An Deck
12. Juni 2210
So sehr er es auch versuchte, Clarence konnte sich den kleinen Matthew nicht vorstellen wie er abends vor seinem Bettchen kniete und zum heiligen Vater betete. Nicht, dass er seinem Mann nicht glauben würde – denn das tat er, durchaus. Aber heute, etliche Jahre später, war der Dunkelhaarige einer der größten Heiden die Gottes schöne Erde jemals zu Gesicht bekommen hatte und alleine die Vorstellung eines einstmals gläubigen Jungen in diesem Menschen hätte ausgereicht, damit sich jedem Fanatiker im Umkreis von hundert Meilen die Härchen auf den Armen aufgestellt hätten.
Sie würden sich fragen, was nur im Leben dieses einstmals frommen Buben geschehen sein musste um vom Wege des Herren abzukommen und warum er keinen Rückhalt in seinem Glauben gefunden hatte, wie es sich gehörte. Vielleicht hätten einige wenige verstanden wie es zu dieser Entwicklung gekommen war, andere wiederum nicht, doch Clarence brauchte all diese Fragen nicht zu stellen und sich keine Meinung zu bilden angesichts des Geständnisses, welches der Jüngere zu seiner Kindheit gemacht hatte.
Egal was Matthew tat oder sagte, welche skeptischen Hinterfragungen er auch stellen mochte und wie feindlich er der Einstellung zu Claires früherer Lebensweise auch entgegen stehen mochte, er würde es nicht schaffen dass der Blonde ihn deshalb weniger liebte oder schätzte.
Sie hatten sich kennengelernt als Menschen, frei von Vorkenntnissen und Belastungen. Die Ansichtsweise, die sie voneinander hegten und die damit einhergehende Meinung, die sie vom anderen hatten, maßen sich nicht an Glaubensfragen oder der Vergangenheit. Sie liebten sich für das Hier und Jetzt, für das was sie zusammen sein würden und nicht für jene dunklen Schatten, welche sie ohneeinander gewesen waren; nicht mal der Vergleich mit seinen beiden verstorbenen Mädchen konnte etwas daran ändern durch welche Augen der Jäger seinen Partner sah und immer sehen würde.
Vermutlich wäre Matthew ein besserer Vater als er selbst, ging es Clarence durch den Kopf, und betrachtete den Kleineren dabei schweigend während er dessen Ausführungen folgte. Zwar hatte er damals mit alten Traditionen gebrochen und es sich darunter zum Vorsatz gemacht seine Kinder niemals zu züchtigen wie er es selbst am eigenen Leibe in der Kindheit zu spüren bekommen hatte – eine gängige Methode um aus den Früchten der eigenen Fortpflanzung folgsamen Nachwuchs zu machen – aber unterm Strich hatte das aus ihm noch lange keinen guten Vater gemacht.
Ein vorbildliches Elternteil zu sein maß sich nicht daran in welchem Stil man seine Kinder erzog, sondern welche Werte man ihnen vermittelte und auf den langen Weg des Lebens mitgab. Aber was waren das für Grundsätze gewesen, die er seine Kinder gelehrt hatte? Nicht alle der engstirnigen Regeln waren sinnvoll gewesen; manche hatte er unter Vorsatz gebrochen, viele andere aber sehr bewusst aufrecht erhalten weil er in ihnen Sinn und Verstand erkannt hatte, auch wenn dieses Privileg den Menschen außerhalb des Madman Forest nicht in jenem Umfang gegönnt war. Clarence hatte seine Mädchen nie gelehrt etwas zu hinterfragen um für sich selbst den rechten Weg zu finden mit dem sie glücklich sein konnten, hatte ihnen nicht beigebracht mit sich selbst und ethischen Fragen im Reinen zu sein.
Was würde aus Zöglingen werden, steckten sie unter den Fittichen eines Mannes wie Cassie?
