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Die heiße Quelle

28. Mai 2210


Der Hufschlag der imposanten Stute ließ glitzernde Wolken von Schnee aufsteigen und die Erde scheinbar erbeben. Ihre tiefen und gleichmäßigen Atemzüge mischten sich zu den anderen Klängen. Das Donnern ihrer Hufe, das Bellen der Hunde, das Rascheln und Knacken der Äste, die unter ihrem Gewicht brachen.
Matthew war es gelungen, Gretchen davon zu überzeugen ihm die Stute für einen Jagdausflug zu überlassen - freilich unter der Aussicht, einen Teil der erjagten Beute zu bekommen.
Zurück bei der Harper Cordelia, hatte Matthew sich über sein Shirt einen grauen Pullover gezogen und über diesem seine maßgeschneiderte und mit Pelz abgesetzte Lederweste. Die fingerlosen Lederhandschuhe komplettierten sein robustes und zugleich anmutiges Outfit und machten aus dem lädierten jungen Mann von Übersee in Nullkommanichts einen ansehnlichen Waldläufer.
Den Köcher und Bogen über der Schulter verließ er die behagliche Wärme im Bauch des Bootes und tauschte diese ein, gegen die beißende winterliche Kälte des sonnigen Tages. Bereut hatte er diesen Tausch bisher noch nicht, auch wenn es deutlich bequemer gewesen wäre einfach auf Clarence zu warten.
Mit geübter Leichtigkeit parierte er die Stute von ihrem raumgreifenden Galopp in einen weichen Trab durch. Der krisselige Pulverschnee raschelte leise bei jedem ihrer Schritte und schließlich hielt Cassiel sie an. Seine Wangen und Nase waren gerötet vor Kälte, sein kurz geschnittenes Haar zerzaust. Der junge Mann, für den die Stute eigentlich viel zu groß anmutete, schnaubte und scharrte mit einem Vorderhuf. Matthew sah neben sich, Kain und Abel standen hechelnd neben der Pferdeschulter und blickten sich scheinbar zufrieden um. Den zugeschneiten Weg hatten sie schon vor etwa fünfzehn Minuten verlassen und nun standen sie in der unberührten Natur. Freilich, diese Insel bot keinen wirklich unerforschten Flecken mehr, aber fernab der Häuser, fernab menschlicher Geräusche, war es leicht so zutun als sei man zurück in der Wildnis.
Matthew nahm die Zügel wieder in eine Hand, drängte lautlos seine Schenkel gegen den Bauch der Stute und veranlasste sie dazu weiterzugehen. 

Matthew C. Sky

Der Hang den sie erklommen war weitestgehend kahl, nur vereinzelt standen kahle Laubbäume und kleine Gruppen von Nadelgehölz herum.
Matthew legte den Kopf in den Nacken, als ein Bussard kreischte und beobachtete das Tier am Himmel. Bis auf die Gesellschaft der Tiere, war Cassiel ganz allein und es wäre eine glatte Lüge zu behaupten ihm würde Clarence nicht fehlen.
Dieser dämliche, waghalsige und egoistische Trottel, der sich lieber mit einer Irren im Kerker einsperrte als mit ihm zusammen den Tag zu verbringen.
Er saß lieber unten in der muffigen kalten Zelle, statt mit ihm hier zu sein. Was sagte das aus? Eine ganze Menge. Matthew hatte die Schnauze gestrichen voll von den Alleingängen des Jägers, jedes Mal von Neuem schloss er ihn aus, stellte ihn vor vollendete Tatsachen und erwartete von ihm, dass er treu und artig auf ihn wartete. Er machte die Dinge nach wie vor mit sich aus, der Ring an seinem Finger hatte daran nichts geändert und je länger Matthews Gedanken bei dem Anderen verharrten, umso wütender wurde er wieder.
Schweigsam ritt er, gefolgt von Kain und Abel die für solche Ausflüge wie geschaffen zu sein schienen, weiter hinauf und erreichte schließlich den Scheitelpunkt der Anhöhe. In einigen Metern Distanz führte ein Weg in den mit Schnee überzuckerten Wald, in dessen Hintergrund der Cascade Hill aufragte.
Doch statt den Pfad zu nehmen, schlug Matthew eine andere Richtung ein. Statt im gestreckten Galopp ließ er die Stute nun mehr langsam und mit Bedacht ihre Schritte setzen, mied Steine und Äste gezielt um Wildtiere nicht zu verschrecken die in der Nähe waren. Lautlos nahm er den Bogen von seinen Schultern, griff einen Pfeil aus dem Köcher und dirigierte das Pferd mit den Schenkeln zwischen Büschen und Bäumen hindurch. Auf einer Lichtung stand ein Gruppe von Rehen. Die Tiere hatten sich den Boden freigescharrt und knabberten an dem Grün, was so jäh durch den Wintereinbruch begraben worden war. Kain und Abel waren instinktiv still geworden und hatten sich abgeduckt. Kein einziger Laut war zu vernehmen, während der junge Mann einen Pfeil auf die Sehne legte, sie spannte und hielt. Ein Auge zugekniffen zielte er, straffte die Schultern, atmete aus und schoss. Was Matthew schon hunderte Male zuvor getan hatte, scheiterte heute zum ersten Mal seit unüberschaubarer Zeit wieder. Statt den Rehbock ins Genick zu treffen, verfehlte er das Tier um etwa einen halben Meter. Sofort hoben die Tiere die Köpfe und sprangen davon, huschten ins Dickicht und verschwanden.
Matthew ritt näher zur Lichtung, sprang von dem Pferderücken und hob den Pfeil auf, der in der Erde steckte. Es war ewig her, dass er ein Ziel verfehlte, entsprechend ungläubig verharrte er einen Moment an Ort und Stelle.
In den nachfolgenden eineinhalb Stunden verbrachte der junge Mann seine Zeit damit den Tieren des Waldes nachzustellen. Immer wieder zielte er konzentriert, nur um die Beute knapp zu verfehlen. Es lag nicht an mangelnder Kraft aufgrund seiner langen Pause, es lag auch nicht an mangelnder Übung oder daran, dass seine Finger von der Kälte taub waren. Der Grund für sein Scheitern war sein Auge, jenes auf der Seite, wo Sally Mitchell ihn erwischt hatte und auf dem er noch immer nicht wieder einwandfrei sehen konnte.
Im Laufe der Zeit gelang es Cassiel zwei Tiere zu schießen: einen Keiler und einen Fasan.
Die Beine des Federviehs hatte er zusammengebunden und den Kadaver an den Sattelknauf gehängt, die Läufe des Wildschweins hatte er ebenfalls zusammengezurrt und ließ die Stute das Tier hinter sich entlang schleifen.

Mittlerweile hatte die Sonne ihren Zenit überschritten und glänzte golden auf dem Schnee, ließ die Wildnis idyllisch und zauberhaft wirken. Ein letztes Mal für heute wollte der junge Mann den Spuren im Schnee folgen, also lenkte er sein Pferd nicht zurück in Richtung Dorf, sondern weiter gen  Cascade Hill.
Irgendwann mischte sich zu den Geräuschen des Waldes, das Rauschen von Wasser und statt weiter den Spuren zu folgen, beschloss Cassiel den Ursprung des Geräusches ausfindig zu machen.
Der Wald lichtete sich etwas, der Schnee wurde weniger und die Luft wärmer, Kain und Abel liefen voraus und Matthew ließ die Stute wieder sanft bergauf galoppieren. Schließlich erreichte einen breiten, flachen Fluss dem der junge Mann noch einige Minuten lang folgte, bis das Gelände so unwegsam wurde, dass er von dem Pferderücken stieg und die Stute führte.
Der einigermaßen beschwerliche Weg fand ein plötzliches Ende als Cassiel eine Senke fand in der sich in verschiedenen natürlichen Becken dampfendes Wasser sammelte.
Wie Nebel schwebte der Wasserdampf in der Luft und Matt betrachtete die Szenerie fasziniert. Wäre Clarence nun hier gewesen, hätte er sicher vorgeschlagen hier ihr Lager aufzuschlagen. Aber ihr Lager war mittlerweile  ihr Boot und Clarence war nicht bei ihm… In etwa vier Stunden würde es vermutlich schon einigermaßen dunkel sein, dennoch band der Dunkelhaarige das Pferd an einem der Bäume fest, löste den Fasan vom Sattelknauf und überließ ihn beiden Hunden als Mahl, die sich gierig darauf stürzten. Während Kain und Abel sich um die besten Stücke stritten, prüfte Matt die Wassertemperatur mit den Fingern. Heiß war sie, aber nicht zu heiß.

Und inmitten der abgeschiedenen Natur, allein mit sich und seinen Gedanken, begann der junge Mann nun damit sich zu entkleiden. Der Schnee unter seinen nackten Füßen war bitterkalt, ebenso wie die klare Bergluft. Zart erhoben sich seine rosigen Knospen unter des plötzlichen Wandels der Temperaturen, gleichsam wie sich eine feine Gänsehaut auf seinen Körper legte. Vor seinen Lippen kondensierte Matthews Atem und jeder Muskel – angespannt vor Kälte – schien sichtbar.
Langsam und Schritt für Schritt glitt er tiefer in das heiße Nass, erschauderte wohlig und blieb stehen als das Wasser knapp seine Scham bedeckte. Leichter Schneefall hatte eingesetzt und Matt betrachtete fasziniert wie die Flocken schmolzen, kaum da sie in die Nähe der Wasseroberfläche kamen. Ein Teil der schwerelosen Flocken landete auf seinem Schopf und auf seinem Leib, doch auch auf seiner Haut lebten sie nicht lang, sondern verwandelten sich alsbald in glitzernde Wassertröpfchen. Wie eine Gestalt aus einem Gemälde stand er da. Die Haut blass, die Bilder umso kontrastreicher in ihrer Farbe, das Haar und der drei-Tage Bart dunkel wie seine Augen. Zierlich war er und doch von sehniger Eleganz die verriet, wie wendig er war. Und obgleich ein Außenstehender es nie vermutet hätte, so war der junge Mann in der heißen Quelle nicht vollständig. Es fehlte der wohl wichtigste Teil von ihm, jener der die reservierte Aufmerksamkeit aus seinen Augen vertrieb und die Anspannung aus seinen Muskeln weichen ließ.


