der Wildling war es, der dafür sorgte das Cassiels beste Seiten geschliffen und poliert wurden, ähnlich wie einem irisierenden Edelstein. Und Clarence selbst? Auch von ihm war nach und nach der Schmutz und die kantigen Stellen entfernt worden. Unter all den dunklen und abweisenden Krusten hatte Matthew schon früh das Funkeln erkannt. Hatte es durchblitzen sehen in kleinen Gesten - wie damals als Clarence ihm die Ohren mit der wärmenden Paste eingerieben hatte, damit ihm nicht zu schnell kalt wurde. Tausende kleine Dinge hatte der Schamane schon für ihn getan, ungefragt und uneigennützig. Er war ein guter Mensch, der Beste sogar wenn man Matthew fragte - und heute mit ihm hier zu sein war ein kostbares Geschenk.
Nicht Alltag, nicht gewöhnlich, nicht langweilig. Ihr gemeinsames Leben war für den Dunkelhaarigen mehr als nur eine angenehm Routine, denn mit Clarence gab es so etwas nicht. Sie waren frei, sie konnten gehen wohin sie wollten und wann sie wollten, sie konnten davonsegeln in ferne Länder oder sie könnten in Clarence' Heimat reisen um auf alten Pfaden zu wandern. Die Welt, sonst grausam und trist, war mit dem Blondschopf spannend und aufregend geworden. Nichts schien unmöglich zu sein an der Seite des Bären.
Auch wenn dieser ein alter Lügenbär war, wie er schließlich zu erkennen gab, als er behauptete Cassiel wäre ihm schon vor ihrer Ehe hoffnungslos ins Netz gegangen.
"Haha! Da widerspreche ich. Du hattest mich erst in Sack und Tüten als du in deinem Anzug in der Kirche gestanden hast... In dem Moment und in dem Aufzug hätte dich die ganze Stadt und das Umland geheiratet, ohne dich zu kennen." - Wer Matthew an dieser Stelle ein gezieltes Anflirten des Größeren unterstellte, der lag vollkommen richtig, denn die hinreißende Röte der Wangen seines Liebsten war ihm nicht entgangen. Wenn der Wildling schon mal zuvor rot geworden war, dann war es lange her und so konnte man es Cassiel wohl nicht übel nehmen, dass er die süße Verlegenheit seines charmanten Abendteurers noch ein wenig aufrecht erhalten wollte.
Zart und mit einer liebevollen Behutsamkeit wie man sie dem großmäuligen Taugenichts eigentlich kaum zutrauen wollte, strich er mit dem Daumen über die Wange des Hünen und bedachte ihn mit einem warmen und zugleich amüsierten Blick. Der Grund für jenes Amüsement waren die frechen Bemerkungen seines Gatten, welcher zwar tapfer versuchte ihm Paroli zu bieten, jedoch von seiner Verlegenheit zu offensichtlich geschwächt wurde.
„Und außerdem: das formschönste an diesem Lager bin ja wohl ich, dass musst sogar du zugeben.“, setzte er nach, ganz der von sich selbst eingenommene Schnösel in den sich Clarence dereinst verliebt hatte. Die Hand welche nicht an den vertrauten Konturen von Clarence‘ Gesicht lag, hob sich schließlich auf die Hand des Hünen, deren Fingerspitzen sich unerlaubten und doch geduldeten Zutritt zu seiner warmen Haut verschafft hatten. „Ich geb dir ein Rätsel auf, Sky: wer ist doofer? Der der doof ist oder der der den Doofen heiratet?“, verschmitzt streckte Matthew seinen Gefährten daraufhin kurz die Zunge raus, bevor er sich zu ihm reckte und mit der Nasenspitze an die des Hünen stupste.
Die Flammen des Feuers tauchten das Antlitz des Wildlings in flackernde Gold- und Orangetöne welche sich nicht nur auf Haut und Haar wiederfanden, sondern sich auch in den blauen Augen spiegelten. Schon unzählige Male hatten sie um ein Lagerfeuer wie dieses herum gesessen, hatten sich über die Flammen hinweg angesehen oder sich bemüht selbiges eben nicht zutun.
Clarence hatte geschwiegen und Matthew hatte geredet. Manchmal hatte er geschnitzt während der Jäger Pfeife geraucht oder Löcher in ihrer Ausrüstung geflickt hatte. Ab und an hatten sie auch miteinander gesprochen, die nächste Tagesroute abgestimmt, einen Zielort definiert oder dergleichen.
Hin und wieder hatte Clarence den Jüngeren mit seiner Art zum Lachen gebracht, sodass jenes Geräusch die Nacht erhellt hatte.
Aber nie war dem Jungspund eine Nacht und ein Lagerfeuer heller erschienen als heute, als er es in den Augen seines Liebsten sehen konnte weil sie sich beide so nah waren. Hätte Clarence sich nicht just in dem Moment dazu entschieden seinem Blick auszuweichen und stattdessen mit der Spitze seiner Nase durch das kurze Haar am Nacken des Jüngeren zu streichen, Cassiel hätte sich nicht zurückhalten können den Größeren abermals zu küssen.
Doch des Wildlings Lippen hatten sich außerhalb seiner Reichweite gebracht, nur um Matthew ein Schmunzeln zu entlocken.
Ein angenehmes Kribbeln machte sich im Bauch des Dunkelhaarigen breit, weil diese Geste zum einen kitzelte und zum Anderen etwas unheimlich inniges an sich hatte. So zufrieden und einfach tief im Inneren glücklich, war der junge Mann selten gewesen und dass das so war, war allein dem Blonden zu verdanken. Albern zog Cassiel die Schultern empor um dem Kitzeln zu entgehen und lehnte sich ein Stück nach vorn, aber nicht weit genug um das kosende spitze Näschen wirklich loszuwerden.
Der Themenwechsel des Jägers kam unerwartet und Matthew drehte sich mit dem Oberkörper zu ihm herum um ihn neuerlich zu mustern.
Wie der Schamane jetzt darauf kam, würde Matthew wohl nie verstehen, aber das war auch nicht nötig. Wo früher der Blonde die Dinge mit sich allein ausgemacht hatte und seine Gedanken selten mit Cassiel geteilt hatte, war er heute nicht länger verschlossen - und Matthew wusste diese Veränderung sehr zu schätzen. Trotzdem fiel seine Antwort wohl anders aus als Clarence erhofft und wohl erwartet hatte, denn sie bestand lediglich aus einem Wort.
Nein...“ Was er unten im Kerker von sich gegeben hatte war nicht das was er tatsächlich glaubte, in dieser Hinsicht unterschieden sich beide jungen Männer maßgeblich voneinander. „Nein ich habe es nicht so gemeint wie ich es sagte. Denn... jede Macht, ob göttlich oder irdisch, die versucht uns zu trennen... wird einsehen müssen, dass ich das nicht zulassen werde.“ - das war seine Überzeugung, eine die er nicht im Kerker ausgesprochen hatte, aber jene die in seinem Herzen wohnte. „Nichts und niemand wird uns jemals scheiden, Claire. Vertrau mir, okay?


Clarence B. Sky

Wer um alles in der Welt war dieser junge Mann in seinen Armen, der vor Charme nur so sprühte und sich nicht scheute, dem Blonden Hände voller Honig um den Bart zu schmieren? Irgendjemand musste heimlich vorbei geschlendert sein und hatte seinen Mann gegen ein Exemplar mit völlig anderen Sprachfunktionen ausgetauscht, anders konnte Clarence sich diesen unerwarteten Wandel nicht erklären.

Schon lange mochte er für Matthew nicht mehr der Klotz an dessen Bein sein oder der ungehobelte Barbar aus dem tiefsten Wäldern die ein Mensch jemals erblickt hatte, aber auf der anderen Seite hatte Cassie nie derartig mit Schmeicheleien geglänzt wie in dieser Nacht hier. Dass die ganze Stadt und das Umland ihn geheiratet hätten nur wegen seinem Anzug, wagte der Jäger ernsthaft zu bezweifeln, aber das änderte nichts an der Quintessenz jener feisten Lüge, in der sich ein Kompliment verbarg wie man es von einem Mann wie dem seinen kaum erwartet hätte.

Nichtsdestotrotz – er mochte es zwar niemals so zugegeben haben, aber das änderte nichts daran, dass Clarence damals tatsächlich dem Jüngeren hatte imponieren wollen in seinem piekfeinen Auftritt mit Anzug, Krawatte und frisch polierten Schuhen. Einander tagtäglich abgefranst und verschwitzt auf langen Märschen vor Augen zu haben war das eine; man mochte sich optisch vertraut und über die Monate hinweg angenehm geworden sein, dennoch konnte man sich damit nicht automatisch auch vorbehalten, sich für den anderen nicht mehr Mühe zu geben nur weil mal sich schon in Sack und Tüten hatte.

„Dann können wir ja beide froh darüber sein, dass ich an diesem aus der großen Auswahl trotzdem einzig und alleine dich ausgewählt hab um mich zu ehelichen, mh?“, frotzelte der Bär verschmitzt und ließ dabei die Antwort auf das Rätsel völlig außen vor. Es mochte wahrlich nicht recht klug anmuten einen Doofen zu heiraten und vermutlich hätte sich diese Annahme sogar bestätigt, würde der vermeintlich Klügere aus jener Bindung keine Vorteile ziehen. Aber war es wirklich so dämlich trotz allem Zweifel und aller Unterschiede Ja zu sagen, wenn einem der Dummbatzen neben einem jeden einzelnen Tag aufs Neue zum schönsten des eigenen Lebens machte? Wenn man sich nichts Größeres und Schöneres mehr vorstellen konnte als die Aussicht darauf, neben dem Gesicht des Blödians aufzuwachen und neben diesem einzuschlafen, ganz egal wie weit ihre Intelligenzquotienten auch auseinander liegen mochten?

Noch immer ungläubig über die infame Andeutung seines Gatten schüttelte der Jäger den Kopf und bedachte den Dunkelhaarigen darunter mit einem warmen Blick, der eigentlich die gesamte Schneedecke um sie herum hätte schmelzen müssen. Dass sie es trotz allem nicht tat, war wohl ganz alleine Claires Unfähigkeit verschuldet das Wetter kontrollieren zu können – denn hätte er die Wahl, er hätte ihnen schon längst sonnige Flitterwochen an Ort und Stelle verschafft, anstatt sie dafür tausende von Meilen übers Meer segeln zu lassen.

So saß er also nun hier, unfähig die Sonne strahlen zu lassen oder sie in den tiefsten Süden teleportieren zu können, und schämte sich seines Genusses dennoch nicht die Nähe zum Jüngeren auch in dieser erbarmungslosen Kälte zu ersehnen wie nichts anderes sonst in diesem Moment. Denn es stimmte: Matthew war definitiv das Formschönste an diesem Lager und damit war es trotz aller Widrigkeiten dennoch perfekt, ganz egal was andere Leute zu ihrer spartanischen Unterkunft meinen mochten.

Cassie mochte der folgende Ansatz seines Eisbären unerwartet erscheinen – kein Wunder wenn man bedachte wie selten der Kerl oftmals die Gedankengänge des Älteren verstand – und unterstrich jene Annahme deutlichst dadurch, wie er sich zu Clarence umwandte um jenen zu mustern. Der Blick der kandisfarbenen Iriden lag voller Unverständnis und Verwunderung, entbehrte jedoch all der Liebe dennoch nicht, welche Matthew spürbar für seinen Mann hegte. Wärme und Geborgenheit lagen in den braunen Augen, egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit Cassie ihn mit seiner Aufmerksamkeit bedachte und egal wie der Kleinere gelaunt oder gar auf ihn eingestellt war. Selbst im Streit, so kam es Claire zumindest vor, konnte keine Wut jemals die Liebe in jenem fremden Blick ganz und gar übertünchen und wüsste der Blonde es nicht besser, er hätte längst vergessen dass es eine Zeit gegeben hatte, in derer jener Ausdruck nicht den Grundtenor im Ausdruck seines Mannes gebildet hatte.

Eben noch mit geschlossenen Lidern und spitzem Schnäuzchen im braunen Fell seines Böckchens versunken, zwang Matthews Umwenden ihn nun dazu die Augen wieder träge zu öffnen und seinen Ehemann neugierig zu mustern. Lautlos zogen sich darunter die blonden Brauen sichtlich zusammen, denn wenn man mit jeder Antwort hätte rechnen können, so sicher nicht mit dieser und dass der Christ etwas anderes als ein handfestes Nein erwartet hatte, wäre selbst einem Blinden mit Krückstock und maximaler Abwesenheit von Empathie aufgefallen.

Eine missmutige Schnute legte sich in Claires Antlitz, sanft und doch erkennbar verborgen durch seinen vom Kuscheln zart verwirrten Bart; die Äußerungen des Jüngeren schon im Keim zu ersticken um sein Missfallen kundzutun, kam für Clarence dennoch nicht infrage. Was dann und wann Usus zwischen ihnen gewesen sein mochte – nämlich fehlende Akzeptanz für eine zweite Meinung und andere Ansichten hinsichtlich etwas bereits Geschehenem oder gar hinnehmendes Schwiegen ohne richtig zuzuhören – war lange nicht mehr das, wonach der Klotz sich sehnte es zu praktizieren. Eine Ehe zu führen hieß gleichzeitig daran sowie aneinander zu wachsen und wenngleich Cassie es mit hoher Wahrscheinlichkeit von seinem Mann erwartet hatte, so war es doch nicht die plötzliche Christlichkeit des Jüngeren, auf welche der Hüne unter seiner Frage das Augenmerk geworfen hatte.

Du Dummerchen…“

Sanft schüttelte Clarence den Kopf, ganz so als habe Cassie etwas fürchterlich Fragwürdiges von sich gegeben und in gewisser Weise stimmte das sogar. Seinem eigenen Mann zu misstrauen stand nicht zur Debatte, das müsste der Jüngere eigentlich wissen und alleine das schon anzuzweifeln war ein fataler Vorwurf, für den er seinen Partner später sicherlich noch rügen würde. So aber nicht in diesem Augenblick.

„Ich hab dich nicht gefragt ob du das so gemeint hast wie du es formuliert hast… sondern wie du es gesagt hast“, korrigierte er schließlich ruhig die Annahme des Vorderen und musterte diesen für einen Moment schweigend, wobei sich seine Fingerkuppen weich in der warmen Haut unterm fremden Hosenbund vergruben. „…und das hast du.“

Die Art und Weise wie Matthew vorgetreten war, so voller Stolz, frei von Zweifeln, so… unmissverständlich und… allen Gewalten trotzend…

Es mochte jedem Mann völlig unbedeutend vorgekommen sein in jenem Moment, aber an Clarence war die Präsenz seines Geliebten in jenen wenigen Sekunden nicht vorbei gegangen. In der Welt, die der Jäger durch seine Augen wahrnahm, hatten noch nie bloße Äußerlichkeiten gezählt. Es scherte ihn nicht ob man sie beim ersten Blick für charakterlich wie auch körperlich absolut unterschiedlich hielt; ob er selbst für Fremde der Stärkere war und Cassie vergleichsweise schmächtig anmutete, oder ob dem gebildeten Dunkelhaaren der mehr ausgeprägte Intellekt zugestanden wurde. In dem Universum in dem Clarence lebte, da zählten schon immer innerliche Werte mehr als alles andere sonst – und ob bei Gott oder nicht, aber Matthew berührte mit seiner innerlichen und charakterlichen Stärke den Blonden auf einer bedeutsamen Ebene, auf derer ihm selten ein anderer Mann derart imponiert hatte.

Zaghaft reckte sich das bärtige Kinn dem Vorderen entgegen, stahl sich von dem schön geschwungenen Mund seines Liebsten einen weichen Kuss, in dessen Anschluss sich Claire lautlos über die eigenen Lippen leckte.

„Seitdem du das gesagt hast… geht mir eine Sache nicht mehr aus dem Kopf.“

Er mochte in seinem Denken und in jener Sache unbestreitbar unterbrochen worden sein als plötzlich ein sinnlicher Rehbock aus dem Nichts aufgetaucht war um ihn in seinen Bann zu ziehen, den Faden zum Wesentlichen hatte jedoch selbst dieser glückliche Zufall nicht zertrennen können.

Ein kurzer Atemzug durchbrach die Stille, auf den Clarence dennoch nicht sofort damit begann weiter zu reden. Stattdessen hob sich seine freie Hand hinauf an den Saum der fremden Weste, die sich anschmiegsam an den stattlichen Leib des athletischen jungen Mannes legte, und begann beinahe schon nervös damit, an dem ledernen Ende herum zu nesteln.

„Wenn wir wieder Zuhause sind, dann will ich… dass du mit mir schläfst…“, setzte er schließlich zögernd an. Die blaugrauen Iriden hatten sich bis eben noch auf den sinnlichen Lippen seines Partners verloren, hoben sich nun jedoch wieder hinauf zu ihren kandisfarbenen Zwillingen um den Blick seines Mannes zu suchen. Es war nicht gewöhnlich für Clarence die Dinge so klar beim Namen zu nennen wenn sie nicht gerade mitten bei der Sache waren, aber darauf wollte er dieses Mal auch gar nicht hinaus: „…und zwar so wie… wie wir in unserer Hochzeitsnacht miteinander geschlafen haben. Das will ich schon, seitdem du heute Morgen diese Worte von dir gegeben hast und daher...“ – Daher stellten sich nach einer Weile so verwirrende Fragen wie jene deren Ursprung Cassie nicht verstanden hatte. Aber manchmal musste man gewisse Dinge nicht verstehen, solange man nur deren Bedeutung begriff.