Mhh… auch wenn sie in vielerlei Hinsicht nicht die gleiche Meinung vertraten, so liebte er den dunkelhaarigen Schnösel abgöttisch und war sich alleine deshalb schon sicher, dass selbst aus der wenigst gebändigten Brut ehrbare Erwachsene hervorgehen würden, vertraten sie dank ihrer Erziehung nur die Hälfte der Werte die sein Mann in sich vereinte. Sie wären gütig und wachsam, hätten ein scharfes empfinden für Recht und Unrecht, sie würden sich für andere einsetzen wenn es nötig war, auch wenn sie selbst darunter ins Schussfeuer geraten würden. Die Art mit der Cassie einen liebte war bedingungslos, die Weise wie er einen rügte ernst, aber ohne verletzend zu sein. Als Vater würde er seine Kinder in die richtige Richtung lenken ohne sie zu etwas zu drängen; sie würden sich frei entfalten und doch niemals ins Abseits rutschen, so wie es Claire nach seiner Ausreise aus den Wäldern der Fanatiker ergangen war.
„Und ich habe beachtliche Zweifel daran, dass du in meiner alten Heimat länger als fünf Minuten überleben wirst, so wie du dich gerade äußerst“, schüttelte der Bär von Mann seine unpassenden Gedanken zu inexistentem Nachwuchs ab und traf dabei den gleichen Tenor, wie auch sein Mann ihn eben noch angeschlagen hatte.
Was ihre Beziehung betraf, so mochte es mehr als wünschenswert sein wenn Gott sich nicht für sie interessierte; doch letzten Endes schien es Cassie noch immer kein Begriff wie wenig charmant es für einen Christen anmutete ihm so direkt ins Gesicht zu sagen, dass er dem lieben Herrgott – mit Verlaub – scheißegal war.
Vielleicht, wären sie noch in Coral Valley und lange nicht an dem Punkt wo sie sich heute wiederfanden, wäre Clarence die Diskussion spätestens an dieser Stelle zu weit gegangen und er hätte seine Sachen gepackt um umzudrehen und den Jüngeren wie einen begossenen Pudel zurückzulassen, ähnlich wie er es oft genug auf Wanderschaft schon getan hatte. Aber nicht nur hatten sie sich über jene Ebene schon lange hinaus entwickelt, sondern sich auch besser kennen und verstehen gelernt – heute war sich der Blonde sehr bewusst darüber, dass die unüberlegten Worte weniger verletzend gemeint waren, sondern vielmehr die eigene Meinung vertretend und gewisse alternativen Sichtpunkte in den Fokus stellend.
„Mit dir kommt echt ein Batzen Arbeit auf mich zu, das weiß ich jetzt schon. Sei es nur, dass ich deinen Hals immer wieder aus der Schlinge ziehen oder deine Hände von einem Kreuz brechen muss“, sprach er das Offensichtliche aus und meinte es tatsächlich so wie er es sagte. Er kannte Cassie und egal was er ihm einimpfte oder einbrannte, der Kerl würde sein loses Mundwerk sowieso nicht halten können. „Dieses Gespräch strengt mich schon ein wenig an, wenn ich ehrlich sein soll…“
Resignierend seufzte der Bär, auch wenn ihm noch hundert weitere Worte auf der Zunge gelegen wären um seinem Partner zu erklären, wieso er trotz all dem Leid in seinem Leben trotz allem noch immer göttliche Fügungen erkannte. Matthew mochte sich vom Beten abgewandt haben, weil der Tod seines Freundes Jamie ihm bewiesen hatte, niemand würde kommen um sie zu erretten; darüber schien er völlig zu verkennen, dass Gott ihm durchaus jemanden geschickt hatte.
Ihnen beiden war dieser jemand entsandt worden. Nicht etwa am Ende dessen was sie geglaubt hatten psychisch zu ertragen, sondern erst in jenem Moment, als sie all die Qualen dank ihrer unbeugsamen Hoffnung überlebt und kurz vor ihren letzten Atemzügen gestanden hatten.
„Egal ob Gott sich für uns interessiert oder nicht, die Menschen dort werden es zumindest tun. Tu mir wenigstens den Gefallen und versuch nicht zu sterben während du deine blasphemischen Reden schwingst, denn ich weiß nicht ob ich genug Zeit haben werde deinen kleinen knackigen Hintern zu retten, wenn ich meinen eigenen gerade in Sicherheit bringen muss.“
Trotzig ließ er die Arme von Cassies Schultern sinken und wanderte mit den Händen zurück an eben jenes benannte Hinterteil, denn wahrlich: Das zu Beginn noch vorgeherrschte Liebesgeflüster hatte ihm wesentlich mehr zugesagt als der Grundsatzstreit über Religion, Glauben und den potentiellen Abbruch ihrer Segeltour, nur um darunter Claires eigene Reisewünsche im Keim erstickt zu hören.