Clarence B. Sky

Laut und durchdringend ließ Clarence die Welt unter seinen schweren Stiefeln erbeben, als er die beinahe unschuldige Schneedecke durchschritt. Der Winter, der sie vor wenigen Monaten durch überschaubare Tage von Frost überrascht und sich alsbald in ein wahrhaftes Flockengestöber gewandelt hatte, war längst über das Land wie sie es kannten herein gebrochen.
Viel zu viele Jahre hatten sie den Sommer durchlebt, waren in der Sonne geschmort und in der Hitze des Tages versengt worden. Über sieben Jahre lang hatte es nichts anderes gegeben als Wärme, grüne Wiesen, goldenen Felder und glorreiche Ernten, wenn sie nicht dann und wann in der Glut des Mittags verglüht waren. Der Sommer war ein wahrer Segen für die Welt wie Matthew und Clarence sie kannten, er war herbei gesehnt wie das Tageslicht nach einer viel zu langen Nacht und fühlte sich im Alltag natürlich an wie jeder unbedachte Atemzug.
Wenngleich der Winter dem Sommer in der Länge seiner Regentschaft in nur wenig nachstand, verhielt es sich mit dem eisigen Schneegestöber spürbar anders. Den tropischen Temperaturen gewachsen, sahen sich die Leute plötzlich dem größten Unheil entgegen, welches sie sich nur vorstellen konnten. Ihre Häuser hielten dem eindringenden Eis nicht stand, Holzvorräte gingen zur Neige, die Ernten gefroren so unerwartet schnell wie der Winter an sich und die Kornspeicher waren niemals wirklich voll genug, um die weißen Jahren ohne Verluste von Geliebten zu überstehen.
Selbst Clarence, erfahren in der Wildnis und mit dem Überleben an sich, folgte mit stillem Blick nachdenklich dem kondensierten Atem vor seinem eigenen Antlitz und fragte sich was gewesen wäre, hätte Cassie ihn nicht dazu überredet gerade noch rechtzeitig ihre Route abzuändern und Coral Valley anzusteuern. Vielleicht hätten sie es trotz Eis und regelrecht erwachender Gletscherspalten gemeinsam über den Devils Teeth geschafft, hätten Ridgewood einigermaßen unbeschadet erreicht und alsbald Einlass in eine der windschiefen Hütten gefunden, um ihr eigenes Leben vor dem umschlagenden Wetter zu retten. Vermutlich hätte man sie mit der Eliminierung der dort wütenden Mächte beauftragt und sie angesichts des Schnees auch nicht sofort wieder vor die Tür gesetzt. Doch dann?
So wenig sich Clarence generell für den Verbleib von Menschen interessierte, so fragte sich der Jäger doch mit gewisser Neugierde, ob das kleine Nest Ridgewood mittlerweile überhaupt noch Leben beherbergte. So wirklich konnte er sich das nicht vorstellen und alleine der Gedanke daran, sie selbst hätten zwei der gesichtslosen Frostleichen in einem der Häuser sein können, machte ihm den aktuellen Zwist mit seinem Mann gleich viel bedeutungsloser angesichts des unermessbaren Glücks, das sie miteinander teilten.
Es hatte den Hünen gleichsam überrascht, nur wenig verwundert, mit Sorge erfüllt und entzürnt, wieder im Tageslicht angekommen zu sein und sich darüber gewahr werden zu müssen, dass sein Mann verschwunden war. Mitsamt ihrer beiden Hunde, dieser Dreckskerl. Dass er ihm aber auch nicht mal ihren Anhang dalassen konnte! Was war daran zu viel verlangt gewesen, er sollte auf ihn warten und dabei versuchen keine Dummheiten anzustellen?
Während Clarence den hellen Wolken vor seinem Gesicht folgte und versuchte darin irgendwelche Formen zu erkennen, kam er nicht um die Frage umhin, ob Matthew ihm wirklich so wenig vertraute. Sicher, es war wenig schicklich gewesen einfach das Tor zu schließen und das Beste aus der Situation zu machen, die sich ihm in einem solchen Fall bot. Zu viel verstreichende Zeit vor seiner Rückkehr hätte Sally zweifeln machen können ob seiner angeblichen Loyalität zu ihr, sie hätte einen Plan vermuten können hinter seines spätem Umdrehens, wie er ja auch wirklich existierte; vielleicht, vielleicht auch nicht, hätte der Jüngere ihm seine Überlegungen abgesegnet und von sich aus gestattet, zu der Verrückten zurück zu kehren. Doch er kannte Cassie zu gut um zu wissen, dass wenige Sekunden für eine einfache Diskussion miteinander nicht ausreichten und manchmal – das lernte man früh wenn man der Berufung des Jägers nachging – war es jedes einzelne Ticken der Uhr, welches in einem solchen Fall zählte.
Nur wenig begeistert war der Schamane den kaum zu übersehenden Spuren im frischen Schnee gefolgt, bis zu jener Stelle an derer sein Partner ganz offensichtlich begonnen hatte das kleine Städtchen zu verlassen. Es mochte Glück im Unglück gewesen sein, dass Clarence sich an eben jenem Punkt dazu entschieden hatte zuerst wieder zum Boot zurück zu kehren um sich für einen derartigen Ausflug einzudecken – denn nur so hatte er die schweren Hufspuren am Hafen entdecken können, bis hinab zu ihrer Anlegestelle, die einzig und alleine von dem impulsiven Ausreißer hatten stammen können.
Was sich Matthew dabei dachte einen derartigen Tagesausflug zu begehen – insofern überhaupt dabei nachgedacht hatte – war dem Blonden bislang noch immer mehr als unklar. Nur wenige Tage war es her, da hatte dieser Taugenichts es nicht mal alleine die Treppe zu ihrer Wohnstube hinab geschafft und dementsprechend war es kein Witz von Claire gewesen, er hatte oben in der Halle versuchen sollen während des Wartens nicht zu kollabieren. Wenn er diesem Kerl hier draußen im Schnee fand, vom Pferd gefallen und bewusstlos, unterkühlt bis auf die Knochen und zurück in einem Zustand wo er nicht mehr Herr seines eigenen Körpers war… dann Gnade ihm Gott, der Schamane würde ihm die kommenden Tage zur Hölle auf Erden machen.
Leise raschelte das schwere Holster an seinen Schenkeln, während der Schnee noch immer unter seinen Stiefeln krachte und Clarence die kalte Nasenspitze tiefer im Pelz seines Mantels vergrub. Ob er sich für den Weg mit Waffen eingedeckt hatte um sich hier draußen vor Wildtieren zu schützen, Abendessen zu erlegen oder etwas zur Hand zu haben um im Affekt seinen Ehemann umzulegen, da war sich Claire noch nicht so ganz sicher; auf der anderen Seite war es ihm nicht entgangen, dass der imposante Bogen des Waldläufers ebenso aus ihrem Bootsarsenal verschwunden war und ein spontaner Zug Kugel gegen Pfeil war vielleicht genauso Hilfreich um ihren Disput am heutigen Tage aus dem Weg zu räumen, wie jedes unverständliche Wort es ebenso gewesen wäre.
Wie lange der Schamane schon unterwegs war wusste er nicht genau zu sagen, dazu hatten sich die schneebehangenen Wolken zu sehr am Himmel zusammen gezogen und machten die sicher dahinter existierende Sonne dadurch unkenntlich. Der Tag hätte so schön sein können, hätte Cassie auf ihn gewartet und sei es nur dafür, direkt im Anschluss in den garantiert anstehenden Streit auszubrechen. Hätte er in der unberührten Natur mit ihm spazieren gehen wollen, Clarence wäre mit ihm marschiert wohin auch immer der Dunkelhaarige wollte. Er wäre mit ihm Jagen gegangen, hätte ihnen zum Aufwärmen bei der Rast im Schatten eines Felskliffs ein Feuer gemacht und sie hätten frisch erlegtes Wildbret gepicknickt. Vielleicht wären sie übermütig geworden im sentimentalen Anfall vergangener Tage, wären genauso wie sie waren hier draußen versackt; der Jäger hätte ihnen ein – für Matthew – fragwürdiges Lager für die Nacht bereitet und am nächsten Morgen, durchgefroren aber zufrieden mit sich selbst und dem verlebten Tag, hätten sie sich gegenseitig zurück in ihrem Bett aufwärmen können.
Doch anstatt gemeinsam all diese Abenteuer zu verleben, stapfte Clarence einsam und alleine durch die karge Schneeöde. Folgte den Abdrücken der Hufe, den Abbildungen der vertrauten Pfoten und den sporadischen roten Flecken im Schnee, die Cassie hinter sich her zog seitdem er nachvollziehbar ein Federvieh und ein Wildschwein erlegt hatte. Ein dummes Wildschwein, das der Idiot dem Hünen damals versucht hatte zu verbieten zu fangen.
Mit bei diesem Gedanken unmerklichem Kopfschütteln, trat der Fährtenleser aufmerksam über das zunehmend unerschließbare Gelände hinweg, welches sich vor ihm ausbreitete. Felsen stachen brachial aus dem Schnee hervor, ergossen sich unter den Überresten einst lebendiger Flora und schließlich, als er einen der Steine umwunden hatte gegen den er sich stütze, erkannte er in etwas Entfernung eine ruhende Stute an einem Baum gebunden – und vor sich, die Schwaden erklärend welche sich zwischen den Blättern und Zweigen der spärlichen Bäume erhoben hatte, die azurblaue Quelle, die sich scheinbar von Menschenleben unberührt in den unerschlossenen Wäldern der Insel verbarg.
Eine unübersehbare Gestalt türmte am Fuße der Quelle auf; einer Nymphe gleich, in den Wäldern wohnend um verloren gegangene Wanderer zu umgarnen und zu ihrem Eigen zu machen. Hätte Clarence nicht gewusst wen er von Anfang an verfolgt hatte, ohne Zweifel, vermutlich hätte der Jäger sich just in diesem Augenblick unsterblich in jenes unbekannte Wesen verliebt, welches unbescholten auf den Felsen zum heißen Nass stand um sich der frohlockenden Weite eines wohltuenden Bades hinzugeben. Wie in Stein gemeißelt stand er dort, die Haut unter den bunten Bildern weiß wie Alabaster, die Muskeln zum Zerreißen gespannt und keinerlei Spielraum für Fantasie offen lassend. Imposant und wild sah der Jäger selbst von hier die sich abhebenden Sehnen miteinander auf jenem perfekten Leib spielen, erkannte das vertraute und wohlgeformte Gesäß welches ihm zum Teil zugewandt war und die vor Kälte aufgestellten Knospen, welche jene stattliche Brust einladend am Rande ihrer Tätowierungen zierte.
Nur wenig schämte Clarence sich dafür seinen eigenen Mann derart unschicklich entdeckt zu haben und bei seinem aus fremden Augen unschicklichen Treiben zu beobachten und erwischte sich selbst dabei, wie er sich hungrig über die Lippen leckte. Wären sie nicht vermutlich im Streit miteinander, die ganze Szenerie schrie regelrecht nach einem der verdorbenen Spiele, die sie miteinander gewohnt waren. Der Bär im Hünen, bis eben noch im Winterschlaf, wollte gerade nichts lieber als jenes unbescholtene Sündenböckchen hinterrücks zu überfallen; unschuldig hatte es sich zu einem erfrischenden Bad an einer heißen Quelle niedergelassen, ohne dabei an die gefährlichen Bären jenes Waldes zu denken, die ihr Heil im und am verführenden Leib jener Gestalten fanden.
Aber… jene verfluchte Sally. Würde Claire sie nicht sowieso schon für das umbringen was sie angerichtet hatte, dann nun spätestens für das unterbinden jener einladenden Szenerie, die sich nicht mehr aus Clarence‘ Fantasie schleichen wollte als der Jüngere sichtlich genießend tiefer in die wärmenden Dampfschwaden hinein glitt.
Achtsam trat der Jäger nun endgültig hinter seinem Felsen hervor, erklomm vorsichtig das teils lose Geröll hinab zum Rande der Quelle und machte dabei Cassie gegenüber keinen Hehl aus seiner plötzlichen Gegenwart, ob sein Mann ihn nun sofort bemerken würde oder nicht. Früher, zu einer Zeit vor ihrem vertrauensvollen Verhältnis zueinander, wäre es ihnen indiskutabel beiden ein Graus gewesen derart offen wieder aufeinander zuzugehen, hatte eine schwierige Situation sie zerschlagen. Es wäre undenkbar gewesen sich zum anderen zu gesellen während er entkleidet Erholung suchte oder gar nur ein Bad in einem See zur Reinigung, doch diese Zeiten lagen – Gott sei Dank – schon lange hinter ihnen.
Mit einem geübten Sprung überwand Clarence den letzten größeren Absatz hinab in die sich einpflegende heiße Grube, bevor er auf dem hervorstehenden Felsen mit den Stiefeln ein wenig den losen Schnee beiseiteschob um sich eine freie Fläche zu schaffen und schließlich darauf nieder zu lassen. Nur wenige Meter trennten ihn von der schönen Nymphe in der Quelle, genug Distanz um den Dunkelhaarigen nicht sofort in Bedrängnis zu bringen und doch nah genug, um sich nicht mehr alleine und unvollständig zu fühlen wie den zurückliegenden Tag über.
Lautlos ließ der Jäger seine Schenkel vom Felsen hängen, zur Rast an der Kante niedergelassen, und ließ seine schweren Stiefel nur wenige Zentimeter über dem dampfenden Nass schweben. Es war schön hier, keine Frage, und ohne Zweifel hätte Matthew dieses unerwartet idyllische Fleckchen Natur niemals gefunden, hätte er sich nicht von seinem Bären getrennt. Dennoch war es ein Unterschied diesen verboten schönen Mann beim Nacktschwimmen zu beobachten oder mit ihm gemeinsam dort unten eine angenehme Zeit zu verbringen und wenn Clarence schon nicht Ersteres haben konnte, wollte er wenigstens die Wohltat für seine müden Augen genießen.
„Du bist ziemlich weit raus“, stellte er nach einem Moment des Schweigens schließlich fest, während dem er wenig zurückhaltend die sich unter der Wasseroberfläche abzeichnenden Konturen des fremden Leibes betrachtet hatte. Aber es würde Clarence wundern, wäre seinem Mann nicht bewusst wie weit er sich vom Städtchen in die Wildnis verloren hatte. Matthew mochte sich fühlen wie ein Hund wenn er tatsächlich auf seinen Bären hörte und mal ein paar Minuten irgendwo auf ihn wartete wenn er dazu aufgefordert wurde, weshalb er es schließlich nicht tat; auf der anderen Seite würde man auch Clarence derartige Charakterzüge nicht absprechen können, wenn er seinem Partner treudoof für gefühlt den halben Tag durch die öde Wildnis hinterher rannte. Der einzige Unterschied war, dass wenigstens der Blonde es gerne tat wenn sich dabei für ihn die Aussicht darauf bot, als Belohnung für seine Mühen mit dem Jüngeren zusammen zu sein.
Nachdenklich ließ Clarence seine Hacken gegen den Felsen schlagen, während sein Blick noch immer auf der zierlichen Gestalt seines anregenden Partners ruhte. Der Marsch durch Wald und Schnee hatte ihn zwar nicht auskühlen lassen, aber das hieß noch lange nicht, dass es ihn auch wirklich warm gehalten hatte. Ein heißes Bad in dieser Quelle erschien dem Jäger daher gerade wie ein Segen – aber auf der anderen Seite kannte er seinen Mann. Stieg er nun zu ihm in diesen überdimensionalen Zuber, vermutlich würde der Dunkelhaarige ihn vor Wut ertränken oder noch schlimmer: Vor ihm Reißaus nehmen und sich, klatschnass zurück in die kalte Luft stürzend, den Tod holen.
„Einsamkeit ist normalerweise meine Taktik um wieder runter zu kommen.“ – Es gefiel Claire so ganz und gar nicht um diese Tätigkeit gebracht worden zu sein, vor allem hinsichtlich dessen, dass er noch während des Schließens der Gittertür bei seiner Rückkehr im Anschluss eher eine direkte Konfrontation erwartet hätte als einen halben Tagesmarsch durch Eis und Schnee, nur um den Jüngeren wiederzufinden. Immerhin ging es seinem Mann gut, das war die Hauptsache.
„Aber ich bin jetzt hier anstatt mich auf dem Boot zu verkriechen, bis du wieder nach Hause zurück kommst. Lass uns darüber reden was ich getan und was ich nicht getan hab, damit wir wenigstens noch den Rest des Tages miteinander verbringen können.“