Matthew C. Sky

Vielleicht wirkte Clarence auf Außenstehende begriffsstutzig im Vergleich zu Matthew, aber das hieß nicht, dass dieser Eindruck auch richtig war.
Der Dunkelhaarige war unbestreitbar das, was man gemeinhin schnell im Kopf nannte. Er war aufmerksam, besaß eine gute Auffassungsgabe und hatte ein hervorragendes Gedächtnis was Namen und Gesichter anging.
Durch seine große Klappe und bisweilen schnöselhafte Art schien er von Ihnen beiden ganz eindeutig der schnellere Denker zu sein, was jedoch nicht wirklich stimmte. Clarence redete weniger als Matt, aber nicht weil er auch zwangsläufig weniger begriff, sondern weil er - im Gegensatz zu dem Kleineren - seine Überlegungen und Gedanken lieber für sich behielt.
Das Schweigen des Jägers in Gesellschaft anderer Menschen war kein Beweis dafür, dass der Hüne langsam dachte und Matthew wiederum schnell. Es belegte nur einfach wie unterschiedlich sie beide mit bestimmten Sachverhalten umgingen.
Die Frage welche Clarence gestellt hatte, war für Matthew vollkommen unerwartet und ohne jeden Zusammenhang gekommen. Aber statt nachzufragen machte er sich seinen eigenen Reim darauf. Doch was oft klappte und ihm einen Vorteil verschaffte, funktionierte dieses Mal nicht - denn Clarence wollte gar nicht wissen ob die Worte des jungen Mannes heute Vormittag sein Ernst gewesen waren. Es ging nicht um das was, sondern um das wie.
Doch selbst als der Schamane ihn sanft und ohne jede Schärfe ein Dummerchen nannte, begriff der sonst so flinke junge Mann nicht so wirklich was der Andere meinte. Und ganz automatisch zogen sich seine Brauen etwas zusammen. Wenn ein Clarence Bartholomy Sky ihn ein Dummerchen nannte, dann fühlte Matthew sich auch wie eines, ganz gleich wie sein Ruf auch sonst war. Jedoch - und das müsste man dem begriffsstutzigen Burschen nachsehen, konnte er auch gar nicht sofort verstehen worauf der Hüne hinauswollte, weil sie beide vollkommen anders tickten.
Was er gesagt hatte und wie er es getan hatte, war ihm ganz unmissverständlich und vollkommen überzeugt über die Lippen gekommen. Dafür hatte er sich nichts weiter gedacht. Es hatte ihn weder Mut noch Überwindung gekostet, denn es war nichts weiter gewesen als die Wahrheit. Sally Mitchell mochte diese Wahrheit nicht gefallen, aber ihr Missfallen änderte rein gar nichts. Nichts und niemand änderte daran etwas.
Die Überzeugung mit der Matthew ihr entgegengetreten war, war ihm leicht gefallen und anders als sein Mann, der mit bestimmten Grundsätzen und Dogmen aufgewachsen war, scheute sich der Jüngere nicht, jene Überzeugung zu benennen. Clarence war sein und er selbst gehörte Clarence. Matthew liebte diesen Mann über jede Vernunft und jeden Zweifel hinaus und er würde nicht zögern das jeder Menschenseele klarzumachen, die versuchte sie zu entzweien. Ob nun einem Landei wie Sally gegenüber oder einem Aristokraten.
Der zarte Kuss und die spärliche Erklärung des Hünen darüber worum es ihm ging, reichten in den ersten Sekunden nicht aus, damit Matthew verstand. Erst der warme und irgendwie bewundernd anmutende Blick den der Blondschopf ihm schenkte, ließen Cassiel begreifen, dass das was für ihn selbst normal und selbstverständlich war nicht auch automatisch auf Clarence zu münzen ging. Und so hatte er heute Vormittag - ohne es bewusst zu tun - seinem stattlichen Bären imponiert und ihm tatsächlich so etwas wie Bewunderung abgerungen.
Schweigsam leckte sich der Kleinere über die eben noch geküssten Lippen und schüttelte verhalten den Kopf über seinen sanften Wildling.
Da konnte man über Jahre hinweg jeden Tag mit diesem Kerl zusammen sein und begriff doch noch immer nicht alle Gedanken und Gefühle von ihm. Aber war das überhaupt nötig? Wahrscheinlich nicht, denn bisher funktionierten sie als Paar und als Freunde und Team wunderbar, auch ohne einander auswendig zu kennen. Der Dunkelhaarige, welcher sonst oft dazu neigte schnell das Wort zu ergreifen, biss sich dieses Mal auf die Zunge, auch wenn er genau mitbekam wie der Schamane einen Moment lang zögerte. Was auch immer Clarence versuchte ihm zu sagen, es fiel ihm nicht leicht. Der Größere wirkte unschlüssig und unbeholfen, gerade so als wisse er nicht recht wie er die Worte aussprechen sollte die ihm auf der Zunge lagen. Cassiel, dem das Schweigen seines Liebsten viel länger vorkam als es eigentlich dauerte, riss sich zusammen ihn nicht zu drängen und letztendlich wurde seine Geduld belohnt.
Wenn wir wieder Zuhause sind, dann will ich… dass du mit mir schläfst…“ - Auf diese Worte reagierte Matthew mit einem irritierten Gesicht und hochgezogenen Augenbrauen, denn im ersten Moment ging einfach nicht zusammen was Clarence da sagte und was er meinte. Für den Jüngeren des ungleichen Duos war es gar einen winzigen Moment lang eine Option, nachzufragen ob er sich gerade verhört hatte. Doch der Wildling ersparte Ihnen beiden diese Unannehmlichkeit in dem er fortfuhr, sodass endlich auch Cassiel verstand.
Entgeistert ob der plötzlichen Wendung, fiel seine erste Äußerung wenig hilfreich aus, bestand sie doch lediglich in einem verwirrten „Ähhhh...“
Nicht etwa weil er nicht mit Clarence schlafen wollte oder weil ihm die Offenheit des Blonden nicht behagte, sondern einzig und allein deshalb weil er diesen Wunsch nicht hatte kommen sehen. Seit ihrer Hochzeitsnacht hatte es sich nicht mehr ergeben die Rollen zu tauschen und weder er selbst noch Clarence hatten Bestrebungen unternommen daran etwas zu ändern. Dass das so war lag nicht an dem Jäger, sondern vermutlich eher an Matt, der nicht sicher gewesen war ob sein Partner sich nochmals in der empfangenden Position befinden wollte. Er war sich seiner Sache weder beim Akt an sich sicher gewesen, noch hatte sich diese Sicherheit danach eingestellt.
Matthew hatte seinen Geliebten in jener Nacht behandelt wie eine Kostbarkeit aus feinem Kristall, die zersprang sobald man sich nicht vorsah. Clarence hatte ihn erregt und betört, hatte ihn zerfließen lassen vor Begierde und ihm zugleich all seine Beherrschung abverlangt und nun da der Hüne ihm diese besondere Nacht zurück ins Gedächtnisses rief, da sah der Dunkelhaarige ihn wieder mit den selben Augen. Beschützenswert, zerbrechlich, unschuldig und voller Hingabe, all das war der Mann der hinter ihm saß. Clarence war mehr als sein Freund und Gefährte, mehr als sein stürmischer Liebhaber und wilder Bär.
Natürlich wusste Cassiel das und es bedurfte keiner Erinnerung daran, doch die offenen Worte des Größeren hielten Matt vor Augen, dass die Gelüste und Sehnsüchte seines Mannes nicht nur in eine Richtung verliefen.
Dies allein war aber nicht was wichtig war, wie es dem Dunkelhaarigen sofort klar war. Wichtig war, dass der Christ sein Begehren nicht heimlich und im Stillen hegte, sondern den Mut und die Sicherheit gefunden hatte Matthew davon zu erzählen. Und eben weil das so war, bedurfte es eindeutig mehr als sein überfordertes „Ähhhh...“. All diese Gedanken und Erkenntnisse brauchten nur wenige Sekunden um sich im Kopf des jungen Mannes zu manifestieren, welcher schließlich eilig eine wirkliche Erwiderung hervorbrachte.
„Ich weiß nicht...was ich dazu sagen soll. Also...“, verlegen schnaubte er und sah nun seinerseits nach unten auf die Lippen seines schönen Mannes.
„Irgendwie schmeichelt es mir, obwohl es dabei ja nicht nur um mich geht...sondern um uns beide.“
Als er den Blick wieder hob und in die Augen des Älteren blickte, legte sich ein Schmunzeln auf seine Züge und plötzlich fiel es Cassiel nicht mehr schwer einfach zu sagen was er dachte. „Du bist von uns beiden das größere Dummerchen...“, eine wenig charmante Feststellung, die gefolgt wurde von einem gefühlvollen Kuss mit geschlossenen Augen.
Wenn wir wieder Zuhause sind...“, flüsterte er verschwörerisch leise gegen den eben noch geküssten Mund. „...schlaf ich mit dir auf jede Weise nach der du dich sehnst.“, sinnlich malte er mit dem Zeigefinger die Lippen des Hünen nach, ohne wieder auf Distanz zu gehen. „Nur ein Idiot würde nicht gern mit dir schlafen wollen, Claire... Du weißt nicht wie sehr ich dich liebe und wie sehr ich dich will...“
Auch wenn es bisher eine Ausnahme geblieben war, so hieß das nicht, dass Matt es nicht genossen hatte Clarence zu erobern. Sie waren beide mehr als ein Bär und ein Böckchen und es gab zwischen ihnen nichts das nicht ausgesprochen werden durfte. Kein Gedanke, kein heimlicher Wunsch, kein Tabu.


Clarence B. Sky

In der Heimat des Hünen, fernab von wilden Metropolen und breit befahrenen Handelsstraßen, schien die Welt noch heil und intakt zu sein. Es gab Grundsätze und Regeln, die zweifelte man nicht an – denn sie waren geschriebenes Gesetz und als solches gehörten sie zum Alltag mit dazu wie Tag, Nacht, Wind und Sonne.

Es gab die sieben großen Städte dieser kleinen begrenzten Welt, welche die friedliche Heimat umgaben und zwischen denen sich sichere Pfade schlängelten, auf denen fliegende Händler unbescholten umher reisten um die kleine, christliche Gemeinde mit Gütern zu versorgen, welche man selbst nicht herstellen konnte. Gewürze, filigrane Arbeiten, Metalle und dann und wann die ein oder andere Münze aus Gold, um ein Paar Eheringe daraus anzufertigen. Sichere Häfen nannte man diese Orte, welche jenseits der dichten Wälder des Madman Forest als Metropolen bekannt geworden waren und so friedlich diese Bezeichnung auch klingen mochte lies es gleichfalls darauf schließen, dass die gläubigen Bürger nicht die geringste Ahnung von jenen Ausschweifungen und Sünden hegten, die in diesen Großstädten grassierten.

Alles jenseits dieser sicheren Häfen und gesegneten Pfade war Fegefeuer und erstmals darin verlaufen, würde es kein Zurück mehr geben für ein jedes Gemeindemitglied, welches es gewagt hatte die Reinheit der eigenen Seele für Abenteuer und Fernweh herzugeben. Das war sicher. Genauso sicher wie die Unantastbarkeit der heiligen Ehe zwischen Mann und Frau, für die es niemals einen Grund geben würde sie vor einem Dritten verteidigen zu müssen.

Clarence wusste um diese Vorschriften und Gesetze unter denen er aufgewachsen war, er kannte seine Pflichten und Rechte als Bürger in dieser Gemeinde und doch war er sich in manchen Dingen selbst heute noch unsicher was die Regeln anbelangt in der fremden Welt, die heute sein Zuhause darstellte. In Metropolen verheiratete man jeden miteinander der es wollte; in Kleinstädten und Dörfern hingegen war das mancherorts noch immer verhohlen, sich jenseits der gesellschaftlichen Gepflogenheiten zu bewegen.

Für eine Bindung einstehen zu müssen die im wahrsten Sinne so sicher schien wie das Amen in der Kirche, war Clarence nicht gewohnt – doch sein Mann, ob wissentlich oder unwissentlich, vertrat ihn voller Selbstverständlichkeit in jenen Bereichen, wo er selbst Unsicherheiten aufwies. Er war vorgetreten, hatte für das Versprechen und die Zeremonie eingestanden welche sie aneinander band, völlig gleich welche Gegebenheiten auf dieser Insel hier vorherrschen mochten oder auch nicht. Anstatt ihm sein Versagen bildlich vorzuhalten, hatte Matthew Partei ergriffen und ihm Schutz geboten in einem Moment, der für viele andere völlig unbedeutend wirken mochte.

Für viele andere – nur eben nicht für einen Mann wie Clarence.

Es hatte Zeiten gegeben, in denen hatten sie tagelang kein Wort miteinander gesprochen und wo sich langsam Besserung jener Umstände eingeschlichen hatte, gab es trotzdem immer noch gewisse Bereiche in ihrem Alltag, in denen es an Kommunikation mangelte. Die ungewisse Zukunft von Sally Mitchell war so etwas, aber auch die verrückte Fremde und der mögliche Erzeuger seines Partners waren niemals endgültig ausdiskutiert worden. Man war sich noch immer nicht über den weiteren Umgang mit einem gewissen unliebsamen Fluch einig geworden und auch die Frage nach dem weiteren Weg bezüglich des zurückgelassenen Jägerclans stand noch immer offen.

Indiskutabel lag es in der Natur des Menschen, unliebsame Themen unter den Tisch fallen zu lassen und manche Dinge einfach zu tun, ohne jemals ein offenes Wort zu verlieren – der Blonde konnte davon ein Lied singen, welches sich gewaschen hatte. Viel zu viel Zeit war zwischen ihrem allerersten Kuss verstrichen und jenem Moment, in dem Claire seinem Taugenichts gestanden hatte ihn zu lieben. Manchmal war es sogar besser manches Kind nicht beim Namen zu nennen, wie etwa auf heiligem Boden in einer dämmrigen Scheune, in welcher ein junger Barthy Junior seinem besten Freund das Angebot gemacht hatte ihm aus dem verschwitzten Hemd zu helfen, nur um ihn im Anschluss zu küssen – denn mit etwas Glück sah Gott nicht alles, doch seine Ohren waren bekanntermaßen überall. Und letztlich, vor gar nicht allzu langer Zeit, hatten die beiden jungen Männer es geschafft eine innige Hochzeitsnacht nie mehr in Worte zu kleiden und damit ein Schweigen hinauf zu beschwören, welches den innigen Stunden überhaupt nicht gerecht wurde.

Erst Matthew war es gewesen, an diesem Vormittag, der seinem Mann klar gemacht hatte es gab nichts zwischen ihnen, was es wert war verschwiegen zu werden. Ihre Gefühle füreinander waren heilig und ihre Zugehörigkeit zueinander etwas, das von nichts und niemandem jemals angeprangert werden durfte. Cassie gab ihm die unumstößliche Gewissheit, dass Zweifel hinsichtlich ihrer Partnerschaft keinen Raum hatten um überhaupt aufkommen zu dürfen – weder vor anderen, noch zwischen ihnen selbst und obwohl das so war, war sich Clarence hinsichtlich seiner vorherigen Annahme plötzlich unsicher als sein Mann nichts anderes zustande brachte als ein verwirrtes Ähhhh.

Unwillens sich ob seiner klaren Worte zu erklären, schwieg der Bär von Mann und ließ dem Jüngeren trotz Ungewissheit den Raum selbst zu entscheiden, wie er auf die Bitte des Blonden eingehen wollte. Eine vortreffliche Entscheidung wie sich wenige Sekunden später heraus stellte als er in den kandisfarbenen Augen des Vorderen erkannte, wie sich die kleinen Puzzleteile langsam begannen zusammenzusetzen.

Wenn Clarence an ihre Hochzeitsnacht zurück dachte, dann sah er kein Zögern und kein Überwinden in dem Tun, welches Matthew ihm hatte zukommen lassen. Ganz im Gegenteil sogar, hatten die fremden Finger und die kräftigen Lenden seines Liebsten von maßloser Beherrschung gesprochen statt von übereilter Hast. Cassie, der ihm schon so manches Mal den Kopf verdreht hatte mit seinem sündigen Locken und dem sich Versagen in der Absicht erobert zu werden, hatte sich in jenen Stunden von einer völlig neuen und bislang seinem wilden Barbaren unbekannten Seite gezeigt. Als hingebungsvoller und aufmerksamer Liebhaber war er ihm entgegen getreten, hatte ihn so bedächtig berührt wie niemals zuvor und wenngleich sie schon oft die Vereinigung miteinander gesucht hatten, war es nicht im Geringsten vergleichbar gewesen mit dem Sex, der zuvor zwischen ihnen zelebriert worden war. Clarence hatte im Zusammensein mit seinem Partner Erfahrungen gesammelt wie er sie sich vorher niemals gestattet hatte und obwohl das so war, hatte der Dunkelhaarige ihn all diese sinnlichen Abenteuer vergessen gemacht in jener Nacht.

Wie der Junge der er schon seit Jahren nicht mehr war hatte Matthew ihn sich fühlen lassen. Unerfahren, unberührt und ungewiss dessen, welche Lust und welche Begierde darauf wartete, endlich von ihm erfahren zu werden. Mit aller Umsicht und Aufmerksamkeit hatte sein schöner Gatte ihn bezirzt und beschlafen, hatte Zweifel und Furcht keinen Raum gelassen um überhaupt entstehen zu können und letzten Endes hatte Matthew ihm damit eine andere Facette seines Daseins als Mann offenbart von derer der Jäger sich bislang nicht bewusst gewesen war, dass es sie auch gegenüber ihm selbst würde geben können.

Es kam ihm vor wie eine Ewigkeit und doch war es nur der Bruchteil einer Sekunde den es benötigte, um in den tiefbraunen Augen seines Geliebten jenen Ausdruck zu beschwören, den Cassie ihm auch damals geschenkt hatte: Als wäre sein Mann der einzige Mensch auf dieser Welt der auch Clarence‘ zerbrechliche Seiten erkannte, der den winzigen Teil in ihm erblickte der sich selbst nicht schützen konnte und der Ältere erhaschte jenen Blick – was dem Blonden schon jetzt ein unheimliches Kribbeln in der Magengrube einbrachte – der auf einer völlig anderen Ebene von Begehren sprach als jener, in der es galt ein wildes Raubtier zu locken und sich für die Jagd bereit zu machen.

Gar keiner weiteren Worte von Seiten des Jüngeren hätte es bedurft, da erkannte er bereits das Wohlgefallen seines Partners in dessen Blick und ein leises Raunen schlich sich Claires Kehle empor, kurz darauf erstickt durch den gefühlvollen Kuss den sein Mann ihm zukommen ließ und in welchem der Blonde sich für einen Augenblick verlor. Vielleicht waren sie beide ziemliche Dummerchen dafür, dass sie nicht schon viel früher ihre Hochzeit miteinander hatten Revue passieren lassen und dafür, dass weder Matthew danach noch einmal versucht hatte seinen Bären zu verführen, ebenso wenig wie jener selbst versucht hatte sein Glück zu forcieren. Doch letzten Endes bewies das nur einmal mehr wie viel Weg sie noch miteinander vor sich hatten um aneinander und miteinander zu wachsen und dass sie beide gewillt waren, diese Reise Hand in Hand zusammen zu beschreiten.

Nur ein Idiot würde nicht gern mit dir schlafen wollen, Claire... Du weißt nicht wie sehr ich dich liebe und wie sehr ich dich will...“

Vorsichtig lehnte Clarence seine Stirn gegen die des Jüngeren, die Augen noch immer geschlossen, und genoss das Prickeln welches die fremden Lippen auf den seinen verursacht hatten. Alleine schon die Verheißung auf die Rückkehr nach Hause entfachte eine angenehme Gänsehaut auf seinem Hals und seinen Armen und wenngleich der Jäger keine Sekunde davon ausgegangen war mit seiner Bitte Unmut zwischen ihnen zu beschwören, so fühlte es sich doch durchaus erleichternd an keine Abfuhr erhalten zu haben. Cassie war vermutlich der einzige Mensch auf der Welt, der ihn sich durch jede Faser seines Körpers wieder fühlen ließ wie ein pubertierender Jüngling, voller Ungeduld und Unsicherheit – nur mit dem kleinen Unterschied, dass seine erste große Liebe definitiv in einem Happy End münden würde statt nach einem Korb in einsamen Stunden mit sich alleine.

Vielleicht weiß ich das wirklich nicht… Aber ich bezweifle nicht, dass… du es mich spüren machen wirst“, entgegnete das raunende Brummen des Blonden seinem Geliebten und beinahe schienen die Lippen Claires sich dabei mit absoluten Bedacht zu bewegen, ganz so als fürchteten sie, der kosende Finger könne sich von ihren Konturen lösen. „Unsere Hochzeitsnacht war anders, aber… sie war schön und… sehr befriedigend. Ich hab einen unglaublich sinnlichen Mann geheiratet und wäre ein Trottel, wenn ich… nicht wollen würde, dass er das noch einmal mit mir macht.“

Und das wollte er, wirklich, denn der Wille sich diesem Mann hinzugeben entsprang nicht etwa dem Wunsch ihm gefallen zu wollen oder ihm einen Liebesdienst zu erweisen. Matthew sollte ihn mitnehmen auf diese Reise, er sollte mit ihm gemeinsam die Lust an neuen Abenteuern genießen – nicht zuletzt deshalb, weil dieser dunkelhaarige schöne Kerl der einzige war, dem Claire genug vertraute um jene Wege überhaupt in Erwägung zu ziehen und zu wagen.

Zaghaft wandte der Blonde sein Kinn, fing den streichenden Finger zwischen seinen Lippen auf und liebkoste ihn sanft mit seiner Zungenspitze, bevor er ihn wieder in die Freiheit entließ um sich stattdessen viel lieber dem verheißungsvollen Mund seines Partners zu widmen, welchen er lockte sich für ihn zu öffnen. Matthew hatte an diesem Abend mit seiner Verwunderung ganz offensichtlich bewiesen, dass er wirklich nicht die geringste Ahnung davon besaß wie sehr Clarence ihn wollte, doch allzu viel Raum für derlei Unsicherheiten würde Blondie seinem Mann fortan nie wieder einräumen. An keinem einzigen Tag sollte Cassie mehr daran zweifeln was er ihm an Liebe und Zuneigung zukommen ließ; sollte nicht mehr darüber grübeln müssen, ob es gut war was er tat oder nicht. Denn dieser Mann war perfekt, genau so wie er war.

Als Clarence seinen Geliebten wieder frei gegeben hatte, hauchte er erst einen weiteren zärtlichen Kuss auf die Lippen des Jüngeren, bevor er ihn endlich wieder sich selbst übergab und ihm gestattete von dem Blonden abzulassen. Ein keises Raunen drang dabei die bärtige Kehle empor und offenbarte den tiefen Genuss, welchen der Geschmack seines Partners auf ihm hinterlassen hatte.

"Mhh... mein stattlicher, schöner Waldläufer..." - Ein Titel dem Matthew heute alle Ehre machte, gekleidet in windschnittiges Leder, bewaffnet mit Pfeil und Bogen wie eine Sagengestalt aus fernen Ländern. "Erzähl mir... wie der Rest deines einsamen Tages war, hoch zu Ross und die Fauna des Waldes in Angst und Schrecken versetzend. Wenn es dem Rest von dir nur halb so gut geht wie es deine Ausbeute vermuten lässt..."