„Lass uns…“, setzte der Bär überlegend wieder an, kaute nachdenklich auf seiner Unterlippe und musterte den Kleineren abwägend. „Lass uns dieses Thema pausieren und wann anders wieder aufnehmen, okay? Unser Essen verkocht und die Ruinen da drüben werden auch nicht jünger, wenn wir unsere Schlachtplanschmiederei noch weiter aufschieben. Wenn wir irgendwann auf dem Weg in meine Heimat sind, haben wir noch genug Zeit um uns über dortigen Sinn und Unsinn zu zoffen, aber jetzt… jetzt hab ich Hunger, will mit dir in der Sonne liegen und dir irgendwann in der kommenden Stunde dieses neckische Handtuch hier von den Hüften klauen, das mir sowieso schon die ganze Zeit im Weg ist. Meinst du, wir bekommen das hin?“
Der „Morgen“ war in jeder Hinsicht bemerkenswert. Nicht nur das sie ihrem Verlangen gleich zweimal hintereinander freien Lauf gelassen hatten, sondern vor allem weil sie noch immer nicht die Finger voneinander lassen konnten. Die körperliche Nähe die sie suchten war die von frisch Verliebten und das obgleich sie schon vor einiger Zeit den Bund eingegangen waren. Aber nicht nur ihr Umgang auf dieser Ebene hatte sich gewandelt.
Wahrlich, über Gott und Glauben zu diskutieren wäre vor Erreichen Coral Valleys nicht nicht möglich gewesen.
Clarence war dünnhäutig was die ketzerischen Fragen seines atheistischen Gefährten anbelangt hatte und Cassiel wiederum hatte sich nie besondere Mühe gemacht seine Ansichten so kundzutun, dass er nicht direkt mit der Tür ins Haus fiel und Clarence vor den Kopf stieß.
Er hatte erfolgreich immer so getan, als sei es ihm scheißegal was andere dachten und wie es anderen ging. Dass Clarence ihm schon lange vor ihrem ersten Kuss am Lagerfeuer etwas bedeutet hatte, hatte er nicht unbedingt gezeigt und so manches Mal war er kratzbürstig und ungerecht mit Vorsatz gewesen.
Und wo es Matthew an Taktgefühl und Respekt gemangelt hatte, hatte der Schamane erstaunlich wenig Geduld gehabt was jenes Thema anging.
Die wenigen Male in denen der christliche Glaube also ein Thema zwischen ihnen gewesen war, war die Situation stets darin gegipfelt das Clarence sich verzogen hatte - nach einem lautstarken Disput.
Matthew hatte nicht weniger laut gekontert und so waren sie einander in den Stunden danach aus dem Wege gegangen. Sich anzubrüllen, handgreiflich zu werden und sich gegenseitig zu beschimpfen war damals normal gewesen wann immer Cassie es darauf angelegt hatte. Einen Streit zu provozieren war ihm leicht gefallen und manchmal hatte er genau das getan um Clarence zumindest ein bisschen aus der Reserve zu locken und Emotionen in dem schweigsamen Klotz zu beschwören.
Heute, in einem gefühlt vollkommen anderen Leben, bedachte Clarence den Jüngeren mit dem Blick eines nachsichtigen und doch ratlosen Vaters.
Seine Augen waren sanft und schienen zu sagen ‚Ich weiß nicht wie ich dir je etwas beibringen soll‘. Dabei war Cassiel durchaus ehrlich gewillt zu verstehen, was Glaube für den Größeren bedeutete und wieso er weiterhin an die Existenz eines Gottes glauben konnte, angesichts allem was passiert war. Er konnte es nicht, sein Glaube hatte ihn nicht durch die schwärzesten Jahre seines begleitet. Ihm war Gott abhanden gekommen.