Matthew C. Sky

Weder die Hunde, noch das Pferd machten Matthew darauf aufmerksam, dass sie nicht mehr allein waren sondern Gesellschaft bekommen hatten. Der Dunkelhaarige hatte die Hände gerade in das heiße Wasser getaucht um sich damit Brust und Hals zu benetzen, als er Schritte hörte die so deutlich und zielstrebig waren, dass betreffende Person definitiv keinen Hehl aus ihrer Anwesenheit machte. Überrascht drehte sich der Dunkelhaarige in dem Wasser herum, mit jedem rechnend außer mit dem Mann den er schon den Bruchteil einer Sekunde später erkannte. Clarence. Der Anblick des Hünen, wie er den Stein partiell von der Schicht Schnee befreite um sich dann darauf niederzulassen, beschwor in dem Dunkelhaarigen sofort Skepsis herauf. Da saß er nun, Clarence Sky, seines Zeichens verschollener Jäger der American Kestrels, der Widow Maker. Der Mann der stets sein eigenes Ding machte und sich von niemandem - auch nicht von Matthew - eine Erlaubnis einholte wenn er mal wieder gedachte irgendeinem potentiellen Risiko nachzujagen. Den ganzen Tag über hatte Matthew darüber nachgedacht wie es sein würde ihn heute Abend wiederzusehen und auch schon den ganzen Tag lang war er zu keiner Entscheidung gelangt. Als er entschieden hatte nicht zu warten, war Matthew so derart wütend gewesen, dass er nicht gewusst hatte wohin mit sich. Dabei ging es nicht so sehr darum das er fürchtete, Clarence wurde mit einer Frau wie Sally Mitchell nicht fertig, sondern darum, dass der Hüne ihn im wahrsten Sinne des Wortes ausgeschlossen hatte. Mal wieder. Und wenn Clarence das durfte, dann sollte er es auch dürfen. Im besten Fall war Sally nur eine Verrückte, im schlimmsten Fall allerdings war sie mehr. Besessen vielleicht, von einer Macht die sie nicht kannten und Clarence hatte sich ihr allein gestellt, einfach so. Schweigend und verschlossen sah der Dunkelhaarige zu dem Älteren empor, unschlüssig darüber was er nun davon halten sollte ihn hier zu sehen. War der Verrückte etwa den ganzen Weg gelaufen? Ein zweites Pferd konnte er jedenfalls nirgends ausmachen und bedachte er Clarence‘ Faible für Märsche, dann erschien ihm diese Option zwar noch immer irre, aber auch wahrscheinlich. „Du bist ziemlich weit raus.“, stellte Clarence nach einem Augenblick der angespannten Stille zwischen ihnen fest und Matt wandte den Kopf zur Seite, sah zu der ruhendem Stute und schnaubte verächtlich. „Bin ich...“, stimmte er zu, kurz angebunden und verärgert wegen schlichtweg allem.
Seit Clarence die Türen zwischen sich und ihn gebracht hatte, hatte Matt sich geschworen das es dieses Mal das letzte Mal war, dass er sich für dumm verkaufen ließ. Aber kaum das der blödsinnige Trottel ihm wieder unter die Augen trat, konnte Matthew ihm nichts von den Dingen an den Kopf werfen, die er sich in den letzten Stunden zurechtgelegt hatte. Etwa, dass er ein Egomane war, dass er sich nicht um ihn scherte wenn er ihn von allem ausschloss, dass er das nicht länger mitmachen würde und dass sich Clarence einen anderen Dummen suchen sollte mit dem er künftig so umsprang. Oh ja, Matthew hatte eine ganze Reihe von Vorwürfen auf Lager gehabt, doch wenn er Clarence ansah, dann schienen all seine Argumente plötzlich einfältig und absurd. Also sah er ihn nicht an, damit er sich seine berechtigte Wut beibehielt und nicht etwa einknickte.
Während der Größere auf dem kalten Stein saß und die Beine baumeln ließ, fixierte Matt weiterhin das Pferd, aber auf Dauer konnte er den Schamanen nicht ignorieren und als er ihn schließlich doch wieder notgedrungen ansah, da wirkte sein Blick erzwungen kühl und bockig.
„Du willst reden?“, fragte er reserviert und zog die Augenbrauen zusammen. „Ich sag dir was du gemacht hast: du warst auf Jagd.“ – unterm Strich war das eine ziemlich treffende Zusammenfassung. „Und weil ich dich dabei behindert hätte zu bekommen was du willst, hast du beschlossen du sperrst mich aus und ziehst das Ding allein durch. Wie immer.“ Wahrscheinlich gab es tausend gute Gründe im Mikrokosmos seines Mannes, die diese Entscheidung rechtfertigten, aber Matthew wollte sie nicht hören.
Bestimmt war keine Zeit gewesen vorher mit ihm zu sprechen, mit Sicherheit hatte der Wildling keine andere Wahl gehabt und ganz sicher hatte Clarence es zu Matthews Wohle getan. Bla bla Bla.
Der junge Mann watete an den Rand des Beckens und klaubte von einem Stein etwas Schnee zusammen, formte ihn zu einer kleinen Kugel und warf sie in Clarence‘ Richtung. Statt jedoch den Sitzenden zu treffen, verfehlte er ihn um einen reichlichen Meter und die Kugel fiel sinnlos ins Wasser, wo sie mit einem dumpfen Platschen augenblicklich verstarb.
Dieser Wurf fasste ziemlich gut zusammen was Clarence‘ Alleingänge ihm bisher eingebracht hatten – und Matt sah deprimiert auf die Stelle der Wasseroberfläche, wo der Schneeball eingetaucht war. Wäre Clarence nicht gegen Matthews Willen in das Spinnenfeld gerannt, wären sie beide nicht verletzt worden. Clarence wäre nicht um ein Haar gestorben und Matthews Gesicht wäre nicht von Narben entstellt. Wahrscheinlich hätten sie gar nicht in Cascade Hill City angelegt und wenn doch, so wäre es mindestens zwei Wochen früher passiert. Sie wären vielleicht nie auf Sally Mitchell und ihren Schieferstein getroffen. Und wäre all das nie passiert, dann hätte er den Jäger nicht verfehlt, wenn er etwas nach ihm warf.
Der Vorwurf lag Matthew auf der Zunge, bitter schmeckten die Worte - auch wenn er sie nur im Geiste sprach - während er Clarence stumm ansah. Heute war Clarence wieder gegangen. Hatte wieder für sie beide entschieden was richtig war, ungeachtet der möglichen Konsequenzen. “Du hast geschworen… auf Alleingänge zu verzichten. Du hast geschworen, mich nicht wieder zurückzulassen, du hast mich angesehen und mir versichert, dass kein Abendteuer es wert ist dafür zu sterben seit du mich hast.“ Der zierliche junge Mann klang nicht länger reserviert und kühl oder gar wütend, er klang traurig und überfordert. Er wusste nicht was er machen sollte, angesichts dessen das er offensichtlich nicht genügte. Ein unglückliches Schweigen machte sich kurz zwischen ihnen breit, ehe Cassiel es wieder brach. “Du hast mich… Du hast mich, aber es reicht dir nicht. Ich meine du…“ aufgewühlt deutete er auf die Umgebung in der sie sich befanden. „…du nimmst den ganzen beschissenen Weg auf dich um mich zu suchen, aber wenn es darum geht…nicht alleine zu dieser Irren zu gehen, dann reiche ich nicht! Du gehst trotzdem zu ihr, obwohl ich es nicht will. Du gehst das Risiko ein, dass da unten irgendwas passiert und keiner dir helfen kann und dann… dann tauchst du hier auf und willst reden.“
Das war absurd und Matthew konnte nicht fassen, welche Ruhe Clarence ausstrahlte, eine Ruhe die ihm völlig unverständlich war und ihn noch mehr aufregte. „Was hilft reden, wenn am Ende doch nur zählt was du willst, hm?“ – fragend betrachtete er seinen Mann und ließ ihm Gelegenheit zur Antwort. Sein Zorn war verflogen, war es eigentlich schon in dem Moment gewesen, als er den Blondschopf gesehen hatte. Nun aber hatte er sich restlos aufgelöst – so wie der Schneeball, der im heißen Wasser keine Chance gehabt hatte zu bestehen.
Während der junge Mann allein gewesen war, war ihm der Gedanke gekommen Clarence zu sagen er würde so nicht weitermachen wollen. Das Wissen darum, dass der Jäger bei jeder sich bietenden Gelegenheit ausblenden könnte dass sie beide ein Team waren und das der Kleinere ihn brauchte, machte ihn mürbe und tat weh und in seiner Wut hatte er Clarence die Pistole auf die Brust setzen wollen. Aber was sollte das bringen, außer dass er sich lächerlich machte? Er wusste schon jetzt, dass er Clarence nie verlassen würde. Er liebte diesen Menschen mehr als sein Leben, mehr als sein einst unversehrtes Gesicht, sein Augenlicht oder seinen Stolz. Würde Clarence ihm tausendfach versprechen ihn nicht mehr auszuschließen und das Versprechen tausendfach brechen: Matthew würde ihn trotzdem lieben und trotzdem zu ihm aufsehen, so wie er es schon all die Zeit über tat. Sogar jetzt blickte er zu ihm auf – in mehr als der offensichtlichen Hinsicht. Wusste Clarence, wie sehr er geliebt und verehrt wurde? Vermutlich nicht, vermutlich konnte es kein Mensch auch nur ahnen, außer Matt, der zu jeder Zeit alles für den Größeren tun würde.