Vielsagend stupste der Bär seinen Mann mit der Nase an, denn Cassie nach all den Rückschlägen der vergangenen Tage wieder derart aktiv zu sehen, war ein ungewohntes aber überaus zufriedenstellendes Bild. Noch gar nicht allzu lange war es her, da hatte sein Vertrauter kaum die Augen öffnen können so tief hatte er geschlafen; Clarence bezweifelte nicht, dass der kräftezehrende Ausflug den Jüngeren dementsprechend ausgelaugt hatte. Doch alleine ihn begangen zu haben war mehr Leistung als Claire ihm jetzt schon zugetraut hätte, wenn er ehrlich sein sollte.

"Wenn du jetzt schon wieder das Festland für dich eroberst... vielleicht können wir bald von hier ablegen. Was meinst du dazu?"


Matthew C. Sky

Aufmerksam beobachte Matthew seinen Mann, den zu lieben und zu ehren er vor einigen Monaten geschworen hatte. Das Versprechen, immer für ihn da zu sein, hatte er in keiner Sekunde seither bereut, ebenso wenig wie den Schwur der Treue.
Es war kein Verzicht für Cassiel, anderen zu entsagen. Denn in den Augen des Dunkelhaarigen gab es niemanden der begehrenswerter sein könnte als Clarence es bereits war. Der Hüne war auf so vielfältige Weise perfekt, dass es Matthew kaum noch begriff wie er ihn so lange hatte auf Abstand halten können.
Der Jäger war auf raue Weise schön und doch war er nicht nur rau und kantig, sondern ebenso zart und verhalten. In der breiten Brust des stattlichen Mannes schlug ein löwenstarkes Herz. Oft hatte man ihm wehgetan, viel hatte jenes Herz schon verloren und manch ein Schicksalsschlag hatte tiefe Wunden gerissen.
Doch hinter all dem erlebten Schmerz und Leid, hinter aller aufrechten Unbeugsamkeit und beschworenen Härte... Darunter war sein Herz jung und neugierig geblieben. Clarence nur auf das Offensichtliche zu reduzieren würde jenem Mann nie gerecht werden, denn ihn zeichnete viel mehr aus, als auf den ersten Blick erkennbar war. Er war nicht nur ein Abenteurer und Bär, er war auch nicht nur ein schweigsamer Hüne. Der Blonde war sanftmütig und feinfühlig. Es gab niemanden auf den Matthew größere Stücke hielt als auf den Älteren, denn in den Augen Cassiels, war Clarence der beste Mensch den er je kennengelernt hatte. Er besaß einen linkischen und bisweilen schrägen Sinn für Humor - den der Kleinere liebte -, er war aufmerksam, er war liebevoll und er war von Grund auf gutmütig. Ehre, Anstand und Gerechtigkeitssinn waren nicht nur Worte für ihn, über all das verfügte der Jäger.
Menschen wie Clarence, wurden in ihrer Welt für gewöhnlich nicht sehr alt, das Leben an sich raute sie auf, machte sie schroff und kantig, nahm ihnen die Wärme und die guten Absichten. Und wer nicht starb... der wurde gebrochen.
Mit dem Wildling war bisher nichts dergleichen passiert, auch wenn Matthew früher manchmal geglaubt hatte, der Größere sei gebrochen worden, doch dieser Eindruck halte sich mehr und mehr verloren.
Was immer in jener Zeit vor ihm passiert war, Matthew würde nicht zulassen, dass Clarence erneut Leid zustieß. Vor allen Gefahren würde Matt ihn beschützen, würde da sein um alte wie neue Dämonen fernzuhalten und zu besiegen. Wenn den Schamanen alle Hoffnungen verließen, so würde Cassiel für sie beide Hoffnung haben. Wenn der Wildling den Weg nicht kannte, würde Matthew einen finden und wo Clarence nicht aussprechen konnte dass sie vor Gott geheiratet hatten, da würde Matthew es sagen und jederzeit alle Zweifel ausräumen. Mit allem was der Kleinere zur Verfügung hatte würde er sich für seinen Blondschopf einsetzen, jeden Kampf für ihn kämpfen, jeden Umweg für ihn gehen. Es gab nichts was Cassiel nicht für Clarence zutun bereit wäre.
Seine Liebe zu dem Christen war bedingungslos und gerade weil das so war, war Matthew die Meinung Clarence‘ so wichtig. Es scherte ihn wenig was andere von ihm dachten, ob man sie in diesem Kaff verurteilte wegen ihrer Beziehung oder ob er sich mit seiner sturen Art unbeliebt machte. Wie andere ihn sahen war Matthew vollkommen egal geworden, so lange nur Clarence ihn auf jene Weise ansah, wie er es immer öfter zutun pflegte. Warm und weich, voller Liebe und Nachsicht - und seit seinem Erwachen aus der tagelangen Bewusstlosigkeit auch zunehmend mit Stolz. Mochte die Welt von Matthew Cassiel Sky halten was immer sie wollte, es war allein die Meinung des schönen Jägers, die für den jungen Mann Gewicht hatte. Der Ruf des Söldners war in den Metropolen dieser Welt der eines zuverlässigen Auftragskillers, eigenwillig - weil er nicht jedes Angebot annahm und schon mal unkonventionelle Methoden anwandte. Er war ein Schwerenöter, ohne Zweifel und er verdrehte jungen Männern wie jungen Frauen reihenweise den Kopf. Er neigte zum unüberlegten Verprassen seines Vermögens und auf der anderen Seite war er äußerst kalkuliert, misstrauisch und aufmerksam. Er war niemand mit dem man sich unüberlegt anlegte, es sei denn man wollte von der Bildfläche verschwinden. Fragte man zwei Duzend Menschen wie sie Matthew beschreiben würden, man würde zwei Dutzend Beschreibungen erhalten die sich mitunter auszuschließen schienen. Niemand konnte von sich behaupten den Dunkelhaarigen wirklich und mit jeder Facette zu kennen, aber Clarence war definitiv der Mensch, der am nächsten dran war und er war auch der einzige auf dessen Meinung der Jüngere Wert legte.
Und gerade weil Matthew derart vernarrt und derart eng mit dem Blonden verbunden war, wollte er nicht das dieser eine Mensch schlecht von ihm dachte, unzufrieden mit ihm war oder sich durch ihn eingeengt oder zu etwas genötigt fühlte. Der Grund, warum Matt nach ihrer gemeinsamen Hochzeitsnacht nie mehr versucht hatte mit Clarence auf diese Weise intim zu werden, war genau dieser: Sorge, dass sein Mann es vielleicht nicht wollen würde.
Wie unbegründet diese Sorge war, dass zeigte Clarence ihm gerade und beschwor in Cassiel damit ein warmes, kribbelndes Gefühl herauf. Sanft nahm der Blondschopf den kosenden Finger gefangen und neckte ihn mit der Zungenspitze auf süffisante und zugleich unschuldige Weise. Wusste der Hüne überhaupt wie schwer er es Matthew schon jetzt machte an sich zu halten? Clarence machte den Dunkelhaarigen ganz schwach und ungeduldig, denn einmal zurück ins Gedächtnis gerufen, erinnerte sich Matthew noch sehr genau an ihre erste Nacht als Ehepaar. Clarence war betörend schön gewesen. Unschuldig hatte er sich in Matthews Hände begeben, hatte sich voller Neugierde und zurückhaltender Anspannung erkunden und auf ganz andere Art erleben lassen. Wäre es nicht stockfinstere Nacht und er nicht tatsächlich erschöpft von dem langen Tag, Cassiel hätte es sich nicht nehmen lassen vorzuschlagen gleich nach Hause aufzubrechen um in ihrem Bett zu wiederholen und zu intensivieren, was sie Monate zuvor erlebt hatten.
Aber vorerst verließ diese Idee nicht seine Kehle, stattdessen lauschte er auf die Worte seines Geliebten und musterte ihn mit wachsendem, sinnlichen Interesse. „Ich mache alles mit dir, wonach du dich sehnst, Baby...“, erwiderte er leise und mit samtig-weicher Stimme. Bereitwillig öffnete er seine Lippen um die Zunge des Blonden zu umgarnen, kaum da sie auf seine traf. Verhalten lockend und doch leidenschaftlich erwiderte er den Kuss, drängte sich dem süßen Mund entgegen und zog behutsam am längst liebgewonnenen Bart. Clarence machte ihn süchtig und forderte schon jetzt die Beherrschung Cassiels heraus. Und bei allem was ihm lieb und teuer war: passte der Größere nicht auf, würde es nicht bis morgen dauern, bis Cassiel sich seiner Sehnsüchte annahm. Der zarte Kuss prickelte noch auf seinen Lippen nach, als sich der Jäger wieder von ihm trennte und Matt einen stattlichen Waldläufer nannte - eine Bezeichnung die den Jüngeren spitzbübisch schmunzeln ließ. Fragend zog er die Brauen nach oben und erwiderte leise: „Ich wüsste nicht, dass du mich schon einmal so genannt hast...“ Was nicht verwunderlich war, lagen Clarence Komplimente doch nicht so wirklich.
Der Versuch des Wildlings das Knistern zwischen ihnen wieder auf ein vernünftiges Maß zu reduzieren, müsste man ihm hoch anrechnen und auch wenn mit dem Themenwechsel Matthews innere Unruhe und Fantasie noch nicht völlig zurück in sichere Bahnen gebracht wurden, so half es zumindest sich etwas abzulenken. „Mein restlicher Tag war...einsam. Ich habe viel nachgedacht. Über dich, darüber was ich will, über Sally...und darüber welche Entscheidung ich wegen ihrer Strafe treffen soll. Ich dachte, wenn ich eine Weile Zeit zum Nachdenken habe, wird mir klar was das Richtige ist.“ - dass war ein Irrglaube gewesen. Matthew war kein bisschen schlauer als er es heute Vormittag gewesen war, was hauptsächlich daran lag, dass er sich schwer tat mit irgendwelchen Verurteilungen. Für einen bekannten Söldner war das ohne Zweifel absurd, aber für einen Söldner wie ihn, dem Töten nicht lag, durchaus nachvollziehbar. „...Übrigens...hab ich einer alten Dame versprochen ihr Wild zu jagen... von ihr hab ich das Pferd. Bevor wir morgen bei ihr aufkreuzen brauchen wir mindestens ein neues Wildschwein.“, ihres brutzelte nach wie vor auf dem Feuer und wartete darauf das sich die beiden jungen Männer ihm widmeten, aber noch stand Cassiel nicht der Sinn danach.
Er kuschelte sich zurück in die Arme des Größeren, legte den Kopf an seine Schulter und wendete sein Gesicht dem Hals seines Liebsten zu, den er sacht mit der Nasenspitze berührte. „Von mir aus legen wir schon morgen ab... Ich muss nicht länger hier bleiben als nötig... “ Blieb nur noch Sally Mitchell, die in ihrer Zelle hockte und wartete das irgendwas mit ihr geschah. „Als du heute mit Sally geredet hast... hast du da irgendetwas nützliches aus ihr herausbekommen?“ Nicht das Sally Mitchell je etwas vernünftiges von sich gegeben hatte im Beisein von Matt. Aber der junge Mann wusste, dass Clarence so seine Techniken hatte um herauszufinden was er wissen wollte.
„Hast du erfahren was du dir erhofft hast?“


Clarence B. Sky

Der Stolz, welchen Clarence für seinen Mann empfand seitdem jener aus der Bewusstlosigkeit erwach war, war in Menschen bekannten Maßstäben nicht zu messen.

Unbeugsam und jeder Gefahr gewachsen die ihm drohte, so zeichnete sich der Jüngere ihres Duos aus. Keine Pfeile nahmen ihm das Leben wenn er sich an einen morschen Baum mitten in einem verlassenen Wald rettete und kein noch so harter Stein bekam den Söldner klein, egal wie man ihm damit seinen sturen Dickschädel einschlug. Keine Übelkeit konnte ihn dazu zwingen von einem Boot zu steigen das versuchte ihn zu brechen und nicht einmal die Einschränkung seiner sonst so wertvollen Sehkraft hielt ihn davon ab, mit Erfolg nach Wild in unbeugsamem Gelände zu jagen.

Welche Sagen sich auch zuvor schon um jenen Mann gewunden haben mochten der seine Auftragsziele einfach im Nichts verschwinden ließ, sie alle verblassten im Angesicht jener Legenden, die sich Matthew selbst durch seine Unbeugsamkeit und seine fortwährende Genesung schuf. Über weite Meere hinweg würden die segelnden Händler in ferne Länder die Gesichte tragen des Fremden, der nach einem Steinschlag wieder auferstanden war wie der Phönix aus der Asche. Der Naturgewalten trotzte ebenso wie den Verrückten und seinen eigenen Unpässlichkeiten. Matthew war, fragte man seinen Gatten, der wohl unzerstörbarste Mensch dieser großen weiten Erde und Clarence würde wohl niemals mehr aufhören, jenen unverschämten Kerl mit dem Maß an Stolz im Blick zu betrachten, wie er es fortan tat. Weil Cassie es sich verdient hatte – und weil man auch ein wenig auf sich selbst stolz sein konnte wenn man es schaffte, einen solchen Menschen zu seinem Eigen zu machen.

Die Vorstellung dessen, dass die Lust des unsterblichen Jüngeren auf ihn noch lange nicht versiegt war, beschwor dementsprechend ein haltloses Prickeln in Clarence‘ Lenden hinauf und ließ ihn nicht vergessen, dass er nicht gewillt war diesen Mann jemals wieder mit irgendeinem anderen zu teilen. Viel zu lange Zeit hinweg hatte er sich darum gesorgt, Cassie könne auf Dauer das Verlangen vermissen welches er anderen Frauen und Männern gegenüber empfunden hatte und deshalb das Interesse an seinem eigenen Bären verlieren, wenn ihm der Verlust über die Zeit hinweg zu groß wurde. Ja, in gewisser Weise sogar war Clarence eifersüchtig gewesen auf jene Fremden, deren Antlitz er nur dann und wann in verrauchten Kneipen erhascht hatte und mit denen sein Partner irgendwann verschwunden war, noch lange bevor ihre Beziehung zueinander eine liebevolle und gar sinnliche Komponente erhalten hatte.

Der Blonde hatte nicht nur eine Seite gewollt von jenem drahtig athletischen Söldner, niemals und zu keiner Zeit. Er wollte nicht nur den hingebungsvollen Matthew, welcher ihn neckend lockte und zu einem Spiel herausforderte, auf das der Jäger so oder so einzugehen bereit war. Er wollte alles von Cassie, wollte ihn mit Haut und Haar, wollte jede Faser des fremden Leibes für sich. Er verlangte danach ihn ebenso hungrig und ungeduldig zu erleben wie sinnlich verführend und letztlich, eine Tatsache die seinem Mann vielleicht bis heute noch gar nicht so recht bewusst war, hatte Clarence den Entschluss gefasst es in ihrer Hochzeitsnacht darauf ankommen zu lassen, sollte der Jüngere es darauf anlegen. Und das hatte er schließlich.

Seinen Partner wieder auf diese Weise zu erleben, ihn nicht nur in sich zu spüren sondern auch dessen Verlangen nach Claire überdeutlich in den kandisfarbenen Iriden ablesen zu können, erregte den Christen schon jetzt unbeschreiblich. Erinnerung und Hunger lagen in Matthews wundervollen Augen, während in der fremden Körpersprache Zurückhaltung und dezent gehaltene Leidenschaft dominierten. Er wusste schon jetzt, mit seiner Bitte und den damit zurückgerufenen Fantasien hatte er in seinem Mann ein Feuer entzündet das zaghaft in ihm brannte und nur ein einziger kleiner Schuss Benzin würde dazu ausreichen, um das Lodern zu einem wahren Waldbrandt werden zu lassen. Sicher, der unschuldige Christ, einem blonden Engel gleich, würde es sich natürlich nie im Leben wagen zu einem derartigen Pyromanen zu werden… und doch war einem jeden Menschen von Geburt an das gewisse Quäntchen Neugierde verliehen, welches die Wanderung auf jeden schmalen Pfaden zu einem gefährlichen  Drahtseilakt werden ließ.

Immerhin die Einsamkeit war dem Dunkelhaarigen mittlerweile wieder genommen worden nach ihrer Trennung in den Kerkern Cascade Hill Citys und damit vermutlich auch die Frage danach, was sein Ehemann wollte und was nicht. Offen blieb weiterhin das unleidige Thema Sally Mitchell und die Sache mit dem Wildschwein, das scheinbar ein anderes Ende genommen hatte als ursprünglich angedacht.

„Nun… wenn die Dame wirklich so alt ist wie ich glaube – immerhin muss sie schon ziemlich tatterich sein, dass sie einem Wildfremden einfach so eines ihrer Pferde überlässt… vielleicht erzählen wir ihr einfach, das Schwein hätte von Anfang an nur drei Beine gehabt“, schlug der sonst so ehrliche Jäger verschlagen vor und schien sich dieser Idee kein bisschen zu schämen. Der Kadaver war so oder so schon gehäutet und ausgenommen, das war garantiert mehr als Cassie der Frau versprochen hatte als er losgezogen war. „Falls nicht, dann… ziehen wir morgen früh eben noch ein paar Stunden los. Legen uns auf die Lauer, suchen Fährten und… sind dann so gegen Mittag Zuhause… Nachmittag vielleicht, oder am schönen Abend, wenn dir das lieber ist…“

Der Tag würde lang werden, unfassbar lang, und andere Pläne würden davor nach hinten rücken müssen. Vorhaben, die man ganz sicher problemlos auf später verschieben könnte, aber war das wirklich dem Willen seines Geliebten entsprechend? Falls ja, dann ließ sich das durchaus ändern.

Bis dahin… sehe ich dir zu, wie du dich langsam an deine Beute heranschleichst und… voller Beherrschung versuchst dein argloses, unschuldiges Ziel… nicht aufzuschrecken, auf dass es dir davon läuft noch bevor du bekommen hast, was du willst…

Lautlos ließ Clarence seine Hände wieder hinab unter den wärmenden Stoff des fremden Oberteils tauchen dessen er seinen Mann erst in der frühen Nacht würde entledigen können, legte Cassie es wirklich darauf an am morgigen Tag nochmals auf die Jagd nach Wild zu gehen. Oh wie sich solche Stunden nur ziehen konnten, wenn man im verschneiten Winter keine einzigen Spuren im frisch fallenden Schnee fand um sie zu verfolgen. Der definierte Leib des Dunkelhaarigen würde all die Stunden bedeckt sein von seiner schneidigen Lederkluft, würde sein sinnliches Antlitz vor Clarence verbergen und ihnen damit keine Chance bieten, ihre Ehe zu vollziehen wie damals im Schein der flackernden Kerzen, für die der Blonde gesorgt hatte.

Neckend, ganz sanft nur, legte er die Spitze seines Zeigefingers bei dem Gedanken an jene Entbehrung auf dem Nabel seines Liebhabers ab und fuhr die weichen Konturen der süßen Vertiefung am fremden Bauch nach. Die Wärme unter seiner Fingerkuppe zog ihn schon jetzt magisch an wie das Licht die Motte und am tiefsten Punkt angekommen, kitzelten die ersten dunklen Härchen verheißungsvoll unter seinem Finger. Clarence wusste was am Ende der verführerischen Linie auf ihn wartete die ihm die Richtung zu weisen schien und er war sich durchaus bewusst, dass sein stattlicher Waldläufer mit dem ihm gegebenen Werkzeug mehr als umzugehen wusste, wenn man ihn nur ließ.

Beinahe vergessen war die Harper Cordelia am Pier des Hafenstädtchens, so wohltuend und befriedigend fühlte es sich für den Wildling an, endlich auf diese innige Weise mit seinem Gefährten an einem richtigen Lagerfeuer inmitten eines ihrer provisorischen Lager zu sitzen. Es war nur eine kurze Rückkehr in ihr altes Leben und er wusste, so schnell würde er den Komfort ihrer Behausung nicht mehr gegen diesen Alltag hier eintauschen wollen. Dennoch: Was sie einst versäumt hatten miteinander nachzuholen, das war die schönste Art wie dieser voneinander getrennte Tag für sie hätte enden können.

Zaghaft lehnte der Bär sein Haupt etwas dem Jüngeren entgegen, ließ dabei seinen freigelegten Hals bewusst über die fremde Nasenspitze hinweg streicheln und lud seinen Mann dazu ein, die Reise in die Vergangenheit mit angemessenen Liebkosungen zu feiern während er selbst die noch freie Hand unter Matthews Hemd hinaus tauchen ließ, nur um sie stattdessen kraulend auf der Innenseite des fremden Oberschenkels abzulegen.