Doch der Dunkelhaarige war bisweilen nicht sehr sensibel. Er redete, Clarence nannte es gern plappern, ohne sich Gedanken darüber zu machen wie es beim Gegenüber ankommen mochte.
Er konnte unheimlich charmant und weitsichtig sein, fand in mancherlei Situationen den richtigen Ton und kluge Worte - aber es kam mindestens ebenso oft vor, dass er anderen mit seiner direkten Art auf den Schlips trat.
Matthew hatte Clarence nicht verletzen wollen, es war ihm einfach gar nicht so bewusst gewesen wie das Gesagte für den Hünen klang.
Einen Batzen Arbeit nannte Clarence es schließlich, was er sich mit Matthew ans Bein gebunden hatte und die Sorge die in seiner Stimme in eben jenem Zusammenhang mitschwang war aufrichtig. Der Blonde wirkte betrübt ob der Worte des Kleineren und Cassie erkannte, dass das Gesagte wenig taktvoll gewesen war. Für ihn war Gott nicht wichtig, ob es ihn gab oder nicht änderte nichts für ihn, sein Leben war nicht nach Geboten ausgerichtet und der Allmächtige war nicht Teil seiner Weltanschauung. Deshalb konnte er so daherreden, deshalb konnte er hinterfragen was für Christen selbstverständlich war, deshalb hatte er Zweifel, wo Gläubige die Dinge einfach als gegeben hinnahmen.
Bei dem Blondschopf lagen die Dinge anders, er war aufgewachsen in einer Gemeinde bei der Gott allgegenwärtig war, er lebte nach Grundsätzen die für Cassiel keinen Sinn hatten. Sein Leben würde sich ändern, würde sich von einen Tag auf den anderen herausstellen, dass es Gott tatsächlich nicht gab.
Es war nicht fair einen Gläubigen, gleich welcher Religion, in Zweifel zu treiben und Cassiel hatte das auch nie bezweckt. Seine forsche Art die eigene Ansicht zu dem Thema zu vertreten war nicht böse gemeint gewesen und doch hatte er Clarence damit Unbehagen bereitet. Dass das so war, war nun mehr unübersehbar - auch wenn der Schamane ihn dieses Mal nicht anschrie und auch nicht die Einsamkeit suchte.
Aber das musste er auch nicht, damit Matthew seinen Fehler erkannte.
Der junge Mann sah schweigend zu dem Blonden auf, überdachte seine eigenen Worte und die des Größeren. Es gab tausende weitere Fragen, tausende Argumente die ihm auf der Zunge lagen. Wenn es allein nach ihm gegangen wäre, das Thema wäre nicht gewechselt worden zu Gunsten eines Mittagessens. Aber es ging nicht mehr nur nach ihm und die Zeiten in denen er gemacht, gesagt und gefragt hatte wonach ihm eben war, waren vorüber. Also schluckte er sie herunter, die ungestellten Fragen zu Clarence‘ Glauben und stimmte stattdessen wieder die leise Melodie an zu der sie sich wiegten.
Die Hände seines christlichen Jungen gingen derweil auf Wanderschaft, was Cassiel zu einem spitzbübischen Schmunzeln verleitete.
„Na gut, pausieren wir das Thema...“, räumte er ein, wissend das es sich um einen Aufschub auf unbestimmte Zeit handelte. Er hatte nicht gewollt, dass Clarence ihr Gespräch unangenehm wurde, aber daran konnte er rückwirkend nichts mehr ändern. Jedoch hatte es auch etwas Gutes, dass ihm erst jetzt bewusst wurde: nämlich wie grundlegend sich ihr Umgang miteinander verändert hatte. Unliebsame Situationen, schwierige Themen... nicht länger bestand ihr Zusammensein darin derartiges zu vermeiden. Sie konnten reden, buchstäblich über Gott und die Welt - und nichts eskalierte. „Hmmm...“, machte der Kleinere überlegend. Nachdenklich legte er den Kopf schief, löste eine Hand vom Nacken des Hünen und legte sie wieder an dessen bärtige Wange.
„Soso, du willst mir also an mein Handtuch.“, tadelnd schnalzte er mit der Zunge.