Clarence B. Sky

Durch ihre Reise auf dem Meer war es einige Wochen her, dass sie wieder eine richtige Zivilisation berührt hatten. Bis dahin hatte ihre kleine heile Welt aus ihnen, der Harper Cordelia und ihren beiden Zöglingen alias Kain und Abel bestanden und so unerwartet harmonisch das an manchen Tagen auch sein konnte, so lernte man doch Verlorengegangenes umso mehr schätzen. Einen festen Boden unter den Füßen zum Beispiel – oder gar andere Lebewesen, die ein wenig mehr Abwechslung boten als jene, die man eh tagtäglich vor Augen hatte.
Was just in diesem Moment so interessant an der ruhenden Stute geworden war, konnte der Jäger natürlich nicht sagen und doch kannte er seinen Mann mittlerweile lange genug um zu wissen, dass die Neugierde nicht dem Tier an sich geschuldet war. Es war die Art und Weise wie Matthew drein blickte, wie er auf seltsame Art schwieg und wie sich seine dunklen Brauen gedankenüberströmt zusammen zogen, die Clarence verriet, man hatte mit jedem gerechnet. Nur nicht mit ihm.
Ob in vielen Szenarien vorhersehbar oder nicht, der alte Bär schien letzten Endes eben doch noch für manche Überraschungen gut zu sein und so blieb er still sitzen, ruhte sich bis zum nächsten Zug seines Partners von dem anstrengenden Marsch in tiefster Kälte und ließ die Schenkel baumeln, an deren Ende sich die extra für ihn angefertigten Stiefel befanden.
Für einen kurzen Moment nur, als er Kehrt gemacht und am Steg zu ihrem Heim die schweren Hufabdrücke entdeckt hatte, hatte er noch in der gleichen Sekunde überlegt, ob er Schuhe und Stricksocken demonstrativ zurück lassen sollte. Barfuß für eine halbe Ewigkeit durch verschneite Landschaften zu stampfen war ihm wie eine triftige Retourkutsche erschienen, ganz so als könne das eine passende Strafe für seinen Mann sein, dass er sich dazu entschieden hatte sein kleines Blondi alleine und ohne Schutz unter den Barbaren des Städtchens zurück zu lassen.
Schlussendlich aber hatte er sich gegen seinen ersten Impuls entschieden, aber nicht weil er der einzige gewesen wäre, der sich unter der schmerzenden Kälte gestraft wiedergefunden hätte. Ganz im Gegenteil.
Was würden sie für eine Ehe führen, in der es nur darum ging dem anderen eins auszuwischen und ein schlechtes Gewissen zu machen? Wohin würde sie dieser Weg früher oder später bringen, sollten sie sich weiter mit Schweigen oder Unterlassungen plagen, nur weil sie sich selbst in ihrem unangebrachten Stolz gekränkt sahen?
Mit Matthew an seiner Seite, dem Mann den er liebte und dem er geschworen hatte treu zu sein bis dass der Tod sie eines fernen Tages voneinander schied, gab es nicht länger einen Grund um überheblichen Stolz zu hegen. Stolz hatte etwas von Überlegenheit, von Hochmut und von einer anderen Augenhöhe als seinem Gegenüber und nichts von alledem wollte Clarence sein Eigen nennen, wenn er dem jungen Dunkelhaarigen gegenüber stand. Der einzige Stolz, den er sich gestattete noch zu besitzen, war sein eigener Lebens- und Weggefährte und diesen zu verletzen somit ein eigener Rückschlag. In einem Alltag wie diesem wollte Claire nicht mehr leben und auch wenn es früher einst Gang und Gebe zwischen ihnen gewesen sein mochte sich gegenseitig auf die Palme zu bringen, so war es dem Hünen heute doch wesentlich angenehmer geworden, sich durch unterschwellige Zugeständnisse ihren gegenseitigen Wert füreinander zu beweisen als umgekehrt.
Es wäre nun ein Leichtes gewesen dem jungen Mann dort unten im dampfenden Wasser zu widersprechen, ihm zu sagen dass es alles andere als sein Anliegen gewesen war alleine dort hinunter zu gehen und so sicher wie das Amen in der Kirche, darüber war sich Clarence bewusst, wussten sie beide wie dieses Gespräch verlaufen würde. Er würde seinem Mann ein paar relativ naheliegende Standard-Gründe nennen warum sein Vorgehen genau so wie es passiert war richtig gewesen wäre, Cassie würde ihm widersprechen und sich aufregen, Clarence würde weiter versuchen zu intervenieren und ehe sie sich versahen, hatte sich die Katze schon drei Mal selbst in den Schwanz gebissen.
Also schwieg der Blonde – doch nicht etwa teilnahmslos wie er es früher getan hätte, die wilden Anschuldigungen unberührt an sich vorbei ziehen lassend, sondern aufmerksam und zugewandt. Er war gekommen um mit Cassie über das Geschehene zu reden – nicht weil es sich so ziemte in einer Ehegemeinschaft, sondern weil er es wirklich wollte.
Der Fehlversuch ihn mit dem Schneeball zu treffen mutete urkomisch und unendlich traurig zugleich an, denn kaum dass das weiße Wurfgeschoss Matthews Finger verlassen hatte wurde bereits offensichtlich, das Ding flog nicht mal annähernd in die richtige Richtung. Nicht mal ein Rettung suchendes Zucken durchfuhr den Leib des Schamanen, so wenig nötig war die Flucht angesichts des missratenen Wurfes des Tieferen und trotzdem entflammte auf den Lippen des Älteren ein entzücktes Lächeln. Das letzte Mal, als sein Partner derartiges Versucht hatte, hatte er den dämlichen Taugenichts im Anschluss mit einem Messer bedroht und heute, da wollte er als Antwort auf jenen infamen Angriff nichts anderes mehr, als den dummen Kerl dort unten verliebt mit Küssen zu überhäufen. So schnell konnten sich Zeiten ändern.
Vielleicht ging es nur Clarence so weil das Jagen sein Beruf war und die Dinge von einer anderen Seite zu beleuchten ihm seinen Lebensunterhalt einbrachten, aber der Dunkelhaarige dort unten in seiner Quelle schien die Quintessenz des vergangenen Morgens überhaupt nicht verstanden zu haben. Es stimmte, vor wenigen Wochen erst hatte er Matthew tief in die Augen geblickt und ihm all das versprochen, was sein Mann ihm heute traurig und vorwurfsvoll vor Augen hielt. Kein Abenteuer sollte es mehr wert sein draufzugehen, nicht seitdem sie einander hatten und gemeinsam auf ein Leben zu arbeiteten, was sie miteinander teilen wollten. Doch noch lange davor hatte Claire ihm in Coral Valley tief in die Augen geblickt und dabei etwas ganz anderes versichert:
Matthew war kein Abenteuer für ihn und somit war der Jüngere es dem geübten Jäger mehr wert als alles andere sonst auf der Welt, was er besaß.
Egal wie idyllisch und beinahe schon märchenhaft die Quelle anmutete die Matthew gefunden hatte und wie unverschämt erotisch er inmitten der dampfenden Wasseroberfläche aussah, es brach Clarence das Herz seinen Gefährten dort unten derart überfordert und verzweifelt mit der Situation wiederzufinden. Was Cassie äußerte schien nicht dazu zu passen wie er dort unten badete und dennoch war es ganz fürchterlich bezeichnend für sie, in welche Lagen sie sich immer wieder brachten. Eigentlich, brach man ihr Leben bis auf die Basis herab, hatten sie keinerlei Grund sich über auch nur irgendetwas zu beschweren. Sie hatten Liebe, sie hatten mit ihren beiden Hunden eine Art kleine Familie gegründet, sie hatten ein Dach über dem Kopf und litten – im Gegensatz zu vielen anderen Menschen – weder Hunger, noch Durst oder Kälte. Wie viele würden für so ein Leben morden und huren nur damit es ihnen so gut ging wie den beiden jungen Männern mitten in der hiesigen Wildnis? Und doch, wenn das Leben ihnen kein Drama einbrachte, so suchten sie es doch immer wieder verlässlich selbst.
Am liebsten hätte Claire die letzten Zentimeter nun überwunden, hätte sich in das heiße Wasser gleiten lassen und wäre zu seinem Gefährten hinüber geschwommen, um den verzweifelten jungen Mann in die Arme zu ziehen. Matthew war sein Ein und Alles, er war ihm das Liebste auf der ganzen Welt und niemals sollte er sich in einem derartigen Emotionschaos wiederfinden müssen, wie er es gerade tat. Doch im Gegensatz zur Quelle war der Wind eisig und sich in voller Montur hinab zu begeben wäre Clarence‘ sicherer Tod sobald er wieder hinaus stieg – und sich vorab zu entkleiden keine Option angesichts des ungeklärten Zwists der zwischen ihnen stand, das wusste sogar der sonst so begriffsstutzige Schamane.
„Alles was ich will bist du, weshalb am Ende auch nur du zählst. Hast du das denn immer noch nicht begriffen, du…“ – taube Nuss oder gar Taugenichts war das was auf seinen Lippen lag, doch was er sagte, war etwas völlig anderes. „…unglaublich… unaufmerksamer… Kerl?“
War es das, was man Rechtzeitig die Kurve kriegen nannte? Hoffentlich.
„Ich habe Sally Mitchell nicht gejagt und weder ist sie von einem Dämon besessen, noch von mir. Besessen ist das irre Miststück ganz alleine von dir und das ist… ungewöhnlich. Und es ist kontraproduktiv, wenn…“, wie sollte man das korrekt ausdrücken ohne dass Matthew ihm direkt wieder das Wort im Mund herum drehte? Unsicher und nach Worten ringend hob Clarence die Hände etwas in die Luft, beinahe so als lägen dort vielleicht ein paar Worte versteckt, die er greifen und nutzen konnte. „Wenn der Mann, von dem sie so besessen ist, auf seine… für mich unglaublich liebenswerte… impulsive Art auf sie einredet.“
Sichtlich unklar ob das nun eine Formulierung war für die man ihn ernst nahm oder lieber einen Kopf kürzer machen wollte – immerhin drückte er sich selten so gewählt und zielorientiert aus wie jetzt – faltete der Christ seine Hände nach einer ausladenden Gestik, da das unsichere Gehampel über seine bemüht ruhigen Worte hinweg die Lage vielleicht eher verschlimmbesserte als alles andere.
„Ich will dich, aber es ist nicht normal, dass sie sich so eingeschossen hat. Wäre ich danach zu dir in die Halle zurück gekehrt, hätte ich dir dort gesagt, was ich dir jetzt sage: Ich denke, sie wird von jemandem von außen beeinflusst und die einzig logische Konsequenz, so erscheint es mir jedenfalls, ist die Ausnutzung meiner ungewollten Vertrauensposition für sie. Ich bin zurück in den Kerker, weil ich… ich mir die Freiheit genommen habe ihren Geist zu versiegeln, bevor er noch mehr verdorben werden kann. Der Gedanke, dass sie einen Weg findet von dort auszubrechen um dir hinterher zu jagen, ist für mich unerträglich. Auch dann, wenn es nur eine Sally Mitchell ist.“
Auch so jemand konnte unter den richtigen Umständen mit der richtigen Waffe mehr bewirken als man ihr zutraute, das hatten sie beide zu spüren bekommen. Clarence wolle sich nicht vorstellen was geschah, sollte sie von dort unten entkommen und noch immer leise Stimmen in ihren Ohren vernehmen, die ihr düstere Dinge über Matthew Cassiel Sky alias Feivel zuflüsterten; eine Schusswaffe in den Händen eines solchen Menschen würde nicht gut enden, das stand völlig außer Diskussion.
„Ich hätte dir vorgeschlagen sie nun, wo ihr Einfluss eingegrenzt ist, noch ein paar Tage dort unten schmoren zu lassen und sie dann wieder aufzusuchen. Mit deinem Segen – und deinem Hinzukommen, sollte sie sich etwas beruhigt haben. - Gemeinsam“, fügte Clarence an, damit keine erneuten Missverständnisse zwischen ihnen aufkamen.
Matthew mochte es vorkommen als sähe sein Mann in dieser Frau nichts anderes als ein Abenteuer, eine neue Gefahr die frohlockte um sich hinein zu stürzen. Doch das hier war kein Spinnenfeld, keine Option die man abzuwägen hatte um sich daraufhin zu entscheiden, ob sich das Risiko lohnte oder nicht. Dieser Fall hier bezog sich explizit auf Cassie, explizit auf sie beide und was auf der vorherigen Insel eine Entscheidung gewesen war, war heute eine Notwendigkeit vor der sie weder Fliegen sollten noch durften.
Nachdenklich ließ der Jäger seine Hacken wieder gegen den Felsen unter sich schlagen.
„Ich wollte sie töten, weißt du?“, erhob Claire wieder seine Stimme, Ehrlichkeit im Tonfall und den Blick des Jüngeren suchend. „Ich habe überlegt mir die Sache leicht zu machen und dem Übel direkt von den Wurzeln her ein Ende zu setzen. Aber du willst das nicht und du bist die geschädigte Partei die ein Urteil über sie fällen soll, also… habe ich deinem Wunsch Priorität gegeben, sie lebt. Stattdessen wollte ich ihr zum Abschied ein Auge ausstechen, aber nicht mal das habe ich hinbekommen, weil der kleine Dicke zurück gekommen ist.“
Es hatte ein mehr als unbefriedigendes Ende für Clarence genommen, weder das eine, noch das andere hatte er mit ihr anstellen können und nicht mal für ein paar weitere Fragen hatte man ihm Zeit gelassen. Als wäre das alles nicht schon deprimierend genug gewesen, waren sogar seine drei Jungs verschwunden, kaum dass er wieder ans Tageslicht zurück gekehrt war.
„Es geht nicht darum was ich will oder was ich nicht will, sondern darum, dass ich versprochen habe dich zu lieben und zu ehren. Aber das Letzte kann ich nicht tun, indem ich die Augen vor drohenden Gefahren verschließe und einfach hoffe, dass schon alles gut werden wird wenn wir nur weit genug davon laufen. Das hat noch nie funktioniert und das wird es auch nie.“
Fröstelnd rieb er die noch immer gefalteten Hände über seine Oberschenkel in dem Versuch sich trotz der Rast wieder warm zu bekommen, was kläglich endete. Weder mit Sally, noch mit ihnen beiden würde wieder alles gut werden wenn sie immer nur rannten und deshalb war er gekommen um zu reden. Er marschierte gerne, wegen ihm auch gerne stundenlang wenn es denn sein musste um seinen Mann wieder zurück zu bekommen – aber er lief dabei am liebsten auf Matthew zu anstatt von ihm fort, denn selbst die wenigen zurückliegenden Stunden ohne ihn hatten schon ausgereicht, um den Jüngeren unheimlich zu vermissen.
„Ich möchte gerne in ein paar Tagen noch mal in die Kerker und versuchen, etwas mehr aus ihr heraus zu bekommen. Sag mir ob es dir recht ist und was du davon hältst und dann… kannst du dir ja vielleicht überlegen mich zu dir runter einzuladen, hier oben ist es nämlich ziemlich kalt.“


Matthew C. Sky

Clarence wollte reden und er redete auch. Der einst so verschlossene junge Mann der selten das Wort ergriffen hatte wenn es nicht unbedingt hatte sein müssen, ließ sich heute nicht bitten sich zu erklären. Er versuchte beflissen jedwede Beleidigung Matthews zu vermeiden, rang nach Worten, gestikulierte hilflos herum und war offensichtlich bemüht, die Wogen wieder zu glätten die sein Tun heraufbeschworen hatten. Man musste sie beide nicht lange kennen um zu erahnen, dass unaufmerksamer Kerl nicht die Formulierung gewesen war, die Clarence zuerst in den Sinn gekommen war und Matthew wusste das erst recht.