„Mhh… ich bin ein Mann mit vielen Hoffnungen und Wünschen und zumeist bekomme ich auch, was ich will…“ – Das stimmte tatsächlich, zumindest rückblickend gesehen, auch wenn nicht alle seiner Pläne direkt im ersten Anlauf so aufgegangen waren wie er es sich zumeist erhoffte. Der Abstecher auf die Insel voller Spinnen war so ein Patzer zum Beispiel, aber auch seine bislang trostlosen gebliebenen Absichten Cassie auf jene Tour zu bringen die seinen Mann dazu brachte, sein Glück erneut daran auf die Probe zu stellen sich den Blonden gefügig zu machen. Letztlich aber fielen doch stets aufs Neue die Dinge auf Clarence zurück wie er sie schon irgendwie gebrauchen konnte – egal ob es um eine Sally Mitchell ging oder um einen stattlichen Waldläufer - und das war ein Talent, wie es nicht viele Menschen auf dieser Welt besaßen.

„Ich habe einen gewissen Verdacht was sie angeht und… habe es geschafft, mir einen Weg zu ebnen um zu dem Ziel zu gelangen, was ich mir erhoffe“, stimmte der Jäger dem Interesse seines Mannes schließlich zu und fuhr dabei mit seinem Finger langsam die dunklen Härchen bis zum Bund der fremden Hose nach. „Wir beide werden uns etwas gedulden müssen um die Früchte meiner Bemühungen zu ernten. Aber wenn es so weit ist, dann denke ich… werden wir beide etwas von meinem forschen Herangehen haben.“

Sprach Clarence noch länger von dieser Fischerstochter oder von dem unsittlichen Angebot gegenüber seinem Ehemann? - Schwer zu sagen, aber nichtsdestotrotz konnte man ihm nicht absprechen, dass seine Antwort auf beide Optionen exzellent zutraf.

„Manchmal, da… wirken die Dinge nicht annähernd so offensichtlich wie sie sind. Und wenn man sich als Jäger nicht in Acht nimmt… läuft man schnell Gefahr zur Beute zu werden. Nimm dir das als Lektion, vielleicht hilft es dir ja dabei… deine Fühler beim nächsten Mal in alle Richtungen auszustrecken, bevor du den offensichtlichen Weg wählst.“

Jenen hinaus aus den kaltnassen Kerkern, versunken im eigenen Aufbrausen und unfähig in Ruhe die Äußerungen der Inhaftierten und des Wärters zu sortieren; aber auch jenen Pfad in seinem Partner nichts anderes als einen wilden Bären zu sehen, bis man ihn bei der Hand nahm und fort führte vom gewohnten rechten Weg.


Matthew C. Sky

In verrauchten Kneipen, die sie früher oder später immer aufgesucht hatten wenn der Ort an dem sie waren so etwas bereit hielt, hatte Matthew stets schnell Gesellschaft gefunden. Ob nun in Spelunken oder in noblen Bars, ob in dunklen Kaschemmen oder in Metropolen: der junge Mann hatte etwas an sich das es ihm leicht machte Kontakte zu knüpfen.
Er war wortgewandt, gebildet, schneidig. Die Art Mensch, die aus irgendeinem Grund interessant waren ab dem Moment da sie irgendwo auf der Bildfläche erschienen. Dass Clarence eifersüchtig war auf all die temporären Gefährten mit denen sich Matthew abgegeben hatte, war heute unnötig und doch vielleicht verständlich, bedachte man wie lange der Blonde hatte mitansehen müssen wie Cassiel mit irgendwem auf das Zimmer verschwand.
Der Christ hatte sich nie wirklich anmerken lassen, dass ihm das Geflirte und Gehure des Kleineren gestört hatte und Matthew hatte schlichtweg nicht hinterfragt was er machte. Der Bezug zu gesunder Sexualität hatte ihm gefehlt und hätte er den Schamanen nicht bei sich, der Bezug würde ihm noch immer fehlen oder gar wieder abhanden kommen. Was der Blonde ihm schenkte war mehr als nur Sinnlichkeit, Lust, Erotik und kribbelndes Verlangen. Clarence hatte all diese Dinge auch mit Emotionen verknüpft. Liebe, Vertrauen, Hingabe, echte Sehnsucht. Was beide Männer seit ihrer Ehe miteinander teilten war nicht so profan, als das Matthew es bei irgendeinem anderen Menschen wiederfinden würde, er würde es noch nicht einmal suchen. Der Wildling konnte unbesorgt sein, denn auch wenn Matthew im Laufe der Zeit nichts an Schneidigkeit eingebüßt hatte, so hatte sich der junge Mann selbst geändert. Statt sich mit beliebigen jungen Frauen oder Burschen zu vergnügen, schenkte er nur noch Clarence Beachtung. Andere waren schlichtweg nicht mehr interessant für den Dunkelhaarigen, welcher auf so mannigfaltige Weise Erfahrungen gesammelt hatte. So kannte er sich aus, wenn es darum ging herauszufordern, zu necken, zu spielen, sich zu zieren und zu entziehen nur um sich dann doch hinzugeben. Der christliche Junge hingegen hatte nur den Bruchteil von Matthews Erfahrungsschatz und dennoch forderte er den Jüngeren gerade ziemlich geschickt und wirkungsvoll heraus.
Seine Worte waren mit Bedacht gewählt, seine Berührungen augenscheinlich unschuldig und dennoch verheißend. Es bedurfte keiner klaren Bemerkungen mehr um den Dunkelhaarigen wissen zu lassen, dass sein schöner Wildling gerade begonnen hatte mit ihm zu spielen. Ohne Zweifel ahnte Clarence bestenfalls was es bedeutete Cassiel herauszufordern, denn in der Rolle des Gejagten hatte sich der Größere noch nie bei ihren Spielchen befunden. In der einzigen Nacht in der Matthew dieEhe an ihm vollzogen hatte, hatten sie weder gespielt noch einander geneckt. Die Basis ihrer Zusammenkunft war eine andere gewesen als sie es heute war und doch lag das selbe Knistern zwischen ihnen in der Luft. Die Fingerspitzen seines unwissenden Geliebten waren mehr Herausforderung als der Blonde wissen konnte und mit jedem Wort das samtweich über seine Lippen kam, schürte er in Cassiel das Begehren jenen Mann erneut zu dem Seinigen zu machen. Ihn zu erleben, ihn zu besitzen. Ihn so zu spüren wie er ihn vor Monaten zum ersten und einzigen Mal gespürt hatte.
Der junge Christ, der von sich behauptete ein Mann mit vielen Hoffnungen und Wünschen zu sein die sich zumeist erfüllten, hatte sich längst in eine Situation hinein laviert aus der er schwerlich wieder herauskommen würde, denn Matt hatte sich auf die Lauer gelegt. Seine Jagdtechnik war eine völlig andere als die des stattlichen Bären. Denn wo der Bär sich einer anstrengenden Hatz selten verwehrte, ließ Matt seinem unbedarften Wildling sich selbst ausliefern. Schritt für Schritt. Schweigsam hob er seine Hand zurück an die fremde Wange und blickte von unten zu seinem Liebsten empor. Es war ungewöhnlich für Matthew das er so wenig sprach, doch offensichtlich blieben die Berührungen des Hünen nicht ohne Wirkung. Überfordert schien der Jüngere, sich uneins wie er sich nun verhalten sollte, dabei war er weder unsicher noch wankelmütig.
Clarence das Gefühl zu geben alles im Griff zu haben, war Teil seiner Jagd und so verwunderte es nicht, dass der Kleinere sich nähesuchend dichter an den Blonden schmiegte und begann, mit leisen Küssen den dargebotenen Hals zu liebkosen. Verführend ließ er seine Lippen über die empfindliche Partie wandern, kratzte mit seinem drei Tage Bart über die Haut und schnurrte leise.
„Ich nehme deinen Rat ernst, Baby...“, den offensichtlichen Weg zu meiden, darin war der Dunkelhaarige sehr begabt, ein Umstand der Clarence entweder nicht klar war oder den er mit Absicht ignorierte.
Die Hand mit der Cassiel nicht durch den Bart seines Geliebten fuhr, wanderte an sich selbst herunter um den Gürtel den er trug vollständig zu öffnen und kurz darauf auch Knopf und Reißverschluss seiner Hose als Hürde auszumerzen. Die Bedeutung die sich daraus für den Größeren ableitete schien klar: er sollte ihn weiter anfassen und berühren. Im flackernden Schein des Feuers hatte es ganz den Anschein als hätte er die Zügel wieder vollkommen in die Hände des Christen abgegeben, ein Irrglaube dem zu erliegen keine Schande war, hatte es der Dunkelhaarige doch schon vor langer Zeit perfektioniert auf die Pirsch zu gehen. Noch immer war er mit dem Rücken an Clarence‘ Brust gelehnt, eine Position in der es schwer war mehr zu küssen als Kinn und Hals, weshalb er sich schließlich notgedrungen wieder etwas aufsetzte um sich dem Wildling zuzuwenden. Vis-a-vis kniete er nun zwischen den gespreizten Beinen des Schamanen, mit geöffneter Hose zwischen deren Bund und Weste makellose Haut hervorblitzte. In seinen Augen lag ein schwer zu deutender Ausdruck, doch ließ er Clarence nicht viel Zeit um ihn anzusehen. Mit beiden Händen umrahmte er das Gesicht des Blonden, grub die schlanken Finger in die dichten Haare die des Wildlings Wangen so markant zierten und zog ihn zu sich zu einem innigen Kuss. Mit der Zungenspitze spaltete er den schönen Mund, verschaffte sich Zutritt zu seinem Gegenspieler und umgarnte jenen mit sinnlicher Vehemenz. Längst war nicht mehr klar was Cassiel wollte. Wollte er genommen werden? Wollte er Clarence nehmen? Unumstritten war nur, dass der Jüngere auf mehr wollte als bloß kuscheln und gemeinsam in die Flammen sehen. Letzteres konnten sie auch später noch machen. Noch während Matt seinen christlichen Jungen intensiv küsste, lösten sich die Finger einer Hand aus dem Bart des Größeren, wanderten hauchzart über seine Schläfe empor und strichen das griffige, blonde Haar nach hinten. Im Nacken des Hünen angekommen tauchte er von oben unter den Kragen des wärmendem Oberteils und kratzte sacht über die warmen Schulterblätter. „Wie wäre es...“, wisperte er schließlich gegen den bis eben noch geküssten Mund, dessen Lippen er neuerlich mit dem Daumen streichelte. „Wenn wir es uns ein bisschen gemütlicher machen und ein paar Kleidungsstücke ablegen, hm?“ vielsagend zupfte er am Oberteil seines Liebsten welches ihn daran hinderte den stattlichen und schönen Körper in voller Pracht zu sehen und auch erkunden zu können.
Küssen und Fummeln hab ich dir versprochen... und ich weiß ziemlich sicher... dass beides umso mehr Vergnügen macht, je weniger man trägt. Mhhhh...“, noch immer flüsterte er und ebenfalls nach wie vor streichelte er über die zerküssten Lippen des Wildlings. Ihn einladen, ihn becircen, ihn um den Finger wickeln - all das konnte Clarence sehr gut, doch Matthew war nicht minder geschickt darin seine eigenen Ziele zu erreichen. Vielleicht war der Schamane schon gar nicht mehr sicher was genau Matthew wollte, vielleicht glaubte er auch die Sache noch unter Kontrolle zu haben. Aber für den Jüngeren stand eines ganz fest: lagen sie einmal nackt auf dem Berglöwenfell und unter der altbekannten Decke, würde er seinem christlichen Jungen heute Nacht noch die sinnlichsten und verlorensten Laute entlocken die man sich vorstellen konnte. Und der bloße Gedanke daran ließ seine Lendengegend erwachen, seinen Bauch kribbeln und den hungrigen Ausdruck zurück in seine Iriden kehren.


Clarence B. Sky

Das Spiel welches sie miteinander begonnen hatten – insofern man es denn überhaupt so nennen wollte – war zweischneidig und die Karten in ihren Händen für jeden einzelnen frei zu interpretieren. So wie der Jüngere begann seinen Hals zu küssen und liebkosend mit den Bartstoppeln über seine Haut zu kratzen, wohltuend und so wie der Blonde es bekanntlich liebte, war völlig klar, dass die beiden ungleichen Männer gerade ihr Territorium absteckten und die Regeln für diese ganz besondere Partie auslegten.

Clarence wusste, selbst wenn sein Partner behaupten würde ihm die Führung ihres keimenden Treibens zu überlassen, der schöne Waldläufer würde sich doch trotz allem selbst mit den Zügeln in den schmalen Händen wähnen. Wahrlich, letztlich lag es ja auch tatsächlich an ihm was er seinem Blondie angedeihen lassen würde und was nicht – und hätte der Hüne nicht den geringsten Schimmer was ihm bevorstand wenn er sich seiner nicht versah, er würde von den Züngelnden Flammen fremder Leidenschaft verschlungen werden noch bevor er verstand, was überhaupt mit ihm passierte.

Doch der Jäger, nicht das erste Mal mit den ausgesprochenen Dingen die zwischen ihnen standen konfrontiert und noch weniger unerfahren was die brodelnde Libido seines Partners anging, kannte seinen lieb gewonnenen Feind nur zu gut. Matthew war ein Mann der von sich selbst überzeugt war und so berechtigt das angesichts seines anziehenden Äußeren auch sein mochte, so vergaß er dabei doch auch immer wieder wie schnell ein Fehler geschehen konnte, wenn man sich zu sehr auf die eigene Unabdingbarkeit verließ. Und wahrlich: Nichts hätte die unkontrollierte Unruhe des Jüngeren schneller entlarven können als fahrige Finger, die schon bereits wenige Sekunden später den fremden Hosenbund eröffneten und ihn damit einluden zu erkunden, was unter dem dünnen Stoff von Matthews Unterwäsche verborgen lag während dieser unverschämte Kerl seinen Hals auf derart betörende Weise neckte.

Sich selbst zur Raison rufend, biss Clarence sich ungesehen auf die Zunge und senkte seinen Blick hinab auf die fremde Körpermitte, welche nur noch durch einen Hauch verborgen vor ihm lag. Es benötigte kein Mach! oder ähnliche Zauberworte um dem Jäger begreiflich zu machen wonach sein Partner verlangte und bei Gott, Cassie wusste wie simpel es war, seinen Mann auf sich selbst anzusetzen. Als sie das erste Mal miteinander geschlafen hatten, im Schein eines prasselnden Feuers ähnlich dem des heutigen Abends, hatte zwischen dem ersten Kuss, dem ersten Entkleiden und ihrer darauf folgenden Vereinigung gefühlt nur der Bruchteil einer Sekunde gelegen. Aber unter diesem Plan vergaß Cassie etwas ganz Essentielles, für das er von seinem hinterlistigen blonden Gatten auch sicher keinen Hinweis erfahren würde, dessen streichelnde Finger sich noch immer auf dem behaarten Pfad am fremden Bauch befanden ohne die magische Grenze der verbliebenen Kleidung zu überschreiten.

Sein eigener Ehemann, sonst verhalten wenn es darum ging sich als stures Böckchen einfangen zu lassen und ein Mal sogar derart störrisch dass sein wilder Barbar ihn hatte fesseln müssen um zu bekommen was er wollte, sprühte unter unfairem Zutun voller Ungeduld und brennender Begierde. Wenn Clarence nicht auf sich Acht gab, dann verbrannte er sich nicht nur die Finger an seinem eigenen Liebhaber, sondern brannte lichterloh in dem fremden Schein bis nichts weiter als zufriedene Asche von ihm übrig blieb – und das plötzliche Aufknien des Jüngeren verriet ihm schon jetzt, dass die glühenden Funken bedrohlich nah an seinen Radius heran stoben.

Ohne ersichtliche Gegenwehr ließ der Jäger sich von Matthew erhaschen, ließ sich gefangen nehmen an seinem eigenen blonden Flachs und öffnete endlos ergeben die sündigen Lippen, um die fremde Zunge des Vorderen willkommen zu heißen. Ein schier hingebungsvolles Stöhnen verließ dabei leise die bärtige Kehle und sprach von dem Wohlgefallen, welches sein Partner in Claire schürte; diese Ungeduld und dieses spürbare Verlangen nach ihm waren es, welche den Blonden bereits beim letzten Mal in ihren Bann gezogen hatten und es auch heute wieder taten.

Sanft leckte er sich über die Lippen kaum da die anderen sich von ihm gelöst hatten und für einen Moment spürte Clarence mit geschlossenen Augen einfach nur dem sinnlichen Prickeln nach, welches sein Mann ihm beschert hatte. Wenn er wollte, dann konnte Cassie unheimlich besitzergreifend sein ohne dabei übermäßige Dominanz auszustrahlen oder autoritär vorzugehen. Seine Waffen waren die Verführung und die unumstößliche Gewissheit darüber, wie unheimlich anziehend sein eigenes Auftreten trotz hinzugewonnener Narben noch immer auf den Jäger wirkte und wahrlich, es bedurfte keiner weiteren Versicherung um ihn verstehen zu machen wie sehr Matthew ihn in dieser Sekunde für sich haben wollte, selbst wenn er seine Absichten noch nicht mit expliziten Berührungen kenntlich gemacht hatte.

Ein paar Kleidungsstücke ablegen, ja…?“, echote der Ältere leise den Vorschlag seines Mannes und öffnete schließlich doch wieder die Augen, nur um sie unverhohlen am fremden Oberkörper hinab wandern zu lassen. Sein Tonfall klang dabei äußerst unschuldig, ganz so als würde er überhaupt nicht verstehen inwiefern weniger Kleidung dazu beitragen sollte es miteinander gemütlicher zu haben. Am Ende entlarvte er seine Worte jedoch selbst als Schauspiel um Zeit zu schinden, als er mit dem Zeigefinger sachte an Cassies Weste hinab fuhr nur um sie etwas hinauf zu ziehen, kaum da er am unterem Saum angekommen war.

Vom Winter blasse Haut verbarg sich unter dem abgetragenen Leder, formte sich zu dem begehrenswertesten Bauch den er jemals in seinem ganzen Leben gesehen hatte und von dem Claire noch ganz genau wusste wie darauf sinnlich die Muskeln zu tanzen pflegten, spannten sie sich an um den harten Schwanz seines Geliebten in Claires engen, unerfahrenen Leib stoßen zu lassen. Schon jetzt verriet sie sanfte Ausbeulung hinter dem offen stehenden Reißverschluss seines Liebsten wie sehr eben jener Körperteil sich auch heute wieder nach dieser Form von Stimulation sehnte und gerade so als habe er erst mit eigenen Augen überprüfen müssen ob sich der Vorschlag des Jüngeren überhaupt für den Jäger rechnete, hob er seinen Blick schließlich wieder hinauf ins Kandisbraun.

„Küssen und Fummeln hab ich dir versprochen... und ich weiß ziemlich sicher... dass beides umso mehr Vergnügen macht, je weniger man trägt. Mhhhh...“

Noch immer streichelte sein Mann verführerisch über seine Lippen hinweg und schweigend betrachtete Clarence den hungrigen Blick seines Mannes bis er schließlich begriff, dass Matthew tatsächlich so ungeduldig war und jene Unruhe nicht nur spielte um ihn zu necken. Wie spitz musste dieser Kerl nur sein, dass er wenige Sekunden nach den verheißenden Worten des Älteren bereits sein Hose öffnete, ihn in einem leidenschaftlichen Kuss mitsamt Zunge überfiel und ihn so unumwunden dazu bringen wollte sich für den schönen Taugenichts zu entkleiden, wie auch Clarence ihm unumwunden gesagt hatte was er sich seit dem Morgen wünschte? Der Dunkelhaarige mochte das natürlich völlig anders sehen, aber gerade war es als würde er voller Inbrunst mit beiden Händen die Zügen von sich werfen auf dass sie gefunden werden würden von wem auch immer und Matthew dabei zuzusehen wie er nicht begriff die Kontrolle völlig zu verlieren, ließ den Blonden amüsiert auflachen. Ein rauer Laut, tief und doch weich wie Seide, gedämpft durch den schützenden Unterstand ihres formschönen Lagers.