„Ich weißt nicht ob ich das zulassen kann. Ich bin ein ehrenhafter junger Mann, ich lasse mir nicht einfach so mein schönes Handtuch stehlen, von jedem x-beliebigen Kapitän der mich zum Essen einlädt.“ - nur das die Verhältnisse klar waren.
Aber was ebenfalls klar war, war die Tatsache das Matthew Cassiel Sky unheimlich auf christliche Burschen stand wie sein frommer Gatte einer war und wenn dieser irgendwelche Besitzansprüche anmeldete, dann kam es ihm eigentlich nicht in den Sinn sich denen zu verschließen.
Der Kleinere stellte sich für einen Moment auf die Zehenspitzen um seinem Blondi einen kurzen Kuss zu rauben, nicht lang genug um unchristliche Sehnsüchte zu wecken, aber doch energisch genug um deutlich zu machen wie sehr Matthew ihn liebte.
„Ich schlage vor...“, fing er an, kaum da er die Lippen seines Liebsten wieder freigegeben hatte. „...du verrätst mir zuallererst woher du das Himbeerbonbon hast.“ - dieses Geheimnis musste der Schamane ihm noch auflösen - das war er ihm schuldig. „Und dann holst uns jetzt das Essen rauf und ich warte hier auf dich, ob mit Handtuch oder ohne, weiß ich noch nicht.“
Und um Hoffnungen zu wecken und Motivation zu schüren, legte er beide Hände an das oben eingeschlagene Handtuch um seine Hüften und löste das eingesteckte Ende. Ganz wohldosiert und überlegt lockerte er das Tuch und ließ es ein Stückchen hinab gleiten, sodass die Rundungen seines Gesäß‘ ein wenig freigelegt wurden. „Was meinst du, hm? Bekommst du das hin?“
Imitierte er Clarence keck.
Die Ruinen konnten wegen ihm verfallen noch während sie hier in der Sonne standen. Seine Welt hatte sich geändert, Gott spielte darin keine Rolle mehr, aber Clarence, der sein Ein und Alles war. Und den ketzerischen Gedanken, dass der Blondschopf sein Heiliger war, behielt Matthew wohlweislich für sich.
Die Hochzeitszeremonie, derer sie beide voller Emotionen berührt beigewohnt hatten, war kaum länger her als ein halbes Jahr. Sie waren nicht nur wie frisch Verliebte, sondern eben jene Beschreibung traf den Stand ihrer Dinge so treffend wie einen Hammer den Nagel auf den Kopf.
Etwa genauso lange wie sie miteinander verheiratet waren, waren sie ein Paar und die wenigen unbedeutenden Wochen und Monate davor, in denen sie bereits heimlich Gefühle füreinander gehegt hatten, konnte man eigentlich kaum mitzählen was ihre gemeinsame Lebens- und Liebeslinie betraf. Sie hatten nicht unterschwellig miteinander geliebäugelt, in keinem einzigen Wort hatte ein frecher Flirt gelegen mit dem sie versucht hatten am anderen anzuknüpfen. Ihre Bindung, die heute so stark schien wie niemals zuvor, hatte sich erst dann schlagartig entwickelt an eben jenem Tag, an dem auch der Jäger schließlich beschlossen hatte seine Zuneigung zum anderen in unmissverständliche Worte zu kleiden.
Die Angst, dem anderen unangenehm zu werden, hatte die erste Zeit unbequem ihren Alltag miteinander begleitet und bis zum Morgen ihrer Eheschließung war es nicht selten vorgekommen, dass selbst das kleinste Missverständnis einen handfesten Streit herauf beschworen hatte, unter dem sie sich schließlich auch räumlich voneinander hatten entfernen müssen um es nicht eskalieren zu lassen. Die schillernde Blase, die sie wie einen schönen Schein umgeben hatte, war fragil gewesen und die Furcht, unter ihrem Platzen auch das zarte Pflänzchen ihrer Beziehung brechen zu sehen, groß.