Ablehnend verschränkte er nun seine Arme vor dem Oberkörper und betrachtete den Wildling skeptisch bei seinen
Ausführungen. Aber eigentlich brauchte Clarence gar nichts erklären, denn unterm Strich war es genau so, wie Matthew schon wusste: es hatte tausende gute Gründe gegeben allein zu Sally zu gehen und sich mit ihr einzuschließen. Und Matt höchstpersönlich war einer von ihnen. Dass er das nicht sein wollte, dass er von Sally Mitchell nichts - aber auch gar nichts - wissen wollte, spielte keine Rolle.
Man konnte dem Dunkelhaarigen gewiss einiges nachsagen, doch ein Feigling war er wahrlich nicht, allerdings neigte er unumstritten dazu bei gewissen Themen lieber davonzulaufen oder sie zu begraben. Die Sache mit Rouge war so etwas, die Sache mit der Hydra ebenso und auch die irren Anschuldigungen einer fremden Fischerstochter zählten in diese Kategorie, die ein Grundthema hatte:
Seinen Tod. Er hatte keine stichhaltigen Beweise dafür, dass Rouge sein Vater war, dass seine Männer ihn jagten oder das Sally Mitchell mehr war als eine Durchgedrehte, aber man spürte wenn man in Gefahr war. Und auch wenn Cassiel es nirgends Schwarz auf Weiß lesen konnte, so fühlte er dennoch das die Dinge miteinander in Zusammenhang standen.
Davonzurennen war bestimmt nicht klug, aber es war das einzige was übrig blieb, wenn man eine offene Konfrontation aus nachvollziehbaren Gründen scheute. Also klammerte er sich an die Hoffnung, dass irgendwann Gras über die Sache wachsen würde, dass man aufhörte ihn zu suchen, dass sein Lehrmeister und möglicherweise Vater aufhörte ihn aus dem Grabe heraus noch zu ängstigen. Wenn er nur weit genug wegging, lange genug unsichtbar wurde...dann würde man irgendwann das Interesse daran verlieren ihn zu jagen. Das war es, was sich Matthew einredete.
Clarence allerdings war niemand der weglief, zumindest nicht  vor den Dingen die seinen jüngeren Ehemann bedrohten und so war es unvermeidbar, dass er sich mögliche Antworten nicht entgehen ließ. Auf der sachlichen Ebene verstand Matthew was Clarence ihm sagen wollte, er verstand auch seine Beweggründe und das er – aus seiner Sicht – gar nicht anders hatte handeln können

Aber der Dunkelhaarige sträubte sich gegen jene Wahrheit ebenso, wie er sich dagegen sträubte einzusehen, dass er niemals irgendwo sicher sein würde, so lange nicht klar war, wer seinen Tod wollte und warum. Der Wildling indes nannte das Kind beim Namen und erklärte unverblümt, dass er nicht davonlaufen konnte und würde, weil er schlichtweg keine Aussicht auf Erfolg darin sah.
„Das kannst du nicht wissen, weil du es noch nicht versucht hast.“, erwiderte der Kleinere daraufhin bockig, wobei er nicht sehr überzeugt klang. „Im Gegensatz zu dir, weiß ich vor wem ich weglaufe. Würdest du diese Leute kennen, würdest du nicht so erpicht darauf sein, Antworten zu bekommen.“ Denn die Antworten, sollte er sie denn bekommen, würden nichts besser machen.
Fakt war, die Hydra war mit nichts zu vergleichen. Diese Organisation war größer und einflussreicher als man sich vorstellen konnte und selbst Matt, der mehr von ihnen wusste als die Allgemeinheit, war klar das seine Kenntnisse bestenfalls an der Oberfläche kratzten.
Sich vorzustellen, dass diese Leute hinter ihm her waren, war etwas das ihm definitiv schlaflose Nächte bereitete, weshalb es angenehmer war die Zeichen der Zeit einfach zu negieren und so zutun als gäbe es sie nicht.
Aber mit wem wollte Cassiel eigentlich gerade über Risiken und Unheil sprechen? Clarence scheute sich vor gar nichts, nicht vor Dämonen, nicht vor mutierten Bestien, nicht vor riesigen Spinnen, nicht vor Räubern oder irgendwelchen zwielichtigen Gestalten. Wenn es etwas gab, vor dem sich der Hüne fürchtete, dann wusste Matthew nicht was es war. Ihn überzeugen zu wollen die Sache ruhen zu lassen weil sie zu gefährlich war, war vollkommen zwecklos wie der Dunkelhaarige resigniert erkannte.
Ungerührt von alledem waren derweil die Schneeflocken allmählich größer geworden. Lautlos fielen sie auf die Erde nieder, begruben was darunter lag, ähnlich einem Tuch das drapiert wurde. Die beißende Kälte der Luft ließ den jungen Mann merklich schlottern, denn noch immer stand er nur bis zur Hüfte im Wasser. Und Clarence war sogar noch bescheidener dran, er saß weiterhin auf dem eiskalten Stein und erläuterte Matthew seinen Plan bezüglich der unsäglichen Sally Mitchell. Die Information,dass Clarence vorgehabt hatte der Frau ein Auge auszustechen – als kleine Entschädigung dafür das er sie schon nicht töten durfte – quittierte Matt mit einem reichlich angewiderten Blick. „Manchmal kommst du echt auf ekelhafte Ideen, Sky…“, Man konnte Matthew ansehen, dass er mit dem Verlauf des Tages noch immer nicht zufrieden war und das ihn auch Clarence‘ Plan nicht glücklich stimmte. Allerdings war ebenso offensichtlich, dass sich sein Zorn gelegt hatte und das es für den Hünen keinen Anlass mehr gab länger auf dem kalten Stein zu warten.
Wenn sich dieser verbohrte Idiot nicht schon verkühlt hatte, würde er das spätestens dann tun wenn er noch ein bisschen sitzenblieb. Vom bloßen Blick auf warmes Wasser taute schließlich niemand auf. „Ich halte deinen Plan für gefährlich und egal wie du es drehst und wendest: dass nächste Mal wenn du zu ihr gehst werde ich dich begleiten. Und wenn ich im Flur warten muss, sodass sie mich nicht sieht. Allein gehst du da nicht mehr runter. Ich bin – wie du so schön gesagt hast – die geschädigte Partei und es ist mein gutes Recht all das zu hören was sie von sich gibt.“
Kurz legte der Dunkelhaarige nun den Kopf in den Nacken und sah zu dem schneeverhangenen Himmel empor, von dem unablässig kalte Flöckchen fielen. Der Kontrast zwischen Wärme und Kälte hatte zweifellos seinen Reiz, aber was war dieser schöne Ort schon wert, wenn er ihn ganz für sich alleine hatte? Die Antwort gab sich der Jüngere im Stillen selbst. Gar nichts.
Der Blick seiner dunklen Kandisaugen heftete sich zurück auf seinen Mann, er ließ die Hände sinken und deutete mit einer knappen Kopfbewegung an, dass Clarence zu ihm kommen sollte.
Den halben Tag über hatte er Wut auf den Größeren gehabt, war enttäuscht und zornig gewesen, aber wenn es darum ging Clarence all die gedachten Vorwürfe zu machen, dann wollte Matthew plötzlich nicht mehr. Es hatte eine Zeit gegeben, in der hatten sie sich beide immer wieder mit voller Absicht verletzt, doch der Gedanke Clarence wehzutun war unlängst abschreckend geworden und der zierliche junge Bursche wollte nichts dergleichen.
„Du bist verrückt den ganzen Weg gelaufen zu sein... Jetzt sieh zu, dass du da oben nicht festfrierst und komm her.“ – Er selbst hatte jedenfalls genug von der einnehmenden Kälte, weshalb er ein paar Schritte weiter ins Tiefe machte und wohlig erschauderte. „Aber nur das du es weißt: Sally Mitchell bleibt draußen. Ich will…nichts von ihr hören, zumindest für eine kleine Weile nicht mehr.“
Obwohl es anders zu sein schien, aber dem jungen Mann war bewusst dass er nicht ewig davonlaufen konnte. Früher oder später musste er darüber nachdenken was vor sich ging und dazu gehörten auch die Motive der verwirrten Fischerstochter. „Kriegst du das für mich hin?“
Cassiel bat nicht darum das Thema endgültig ruhen zu lassen, er bat auch nicht darum Clarence möge sie nicht erneut besuchen. Worum er bat war…noch ein wenig Aufschub, zumindest für die Dauer ihres Aufenthaltes hier, an jenem wilden und doch magisch-schönen Ortes.