Du bist ein ganz schön freches Kerlchen, weißt du das?“, schüttelte der Blonde über diese massive Form von Dreistigkeit den Kopf, schloss seine Schenkel etwas enger um den Knienden vor sich und rutschte sachte etwas dichter an den Jüngeren heran.Willst mich einfach so nackig machen… hier draußen, bei dieser Kälte? Wer sagt, dass ich da mit mache…?“

Tadelnd schnalzte der Hüne mit der Zunge, mit einer Hand hinter sich auf dem Berglöwenfell abgestützt, während die andere noch immer am unteren Ende der fremden Weste ruhte. Lautlos ließ er sie wieder am fremden Leib hinab wandern, streichelte über den vorhin noch umspielten Nabel hinweg und legte sie schließlich sachte über den weichen Stoff der fremden Wäsche, unter dem er deutlich die erwachende Männlichkeit seines Angetrauten fühlen konnte. Trotzdem hatte sich der dreiste Söldner einen sanften Kuss auf die Lippen verdient, auf dass ihm für diese unüberlegte Frechheit verziehen werden mochte.

Und das, wo du doch von meiner äußerst kälteempfindlichen Haut weißt…“, seufzte der Bär von Mann leise, ja beinahe vorwurfsvoll, wobei sich diese Annahme allerdings stark mit dem sinnlichen Unterton in seiner Stimme widersprach. „Mich beschleicht das Gefühl, dir geht es ausschließlich darum… dass meine Nippel schön hart für dich werden und… mich niemand hier draußen hören kann, während du über mich her fällst… kann das sein, mh?“

Das wäre zwar äußerst berechnend von Matthew, aber würde ihm das denn auch irgendeine Menschenseele übel nehmen können? Letzten Endes konnte sich so ein schöner Mann sowieso alles erlauben, ohne dafür gestraft zu werden. Nichts und niemanden gab es, der sich einem solchen Schönling entsagen konnte. Nicht mal Claire – da spielten weder Tageszeit, Außentemperatur oder der äußerst ungemütliche Untergrund eines felsigen Bodens mitten im Wald eine nennenswerte Rolle.

Zaghaft strich er mit etwas Nachdruck über die anziehende Körpermitte des Jüngeren hinweg, genoss das Gefühl des härter werdenden Schwanzes den er so sehr liebte und biss sich dabei verlangend auf die Unterlippe.

Kaum wieder richtig auf den Beinen und schon gibt es nur noch eine Sache, an die mein Ehemann denken kann… Wenigstens sagt mir das, dass du bald wieder voll und ganz genesen bist, also… Mhhh… was wäre ich nur für ein Partner, dir die Medizin zu verweigern die du brauchst…“


Matthew C. Sky

Dunkel war die Nacht jenseits ihres kleines Lagers. Im Nachtblau des Himmels, welches durch die Äste und Blätter des Unterstandes verdeckt war, glommen Milliarden Sterne. Sie waren fern, so fern das nie eine Menschenseele einen Fuß auf sie setzen würde, so fern das die wenigsten Menschen überhaupt wussten was sie waren.
Manchmal, in einsamen Nächten, hatte Cassiel hinaufgeblickt und sich gefragt ob irgendwo auf einer jener unzähligen, fremden Welten ein anderes Wesen ebenso hinauf zum Himmel sah. Es hatte eine Zeit gegebenen in der hatte Matthew nichts mit seinem Leben anzufangen gewusst. Rouge hatte ihn viel gelehrt, hatte ihm viel gezeigt. Wundersame Orte, fremde Kulturen, ferne Länder. Er hatte gut erzählen können, der Mann in Rot. Dieses Talent musste man ihm wirklich lassen, denn er hatte es verstanden in Matthew die Neugierde am Leben zu wecken und zu fördern. Die Welt zu sehen und zu erkunden, die Dinge zu hinterfragen, sich Wissen anzueignen auch wenn es verboten war, nach Erfolg zu streben in dem was er tat... all das und noch viel mehr hatte Le Rouge ihm beigebracht. Das Funkeln der Sterne hatte Cassiel immer fasziniert, erst recht seit er gelesen hatte das jeder glänzende Punkt von fremden Welten herrührte, einige längst untergegangen, andere noch inmitten ihrer Blüte. Niemand wusste was jenseits ihrer Welt war, die Alten waren vergessen, ihr Wissen größtenteils verloren...doch was noch da war, darin hatte der junge Mann sich oft vertieft.
Von allen irdischen Wundern war Matt nichts so fantastisch erschienen wie das Wissen um die unendliche Vielzahl an Sternen, von denen ein jeder potenziell Raum für Leben bot. Die eigene Welt war groß genug damit ein Leben gar nicht ausreichte um sie komplett zu erkunden und doch hatte eine zeitlang genau das sein Dasein geprägt. Stets auf der Suche nach einem Sinn oder einem Ort an dem er wahrhaft ankommen konnte, war der junge Mann von Stadt zu Stadt, von Bett zu Bett, von Abendteuer zu Abendteuer gegangen, hatte Aufträge angenommen, hatte Kontakte geknüpft und hatte doch nie erreicht was er gesucht hatte. Fern war ihm das Ziel erschienen, unerreichbar, so wie die Sterne am nächtlichen Himmel.
Und dann, am scheinbaren Ende seines Lebens, hatte das Ziel das zu finden er schon beinahe aufgegeben hatte, plötzlich ihn gefunden. Dürr und ausgemergelt war es ihm erschienen in Form eines Mannes der selber dem Tod näher gewesen war als dem Leben. Dass sie es beide geschafft hatten sich wieder aufzurappeln war nicht weniger als eines der wundersamen Dinge die dem jungen Mann bewusst waren. Mit der langsam gewachsenen Beziehung zu dem Schamanen war Cassiel Schritt für Schritt seinem Ziel näher gekommen. Schon lange vor ihrem ersten Kuss hatte er sich dem Jäger zugehörig gefühlt, doch seit ihrer Eheschließung war scheinbar alles anders geworden.
Die unentwegte Suche, die Rastlosigkeit, die Unfähigkeit irgendwo anzukommen hatte sich verflüchtigt und einem Gefühl Platz gemacht wie der junge Mann es zuvor nicht gekannt hatte. Was Matthew einst fern und unerreichbar erschienen war, war mit Clarence wahr geworden. Der Blondschopf war der funkelndste aller Sterne, der mit dem meisten Feuer, der mit der größten Anziehungskraft.
Aber er war nicht fern wie all die anderen, er war hier bei ihm, sah ihn an, berührte ihn. Gab ihm Wärme und Liebe und Zuversicht. Das Leuchten aller anderen Sterne konnte nicht mit jenem seines Mannes konkurrieren und es verblasste zur Gänze in dem Moment, da ein samtiges, tiefes Lachen die Kehle des Wildlings verließ.
Nichts konnte schöner sein als der Klang jenes Lachens und mit einem Mal war alles sonst egal. Die Kälte der Nacht, die Milliarden fremder Welten im Schwarzblau des Himmels, die Ängste von früher, die Tiefen in denen sie beide schon gesteckt hatten. Alles war nichtig geworden als Clarence lachte. Zum ersten Mal seit fast einem Jahrzehnt. Die unsichtbaren und doch spürbaren Lasten waren von seinen Schultern gehoben und für keinen Sekundenbruchteil zweifelte Cassiel daran, dass sein Mann in jenem Augenblick so heil war wie damals, als er als junger Bursche mit Benedict angebandelt hatte ohne zu ahnen wohin all das münden würde.
Es war egal ob es mitten in der Nacht war, Clarence lachte und die Sonne ging auf. Matthew erstarrte bei dem Klang des warmen, klaren Gelächters, denn es traf ihn so unerwartet mitten ins Herz wie nichts zuvor.
In seinen Ohren hörte es sich an wie Mozart, wie die Arie der Königin der Nacht. Es war das schönste Geräusch auf der Welt, war frei von Lasten und Sorgen. Clarence lachte und ganz gleich was der Grund dafür war, die Welt blieb stehen und in diesem zauberhaften, vom Glück überwältigten Moment, füllten Tränen die kandisbraunen Augen und Cassiel blickte entgeistert und überwältigt zu gleich in das Antlitz seines Geliebten, dessen Worte er kaum wahrnahm.
Alles was Matthew war und alles was er hatte würde er Clarence geben. Zu jeder Tages- und Nachtzeit würde er für ihn da sein. Ihn lieben und unterstützen, ihn begehren, ihn trösten, ihm Halt geben wenn er strauchelte.
Er würde mit ihm traurig sein wenn er traurig war, würde für ihn kämpfen wenn Clarence es nicht konnte. Doch mit ihm zu lachen...diese Gelegenheit hatten sie beide nie gehabt. Wann immer Matthew gelacht hatte, er hatte es allein getan, wann immer er glücklich gewesen war´, Clarence hatte das Glück nicht mit ihm geteilt. Ihre Welten hatten sich in so vielen Bereichen überschnitten, aber Freude war keiner von ihnen gewesen und je länger dieser Zustand gedauert hatte umso schwerer wog jene Bürde - auch auf den Schultern Matthews. Glück und Euphorie nicht mit dem Menschen zu teilen den man liebte, war schmerzlich und doch hatte Cassiel im Laufe der Zeit gelernt den Schmerz zu ertragen, so wie er früher schon Schmerz erduldet hatte. Denn was wäre ihm andernfalls übrig geblieben? Weiterziehen, sich von Clarence trennen auf das er die Chance hatte irgendwo irgendjemanden kennenzulernen dessen Lasten nicht auch auf seine Schultern gingen. Aber war das wirklich eine Option? Nein, niemals. Lieber hätte er sich selbst das eigene Glück versagt, als das er ein Leben ohne Clarence zu führen bereit war. Denn dieser Mann war nichts anderes als der Sinn und das Ziel all seiner Träume, ihn aufzugeben hieße alles aufzugeben wofür es sich zu leben lohnte. Doch hier und jetzt, vor seinem Geliebten kniend, konnten sie plötzlich teilen was bis dahin unmöglich gewesen war. Matt gab ein hilfloses Schluchzen von sich welches sowohl von Erleichterung zeugte als auch eine Art ersticktes kurzes Auflachen war.
Der junge Mann fühlte sich überfordert vor Freude und war gar nicht in der Lage auch nur eine der vorwitzigen Kommentare des Jägers zu kontern. Stattdessen fiel er ihm unerwartet um den Hals, drängte sich an ihn und übersäte Wangen, Stirn und Nasenspitze mit zahllosen Küssen. Das herz schlug ihm bis zum Hals, hämmerte laut und schnell in seiner flachen Brust, beflügelt von der plötzlichen, maßlosen Erleichterung. Cassiel wusste beim besten Willen nicht wie oft er sich schon vorgestellt hatte Clarence lachen zu hören.
Die zum Himmel schreiende Ungerechtigkeit die ihm widerfahren war, das Unrecht das man ihm zugefügt hatte war für Matthew durch nichts auf der Welt wettzumachen oder zu beschönigen. Die Vergangenheit war für Clarence stets allgegenwärtig gewesen, der Schmerz über den Verlust seiner Kinder und Heimat, die Wut über den Verrat seiner damaligen Frau, der Kummer ein Werkzeug gewesen zu sein.
Im Laufe der Zeit hatte sich der Hüne vielleicht mit dem Status Quo arrangiert, aber Matthew war das niemals möglich gewesen. Und bei allem was ihm wichtig war: der Klang des kurzen Lachens erfüllte ihn mit einer derartig seligen Freude, dass er weder aufhören konnte vor Erlösung zu weinen, noch vor Freude seinen Geliebten zu küssen.
Mit beiden Händen umfing er das wohlbekannte Gesicht, richtete sich weiter über ihm auf und legte die Stirn an die des Größeren. Mit glänzenden Augen - in denen ein bis dahin ungesehener Ausdruck von Freude lag - betrachtete er Clarence, streichelte unentwegt über die bärtigen Wangen hinweg und musterte ihn als sei der Jäger eine Lichtgestalt, deren Existenz man kaum fassen konnte. Und nichts anderes war der Fall. Für Matthew war Clarence nie einfach nur irgendjemand gewesen, einer von vielen deren Gesellschaft man suchte oder mied gerade wie es ihm beliebte. Clarence war mehr. Clarence war alles. Und sein Lachen war schöner als Matthew sich jemals hätte vorstellen können.
"Baby...", war das erste Wort, dass über des Jüngeren Lippen kam und er sagte es so warm und leise und doch voller Freude, dass selbst ein Blinder herausgehört hätte wie sehr der Angesprochene geliebt wurde. "Baby...du bist verrückt...", verrückt ihn derart aus dem Konzept zu bringen, verrückt ihn so mir nichts dir nichts zu überraschen und weil dem so war lachte Matt neuerlich überfordert auf, umfing des Anderen Kinn und drückte es zu sich empor.

"Ich liebe dich, ich liebe dich...", wisperte er gegen den schönen Mund, küsste die Lippen einmal fest und verlangend, löste sich von ihnen und wiederholte "Ich liebe dich, Blondie. Hast du das verstanden?" Der Wildling sollte es sich bloß nicht wagen ihn je zu verlassen. Und er sollte ja nicht auf die Idee kommen ihm sein Lachen nochmals für Monate,für Jahre vorzuenthalten .


Clarence B. Sky

Mit Matthew hier zu sein, einem Mann den er liebte und vergötterte wie keinen zweiten, war Zeit seines Lebens oftmals undenkbar gewesen. In der Heimat, in welcher Clarence seine Kindheit und einen Großteil seiner Jugend verbracht hatte, galten andere Gesetze – und wenngleich es ein Tabuthema war, auch nur ein einziger der guten Christen ihres heiligen Landes könne zu Sodomie und abartigen Trieben neigen wie Fremdlinge die dann und wann durch ihre Gemeinden stromerten, so wusste man selbst doch nur allzu gut um die unausgesprochenen Gesetze, welche damit auch einem selbst oblagen.

Schon als Kind wurde man konfrontiert mit Hinrichtungen, mit Verbrennungen, Auspeitschungen und Steinigungen und wenn man sein Kind bibeltreu erziehen wollte, gab man ihm das Werkzeug zum Urteilsverzug in die Hand noch bevor man sich selbst an der Tötung beteiligte. Wie viele Steine Clarence geworfen hatte noch bevor er wusste wie man eine Kuh melkte oder ein Schaf schor, das konnte er heute mit Gewissheit nicht mehr sagen. Aber er hatte früh gelernt wie man sein Stöckchen am schnellsten zum Brennen brachte um es eilig zum Scheiterhaufen zu bringen oder wohin man am besten zielte, wenn das kleine Steinchen in Kindeshand ganz besonders den elenden Sünder schmerzen sollte.

Mit fortschreitender Entwicklung zu spüren, dass man nicht anders war als jene Menschen die man verurteilt hatte, war keine einfache Gewissheit für ein Kind das in solch engem Rahmen lebte. In der Blüte der Pubertät brach die Zeit an, in der man in ein heiratsfähiges Alter hinein wuchs und ehe man sich versah, sollte man das Gelernte an die eigenen Kinder weiter geben noch bevor man überhaupt Gewissheit darüber erlangt hatte, wer man selbst war.

Es gab Mädchen, die galten als ganz besonders schlechte Ehefrauen und wenngleich ein großer Altersunterschied des Ehepaares meist der Grund für das Ziemen der jungen Braut war, so wusste man doch auch unausgesprochen oftmals, wenn mit den zierlichen Dingern anderweitig etwas nicht stimmte. Von ihren Familien oft ungefragt in die Ehe übergeben, versagten sie sich ihren Gatten, mieden die direkte Zweisamkeit und ließen das Potential des Kinderreichtums im Sande verlaufen, um sich fortan nur noch auf jene wenige Sprösslinge zu konzentrieren, die sie hervor gebracht hatten. Der Nachwuchs war ihnen liebsame Ausrede ihrem gottgegebenen Mann zu entgehen; sie waren hervorragende Mütter, keine Frage, aber letzten Endes wusste man als Außenstehender doch immer wieder intuitiv, was mit diesen Mädchen nicht stimmte.

Wo die Töchter keine Wahl hatten eine eigene Entscheidung zu treffen, war Bartholomy Junior und dem Nachbarsjungen schnell klar gewesen, in welch getrennte Richtungen die Zukunft sie führen würde. Es hatte einen Plan gegeben, so sollte man zumindest meinen, und oberflächlich gehaltene Gespräche zwischen den beiden Jungs hatte ihnen schnell klar werden lassen, dass sie nicht die einzigen mit derart abnormalen Neigungen in ihrer beschaulichen Gemeinde waren. Es gab einen älteren Mann fernab der Dörfer, der lebte schon seitdem man denken konnte alleine. Er hatte sich nie die Mühe gemacht sich eine Braut zu suchen obwohl die Auswahl groß gewesen war und unter Scherzen zwischen den Männern bei Feierlichkeiten hatte er die Bedenken geäußert, dass ein Weib doch nur mehr Arbeit machen würde als ihn auf dem Hof zu entlasten – ein Trugschluss wie ein jeder wusste, doch seine Meinung war akzeptiert worden. Er hatte sich zurück gezogen aus der Gesellschaft, er lebte alleine, trug seine Bürde für sich und blieb darunter den Regeln und Gesetzen treu. Mehr konnte man sich nicht von solch einem Menschen erhoffen und Benedict war klar gewesen, dass auch dies auf Dauer sein Weg sein würde anstatt sich einer Struktur zu beugen, die ihm mehr unangenehm gewesen wäre als ein Zugewinn. Doch für Bartholomy, der so oder so schon genug unter der Einsamkeit des elterlichen Hofes litt, wäre ein Leben ohne Gefährtin undenkbar gewesen – und auch nur einen einzigen Gedanken an das langfristige Zusammensein mit einem anderen Jungen zu verschwenden ein Frevel, den er sich nicht hätte gestatten können. Jahre später, unter den Fittichen seines Lehrmeisters Nagi Tanka, hatte sich das nicht geändert.

Ein Jäger zu sein bedeutete Familie zu haben, ohne Kompromisse zu Menschen zu gehören mit denen man einen Schwur abgelegt hatte. Vielen jungen Leuten mochte ein solches Dasein als lohnenswert erscheinen, sie suchten das Abenteuer und den Ruhm, suchten die Reisen in ferne Gegenden und die Legenden, von denen sie seit Kindertagen bereits gehört hatten und zu denen sie selbst würden werden können. Doch den Blick über den Tellerrand wagten sie nicht; sahen nicht den Verzicht ein, der damit einher ging. Zu leben mit seinem Clan, ein Zimmer zu haben in einem Hauptsitz –insofern man denn an einen Ort angesiedelt war- hieß auch, damit gewisse Verpflichtungen einzugehen. Man war wo seine Brüdern und Schwestern waren, nicht jenseits der eigenen Mauern und Lager. Wer noch Familie besaß, sah diese vielleicht niemals wieder wenn einen kein Auftrag in die jeweilige Region führte und wer sich außerhalb seiner Dienstzeit einen Partner anlachte, der musste entweder auf dessen Treue und Verständnis hoffen oder ihn ziehen lassen. Manche hatten Frau und Kinder in ihren Städten, mit etwas Glück sahen sie ihre Liebsten sogar ab und zu. Doch einen geregelten Alltag einer Partnerschaft? Das war ein Luxus, der einem Jäger nicht zustand.

Selbst heute, in diesem Augenblick wo Cassie ihm plötzlich um den Hals fiel um ihn mit zahllosen Küssen zu bedenken, war sich Clarence gewiss darüber wie wenig selbstverständlich das Glück war, diesen einzigartigen Partner an seiner Seite zu wissen. Hätte er zwischendurch den Gedanken gefasst sich zurück zu seinem Clan zu begeben, vermutlich wäre es niemals zwischen ihnen zum ersten Kuss gekommen und wenn, dann unter solchen Bedingungen auf Dauer nicht zu ihrer Heirat. Hätte er nicht den Mut gefasst sich von alten Dogmen und auferlegten Gesetzen zu lösen, er hätte Matthew niemals so nah an sich heran gelassen – und hätte die besessene Fischerstochter ihren Stein auch nur ein bisschen kräftiger oder in einem anderen Winkel geworfen, Cassie wäre nicht mehr hier um ihn an dieser Stelle zu liebkosen, ihm seine Liebe zu schenken und ihn anzunehmen wie Clarence war.