Clarence wollte gar nicht wissen wie viele Paare es auf der Welt gab, die so maßlos ineinander frisch verliebt waren wie sie beide und die unter der kleinsten Unzulänglichkeit ihres Partners plötzlich die Utopie einer gemeinsamen Zukunft einstürzen sahen. War das fair, im Gegenpart Perfektion zu erwarten und einander weg zu stoßen, wenn man das genaue Gegenteil in den meist unbedeutenden Momenten erahnte?
Für den Blonden, dem nicht erst seit gestern klar war wie grundsätzlich unterschiedlich sie waren, spielten die kleineren und größeren Differenzen ihrer Denkweise und ihrer Charakterzüge schon lange keine Rolle mehr. Die unliebsamen Eigenschaften des Kleineren, wie etwa sein beispielloses Talent unüberlegt zu plappern oder ihn in manchen Situationen ganz bewusst bis an den Rand des Erträglichen zu reizen zu ersuchen, waren ihm längt kein Dorn im Auge mehr – denn er hatte gelernt und erprobt damit umzugehen, damit im Idealfall gar nicht erst ein Streit entstehen konnte. Plapperte Cassie zu viel und trat ihm auf den Schlips, war es an der Zeit bewusst ein Thema vorerst auf Eis zu legen und schenkte man dem vorlauten Taugenichts von vornherein genug Aufmerksamkeit auf verschiedensten Ebenen, dann kam der ehemalige Söldner auch gar nicht erst auf die dumme Idee die Nerven seines Partners bis zum Zerreißen zu überspannen.
Was sie miteinander teilten war nichts anderes als ein Lernprozess sich einander anzunähern, bewusst füreinander Kompromisse einzugehen und sich genau dadurch gegenseitig das Gefühl zu geben: Ich akzeptiere und liebe dich genau so wie du bist.
Hätte er Cassie anders haben wollen, hätte sich der Christ wohl kaum in diesen Mann verliebt und wäre es insgeheim Matthews liebstes Hobby seinen Bären auf die Palme zu bringen, hätte er kaum eingewilligt das unliebsame Thema der Religion vorerst auf Eis zu legen, wie an diesem Morgen geschehen.
Ihre Entwicklung war rückblickend unfassbar schnell vonstattengegangen und die Hürden, an denen andere Beziehungen scheiterten, hatten sie als Eheleute gelernt miteinander zu nehmen und sich gegenseitig auf die Mauern hinauf zu helfen, um gemeinsam den Ausblick von dort oben zu genießen - ähnlich wie sie heute Morgen gemeinsam die verfallenen Ruinen am Horizont miteinander bestaunten.
Hier oben, am Gipfel den nur wenige Bindungen erreichten, wollte Clarence nicht nur an das Handtuch des Jüngeren, sondern ihm auch an jedem anderen Ort mit Vorliebe an die Wäsche. Immerhin war er nicht ein x-beliebiger Kapitän mit einem Frühstück im Ärmel, sondern ein vertrauensvoller Kamerad in guten wie auch in schlechten Zeiten. Ein bisschen Fummeln hatte er sich alleine dadurch also schon durchaus verdient, besonders nach einem derart intimen Gesprächserlebnis, welches er auf diese Art nur mit seinem engsten Vertrauten führen würde.
Willig ließ er sich einen seiner wertvollen Küsse stehlen und drängte dabei seine Finger etwas tiefer in die wohlgeformten Rundungen des anderen, als dieser frivol sein wertvolles Handtuch zu lösen begann. Schon jetzt war klar, würden sich seine Pranken aus der knackigen Kehrseite des Kleineren lösen, legte er sich damit selbst noch mehr Aussicht auf stramme Haut frei – aber Kapitän Clarence Bartholomy Sky war ein wahrer Genießer und als solcher zelebrierte er das Auspacken von Geschenken in vollen Zügen.