Clarence B. Sky

Wusste Matthew wie es war wenn man sich auf etwas so sehr freute, dass man Angst hatte mit zu viel Ungeduld alles zu verderben? Wie es war wenn man versuchte sich mit angezogener Handbremse zu beherrschten, in bester Gewissheit ein zu eiliges Voranpreschen könne einen an die Grenzen geraten lassen und weit über das Ziel hinaus schießen?
Unter normalen Umständen wäre es Clarence sicher nicht schwer gefallen sich unter unverblümten Worten zu rechtfertigen, seinem Partner gewohnte Bezeichnungen an den Kopf zu werfen und für seine Sache einzustehen; denn genauso wie Matthew seine Profession besaß in der Clarence ihm nachstand, hatte auch der Blonde gewisse Talente, an die sein junger Partner nicht heran reichen würde. Die Jagd war Claires Beruf und sicher verstand der Bär von Mann wenn der Dunkelhaarige einige Entscheidungen nicht nachvollziehen konnte, doch sie in Frage zu stellen, würde weit über Cassies Kompetenz hinaus gehen.
Doch ein ausufernder Streit über Wissen und Nichtwissen, Können und Glück, Recht und Unrecht war nicht das, wonach sich der Hüne heute sehnte. Zu jedem anderen Tag vielleicht, aber nicht ausgerechnet heute.
Das mochte nun weniger autonom klingen als man es von zwei derart kernigen Männern wie ihnen erwarten würde, aber verdammt, heute waren sie so lange voneinander getrennt gewesen wie schon seit Wochen nicht mehr und wenn man bedachte dass Clarence an die Zeit im Spinnenbau kaum noch Erinnerung besaß, sogar Monate. Das letzte Mal, dass er seinen Mann geographisch so lange hatte entbehren müssen, war in Coral Valley gewesen; eingepfercht mit der einen Partei in Jeynes Etablissement und der anderen im Blauer Hund, hatten sie sich mehrere Tage nicht mehr zu Gesicht bekommen und den anderen gescheut. Seitdem hatten mehrere kleine und große Streitigkeiten sie zwar in Wortgefechte getrieben und in gewissen Unmut, aber letztlich waren sie selbst dabei immer beieinander gewesen.
Aus den Kerkern der Kleinstadt wieder ans Tageslicht hinauf zu kommen und seinen Mann nirgends mehr erblicken zu können war unangenehm gewesen für den Jäger, doch nicht etwa weil er sich damit hatte gewiss werden können dem anderen auf den Schlips getreten zu sein, sondern weil er eine räumliche Trennung einfach nicht mehr gewohnt war.
Wo andere Paare die Ruhe voreinander suchten und sich darauf freuten mit Freunden oder Bekannten mal wieder einen Abend fernab des gewohnten Trabs zu verbringen, konnte Clarence die Notwendigkeit einer solchen Trennung mittlerweile überhaupt nicht mehr nachvollziehen.
Es mochte stimmen, dass ihm der Sinn für Unternehmungen mit anderen Menschen außer Cassie auch daher abhanden gekommen sein mochte, dass ihnen einfach die Alternativen fehlen – aber selbst wenn, sei es drum. Der Bär von Mann wollte gar keine haben. Matthew war nicht nur sein Ehemann geworden, sondern der Kerl war seine liebste Vertrauensperson und sein bester Freund, alles in einem. Mit niemandem verbrachte er so gerne seine Zeit wie mit dem kleinen Schnösel, mit niemandem schlug er lieber ewig anmutende Tage tot, mit keinem wollte er seine Geheimnisse so gerne teilen wie mit dem Jüngeren und letzten Endes auch niemanden so sehr lieben, wie er es bei Cassie tat. Alleine zu sein, das hatte Clarence noch nie gut gestanden, auch wenn er einsam in der Wildnis recht passabel mit dem Überleben zurechtkam. Aber am liebsten Überlebte er zu zweit mit dem blöden Kerl da unten im Wasser anstatt alleine, selbst wenn es dabei nur um eine überschaubare Anzahl Stunden ging.
Es mochte sein oder nicht, dass Clarence die Situation die irgendwo im Ungewissen lauerte unterschätzte, aber das alles wurde in eben jenem Bruchteil einer Sekunde unwichtig, als Matthew den Blick wieder zu ihm zurück wandern ließ und ihm mit einem knappen Nicken endlich bedeutete, zu ihm ins Wasser zu kommen. Mehr spielte im Augenblick überhaupt keine Rolle, auf etwas anderes hatte der Hüne mit der angezogenen Handbremse überhaupt nicht gewartet und so ließ sich der Jäger auch kein zweites Mal bitten als es darum ging, endlich zu seinem nackten Böckchen in die Quelle zu steigen.
Plötzlich wieder munter, ganz so als hätten ihn die Lebensgeister dank unsäglicher Kälte niemals verlassen, rappelte sich der Bär von seinem Felsen auf und erklomm mit vor Frost steifen Gliedern das lose Geröll hinab zum Rande des dampfenden Nass. Noch währenddessen hatte Clarence begonnen seinen Mantel zu öffnen ebenso wie die lästige Gürtelschnalle am Bund seiner Hose – erschwert durch die kalten und unvollständigen Finger. Aber wie so oft: Wenn man ihm den Ausblick auf einen entblößten Cassie in reizvoller Umgebung bot, spielten ein paar fehlende Fingerspitzen mehr oder weniger komischerweise überhaupt keine Rolle mehr.
„Ja ja… ich bin brav, versprochen“, ehrte der Bärtige feierlich die festgesetzten Regeln seines Mannes und ganz ehrlich? So sehr er auch über die, deren Name nicht genannt werden durfte, diskutierte, so wollte er gerade nichts lieber als sich im heißen Wasser sehnsüchtig an seinen nackten Mann zu schmiegen und die verblieben Stunden des Tageslichts in jener idyllischen Stätte zu verbringen, ganz ungestört und fernab all der besorgten Leute, die selbst heute noch täglich auf ihrem Boot vorbei schauten.
Es dauerte nur wenige Sekunden, da hatte der Bär seinen Mantel bereits auf einer einigermaßen trocken erscheinenden Stelle verstaut und wenig später folgten Stiefel, Socken und das gut bestückte Holster, bis er schon jetzt die beißende Kälte auf seiner Haut spüren konnte. Nachher, mit Beendigung des Bades, gewahr jeder fehlenden Möglichkeit sich abzutrocknen und den viel zu langen Rückweg wieder beißend klar im Sinn, würden sie ihr kleines Abenteuer womöglich bereuen und stattdessen die kommenden Tage verrotzt und erkältet im Bett liegen – aber das war eben erst nachher und jetzt war jetzt.
Der wärmende Pullover hatte noch nicht ganz seinen blonden Schopf verlassen, da spürte Clarence bereits wie sich die Haut auf seiner Brust zusammen zog um die Knospen vor Kälte erstarren zu lassen; ein wohliges Gefühl trotz des sofortig einsetzenden Schlotterns, das er von seiner sonst eher prächtigen Männlichkeit nicht gerade behaupten konnte. Doch im Moment zählten andere Dinge als eine überproportionale Optik, immerhin wartete da vorne ein einsames missgestimmtes Böckchen, das sich nach Gesellschaft und Wärme sehnte!
Schon der erste Tropfen der heißen Quelle, der seine Füße berührte, war die reinste Wohltat für die Sinne und ließ den Bären genießend Seufzen, während er ungeduldig die ersten Schritte über den unebenen Untergrund hinweg hechtete. Hätte Matthew ihn nicht über die halbe Insel gejagt, würde er sich jetzt nicht derart nach Aufwärmen und seinem Mann sehnen, voller Ungeduld der Aufforderung folgend die Cassie ihm endlich erteilt hatte – und hätte Cassie die Spannung nicht so groß gemacht, hätte nicht ein lautes Platschen für wenige Sekunden die romantische Idylle gedroht zu zerstören.
Etwas irritiert von seinem unerwarteten Abgang, dauerte es einen Augenblick bis die blonde Mähne wieder auf der Oberfläche auftauchte nachdem der Bär wenig galant an einem der Steine hängen geblieben war und sich langgelegt hatte. Der Nachmittag hätte so perfekt sein können, wie viele einzigartiger Momente die sie bereits miteinander geteilt hatten – doch wie so oft war ihre eigene Ungeduld daran schuld, dass sie einen perfekten Auftritt nie wirklich hinbekamen.
Unbeirrt seines vom flachen Aufprall nun knallrot verfärbten Oberkörpers, schlotterte der Hüne sichtlich auf und versuchte sein Zähneklappern einigermaßen im Zaum zu behalten als der eisige Wind seine nasse Haut traf. „Mir geht’s gut, alles okay!“ - Filigrane Rinnsale zierten Augenblicklich seinen gestählten Leib, zogen sich in feinen Linien und Formen über die stattliche Brust hinweg bis über seinen Bauch, nur um letztlich in der blondgelockten Scham zu versickern. Aber was war ein bisschen Frieren und brennender Schmerz schon, wenn die Aussicht auf Linderung seines Leids in greifbarer Nähe verweilte?
Nur wenig vorsichtiger als eben, setzte der Hüne seinen Weg tiefer in die Quelle fort, ließ den Wasserspiegel sinnlich an seinem angespannten Körper hinauf klettern und bedeckte sein Adamskostüm mit der wärmenden Decke aus Wasser, die wohltuend seine Glieder zu umschmeicheln begann.
„Wie ich sehen konnte, warst also erfolgreich jagen, mh?“, stellte der Schwimmbär zufrieden fest, als er sich durchs Wasser träge zu seinem angestammten Zielobjekt hinüber treiben ließ. „Und zur Belohnung wolltest du dir ein Bad gönnen, ganz ohne mich? Das finde ich schon etwas bedenklich…“
Vorwurf lag in seiner brummenden Stimme, doch kein wirklich ernst gemeinter. Auf Matthew konnte er einfach nicht sauer sein, selbst dann nicht, wenn der Trottel ihn noch zwei Stunden länger durch Schnee und Eis hätte waten lassen.
Wenngleich der andere ihn lediglich ins Wasser geladen hatte und nicht direkt zu wiedervereinender Zweisamkeit, sprach Clarence ihnen diesen Grundsatz nun inoffiziell selbst aus und suchte – kaum bei ihm angekommen – die Nähe zu seinem Mann. Zufrieden hob er die Arme aus der Wärme hinauf auf die Kälte, was die feine Behaarung sich augenblicklich aufstellen ließ, und streckte sie besitzanzeigend über Cassies Schultern hinweg um sich Nähe suchend dichter an den Jüngeren heran zu schmiegen.
„Aber du könntest mich wieder etwas milde stimmen angesichts dieser Ruchlosigkeit, schöner Mann… zum Beispiel mit einem Kuss, das wäre ein passabler Anfang. Was meinst du?“ – Clarence hielt das für eine ausgezeichnete Idee, denn genauso gut wie sich der vertraute Leib unter seinen Armen anfühlte, fühlte sich der Blonde nun auch Innerlich, wo er wieder mit seinem Liebsten vereint war.
„Ich hab dich vermisst, weißt du? Es waren zwar nur ein paar Stunden, aber…“, raunend benetzte er seine Lippen mit der Zunge, nicht die Notwendigkeit darin sehend seinen begonnenen Satz zu vollenden. Sein Blick sprach Bände wenn es darum ging wie sehr er sich nach dem Jüngeren gesehnt hatte und dass kein Zwist der Welt ihn davon würde abhalten können, sich nach der Zuwendung seines Geliebten zu sehnen.
Sein blondes Haar hatte sich nass an Kopf und Nacken angelegt, bedingt durch sein ungewolltes Abtauchen zuvor, doch selbst das schwere Wasser an seinem Leib konnte ihm nicht die imposante Erscheinung durch seinen widerspenstigen Bart nehmen, der schon immer den Naturgewalten getrotzt hatte.
Zart ließ er seine Lippen über die fremde Nasenspitze gleiten, hauchte einen Kuss in die Mitte von Cassies Gesicht und lehnte die Stirn vorsichtig an jene seines verführerischen Gegenübers. Noch hatte der Hüne vermieden ihre entblößten Körper unter der Wasseroberfläche enger aneinander zu bringen, doch nur aus dem einen Grund dass er sich schon jetzt unheimlich unruhig fühlte und sich insgeheim nach Matthew verzehrte – eine Sehnsucht, deren Gegenpol er im Jüngeren erst noch erkunden musste.