Von all den Menschen, auf die er während seiner Reisen und Abenteuer bereits getroffen war, war ausgerechnet der distanzierte, bettenspringende, verschnöselte, gebildete, freiheitsliebende und vorlaute Taugenichts von Mann derjenige, der sein Herz über Wochen und Monate hinweg erobert und nie wieder aus seinen Fängen entlassen hatte. Die Art wie Matthew ihn liebte und ihm diese Liebe jeden Tag aufs Neue zeigte, meist sogar in den unscheinbarsten Momenten, war bedingungslos und allumfassend. Wenn sein Ehemann ihn berührte und ihn ansah, dann wusste Clarence ohne Zweifel, dass Cassie ihn ohne Diskussionen mit allen Schwächen und Macken akzeptierte, die der Blonde mit in die Ehe gebracht hatte. Sein Schweigen mochte unliebsam sein aber der Jüngere akzeptierte es ohne ihm mit Gewalt Antworten zu erzwingen. Er begleitete ihn über tausende von Meilen hinweg auch wenn nur einer von ihnen beiden dabei Stiefel trug, er genoss es von dem Jäger berührt zu werden auch wenn es nicht vollständige zehn Finger waren die ihn dabei umgarnten und er war ihm nahe, selbst wenn Clarence die Seifen und Duftperlen im Badewasser scheute wie ein Sack voll Zucker den Regen. Nicht mal seiner blonden Mähne oder seinem prachtvoll wirren Bart hatte Cassie ihn im Schlaf entledigt obwohl er monatelang daran herum gemäkelt hatte und selbst wenn der Nimmersatt von Bär an den unmöglichsten Orten auf die Idee kam über seinen Geliebten herfallen zu müssen, dann protestierte Cassie dagegen nicht etwa voller Tobsucht, sondern ließ sich mitnehmen auf diese unbekannte Reise – so wie sie schon oftmals entlegene Routen gewählt hatten auf ihrer gemeinsamen Wanderung.

Matthew war der Mensch der machte, dass sich der Hüne frei und ungebunden fühlte und trotz dessen nur an einem einzigen Ort sein wollte: Nämlich bei ihm, dem Mann den er liebte; gleichzeitig bescherte er ihm den größten Kummer seit Jahren wenn es dem Dunkelhaarigen nicht gut ging oder er sich unwohl fühlte in der eigenen Haut. Wie auch immer es Cassie ging, es spiegelte sich im Herzen des Blonden wieder und machte ihn vergessen was einst gewesen war oder was sein könnte, tappten sie in die nächste Falle oder das nächste Unglück. Was zählte war das Hier und Jetzt, das Zusammensein, sich zu lieben und die Zeit zu genießen die das Leben ihnen miteinander schenkte. Viel zu viele Menschen waren ihnen auf ihren Wegen bereits genommen worden doch sie beide waren hier, gemeinsam, und machten einander dabei heil und unbefangen.

Zuerst verstand der ältere der beiden Männer nicht woher der plötzliche Ausbruch seines Gefährten rührte, denn wenngleich er ein wenig mit dem sturen Böckchen gespielt und es geneckt hatte, so hatte er doch schließlich eingewilligt sich selbst hier im schroffen unbeugsamen Gelände dem Kleineren zu ergeben wie es sich für einen liebenden Gatten ziemte, der sich entgegen allen Trotzes ja doch selbst auch nach der Zuwendung seines Gegenparts sehnte. Tränen der Erleichterung hin oder her, ihn zu umfangen und zu herzen anstatt wie freigegeben zärtlich über ihn herzufallen war alles, aber nicht den Umständen entsprechend.

Unsicher ob des unorthodoxen Vorgangs seines Geliebten hob Claire den Blick während sein Gegenüber sich weiter über ihn lehnte um ihre Stirne aneinander zu legen. In den glänzenden kandisfarbenen Augen lag ein seltsamer Ausdruck, der definitiv neu und unbekannt war für jenen Mann, der schon seit über einem Jahr regelmäßig in diese hinein blickte. Freude und Begeisterung war in ihnen zu lesen, gar Erleichterung und Überwältigung wenn man den Dunkelhaarigen nur kannte und lesen konnte und wahrlich, wüsste Clarence es nicht besser, es wäre recht naheliegend gewesen zu vermuten, sein eigener Gatte wäre nun unter die absolut Wahnsinnigen gegangen.

Ich bin verrückt? Hab ich gerade was verpasst oder so?“ – Zum Beispiel von rosa Hoppelhäschen im Schneebett gesprochen oder auf ihrer felligen Unterlage geschwebt zu haben, wobei jedoch beides weitestgehend nicht so recht mit dem entzückten Ausdruck in Cassies Augen konform ging.

Vorsichtig rutschte der Bär etwas dichter an seinen schönen Verführer heran, immerhin schien er gerade ganz und gar den letzten Anker in die Realität verloren zu haben. Die Wahrscheinlichkeit lag irgendwie nahe, dass Matthew – getrieben von Erschöpfung aufgrund seines ungeplanten und überfordernden Ausflugs – irgendwelche wilden Beeren von Sträuchern geklaubt hatte um damit seinen überbordenden Hunger zu stillen und sich darunter an dem Zeug vergiftet hatte. Vermutlich fantasierte er gerade, halluzinierte irgendwelche Dinge und sah die Welt in den buntesten Farben um sich herum wabern, eine Vorstellung die Claire gleichermaßen besorgte wie auch durchaus amüsierte.

„Du weißt hoffentlich, dass ich dich auch liebe. Aber Süßer, so sehr ich das auch tue…“, kopfschüttelnd lachte Claire leise, bevor er sein Kinn hinauf reckte um sich einen weiteren Kuss von diesem Irren zu stehlen. Weich legten sich seine Lippen auf den geliebten Mund, dann auf Mundwinkel und Wangen des Schönen, um die nicht versiegenden Tränen von seiner warmen Haut zu küssen. „So sehr ich das auch tue, ich muss dir gestehen: Ich kann mir für dich keine Therapie im Sanatorium leisten, aber ich glaube, du verlierst gerade den Versta-…“

Es war ein abruptes Schweigen welches sich plötzlich über ihr kleines Lager legte, nur noch unterbrochen vom Knistern des wärmenden Feuers und dem freudigen Schluchzen seines noch immer über ihm knienden Mannes. Und erst jetzt, als er im weinenden Lachen des Irren erkannte warum sein Mann ihn für den Verrückten hielt, fiel es dem Christen wie Schuppen von den Augen.

Voller Unverständnis blickte Clarence den Jüngeren an; entgeistert, beinahe verstört, doch noch immer mit dem seltsamen Funkeln seiner vorigen Erheiterung im Blick. Eine seltsame Mischung die darauf schließen ließ was gerade in dem Blonden vorging und doch nur zum Bruchteil verraten konnte, was das überhaupt bedeutete.

Bedacht kontrolliert setzte Claire auch die zweite Hand hinter sich ab um ein unbedeutendes Stück von Cassie wegzurutschen, ähnlich einem gefährlichen Tier von welchem man sich voller Vorsicht entfernen wollte aus Angst, es könne einen bei einer zu eiligen Bewegung anfallen. Der Groschen war gefallen und der Jäger wusste was dieser Groschen bewirken konnte. Er hatte wegen ihm bereits Menschen verletzt, hatte getötet, er wusste wozu er fähig war wenn man an jenem Teil seiner Selbst rüttelte, von dem er seinen Mann vor Monaten gebeten hatte es bloß bleiben zu lassen. Aber Matthew, dieser dämliche Idiot, hörte ja bekanntlich grundsätzlich nicht auf die Dinge, um die man ihn bat.

Voller Unsicherheit starrte er den Jüngeren noch immer von unten herauf an, horchte in sich und wartete auf die garstige kleine Stimme die ihm bereits lieb und teuer geworden und doch nichts anderes war als der Selbstvorwurf nicht zu verdienen, was sich gerade vor ihm anbahnte. So gut der Blonde auch darin sein mochte Selbsthass und Misstrauen der ganzen Welt gegenüber in sich selbst zu schüren, so hörte er letzten Endes aber doch nur eine einzige Stimme am kräftigsten aus seinen Gedanken hervor brechen:

Ich bin Matt-hew…Matthew… Sky und ich…bin…mit dir ver-hei-ratet. Weißt du noch…in…in…deinem Lager…da-damals? Das hier…das ist k-kein solches Lager.“

Das hatte Cassie ihm versprochen obwohl er vor lauter Schmerzen nicht mal dazu in der Lage gewesen war zu blinzeln ohne das Gesicht zu verziehen, hatte er sich an sein Wort gehalten. Er hatte gekämpft, er hatte nicht losgelassen vom Leben, sondern war zu ihm zurück gekehrt. Clarence hätte ihn zu sich nach Hause geholt, selbst wenn sein Geliebter Gemüse gewesen wäre ohne Aussicht auf Besserung; denn er hatte ihn trotz allem wiedererkannt, er hatte auf den ersten Blick gewusst wer der Blonde gewesen war und dass er zu ihm gehörte, so wie sie nur gemeinsam eine Zukunft besessen hatten.

„Musst nicht…musst nicht…wei-nen,…Bärchen. In…in…vierzig Jahren…oder…oder so… Werden wir ge-meinsam …auf…auf unserer Ver-anda sitzen und…wir werden…über unseren…unseren Hof…schauen und alles wird…alles wird…Gut sein…Alles wird gut sein.“

Alles wird gut sein, das hatte Matthew ihm noch im Sterbebett liegend prophezeit und wo er ihn vor wenigen Tagen noch nach Hause hatte tragen müssen, da büchste der freche Kerl im heute einfach aus um alleine auf die Jagd zu gehen. Zu reiten, mit Pfeil und Bogen zu schießen als wäre nie etwas passiert – und vermutlich um die Nacht alleine hier draußen zu verbringen, zumindest wenn man betrachtete wie gut sich Cassie mit Fell und Decke auf seinen Ausflug vorbereitet hatte. Doch so sehr Claire über diese unerlaubte Abwesenheit auch hätte entzürnt sein sollen vor Sorge, letztlich hatte Cassie damit nur abermals bewiesen wie fest er zu seinem Wort stand: Sein Bär musste nicht weinen, denn alles würde gut sein… und das war es letztlich auch, selbst wenn Clarence vor lauter Kummer um seinen Mann eine bestimmte Tatsache nicht hatte erkennen können:

Ich war… unfassbar glücklich, als du wieder aufgewacht bist… ich dachte, du würdest sterben und ich… ich war glücklich, als du… als du die Augen aufgemacht und… mich wiedererkannt hast…“, wisperte es leise hinter dem goldenen Flachs hervor und sein Blick streifte ab auf das Fell unter ihnen. Rotz und Wasser hatte er in jenen Minuten geheult vom ersten Erwachen seines Partners an bis zu jenem Moment, wie er wieder dem Schlaf verfallen war. Ihm war nach allem zumute gewesen, aber ganz sicher nicht danach über jene Situation zu Lachen, so voller Kummer hatte dieser Idiot ihn zurück gelassen – aber das änderte nichts an dem Glück welches er in jenen wenigen Sekunden empfunden hatte, überdeckt von all der Aufregung und innerlichen Unruhe.

Selbst jetzt, in diesem Moment, reichte alleine der Gedanke an den zurückliegenden Zustand des Jüngeren aus um erneut Tränen in den blaugrauen Augen des Schamanen steigen zu lassen. Wie verbohrt und dumm konnte ein einziger Mensch nur sein, wenn er nicht mal erkannte glücklich darüber zu sein, dass sein eigener Ehemann wider Erwarten noch lebte und ihn wiedererkannte? Was für einen schamlosen Mann hatte Matthew sich da nur angelacht, der nicht begriff wie sehr er den Dunkelhaarigen liebte – so sehr, dass das Vergessen der restlichen Welt um sie herum sogar Dinge vergessen machte, die ihn jahrelang beherrscht hatten?

Fassungslos vergrub Clarence das Gesicht in den unvollständigen Händen, lehnte sein Haupt der Brust des Jüngeren entgegen und schluchzte ungehemmt als ihm bewusst wurde, dass nicht der altbekannte Hass über ihn und schließlich auch den Vorderen herein brach sondern die unantastbaren Gefühle gegenüber Matthew, gegen die nicht mal ein Fluch etwas auszurichten vermochte. Aller Zorn, alle Angst, all die Fesseln die ihn über Jahre hinweg beherrschten, sie verblassten im Schatten jenes Menschen, dem er nicht mal im Traum ein Haar würde krümmen können so liebevoll wie dieser ihn angenommen hatte als Mensch, Mann, Gefährte und Partner.

„I-ich bin so… s-so glück…lich darüber, dass du.. d-du noch lebst… hörst du…? W-wag es dich… dich n-nie wieder mich… mich a-allein zu lassen und… und dich n-niederschlagen z-zu lassen oder… mit einem Pferd abzu-zuhauen, das dich… abwerfen und nieder…trampeln kann… wag es dich nie wieder, du… du blöder Arsch…


Matthew C. Sky

Der Junge, der früher Steine auf Menschen geworfen hatte, die nicht den richtigen Pfad beschritten hatten, war Matthew fremd, hatte er ihn doch nie kennengelernt.
Er kannte einen anderen Clarence. Einen sanftmütigen, nachdenklichen und gewissenhaften jungen Mann. Ein Mensch der erst dachte bevor er sprach, ein Mensch der beharrlich war in allem was er sich vorgenommen hatte, ein Mensch der vor nichts Angst zu haben schien.
Diesen Menschen zu bewundern und in sein Herz zu schließen war nicht schwer, auch wenn Matthew gern so getan hatte als sei alles an dem Größeren eine einzige Zumutung und Katastrophe. Aber in Wahrheit... in Wahrheit war nichts leichter als Clarence anzusehen und sich gewiss zu sein ihn zu lieben. Mit allem was er war, mit allem was er hatte und auch mit allem was ihm fehlte. In den Augen Cassiels war Clarence makellos und er wusste in seinem Herzen, dass es niemals einen anderen Menschen geben konnte, den er so unvoreingenommen und absolut lieben würde. Der Klang seines - von Matt noch nie gehörten - Lachens überwältigte den Jüngeren derart, dass er nicht aufhören konnte zu weinen, auch wenn Clarence so tat als sei Cassiel verrückt geworden. Es hatte gar den Eindruck, als würde dem Blondschopf selbst gar nicht bewusst sein warum Matthew so überschwänglich geworden war. Die Irritation und unverkennbare Freude in den hellblauen Augen bestätigte Matthew nach nur wenigen Sekunden diesen Verdacht und er schüttelte sachte den Kopf. Ungläubig sah Cassie auf den Größeren herab, streichelte mit beiden Daumen über die Wangenknochen des schönen Gesichts und schniefte einmal.
Da saß er nun, war Clarence so nah und verstand binnen kürzester Zeit, dass Clarence nicht bewusst war das er gerade zum ersten Mal seit vielen Jahren amüsiert aufgelacht hatte. Zu beschreiben was diese Erkenntnis in Matthew auslöste war schwer, wenn nicht gar unmöglich, den viele der Empfindungen waren ambivalent. Matt war bekümmert und auf der anderen Seite glücklich, er war verwirrt aber ebenso erleichtert und er war stolz auf den Wildling und zugleich wünschte er sich, dass seinem Bär endlich bewusst wurde welche Last er abgestreift hatte und sei es auch nur für einen winzigen Moment. Selbst wenn er nur für einen Wimpernschlag lang glücklich gewesen war, so war dieser Moment wertvoller denn je.
Was Ruby-Sue ihm weggenommen hatte, musste nicht auf ewig verloren sein und diese Hoffnung gab zumindest Matthew neuen Aufwind wenn es darum ging das Unabänderliche nicht anzunehmen sondern dagegen zu kämpfen. Wenn es sein müsste dann auch ohne Clarence, aber auf jeden Fall für ihn.
‚Er weiß es nicht...‘, wurde dem jungen Mann bewusst während er unablässig die Wangen seines Liebsten streichelte und ihn betrachtete. Clarence war so gefangen von den Dingen die ihn bisher geprägt und eingeschränkt hatten, dass ihm gar nicht auffiel für einen Augenblick lang frei von den Fesseln zu sein. Doch kaum sich dieser Tatsache richtig bewusst, änderte sich der Blick des Größeren von heiterem Unverständnis hin zu Begreifen und...Entsetzen. Was auch immer in dem Wildling vor sich ging, es überforderte ihn und schien ihn maßlos zu verunsichern. Die Fr eude und die Losgelöstheit die er eben noch ausgestrahlt hatte waren von einer Sekunde zur Nächsten verschwunden, ebenso wie sich Clarence selbst auch zurückgezogen hatte.
Plötzlich dämmerte es ihm, die eigenen Gefühle wurden offenbar und es wirkte als ginge damit eine tiefsitzende Angst einher. Was der Blonde genau fürchtete, wusste Matthew nicht, aber selbst wenn es ihm klar gewesen wäre, wäre er keinen Millimeter von seinem Mann zurückgewichen.
„Ich war...unfassbar glücklich, als du wieder aufgewacht bist...“, drang es leise über die Lippen und Matthew zog die Augenbrauen zusammen, im schmerzlichen Bewusstsein darüber welche Sorgen und Kummer er dem Größeren aufgebürdet hatte. Aber es war nicht der Schmerz der im Vordergrund stand, sondern die Gewissheit darüber Glück empfinden zu können.
Die blauen Augen des Jägers füllten sich jäh mit Tränen und Cassiel presste die Lippen aufeinander um ein Schluchzen zu unterdrücken.
Es gab keine Worte die beschreiben konnten wie sehr er sich wünschte Clarence helfen zu können. Ihm hätte nie passieren dürfen was geschehen war, er sollte all diesen Kummer gar nicht haben...doch ganz egal wie sehr Matthew ihm auch helfen wollte, dieses Mal konnte er es nicht, zumindest war sich der junge Mann nicht darüber bewusst wie sehr er Anteil an allem trug. Hilflos schlug der Blonde seine Hände vors Gesicht, schluchzte auf und drängte seinen Kopf unvermittelt gegen Matthews Brust. Dieser schloss sofort die Arme um den Wildling, drückte ihn an sich und schmiegte seine Wange gegen den Schopf. Die Augen fest geschlossen, vergrub er seine Nase im dichten, weichen Haar und küsste seinen Mann mehrmals auf den Kopf.
„Ich halt dich fest...ich hab dich, Baby. Ich hab dich...“, flüsterte er mit tränenerstickter Stimme, unfähig und auch unwillig die eigenen Emotionen zu kaschieren.
Erneut drückte er dem Schopf Küsse auf, suchte dann das Ohr seines Liebsten und küsste selbiges ebenfalls. „D-du....machst mich noch...verrückt, h-hörst du? Oh Gott, ich liebe dich so sehr...“, Clarence machte ihn derart stolz und dankbar und glücklich, dass der Jüngere schlichtweg überfordert war und nicht wusste wohin mit sich.
Erst als Clarence erneut beteuerte wie glücklich er war und ihn unter Tränen anwies sich ja niemals wieder niederschlagen zu lassen oder sich auf einem Pferd potenzieller Gefahr auszusetzen, brachte er den Jüngeren dazu neuerlich kurz aufzulachen.
Matthew löste die Umarmung, legte beide Hände zurück an die Wangen seines Liebsten und zwang ihn behutsam sich von seinen eigenen Händen zu lösen. Statt mit Worten zu antworten, waren es Küsse die Clarence zu Teil wurden und die Cassiel auf scheinbar jeden Millimeter Haut setzte. Er küsste die Stirn des Blonden, die Schläfen, seine Nase, die Augenlider, Lippen und Kinn. Matthew liebte diesen Mann derart abgöttisch, dass er nicht aufhören konnte ihn zu liebkosen und ihm damit zu vermitteln das alles gut werden würde. Es gab keinen Anlass für Kummer oder schmerzhafte Erinnerungen.
Aber sie hatten allen Anlass zur Freude, allen Anlass um glücklich zu sein.
Dass Clarence ihn in seiner Überforderung wenig höflich und liebevoll ansprach, war nicht schlimm und störte Cassiel in keinster Weise. Sie waren beide nicht zartbesaitet, schenkten sich nichts wenn es darum ging einander zu piesacken und aufzuziehen. Zudem konnte Matthew nicht abstreiten, dass sein Vorhaben abzuhauen und die Nacht nicht zurück zu kommen durchaus arschig gewesen war.
"Alles ist gut...schau...ich bin hier, mit dir und ich bin gesund...genau wie du.", versuchte er den Größeren zu beruhigen, während er behütend und unendlich liebevoll das Gesicht seines Liebsten umfangen hielt.
In seinen dunklen Augen schimmerten zwar Tränen, doch die Freude glänzte beinahe noch mehr in ihnen. Der Klang des fremden Lachens hatte ihn mit unglaublicher Euphorie angesteckt und so war es auch nicht überraschend, dass Matthew neuerlich unter Tränen auflachte, bevor er sich wieder über Clarence beugte und ihn ungestüm auf die Lippen küsste. Hatte sich der junge Mann je unbeschwerter, je erfüllter, je glücklicher gefühlt als hier und jetzt? Nein. Niemals in seinem Leben hätte er sich vorstellen können, dass man derart glücklich überhaupt sein konnte!
Der vereinnahmende Kuss auf Clarence' Mund wurde durch eine Vielzahl kleinerer Liebkosungen abgelöst, ehe Cassiel schließlich etwas nachließ den Wildling derart zu bestürmen - was nicht hieß, dass er ihn freigab.
"Ich habe dir damals schon gesagt, dass ich dich nicht verlasse... und ich sage es dir...", seine Stimme war brüchig geworden und brach schließlich zur Gänze, sodass der Dunkelhaarige kurz unterbrochen wurde.
Einen Menschen so sehr zu lieben wie er Clarence liebte bedeutete immer das größte Glück und auch die größte Angst - dass hatte er in dem Moment erkannt, als er Clarence leblos vorgefunden hatte und seine ganze Welt plötzlich leer gewesen war. Cassie wusste welche Ängste der Blondschopf ausgestanden hatte, kannte die Furcht und den Schmerz zur Genüge und doch würde er keinen Schritt anders setzen und kein Wort anders aussprechen gegenüber Sally Mitchell, hätte er im Nachhinein die Wahl die Vergangenheit zu ändern.
Sie hatte ihn beinahe getötet, sie hatte Clarence in Verzweiflung gestürzt aber sie hatte auch dafür gesorgt, dass der Fluch Ruby-Sues an Macht verloren hatte, in dem Moment als Matt im Hause des Arztes wieder erwacht war und seinen Mann erkannt hatte. Vor wenigen Wochen, war Clarence glücklich gewesen und diese Empfindung hatte es heute möglich gemacht ihn lachen zu hören. Und es war das schönste Geräusch das Cassiel kannte.
„...ich sage es dir jetzt nochmals...“, seine Stimme klang noch immer belegt, aber zumindest brach sie ihm nicht neuerlich einfach weg. „Ich verlasse dich nicht, h-hörst du? Nie- niemals...Es vergeht kein einziger Tag...an dem ich nicht glücklich bin...dich zu haben. Verstehst du?“
Prüfend musterte Matthew das Antlitz seines Mannes, suchte in dessen Augen Verständnis und Begreifen. Was sie hatten war nicht länger fragil, es war nicht länger unsicher. Matt stand zu Clarence und würde nie freiwillig zulassen das sie getrennt wurden. Die Angst, dass irgendein Unfall oder Ereignis sie entzweien könnte, war auch bei ihm oftmals gegenwärtig, aber so lange er lebte würde er immer wieder aufbegehren, sollte das Schicksal es ihn schwer machen.
Du...du gibst auf mich Acht und ich...ich passe auf dich auf. So machen wir es schon...s-seit du mich damals gefunden hast. Und jetzt...sieh uns an, Baby... sieh uns an. Wir sind so weit gekommen.“ Wahrlich, ihr zurückgelegter Weg war beachtlich. Sie waren aneinander gewachsen, sie hatten gelernt Rücksicht zu nehmen, Verständnis zu zeigen, sich zu öffnen und mehr über den Anderen zu lernen. Behutsam zogen seine Fingerspitzen nacheinander die Augenbrauen des Größeren nach, der ihn so sehr faszinierte und ohne den er niemals sein wollte, könnte oder sein würde. „Du machst mich so glücklich, Baby.“, setzte er seinen Liebsten in Kenntnis, schniefte einmal und lächelte. „Gott...wie sehr ich dich liebe, ist echt nicht normal.“
Und weil das so war, konnte er sich nicht beherrschen und musste den Wildling einfach erneut küssen, beflügelt von dem Geschenk welches Clarence ihm - zunächst ganz unbewusst - gemacht hatte.