Matthew C. Sky

Natürlich wusste Matthew wie es war, wenn man etwas unbedingt wollte und zugleich fürchtete, das Ziel aufgrund von Übereifrigkeit zu verfehlen, aber er wusste nicht dass er das erklärte Ziel des Älteren war - zumindest nicht bis zu dem Moment als Clarence unvermittelt aufstand und noch im Gehen damit anfing sich zu entkleiden. Es war, als hätte Cassiel den Startschuss zu einem Rennen gegeben von dem er gar nichts gewusst hatte. Der eben noch festgefrorene Bär war so plötzlich aus seinem Winterschlaf erwacht wie Matthew es noch nie gesehen hatte und neugierig verfolgte er das Schauspiel mit wachem Blick. Die Kleidungsstücke des hünenhaften Mannes fielen nacheinander und mit jeder wärmenden Stoffschicht die abgelegt wurde, hatte die Witterung mehr Angriffsfläche, bis die weißen Flocken sich schließlich ungeschützt auf den athletischen Leib des Jägers legten. Nackt und vollkommen ungeschützt inmitten der feindseligen Natur, mutete Clarence nicht anders als ein Gott an, der sich mit irdischen Belangen nicht zu plagen brauchte. Das Spiel seiner Muskeln war aufgrund des dichten Schneefalls und der Entfernung zwar nicht im Detail zu erkennen, aber Matthew erahnte es ganz genau.
Schon oft hatte er seinen Mann entblößt gesehen, aber noch immer war es ein Anblick der seinen Bauch kribbeln und ihn unruhig werden ließ. Matthew fühlte sich zu Clarence nicht nur auf emotionaler und charakterlicher Ebene äußert hingezogen, sondern auch was körperliche Nähe betraf. Der Schamane war in den Augen des Kleineren derart attraktiv in jeder Hinsicht, dass er sich kein Szenario vorstellen konnte in dem er Clarence nicht bei sich haben wollte.
Ihre Auseinandersetzung vor einigen Stunden bot sicher noch viel Streitpotenzial, aber weder wollte der Bär selbiges ausschöpfen, noch Cassiel - der mitunter ziemlich nachtragend sein konnte, es aber diesmal nicht zu sein schien.
Schweigsam und mit unverhohlener Aufmerksamkeit beobachtete Matthew seinen schönen Mann dabei, wie er über den unebenen Boden ging und alsbald mit den Füßen in das heiße Wasser trat. Die Temperatur des Nass’ war im ersten Moment - zumindest für ihn - beinah zu heiss gewesen. Das Wasser hatte sich wie tausend Nadelstiche auf seinen kalten Muskeln angefühlt, ein Grund dafür warum Matthew langsam in tiefere Gefilde geschwommen war und sich nicht einfach hineingestürzt hatte.
Clarence schien die Hitze oder der Schmerz entweder nichts auszumachen oder er nahm beides nicht als so extrem wahr wie Cassie, denn statt sich allmählich in die Quelle zu begeben, hastete er regelrecht hinein. Das Resultat jener Eile ließ nicht lange auf sich warten, der sonst so trittsichere und gewandte Jäger geriet ins Stolpern und fiel der Länge nach in das noch relativ flache Wasser. Kurz erschrocken und reflexartig machte Matt einen Schritt auf den Größeren zu, der sich so schnell wieder aufrappelte wie er hingefallen war.
Nun mehr pitschnass und mit heftig gerötetem Oberkörper verkündete er dass alles in Ordnung war und setzte ungerührt seinen Weg fort. Eine derart skurrile Darbietung hatte Matthew von dem Hünen nur selten erlebt und ein freches Grinsen stahl sich unabwendbar auf Cassiels Lippen. Erfolgreich verkniff er sich ein lautes Lachen, auch wenn sich das Amüsement überdeutlich in seinen Augen widerspiegelte. Clarence schaffte es die folgenden Meter unbeschadet zurückzulegen und auch wenn Matt keine direkte Einladung zu sich ausgesprochen hatte, so bedurfte es selbige auch nicht, damit der Blondschopf sie suchte. Und das war gut so.
„Mehr oder weniger erfolgreich... Sechs Schüsse für zwei Tiere sind kein guter Schnitt.“, wahrlich nicht und schon gar nicht für ihn, der normalerweise ein flüchtendes Kaninchen aus etlichen Metern Distanz mit einem einzigen Schuss erwischte. Aber das Jagdergebnis war lediglich ein willkommenes Mittel zum Zweck, wie der Wildling schnell erkennen ließ. Die Arme auf Cassiels Schultern ablegend, suchte Clarence vorsichtigen Körperkontakt und Nähe zu Matthew - welcher keine Anstalten machte wieder auf Distanz gehen zu wollen.
Hatte er den Größeren bei seinem Erscheinen noch versucht mit eisigen Blicken abzustrafen, lag in seinen dunklen und seit jeher sehr ausdrucksstarken Augen eine Wärme und Liebe, wie nur Clarence sie von ihm geschenkt bekam.
„Ich hab dich vermisst, weißt du? Es waren zwar nur ein paar Stunden, aber…“
Hatte Clarence auch nur eine winzige Ahnung davon, wie schön diese Worte sich anhörten und welches warme Gefühl sie in Matthew auslösten?
„Ich hab dich auch vermisst, Baby...du weißt nicht wie sehr...“, räumte der Jüngere nun ebenso ein und gab damit jeden Groll unwiederbringlich auf. Hauchzart nur legte sich die Lippen seines Mannes an seine Nasenspitze und beschworen ein verliebtes Lächeln auf Matthews Züge. „Versuchen Sie gerade mich um einen Kuss zu erpressen, Sie ungehobelter Kerl?“, fragte er mit gespielt entrüsteter Stimme und schnalzte tadelnd mit der Zunge. Es machte zunächst nicht den Eindruck als würde er den Hünen küssen und sie damit von der Sehnsucht erlösen, die sie ohne Frage beide hegten. Doch schließlich hob er eine Hand aus dem Wasser und legte sie an den nassen Bart des Größeren und zog ihn daran mit sanftem Nachdruck etwas zu sich nach unten. Als ihre Lippen sich so nah waren, dass sie sich fast schon von selbst berührten, zögerte Matt nochmals auf spielerisch neckende Weise.
“Ich weiß wirklich nicht... ob ich Sie küssen sollte...“, flüsterte er, während seine Fingerspitzen behutsam durch den oft verteufelten Bart kämmten.
So sanft wie die niederfallenden Schneeflocken die Welt um sie herum bedeckten, legten sich schließlich auch des Jüngeren Lippen auf die seines Mannes. Er schloss seine Augen, hob auch noch die zweite Hand aus dem Wasser und legte sie in Clarence’ Nacken. Das frischverliebte Kribbeln in seinem Bauch trieb Cassiel unweigerlich dazu ungestümer zu werden als er sich eben noch gezeigt hatte. Unter dem leisen Geräusch sanfter Wellen kam der zierliche Bursche dem Hünen näher, bis nicht nur ihre Lippen, sondern auch ihre Körper sich berührten. Die breite Brust des Bären, sein muskulöser und von körperlicher Arbeit trainierter Bauch, die definierte Taille, die festen Flanken...all das - und noch mehr - war verborgen unter der warmen Wasseroberfläche, aber das minderte nichts an der reizvollen Situation in die sich beide jungen Männer manövriert hatten und von der sie ganz genau wussten.
Cassiel löste den behutsamen Kuss schließlich wieder, öffnete seine Augen und sah zu Clarence hinauf ohne die Nähe ihrer Gesichter wieder aufzuheben.
Der Größere roch nach Winter und Schnee, nach Natur und frischer Luft - als würde er selbst derjenige sein dem die Natur entsprang. Noch immer faszinierte Matt, wie ein einziger Mensch ihn so gefangen nehmen konnte, dass es nichts anderes mehr auf der Welt gab, was erstrebenswert war außer ihm.
„Als du dich vorhin...an Land so eilig ausgezogen hast...“, ergriff er leise wieder das Wort, während die Hand in Clarence‘ Nacken verspielt eine der nassen Haarsträhnen um einen Finger wickelte. “Da habe ich kurz befürchtet... einen ruchlosen Bären eingeladen zu haben. Einer von der Sorte...die....auf Wanderschaft gehen, um sich einen Partner zu suchen, an dem sie ihre aufgestauten Bedürfnisse befriedigen können. Ganz bestimmte Bedürfnisse...“. Für einen kurzen Moment stahl sich nach diesen Worten Cassiels Zungenspitze zwischen seinen Lippen hervor und er benetzte sie scheinbar beiläufig. Ob es wirklich eine so unschuldige Geste war, oder ob er sich seiner Wirkung bewusst war, war nicht eindeutig erkennbar - dazu war Matthew dann und wann einfach nicht durchsichtig genug. Erneut küsste der Kleinere seinen Geliebten zart, wenngleich er dieses Mal zum Ende des Kusses hin mit seiner Zungenspitze auch Clarence‘ Lippen kurz benetzte.
“Aber Ihr seid kein solcher Bär, oder...? Ihr seid...ehrenhaft. Euch kann ich vertrauen, hm...?“


Clarence B. Sky

Aus Cassies Sicht, bekanntermaßen ein Mann mit äußerst hohem Anspruch an sich selbst und noch höheren Erwartungen, waren sechs Schüsse für zwei Tiere wahrlich kein guter Schnitt. Clarence konnte sich nur allzu gut das Fluchen und Fauchen des Jüngeren vorstellen auf seiner Jagd, die Wut über sich selbst und Enttäuschung, die sich in seinem Partner breit gemacht hatte.
Doch wenn man bedachte, dass der schöne Schnösel noch vor einer überschaubaren Anzahl an Tagen nicht mal alleine aus dem Bett hatte aufstehen können und in einen halben Nervenzusammenbruch gerutscht war angesichts seines verminderten Augenlichts, waren sechs Schüsse für zwei Tiere plötzlich gar nicht mehr so schlecht – sondern ein verdammt herausragender Schnitt.
Stolz legte sich in die blaugrauen Augen des Hünen während er seinen Mann betrachtete, einer von jener Sorte der bis tief in das Innerste seines Herzens völlig ernst gemeint war und nicht so lapidar daher gesprochen um jemand anderen glücklich zu stimmen. Noch am Morgen hatte er befürchtet Cassie irgendwo in den Schneewehen wiederzufinden, vom Pferd gestürzt wegen einer plötzlichen Ohnmacht oder erschöpft von zu viel Kraftaufwand, den sich der Jüngere zugemutet hatte. Doch er war hier, so lebendig und voll von Lebensenergie wie schon lange nicht mehr. Das Gefühl einen solchen Mann an seiner Seite zu haben, stark und unbeugsam, trotzend seiner eigenen Schwächen und niemals aufgebend in einer Lage die kritisch anmutete, ließ sich den Jäger furchtbar kribbelig und unruhig fühlen.
Man mochte meinen ein Kerl wie Clarence Sky, seines Zeichens selbst ein Brocken und rau das Leben und Gefahr nehmend wie beide nun einmal kamen, wäre genug Mann für zwei auf einmal und würde daher eher einen Gegenpart bevorzugen, der etwas sanfter erschien und dem er jenen Schutz spenden konnte, den eine Statur wie die seine versprach. Bis zu einem gewissen Maß mochte das vielleicht sogar stimmen, nicht umsonst zog ihn die drahtige Figur seines Angebeteten derart an und auch wenn es um die Pflege des Jüngeren ging, hatte der Schamane mittlerweile schon mehr als nur einmal sein Können beweisen können. Unterm Strich aber war das alles nicht mehr als Sinn und Zweck einer Partnerschaft, nichts weiter – man kümmerte sich um das was man liebte, insbesondere wenn man es sich gegenseitig im Anblick eines Ehrfurcht gebietenden Altars versprochen hatte.
Doch wenn es darum ging was Clarence am meisten berührte, was ihn sich fühlen ließ wie einen halbstarken Jüngling auf Hormonüberdosis und ihn anzog wie das Licht die Motte, dann war das keinesfalls die Bedürftigkeit nach Schutz oder starken Armen, welche der Bär offensichtlich gerne zu bieten hatte. Ganz und gar nicht. Was ihn genauso anzog wie Cassies sanfte und liebevolle Art, waren dessen rauere Charakterzüge – sein Faible fürs Jagen von Wild, sein Talent selbst den gefährlichsten Widerständen zu trotzen und sich von Niederschlägen nicht beugen zu lassen. Auch Cassie konnte stark wie ein Bär sein wenn es darauf ankam, er verteidigte seinen wilden Barbaren gegen monströse Arachnoiden, er trug seine Kriegstrophäen in Form von Säurenarben und Steinschlags-Scheiteln in die Welt hinaus. Was Clarence brauchte, wonach er sich sehnte, das war kein verweiblichter Kerl mit übermäßig femininen Allüren, sondern ein echter Mann – und verdammt, das konnte dieser heiße dunkelhaarige Schnösel so sehr sein wie niemand sonst auf der Welt, wenn er nicht gerade einen von seinen zickigen Anfällen bekam.
Ein zufriedenes Lächeln legte sich über die Lippen des Hünen als er das warme Baby vernahm, kosend über die Lippen seines Mannes rollend und damit neue Gänsehaut im Blonden beschwörend, obwohl er sich schon längst im warmen Wasser befand. Bis heute, selbst nach all den Monaten, war es für den Jäger noch immer nicht verständlich wie sich so schnell geliebte und zärtliche Gewohnheiten zwischen ihnen hatten einstellen können, die sich nicht mal im Ansatz seltsam anfühlten. Aber Clarence genoss sie alle.
„Niemals, das würde ich mich nie wagen!“, versuchte er vehement seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen und den Verdacht einer Erpressung aus dem Weg zu räumen, leider nur mit mäßigem Erfolg. Seine Absichten waren definitiv zu durchschaubar und wenn man sich betrachtete wie zielstrebig und frei von Umwegen er unumwunden die körperliche Nähe zum Jüngeren gesucht hatte, kaum da sein vom Aufprall geröteter Körper aus den Tiefen des flachen Wassers wieder auferstanden war, schien es mehr oder weniger unmöglich seine zwielichtigen Ziel nicht erahnen zu können.
Doch… doch, solltest du.“ - Sehnsüchtig brummte der nasse Winterbär kaum dass er dem Zug seines Bartes gefolgt war, nickte zaghaft und folgte aufmerksam dem verliebten Kämmen durch sein raues Haar. „Du solltest mich küssen, auf jeden Fall…
Die wussten beide, dass es in Wahrheit gar keinen Zweifel an dieser Sache gab, noch weniger würden sie sich davor sträuben sich endlich wieder nahe zu kommen und genau deshalb ließ sich Cassie kein zweites Mal mehr bitten, dem räuberischen Erpressungsversuch endlich nachzukommen.
Wohlig schloss der Bär seine Augen, hieß die heißersehnten Lippen seines Geliebten auf den eigenen willkommen und lehnte sich den Jüngeren lautlos entgegen. Ohne Matthew tat sich eine ewige Kluft in seinem Inneren auf, ein Loch das schmerzte und nicht ohne weiteres geheilt werden konnte. Ganz alleine dieser Mann in seinen Armen war es, der seinem Leid ein Ende zu setzen wusste, der es schaffte die Lücke zu füllen die sein Verschwinden verursacht hatte und so war es nicht verwunderlich, dass Claire sich in den Kuss seufzend dichter seinem Partner entgegen schmiegte.
Deutlich spürte er den drahtigen Leib des Jüngeren an seinem, vernahm die kratzigen dunklen Bartstoppel auf seinen Lippen und genoss mit jeder Faser seines Körpers die Gewissheit, nun endlich wieder zusammen zu sein. Zaghaft legte sich das fremde Nackt an seine Haut, ließ ihn spüren nicht mehr länger der Einsamkeit zu erliegen und eine unaufhaltsame Hitze machte sich in seinem Bauch breit, kaum da er die Körpermitte des Jüngeren an der seinen spüren konnte.
Hungrig folgte Clarence dem fremden Mund als dieser sich von ihm zu lösen versuchte, blieb dabei erfolglos und öffnete doch nicht wieder gleich die Augen, nur weil sein Mann ihn alleine mit seinen Sehnsüchten an Ort und Stelle alleine gelassen hatte – ganz so, als könne er in der Dunkelheit hinter seinen Lidern den Kuss dazu beschwören wieder aufzuflammen und ewig zu dauern, selbst wenn dieser Tag hier bald schon ein Ende haben sollte.
„‘Ganz bestimmte Bedürfnisse‘, mh?“, echote der Bär voller Unschuld so als wüsste er gar nicht worauf die sündige kleine Nymphe hinaus wollte, doch selbst wenn er wirklich keine Ahnung gehabt hätte, Matthew ließ es ihn kurz darauf wissen. Keuchend ergab sich der Blonde nun auch dem zweiten kurzen Kuss, versuchte den Dunkelhaarigen dabei zu umgarnen ihn bloß so schnell nicht mehr her zu geben und auch wenn er es nicht ganz und gar verhindern konnte, so war es wenigstens die warme weiche Zungenspitze seines Mannes, die ihr kribbelndes Mal auf ihm hinterließ und ihm damit aufzeigte, von von welcher Art Bedürfnis sie hier sprachen.
Träge öffnete Clarence einen Spalt breit seine schweren Lider, musterte die noch immer leicht geöffneten Lippen seins Gegenübers, auf welche sich ein verführerischer Glanz gelegt hatte. Sie beide mochten in so vielen Dingen so unterschiedlich sein wie Tag und Nacht, Gegensätzlich wie Sommer und Winter und brachen in Streitigkeiten aus, über deren Ursprung andere nur trocken lachen würden. Doch wenn sie eines gemeinsam hatten, dann war es ihr ausufernder Hunger nacheinander und das Talent, sich die gleichen Fantasien zum selben Zeitpunkt zu teilen.
Es mag sie geben, diese… ruchlosen… räuberischen Bären. Aber keine Angst, meine Schönheit… ich bin keiner davon…“, wisperte der Wanderer seiner anzüglichen Gesellschaft mit tiefer Stimme entgegen, hauchend und verführerisch. Langsam zog er seine Arme etwas von den fremden Schultern zurück, legte stattdessen seine Hände darauf ab und streichelte genussvoll die kühle fremde Haut, bevor er die tanzende Wasseroberfläche in wärmere Gefilde durchbrach.
Meine Art streunt durch Wälder und Wiesen und… nimmt ausschließlich die Fährte jener kleinen Böckchen auf, die eindeutig den Geruch von… Paarungsbereitschaft… verströmen…
Oh ja, für eben jene paarungsbereiten Böckchen liefen solche Bären sogar für Stunden durch dichte Schneedecken.
Und dann, wenn… diese erhitzten, süßen Böckchen versuchen ihre ungestillte Unruhe in einer nahen Quelle etwas abzukühlen um ihr Leid zu mindern… dann sehen und nutzen wir Bären die Gunst der Stunde natürlich…
In gewisser Weise war das wirklich mehr als ehrenhaft wenn man bedachte, dass diese armen Böckchen nicht einfach überfallen wurden von wilden Tieren wie manch andere Rasse sie war. Anstatt ihn sich mit räuberischer Gewalt zu nehmen, hatte der Bär sogar gewartet bis das Kleine ihn in die heiße Quelle einlud und wer Claires‘ Rasse kannte, der wusste, dass dieses arme Böckchen damit sein eigenes Unheil herauf beschworen hatte.
Sorgsam ließ der Bär seine starken Pranken über die Flanken seines Gegenparts wandern, glitt unter dem warmen Wasser wieder daran herauf und strich beidseits mit seinen Fingern über die flache und doch kräftige Brust seines Gegenübers. Das Gefühl des entblößten fremden Geschlechts an seiner eigenen Mitte, umgeben von wohliger Wärme, wurde intensiver, als sich der Bär dichter an den Dunkelhaarigen schmiegte.
Ich kann dir versichern, dass ich… niemals zuvor ein Böckchen verfolgt habe, das… jemals mehr paarungswillig gerochen hat als du, mein Kleines…
Ein hungriges Brummen grollte die bärtige Kehle des Blonden empor und zielstrebig ließ er dabei Zeigefinger und Daumen sich um die empfindsamen Knospen des Jüngeren legen, um sie sanft durch seine Fingerspitzen reiben zu lassen.
Aber es wird nicht zu deinem Nachteil gewesen sein, auf mich zu treffen… keine Sorge. Ein Bär wie ich weiß ganz genau wie man diesen unruhigen Hunger endlich stillt, der dich plagt. Wie man diese Sehnsucht in dir ausfüllt und vor allem… womit