 


Clarence B. Sky

Der Mann, mit dem Clarence heute sein Leben teilte, war nicht mehr der Matthew von früher – und obwohl es eben jener damalige Matthew gewesen war der in dem Christen die erste Sehnsucht nach Nähe geweckt hatte, vermisste der Blonde ihn für keine einzige Sekunde.

Matthew Cassiel Reed war ein Lebemann gewesen, ein Mensch der wusste wie man selbst die wenigsten Münzen für größtmöglichen Spaß einzusetzen hatte und der nie im Leben etwas anbrennen ließ, was in sein Beuteschema fiel. Selbst bis heute hatte Claire noch nicht so wirklich begriffen ob es einen bestimmten Typ Frau und Mann gab auf den der Jüngere stand oder ob tatsächlich ein gepflegtes Äußeres und vollständige Zahnreihen bereits schon ausreichten und selbst wenn, so bestätigte Cassies endgültige Wahl doch nur wieder mit dieser bestimmten Ausnahme alle Regeln. Clarence war weder das perfekte Vorzeigesöhnchen einer Metropole, noch waren seine Hände so vollständig wie ein schönes Gebiss, auf das sein Mann Wert legte. Trotzdem hatte er heute Cassie und nicht irgendjemand sonst auf dieser großen weiten Welt.

Früher, in einem Leben das wohl ein Traum gewesen sein musste, war der Dunkelhaarige anders gewesen. Er hatte jeglichen Körperkontakt über das zweckmäßige Rein und Raus, welches zum Sex gehörte, gemieden wie ein gebranntes Kind das Feuer. Er war ein pfiffiges Kerlchen gewesen, wachsam und feinfühlig, und doch hatte er mit diesen kostbaren Attributen keine weiteren Talente eingesetzt, die ganz sicher schon damals in ihm geschlummert hatten. War es Clarence nicht gut gegangen, dann hatte Reed sein freches Maul gehalten anstatt seinen Wanderkumpanen aufzubauen und auf der anderen Seite hatte er den Mund umso weiter aufgerissen um Claire zur Weißglut zu bringen, wenn der Jäger sowieso schon genug genervt war. Er hatte seine Nachtwachen absichtlich verschlafen oder verweigert, hatte den Waldschrat die komplette Arbeit überlassen wenn es um den Aufbau ihres Lagers gegangen war und egal welche Route Clarence angepeilt hatte um auf irgendeine Art und Weise schneller von einen Auftrag zum nächsten zu kommen, immer in der Hoffnung wenigstens einer von ihnen beiden kümmerte sich darum dass ein paar Münzen endlich wieder den Weg in ihre Taschen fanden, Reed war grundsätzlich dagegen gewesen. Zu viel Sonne auf freiem Feld hier, zu viel Steine im schattigen Wald dort, der Berg zu schroff oder der Umweg am Fuße des Berges herum zu weit. Es war Clarence erschienen, als könne man es diesem Idioten grundsätzlich einfach nicht recht machen ganz egal was man tat… und dabei hatte er nicht im geringsten erkennen können, dass Cassies Nörgeleien im Grunde nichts anderes waren als überspielte Zuneigung, vor derer der Jüngere sich vielleicht sogar selbst gefürchtet hatte.

Wahrlich, rückblickend war Clarence selbst überhaupt nicht mehr verständlich was er ausgerechnet an diesem einen Mann derart anziehend gefunden hatte um sich letztlich mit ernsten Absichten auf ihn einzulassen, aber heute wusste der Schamane es dafür umso genauer:

Schon damals, hinter all den Mauern und dem Mantel der Beleidigungen, hatte sich niemand geringeres versteckt als der unverschämt liebevolle Kerl mit dem er heute verheiratet war und genau diesen einen Matthew wollte er nie wieder in seinem Leben missen.

Egal wie oft Cassie einstmals weggeschaut und die Sorgen seines Partners ignoriert haben mochte, alle Versäumnisse machte er wieder gut auf die Art wie er ohne zu zögern den Leib des Größeren umfing und seine Wange an den Schopf des Blonden schmiegte. Die Differenz zwischen ihrem Beginn und dem Punkt an dem sie heute miteinander angekommen waren machte deutlich wie sehr sie sich dem anderen gegenüber geöffnet hatten, ganz bewusst, anstatt durch Zufall ins heutige Miteinander hinein geschlittert zu sein.

So wie Clarence war und wie er sein konnte – schweigsam, still, aber auf der anderen Seite auch unglaublich beschützend wenn es um seinen Partner ging; zärtliche Liebkosungen herbei sehnend, gleichsam wie er es liebte Matthew einfach nur zu lieben und ihn dies auch spüren zu lassen – so kannte bislang nur sein Ehemann ihn und niemand anders sonst auf der Welt. Es gab keinen Menschen der es sich seit Verlassen seiner geliebten Heimat je nochmals verdient hätte derart von dem Jäger behandelt zu werden und nicht zuletzt das Leben im strengen Rahmen eines Clans machte, dass Menschen schnell nach außen hin verrohten und eine raue Schale bekamen. Cassie alleine war es gestattet hinter die Maske zu blicken, ihm alleine vertraute Clarence genug um ihm auch Schwäche und Tränen zu zeigen und nicht zuletzt war sein Mann der einzige, der sich unter diesem Zutun nicht nur Trauer, sondern auch die Freude und das Lachen des Blonden hart erkämpft und wahr verdient hatte. Wusste Matthew eigentlich wie wertvoll er nicht nur für Clarence, sondern allgemein als Mensch war? Wie glücklich sich die Erde dafür schätzen konnte, einen derartigen Bewohner auf sich zu beherbergen?

Nur widerwillig ließ er seine Hände vom eigenen Gesicht lösen, eine Unzumutbarkeit die der Jüngere dadurch ausglich und erträglicher machte, dass er behutsam schier jeden einzelnen Zentimeter Haut mit weichen Küssen bedachte bevor er sich schließlich auch den Lippen des Schamanen widmete.

J-ja… jetzt bist du hier, aber du… du hättest genauso gut im Wasser kollabieren oder nachts hier draußen erfrieren k-können. Du weiß doch n-nicht mal, wie… wie man ein ordentliches Feuer macht, du blöder…“, doch den Kloß in seinem Hals herunter zu schlucken bewahrte Claire vor weiteren Beleidigungen, auch wenn sie – zumindest seiner derzeit mehr als nicht zurechnungsfähigen Meinung nach – mehr als angebracht gewesen wären. „Und dann, mh…? Wann hätte ich dich dann f-finden sollen, in fünf Jahren sobald d-der dämliche… d-dämliche Schnee weg taut?“

Eigentlich war Clarence ihm alles andere als wahrlich böse, das letzte Quäntchen trotz welches ihm geblieben war würde man ihm trotzdem nicht wegnehmen können. Viel zu oft hatte Cassie ihn seit ihrer Bekanntschaft für seinen Wagemut gerügt, hatte ihn geschimpft und sich letztlich – berechtigt – über den Ausflug in das Feld voller Spinnen beschwert. Auf der anderen Seite hatte sein Mann heute aber nichts anderes getan außer die gleiche Sorte von Unüberlegtheit an den Tag zu legen, aus nichts weiter heraus als purem Trotz. Egal wie stark er sich wieder fühlen und wie sauer er gewesen sein mochte darüber ausgesperrt worden zu sein, unterm Strich konnte er damit nicht einfach die Tatsache verdrängen, dass es noch vor wenigen Tagen nötig gewesen war ihn die Treppe des Bootes hoch und herunter zu schleppen sowie mit ihm das Laufen neu zu üben. Cassie konnte von Glück reden dass ihm tatsächlich nichts passiert war während seinem Ausreißen, denn ansonsten hätte sein Raubtier von Bär ihm die Hölle heiß gemacht, kaum dass der Jüngere mal wieder wieder auf die Beine gekommen war.

Erst das ernste Versprechen ihn egal was kommen möge nicht zu verlassen war es, was den Ausdruck in Claires Augen wieder weicher werden und ihn seinen Partner aufmerksam betrachten ließ. Cassie mochte die Tränen von seinen Gesicht hinfort geküsst haben, doch noch immer glänzten die blaugrauen Augen vor dem Chaos an Gefühlen, welches unerwartet und ungewohnt heftig in der Brust des Bären wütete. Was der Jäger machen sollte, würde diesem Mann den er mehr liebte als sein eigenes Leben wirklich etwas zustoßen, wusste er nicht zu sagen. Cassie war der einzige der seine Welt zusammenhielt und sie lebens- und liebenswert für ihn machte, das war kein Geheimnis angesichts des Zustandes in dem er sich damals befunden hatte während ihres Kennenlernens.

Sanft hoben sich die blonden Brauen als sein Geliebter mit den Fingerspitzen darüber hinweg strich und begehrend reckte Clarence seinem Mann das Antlitz entgegen, sich den fremden Fingern entziehend nur um sie im Anschluss sachte mit Küssen zu bedecken.

Ja, sieh‘ uns an… heulend wie zwei kleine Mimosen, so weit gekommen und doch auf halben Weg verlaufen“, frotzelte der Blonde leise und erst schien nicht ganz klar worauf er sich bezog, denn verlaufen hatte er sich ganz sicher nicht auf dem Weg, den er gemeinsam mit Cassie gegangen war. Sie waren heute hier, gemeinsam, verbunden wie niemals zuvor und Claire würde rückblickend keinen einzigen Schritt anders gehen, so sehr liebte er die Verbindung, welche sich zwischen ihnen entfacht hatte.

Heute Abend hatte ihr kleiner offensichtlich erscheinender Trampelpfad auf dem sie zusammen gewandert waren allerdings eine so heftige Wendung eingelegt, dass sie das eigentliche Ziel darunter ganz und gar aus den Augen verloren hatten. Ein noch immer vom Kloß in seinem Hals ersticktes Lachen kämpfte sich Claires Kehle empor während er die Hände von der Brust seines Mannes hob und diesem damit sachte durchs Gesicht strich, im zwecklosen Versuch auch den Jüngeren nicht mehr ganz so derangiert aussehen zu lassen. „Gott, du bist echt ein planloser Vogel… ich bin so froh dich zu haben…“

Fassungslos über sein unverschämtes Glück schüttelte der christliche Junge den Kopf, strich ein weiteres Mal über die fremden Wangen und schließlich die von der schneidigen Weste bedeckte Brust hinab. Wenngleich Matthew zum anbeißen schön war mit dem unermesslichen Ausdruck von Freude, Glück und Fassungslosigkeit im Kandisbraun, so war er doch gefühlt noch immer halb nackt so wie er zwischen den Schenkeln des Jägers kniete. Ihr Anblick musste von außen betrachtet ein Bild für die Götter sein – doch die Situationskomik war bekanntlich schon immer auf Cassies Seite gewesen. Nicht nur jetzt, sondern auch wenn er sich mitten im Gefecht die Birne an einer Wand anschlug oder im Versuch verführerisch zu sein die Füße im lodernden Feuer verbrannte.

Mit grübelndem Biss auf seine Unterlippe, legten sich lautlos seine von fremden Tränen benetzten Finger an den Hosenbund seines Geliebten, rückten ihn etwas in die rechte Position und versuchten mit möglichst wenig Umstand den windigen Knopf zu schließen, damit der freche Kerl von Ehemann nicht mehr ganz so schlimm nach dem Schwerenöter aussah, den er noch vor wenigen Minuten zum Besten gegeben hatte. Das neckisch hervor blitzende Stückchen Bauch konnte jedoch selbst die gewissenhafteste Bemühung nicht kaschieren. „Du hast die Zwerge geweckt mit deinem ganzen Gelächter und ich… schiebe die Schuld ganz bewusst auf dich, weil jeder weiß dass ich nicht schuld sein kann, wenn es um sowas geht.“

Nur mit Mühe konnte Clarence sein freches Grinsen unterdrücken – und um ehrlich zu sein bemühte er sich nicht wirklich gut darum – als er spitzbübisch zu seinem Partner empor blickte. Die Worte waren kaum ausgesprochen, da konnte man jenseits des Feuers tatsächlich ein leises Gähnen vernehmen wohingegen sich aus dem Eingang ihres Unterstandes ein leises Fiepen bemerkbar machte, während der helle Abel auf leisen Pfoten zu ihnen geschlichen kam.

„Komm her, Großer… alles ist gut“, versuchte der Jäger zu beruhigen, streckte seine Hand nach dem schönen Tier mit Mutter von das ewige Eis aus und kraulte ihrem Junghund sorgsam die Öhrchen. „Alles ist gut… die Menschen haben nur ein bisschen Krach gemacht.“

Das Lachen mochte sie in Wahrheit weniger erschrocken haben als die Tränen die ihre beiden Herrchen verschüttet hatten, so viel stand fest – denn in den vergangenen Wochen waren solche nur dann gekullert, wenn es einem der beiden Männer schlecht gegangen war. Umstände auf die ihre beiden Anhängsel mittlerweile sicher schon geprägt waren, aber es war nie zu spät die Hunde auch mal unerwartet mit etwas Neuem zu konfrontieren, genauso wie es nie für einen Clarence oder einen Matthew zu spät sein würde.