Matthew C. Sky

Eine angenehme Stille nahm das kleine Refugium ein, dass nicht mehr länger nur dem badenden Schönling gehörte, sondern das er sich endlich wieder mit dem Mann teilte, in dessen Innersten ein schlimmer Bär lauerte.
Es brauchte nicht viel um sie beide in Stimmung zu bringen und Cassiel würde lügen wenn er behaupten würde, er würde es nicht genießen so derart begehrt zu werden. Doch die Lust des Größeren war keine Einbahnstraße und Matthew war dem Jäger längst nicht mehr überlegen, in Bezug auf sein Verlangen. Einst hatte der Schamane den Jüngeren mehr gewollt als dieser ihn, aber mittlerweile... .
Allein schon die raunende, tiefe Stimme, die sich samtig weich wie Honig über Cassiels Sinne legte, beschwor in dem zierlichen Burschen gewisse Fantasien herauf. Fantasien, die er sich mit Clarence teilte und die mehr waren als bloße Tagträumereien. Zu ihrer beider Glück teilten sie die selben Sehnsüchte, verlangten beide nacheinander und waren in ihrer Beziehung zueinander gefestigt genug um jene Gelüste mehr oder minder offen anzusprechen. Die süffisante Art mit der Matthew auf jenes Thema hingelenkt hatte um vorzufühlen wie es bei seinem Geliebten stimmungstechnisch aussah, blieb nicht ohne Belohnung. Der Bär war erwacht und wie das athletische und doch filigrane Böckchen nun erfuhr, war es ein Bär von besonders skrupelloser Art - auch wenn der Bär versuchte das ganz anders darzustellen. Das Werben umeinander und das Spiel miteinander hatte begonnen, ohne das mehr zwischen ihnen geschehen war als zwei kleine Küsse und ein paar weniger Worte. Aber mehr brauchte es auch nicht.
Scheu – so wie es sich für ein Böckchen ziemte – blickte er zu dem Hünen auf, dessen Hände auf Wanderschaft gegangen waren und ein unschickliches Kribbeln in seinen Lenden heraufbeschworen. Das Prickeln nahm sofort des Kleinen Scham ein und es musste sich beherrschen, sich nicht lasziv am Unterleib des Bären zu reiben. Um seine Sinne wieder zu fokussieren, versuchte Matthew sich abzulenken und suchte und fand dazu seine Stimme wieder.
“Also nutzt deine Art…die Notlage anderer aus um…daraus einen Vorteil zu gewinnen.“ flüsterte Cassiel mit furchtsamer Stimme, ganz so als wäre ihm das nicht von vornherein klar gewesen. Sich als Heilsbringer und Helfer darzustellen, sah dem eitlen Bären ähnlich. Aber es lag in der Natur des kleinen Böckchens misstrauisch zu sein und sich nicht einfach so einlullen zu lassen.
Überlegend biss er sich auf die Unterlippe, neigte seinen Kopf ein bisschen und schien abzuwägen ob eine Flucht nicht doch besser war als zu verweilen. Doch sein Häscher, den er sich selbst eingeladen hatte, wusste was es brauchte um seine Beute schwach zu machen. Liebkosend und scheinbar vollkommen unschuldig ließ der Bär ihm Streicheleinheiten zukommen, auf die der zierliche Leib unweigerlich ansprach. Die mit sanftem Zupfen bedachten Knospen seiner Brust richteten sich auf, verhärteten sich und reckten sich - wie Blüten der Frühlingssonne – den Tatzen entgegen.
Überrascht keuchte Matthew auf, überfordert von der Erregung die der Bär in ihm heraufbeschwor und gleichsam unfähig ihn daran zu hindern sein Tun fortzusetzen. Paarungswillig nannte der hünenhafte Bär ihn und erzeugte damit eine schamhafte Röte auf den Wangen des Kleineren der nicht verhehlen konnte, dass er es war. Trotzdem übte sich das junge Böckchen in Widerstand, als es begann seine Natur zu verleugnen. “Ich verspüre keine…Sehnsucht.“ log er, obgleich sein Körper bereits begonnen hatte ihn zu verraten. “Ich bin nicht…von dieser Sorte.“, beharrte er, als wäre er etwas Besseres und gehöre nicht zu der triebhaftigen Spezies für die der Bär ihn hielt. Gleichzeitig war aber auch vollkommen offensichtlich, dass er die Liebkosungen sehr genoss. Seine Atmung war eine Nuance schneller und tiefer geworden und unterhalb der Wasseroberfläche blieb dem ruchlosen Bären sicher nicht verborgen, dass die Männlichkeit des Kleineren allmählich erwachte. Sie war noch nicht zur Gänze erhärtet, aber regte sich spürbar.
„Ich hege keine solchen... profanen Gefühle auf die...euresgleichen aus sind.“, ließ der Dunkelhaarige wie zum Trotz verlauten, ganz so als könne er nichts für die eindeutigen Reaktionen seines Körpers.
“Ein Bär wie ich weiß ganz genau wie man diesen unruhigen Hunger endlich stillt, der dich plagt. Wie man diese Sehnsucht in dir ausfüllt und vor allem… womit…“ - frohlockte der Bär weiter und machte es dem Kleinen schwer die Fassade aufrecht zu erhalten. Es stimmte: er war in Not und er sehnte sich danach das sich jemand seiner annahm, gleichzeitig jedoch wollte er es nicht so einfach zugeben vor jenem unverschämten Bären. „Woher soll ich wissen...dass es keine List deiner Art ist...mich in Sicherheit zu wiegen, nur um dann...doch über mich herzufallen?“
Die Hand, die eben noch mit einer der nassen Haarsträhnen gespielt hatte, glitt nun zurück in das warme Wasser und legte sich auf die breite Brust des Bären ab. Sie fühlte sich makellos unter seinen Fingern an und Cassiel begann ebenfalls damit die zarten Brustwarzen zu umschmeicheln. Ein wohliges Seufzen verließ die halb geöffneten Lippen des Böckchens und es richtete den Blick wieder empor in das Gesicht des Raubtieres. Es fühlte sich gut an in seiner Nähe zu sein, es fühlte sich gut an ihn anzufassen und gleichsam von ihm berührt zu werden. Die Vorstellung was dieser große Bär alles mit ihm tun könnte, machte ihn ganz unruhig und be8nahe schon wehleidig.
“Seid Ihr...ein erfahrener Bär?“, wollte er schließlich flüsternd wissen und schien von seiner zaudernden Haltung ein Stück abzurücken.
“Ein Bär der... der weiß was er tut und was es braucht um...diese Unruhe zum Schweigen zu bringen und das...das Leid zu lindern welches kleine Böckchen von Zeit zu Zeit plagt?“ Die Erkundigungen die das unschuldige kleine Ding einholte waren im Augenblick noch allgemeiner Natur, ganz so als beträfe es nicht ihn selbst , sondern nur seine Artgenossen. “Was würde...ein Bär wie Ihr es seid... denn...mit einem solchen Böckchen tun, hm? Ich muss gestehen...Ich habe keinerlei Kenntnisse darüber was...es brauchen könnte um...“, erregt keuchte er auf, nicht länger in der Lage dazu die Wohltat zu ignorieren, die die zupfenden Pranken an seinen rosigen Knospen vollführten. Mit den Worten “...jenen armen Geschöpfen zu helfen...“ beendete er hastig und mit dünner Stimme seine Ausführungen. Natürlich konnte er sich nur allzu gut ausmalen welche Mittel und Wege der Stärkere anwenden könnte und doch tat der Jungspund lieber weiterhin unschuldig und anständig.
Kaum merklich schmiegte sich das in Wahrheit unschicklich triebige Böckchen dabei fester gegen den Bären in der Quelle. Es war allgemein bekannt, dass ein Bär ein äußert gefährlicher Zeitgenosse war, der sich jederzeit nehmen konnte was immer er wollte. Auch diesem stattlichen Exemplar traute das kleine Böckchen alles zu, weshalb es sich weigerte mit offenen Karten zu spielen und zuzugeben, dass es hilfsbedürftig war und sich danach sehnte die schreckliche Last der Unruhe und sexuellen Gier abgenommen zu kriegen. “Vielleicht...“, setzte das zierliche Böckchen an, ehe es sich überlegend über die Lippen leckte. “Vielleicht...könnt Ihr mir zeigen wie Ihr... mit solch einem armen Wesen verfahren würdet, würdet ihr es treffen...?“ Im Umkreis von etlichen Meilen gab es keine Menschenseele die sie belauschen oder beobachten könnte und doch wisperte er verschwörerisch, so als dürften noch nicht einmal die anderen Tiere des Waldes erfahren, was sich in der Quelle anzubahnen drohte. Nämlich die unausweichliche Paarung zwischen einem ruchlosen Bären und einem kleinen unschuldigen Böckchen. Ersterer würde es sich sicher nicht nehmen lassen, das schwächere Wesen zu besteigen und - hoffentlich - dabei zu beglücken. Und Letzteres...nun es konnte noch so sehr auf den eigenen Anstand hinweisen, letztlich sprach der Leib des Kleineren schon jetzt eine ganz andere Sprache.


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