Matthew C. Sky

Zwei Dinge zeichneten den rauen Klotz aus, der noch in Matthews Armen liegend den Schneid besaß diesen zu beleidigen und zu rügen.
Erstens: er war ein Sturkopf und Dickschädel. Wenn sich Clarence etwas einbildete tun zu müssen, dann tat er es auch, überdachte weder Risiken noch Konsequenzen. Gut gemeinte Ratschläge schlug er zumeist in den Wind, war taub für Einwände und Bedenken. Was immer sich dieser Kerl sich in den Kopf setze, er zog es durch. Angefangen von jahrelangen Fußmärschen ohne Schuhe, über riskante und schonungslose Routen bis hin zu waghalsigen Manövern in einem Feld voller riesiger Spinnen. Clarence war absolut, sich selbstverständlich auch anderen gegenüber, seine bisweilen direkte und schonungslose Art machte ihn kantig und nicht leicht zu händeln. Sein Eigensinn und seine Sturheit hatten Matthew in der Vergangenheit oft genervt oder frustriert, nicht zuletzt deshalb weil der Wildling mit seinem eigenen Leben und seiner Unversehrtheit umgegangen war, als bedeutete ihm beides weniger als der Dreck unter seinen Fingernägeln.
Anschmiegsam und zahm war dieser Klotz eigentlich nie gewesen, bis zu der Nacht am Lagerfeuer an welche sich Cassiel noch allzu gut erinnerte.
Aber was dem Blonden an Kompromissbereitschaft scheinbar fehlte, machte er wett durch seine Fürsorglichkeit.
Schon lange bevor sie beide mehr gewesen waren als bloße Gefährten, hatte er Matthew gerettet. Zuerst als er ihn gefunden hatte, später als eine Gruppe Gesetzloser Matthews Lager gestürmt und den Kleineren durch ihre zahlenmäßige Überlegenheit beinahe getötet hätten.
Clarence beschützte was ihm am Herzen lag, er beschützte es mit allem was er hatte ohne Rücksicht auf sich selbst zu nehmen. Natürlich hoffte Matt für sie beide, dass sie nie wieder in eine derartige Situation wie damals kommen würden - und doch war es vermutlich jene aufreibende Nacht gewesen, in der ihm klar geworden war, dass der schweigsame Mann neben ihm mehr war als ein kauziger Schamane der Exorzismen durchführte.
Ich hätte auch...kollabieren können als du mit Sally allein gewesen bist...“, erinnerte er ohne jedwede Schärfe den Blonden daran warum er eigentlich abgehauen war.
Die Insel, die unentwegte Beobachtung unter der er stand, die eigensinnige Aktion seines Mannes...all das hatte ihm das Gefühl gegeben weg zu müssen. Einfach fort, irgendwohin wo die Leute ihn nicht ansahen wie einen Mann der von den Toren auferstanden war.
Aber auch sein Groll auf den Größeren war unlängst wieder verstrichen, ebenso wie ernsthafter Groll auf Seiten des Hünen, dessen halbherziges Gemoser Matthew lediglich Schmunzeln ließ statt ihn wirklich zu tangieren.
Ich für meinen Teil heule nicht...der Rauch vom Feuer brennt nur in meinen Augen. Aber auf dich trifft die Beschreibung Mimose ganz gut zu.“, stichelte Cassiel lächelnd und mit Tränen in den Augen. Clarence hatte ein warmes Herz, ein einnehmendes Wesen, wunderschöne Augen und Lippen, einen Körper zum niederknien und das herzlichste, schönste Lachen der ganzen Welt. Wie sollte es da nur möglich sein, dass Matthew jenen Mann nicht vergötterte?
Das halberstickte Lachen seines Liebsten machte Cassiel strahlen. Es nach so langer Zeit zu hören, obgleich es doch eigentlich unmöglich erschienen war den Fluch ohne Clarence’ expliziere Bereitschaft zu brechen, befreite auch Matthew. Ruby-Sue hatte damals Clarence verflucht, sie hatte von Cassiel nicht ahnen können und doch war der Schmerz des Blonden auch zu seinem Schmerz geworden und der Bann hatte sich auch über ihn gelegt.
Wahrhaft ausgelassen zu sein...dass beschwor Clarence in dem Jüngeren herauf.
Du bist...selber planlos, Blondie...“, Cassie schniefte und wischte vorsichtig mit den Daumen unter Clarence‘ Augen entlang um die letzten Spuren der vergossenen Tränen aus dem Antlitz seines Liebsten zu tilgen. Selbiger machte sich daran ihn wieder richtig anzukleiden, ein Vorgehen welches Matthew nicht verstand, seinem verwirrten, süßen Ehemann aber aktuell durchgehen ließ.
„Du solltest mich ausziehen...nicht an...“, wisperte er, in der Hoffnung, dass der Blondschopf sich wieder besann - eines Hoffnung die zerschlagen wurde, als sich Abel zeigte und von draußen zu ihnen trottete. Der junge Hund brachte Schnee mit herein, aber viel schlimmer als das war, dass er geradewegs die Chancen für ein knisterndes Intermezzo geschmälert hatte.
Dennoch streckte auch er die Hand nach dem Tier aus um es zu streicheln, sah kurz zur Seite zu Clarence und lächelte wieder glücklich.
„Hey mein Junge, na alles klar da draußen?“, auch Kain hatte sich von seinem Schlafplatz erhoben und war im Eingang ihres Unterschlupfes aufgetaucht. Doch anders als sein Bruder präferierte der dunkle Wolf die Kälte jenseits des Feuers.
„Kommst du, um nachzuschauen was hier so abgeht, hm? Keine Sorge, dein Dad und ich haben nur beide gerade...festgestellt... wie gut es ist hier zu sein.“
Cassiel leckte sich über die Lippen, wandte kurz den Blick von dem Hund an und drehte sich wieder zu dem Hünen herum, den er kurz auf den Mund küsste.
Dann kam er von den Knien auf die Füße und stand auf um ihre Lagerstätte für einen Moment zu verlassen. „Bin gleich wieder da, ihr zwei. Ich schau mal nach dem Pferd...“
Dass dies nur eine Ausrede war, war eigentlich klar. Im Grunde wollte er lediglich frische Luft schnappen, wieder einen klaren abköpfe bekommen und sich etwas sammeln.
Vor dem Lager blieb er stehen, streckte sich - sehr wohl in dem Wissen das Clarence eine perfekte Sicht auf ihn hatte - und atmete tief durch. Die kalte Winterluft war belebend und half ihm dabei sich wieder etwas in den Griff zu bekommen. So aufgewühlt wie er war hatte er das auch dringend nötig, immerhin hatte Clarence ihn gerade vollkommen überrumpelt.
Nur wenige Schritte von ihrem Unterschlupf entfernt stand das Pferd dösend unter einem Felsvorsprung. Ebenso wie für ihr eigenes Lager hatten sie der Stute eine Art provisorischen Paddock gebaut. Aus stabilen Ästen die sie zwischen die Bäume gelegt und somit einen natürlichen Zaun geschaffen hatten. So konnte das Tier sich frei in einem abgegrenzten Raum bewegen. Das Zaumzeug hing an einem der Äste ebenso wie der Sattel.
Verfolgt von Kain, der seinem jungen Herrchen lautlos in die Dunkelheit hinein folgte, ging Matthew zu dem aufgehängten Sattel. „Was geht hier draußen vor? Nicht viel, will ich hoffen.“, fragte er Kain, der ihn ansah aber schwieg. „Weißt du, ich glaube es wird Zeit das wir allmählich wirklich vor dem Winter abhauen. Ich wette der Süden gefällt dir und deinem Bruder so gut wie mir.“
Matthew streichelte den dunklen Wolf als er den Sattel erreicht und in dessen Taschen einen silbernen, mit Ornamenten verzierten Flachmann gefunden hatte.
Der Inhalt war ein anständiger Whiskey aus ihrem gemeinsamen Reservoir. Nicht das brennige Gesöff wie man es in den meisten Kneipen serviert bekam, aber auch nicht Nobel genug als das die Aristokraten und Reichen der Metropolen sich damit abgeben würden.
Solide Mittelklasse die einen von innen wärmte ohne direkt in denKopf zu steigen.
Mit dem Flachmann in der Hand und zumindest halbwegs wieder gefasst, kehrte er schließlich in das gemeinsame Lager zurück wo Abel es sich neben Clarence gemütlich gemacht hatte.
„Sieh sich das einer an, Kain. Zwei Blondies auf einen Streich.“, kommentierte Matthew keck und setzte sich ans Feuer. Abel hob den Kopf, sah kurz zu ihm und legte sich zurück zur Ruh, die Schnauze auf Clarence’ Oberschenkel gebettet.
„Ich hab uns was mitgebracht, passend zu einer kalten Nacht in der Wildnis.“
Der verzierte Flachmann wurde Clarence entgegengehalten. „Denn ich mag vielleicht nicht in der Lage sein, so ein schönes Feuer zu entfachen - aber ich weiß, dass mein Mann meinen Spuren im Schnee zu folgen weiß.“
Hatte er gewusst das Clarence ihm nachkommen würde? Nein. Aber er hatte damit gerechnet - und vorgesorgt, so wie er es öfter tat als man ihm zutrauen mochte.


Clarence B. Sky

So intensiv wie sie einander liebten, so leidenschaftlich wussten sie auch aneinander herum zu sticheln und ihrem Gegenüber das herumgedrehte Wort aufs Butterbrot zu schmieren. Natürlich heulte ein Söldner von Welt nicht und wie die kleine Jägermimose auf jene Idee nur hatte kommen können, würde man vermutlich nie verstehen ohne dabei an Claires gesundem Menschenverstand zu zweifeln. Würde man Fremde auf offener Straße ansprechen, dann bestanden tätowierte Männer aus ihrem beruflichen Metier sowieso nur aus Kruppstahl und unbeugsamem Stein, niemals aber aus mehr Emotionen als Freude über den eigenen Sold oder gar den Triumph über den Gegner.

Dass unter der harten Schale tatsächlich mehr schlummerte als das ungeschulte Auge jemals sehen würde, bewiesen die beiden jungen Männer lediglich in trauter Zweisamkeit und wenn es nach Clarence ging, war das mehr als gut so. Was sie miteinander teilten - körperlich, emotional, aber auch seelisch – das war ganz alleine ihnen beiden vorbehalten. Sich Matthew zu öffnen war etwas Besonderes und nach allem was der Hüne bevor ihrer Hochzeit von seinem heutigen Mann erfahren hatte, ging es Cassie da nicht anders. Einen derartig wertschätzenden Umgang miteinander zu pflegen war eines der kostbarsten Güter in rauen Zeiten wie den ihren; viel zu oft wurde man von vermeintlichen Freunden verkauft, von der eigenen Familie hintergangen, von den Nahestehenden hinterrücks attackiert. Jeder war sich selbst der Nächste und sein Herz gegenüber allem und jedem auf der Zunge zu tragen der größte Fehler, den man sich erlauben könnte.

Vertrauen zu fassen war immer kritisch, ein Grundsatz den Cassie ihn nach ihrem Kennenlernen lange Zeit hatte spüren lassen bevor die Anspannung und Skepsis irgendwann aus dem schönen fremden Leib gefahren war.

Was blieb war Zuversicht, war Gemeinsamkeit und war Wärme, gipfelnd in tiefen Gefühlen füreinander und gelebt in einem kleinen aber gemütlichen Zuhause, komplettiert durch zwei Hunde die aus einer scheinbar experimentellen Beziehung ein verantwortungsbewusstes und ernstzunehmendes Band gemacht hatten.

Ein schweigsames Schmunzeln legte sich über Claires Lippen angesichts des offensichtlich anzüglichen Kommentars seines Geliebten und so gerne er den Jüngeren in den meisten Fällen auch auszog, unterm Strich wusste er ja doch über die Vorlieben und Abneigungen seines Partners. Selbst wenn die Hunde schon hundert Jahre alt wären, taub und blind, dann würde ihr Techtelmechtel doch nie über ein paar scheue Küsse hinaus gehen. Da hatte Cassie eben seine Prinzipien, auch wenn der Jäger nicht immer alle davon grundlegend zu verstehen wusste.

Sorgsam ließ er seine unvollständigen Finger durch das Fell ihres treuen Begleiters gleiten, dem seitens Kain kaum mehr in Größe nachgestanden wurde. Als sie die beiden erworben hatten, da war Abel der weit kräftigere und fidelere der Welpen gewesen – der schwarze hingegen ein Häufchen Elend und lediglich nur noch ein Schatten seiner selbst. Sich in dem kleinen Zwinger durchzusetzen hatte er nicht geschafft, war von dem kleinen Napf immer wieder verstoßen worden und Clarence war sich sicher, hätte er dem Händler das Tier damals nicht für einen Apfel und ein Ei abgeschwatzt, der schöne Hund wäre heute Geschichte. Doch unter dem wachsamen Zutun seiner neuen Besitzer, aufmerksam und darauf bedacht ihnen beiden das zukommen zu lassen was sie benötigten um zu wachsen und zu gedeihen, hatte er die Differenz zu Abel mittlerweile locker wieder aufgeholt.

Wachsam folgten Kains Blick und schließlich auch seine lautlosen Pfoten dem jüngeren seiner Herrchen als es sich erhob um ihre lauwarme Stätte für einen Moment zu verlassen und wenngleich Claire nicht von Anfang an bei Cassies kleinem Ausflug mit dabei gewesen war, so wusste er doch sicher, dass ihre beiden Anhängsel jederzeit gut auf seinen wertvollsten Besitz aufpassen würden. Am Anfang mochte der Jäger noch skeptisch gewesen sein über den Wunsch seines Freundes sich spontan einen Hund zuzulegen, doch rückblickend war es bis zu jenem Augenblick die beste Entscheidung, die sie jemals zusammen getroffen hatten. …insofern man das so definieren konnte hinsichtlich dessen, dass Cassie ihn mit seinem unverschämten Hundeblick mehr dazu überredet hatte als ihn wirklich um seine Meinung zu bitten.

Auch Claires Blick folge für einen Moment aufmerksam dem sich streckenden Schemen seines Mannes der sich langsam in die Schatten der nebenstehenden Bäume verlor, wobei er sich in offensichtlicher Manier über die Lippen leckte. Cassie war furchtbar, er war ein ganz und gar furchtbarer Gefährte und verdammt noch eins, der Kerl war sich dessen auch noch ziemlich im Klaren, das wusste Clarence. Selbst Kinder waren in ihrer unerschöpflichen Energie schneller klein zu bekommen als der Dunkelhaarige und wenngleich man meinen sollte dass ein nervenaufreibender Besuch im Kerker, ein stundenlanger Ausritt, die Jagd nach Wild und dessen Ausnehmen sowie ein ausgiebig zelebriertes Stelldichein in einer heißen Quelle den drahtigen Waldläufer irgendwann eigentlich mal entkräften sollten, so wurde Cassie doch niemals müde sich wieder aufzurappeln, sobald ein weiteres erotisches Abenteuer in der Ferne nach ihm winkte.

Dein Dad…“, zitierte der Blonde schließlich mit gleichfalls skeptischem wie amüsiertem Tonfall seinen Gatten und blickte dabei auf den gleichfarbigen Hund hinab, „hat ein ziemlich glückliches Händchen wenn es um Männer geht, wie mir scheint. Wollen wir nur hoffen, dass ihr mir das eines Tages nicht kaputt macht mit eurem fehlenden Feingefühl.“

Sorgsam strich er ein letztes Mal durch die dichten Haare des Zwerges hinweg, bevor er ein Stückchen näher an das prasselnde Lagerfeuer heran rutschte und den tanzenden Flammen seine kalten Füße entgegen streckte. Manchmal hatte es die Tierwelt ziemlich gut, niemals würden sie die großen Dramen der Menschen verstehen welche sich Tag für Tag auf dieser großen weiten Erde abspielten, noch würden sie sich von ihrem auserwählten Partner abhalten lassen wenn erst mal die ersten Steine gelegt hatten. Nur Abel würde diese Misere vermutlich niemals verstehen wie es schien, denn ungefragt folgte ihm der kleine Frechdachs um sich mit einem schweren Gähnen neben ihm nieder zu lassen.

„War mir sowas von klar…“

Kopfschüttelnd seufzte Clarence und legte seine Hand zurück auf das warme Haupt ihres Gefährten, die Fingerspitzen weich durch das dichte Fell an Abels Hals kraulen lassend. Vielleicht hatte Matthew gar nicht so unrecht wenn er sie als Väter dieser beiden unverschämten Kleinkinder bezeichnete, denn ähnlich wie ihre jungen Genossen auf zwei Beinen hatten auch die beiden Hunde die durchaus fragwürde Gabe, ihre Eltern von wohlverdienter Zweisamkeit abzuhalten. Nachwuchs konnte etwas furchtbar Schönes sein, aber ihr sechster Sinn für die unpassendsten Momente machte einen sich manchmal wünschen, die Familienplanung nachträglich doch noch mal zu überdenken.

Erst als vertraute Schritte mit leisem Knacken von Ästen und Knirschen von Erde die Rückkehr seines Mannes ankündigten, hob Claire wieder den nachdenklich gewordenen Blick von Abel, welcher begonnen hatte unter dem unermüdlichen Zutun des Schamanen langsam wieder ruhiger zu werden. Auch Kain ließ sich nicht lange bitten sich zu der illustren Runde zu gesellen, auch wenn der noch etwas schmächtigere der beiden Hunde weit ausgeschlafener schien als sein Bruder.

„Stets zu Euren Diensten, ihr beiden Streuner“, konterte eines der besagten Blondies und nickte dem Prohibitionsdemonstranten anmutig zu, welcher ihm kurz darauf aber nicht mehr ganz so koscher vorkam wie vermutlich erhofft. „Ist der neu?“

Fragenden Blickes hoben sich die blonden Brauen beim Anblick des verzierten Flachmanns, dessen Funkeln im Schein des Lagerfeuers silber gebrochen wurde. Sicher hatte Cassie das Teil von der gleichen alten Dame wie auch das Pferd, den kleinen Topf in dem noch immer das Wasser abkochte um zum Wildschwein verzehrt zu werden und die Decke – und wenngleich es löblich war dass sein Mann ihnen was mitbrachte, verengte sich unmerklich für den Bruchteil einer Sekunde der Blick des Jägers.

Zögernd musterte er das von Schnörkeln überzogene Gefäß, zuckte schließlich jedoch gleichgültig die Schultern und löste sich von Abel um den Alkohol entgegen zu nehmen. Sachte streiften seine Finger dabei die des Dunkelhaarigen und strichen darüber hinweg, ohne Frage eine mehr als offensichtlich zärtliche Zuwendung, die früher undenkbar zwischen ihnen gewesen wäre. Doch Zeiten änderten sich und eben weil dem so war, hielten zunehmend mehr kleine Aufmerksamkeiten Einzug in ihren Alltag.

„Und weil du das weißt, hast du natürlich ganz und gar ohne Hintergedanken dafür gesorgt, dass du deinen Mann in der Wildnis schön abfüllen kannst jenseits der Zivilisation?“, schlussfolgerte Clarence aus der scheinbar unschuldigen Geste, die aus diesem Blickwinkel gar nicht mehr so unschuldig erschien. Nicht umsonst reichte Cassie immerhin zuerst seinem auserwählten Opfer den Flachmann anstatt selbst den ersten Schluck zu nehmen. Eine ausgeklügelte Taktik, das musste man diesem Schwerenöter einfach lassen.

Aber weil ein Schluck Hochprozentiges in der schneebedeckten Kälte tatsächlich nicht weit her geholt und Claire um ehrlich zu sein ein recht dankbares Opfer von Matthews begehrender Zuneigung war, würde er aus der vorherrschenden Dreistigkeit sicher keine große Diskussion machen sondern sich artig in sein Schicksal fügen.

Unter leisem Klappern öffnete er den Schraubverschluss und hielt sich das gute Stück kurz unter die Nase um daran zu riechen.

„Mhh… da weiß jemand, wie er einen Mann wie mich locken kann.“ – Whisky war sein Verderben, das hatte nicht zuletzt ihre kurze Trennung in Coral Valley offenbart. Unterm Strich war Clarence nicht wählerisch, weder was sein Essen noch was den Alkohol anging. Doch zu einem guten Whisky, da hatte der Jäger noch nie Nein sagen können.

Vorsichtig hob er die Öffnung an die Lippen, ungewiss was genau Matthew ihnen dort abgefüllt hatte um sich den Blonden damit gefügig zu machen, doch entgegen aller Erwartungen wurde der Ältere nicht von seinem Mann enttäuscht. Anstatt ihm schon beim ersten Schluck das halbe Augenlicht weg zu brennen – wie es leider dank fragwürdiger Braukunst oftmals der Fall war wenn man jenseits von größeren Ortschaften etwas orderte – entflammte lediglich eine angenehme Wärme die Brust des Trinkers, kaum da die bernsteinfarbene Flüssigkeit seine Kehle benetzt hatte. Vom Entfachen eines Feuers mochte Cassie selbst heute noch nichts verstehen, aber wenn sein ausschweifendes Leben dem jungen Söldner etwas beigebracht hatte, dann die Spreu vom Weizen zu trennen und sich bei Auswahl verlässlich für gute Qualität zu entscheiden.

Erst nachdem Clarence einen zweiten Schluck genommen hatte, drehte er den Verschluss lose zurück auf das Gefäß und betrachtete es erneut für einen Moment, bevor er es zurück an den Jüngeren reichte. Es war mittlerweile Ewigkeiten her dass sie eine Nacht gemeinsam am Feuer verbracht hatten, trinkend und darauf wartend dass ihr frisches Wild alsbald zum Verzehr bereit war – und der Hüne genoss es heute sichtlich mehr als damals, nun wo er das Lager nicht mehr mit einem Fremden teilte, mit dem er nur den gleichen Weg gemeinsam hatte.

„Das vorhin... das war mein Ernst. Ich will hier ablegen, Cassie“, erhob er nach kurze Schweigen brummend die Stimme und legte, kaum um den Flachmann erleichtert, beruhigend die Hand auf Abels Brustkorb damit dieser nicht aufsprang als Claire vorsichtig ein wenig dem Jüngeren entgegen rutschte. „Sobald du sagst du fühlst dich kräftig genug um wieder deinen Magen auf hoher See zu überstehen, will ich hier weg. Es war nett ein bisschen Nachbarn zu spielen mit den Leuten hier, aber…“

Unsicher hob der Bär die Schultern, denn eigentlich brauchte es ja nicht mal eine Begründung dafür. Sie hatten andere Ziele gehabt als sie aus Coral Valley aufgebrochen waren, wirklich gänzlich andere Ziele als auf einer Insel wie dieser hier notgedrungen zu versacken. Prinzipiell trieb sie ja nichts, sie hätten auch Zeit zu warten bis Cassie es schaffte wieder drei Mal am Stück ohne Pause um die Insel zu rennen, aber ein seltsamer Beigeschmack blieb eben trotzdem.

„Ich… fühle mich wohler wenn wir andere Dinge machen. Sowas wie das hier, uns abends ein Lager am Festland aufschlagen… oder einfach nur ein bisschen die Welt erkunden. Je länger wir hier sind, umso mehr vergesse ich, dass wir eigentlich Flitterwochen in der Sonne miteinander verbringen wollten. Mittlerweile sind es Flittermonate im Schnee geworden und das obwohl wir…“ – oh, da gab es viele Möglichkeiten diesen Satz zu beenden. Er hatte Cassie versprochen ihn in den Süden zu bringen, er hatte sich selbst vorgenommen ausgiebig in praller Sonne das Deck auf ganz verdorbene Weise mit Cassie einzuweihen. Sie hatten sich faulenzen gesehen, irgendwo an exotischen Stränden im schneeweißen Sand und Clarence seinen Mann, schwitzend in kurzen Shorts und ihm damit den ganzen Tag den Kopf verdrehend.

Vielleicht war das ja der normale Fluch dieser Welt dass die Zukunft zu Beginn noch rosarot aussah wenn einem die Reise in alle Richtungen offen stand und man genug Geld sowie Können hatte um diese Privilegien zu nutzen, doch noch würde Clarence nicht aufgeben daran zu glauben, dass diese Flucht aus allem auch noch angesichts einer offensichtlich besessenen Fischerstochter möglich sein könnte.


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