„Wenn ich behaupten würde, Teddy hätte das Bonbon sicher verloren und ich hätte es heute Morgen durch Zufall gefunden, würdest du mir das dann glauben?“, lotete Blondi scheinheilig seine Möglichkeiten aus und ließ den Blick hungrig zwischen ihren Körpern hinab wandern bis zu jener Stelle, an der sein Mann auch einen Teil seiner begehrenswerten Frontansicht etwas frei gelegt hatte. „Wobei, verrat es mir nicht. Überleg dir die Antwort während ich unser Essen hole und wenn ich wieder da bin… bist du hoffentlich bereits nackt und hast deine Frage schon wieder vergessen. Und falls nicht, denk immer daran: Ich bin dein Ehemann, ich würde dich ja wohl kaum anlügen bei solchen existentiellen Fragen wie der Herkunft eines Himbeerbonbons.“
Schelmisch wie ein halbstarker Bub grinste Clarence, unsicher ob seine Schadenfreude nun aus der herbei gezauberten Leckerei her rührte oder aus der Leckerei, die ihm sein Partner derlei frivol präsentierte. Was auch immer es war, selten hatte ein Tag für ihn so gut begonnen wie der heutige.
Keck zerrte er mit einem Ruck an der fragwürdigen Bekleidung des Jüngeren und stahl sie ihm aus den unachtsamen Fingern – doch anstatt den armen Burschen völlig bloßgestellt sich selbst zu überlassen, legte er das neu errungene Werkzeug um den Nacken seines sturen Böckchens um es sanft an sich zu ziehen. Ein hungriger Abschiedskuss war es, den er dem Dunkelhaarigen raubte wie nur ein räuberischer Bär dazu in der Lage war, sich den Vorteilen seines Standes als Jäger des Waldes durchaus bewusst.
So hinterlistig und dreist ein Wesen seiner Zunft aber auch sein konnte, so großzügig war der Hüne aber auch dem kleinen Taugenichts sein Tüchlein um den Hals zu lassen, als er sich mit zufriedenem Schmunzeln von ihm abwandte um den anstrengend langen Weg hinab in seine Speisehöhle anzutrotten.
Wahrlich, auch bequeme Bären konnten äußerst unliebsame Zeitgenossen werden wenn man ihnen zu viel Freiraum ließ um ihren Schabernackgrenzen vollauf zu erproben, aber sie wussten ihre frechen Schandtaten durchaus wieder wett zu machen mit deftigem Frühstück am frühen Mittag, wie auch der blonde Waldbewohner kurze Zeit später klappernd bewies.
Auf der zum Tablett umfunktionierten hölzernen Fleischplatte hatte er versucht möglichst geschickt die noch heiße Mahlzeit unter zu bringen - dampfend lockte in ihren verbeulten Blechschüsseln Wurzelgemüse, Braten und Soße; dazu am Morgen aufgebrühter Kräutertee mit Minze, mittlerweile abgekühlt und erfrischend – und über seinen mittlerweile nackten Schultern lag eine der Decken die sonst ihr Bett zierte, damit sie sich daraus ein Lager an Deck bereiten konnten. Wenn es Grund zur Beschwerde gab anhand solch eines Aufgebotes, dann ganz sicher nicht deshalb, weil Clarence sich in der Versorgung seiner Lieblingsprinzessin hatte lumpen lassen. Immerhin wartete Cassie selbst ja nur selten mit derartigen Überraschungen am frühen Morgen auf.
„Falls du noch nicht mit den Hunden über Bord gegangen bist, wäre in etwa jetzt der Moment, wo du mir mal zur Hand gehen könntest“, forderte der fleißige Jäger Matthew durch die Blume auf auch mal seinen süßen aber durchaus etwas faulen Hintern zu bewegen, die Augen auf dem Tablett haftend, damit auch nach dem erfolgreichen Erklimmen der Treppe nichts mehr schief ging. „Erst mit dem Essen und danach bei was anderem, falls du schon nackt bist. Aber das hat noch ein paar Minuten Zeit.“
Außerdem war es schon schlimm genug gewesen sich überhaupt von seinem Schönling zu trennen, eine Wiederkehr in die Gesellschaft des Jüngeren konnte ihm da also gar nicht schnell genug gehen.
Kein Unglück, kein in der Ferne liegender Schatten, würde Cassie je die Freude und Ausgelassenheit nehmen können, die Clarence ihm schenkte seit er ihn in einem winzigen Zimmer in einer Absteige in Coral Valley gebeten hatte, ihn zu heiraten.
Ohne Frage, ihre Hochzeit war überstürzt gewesen, sie hatten es sich nicht gründlich überlegt, hatten nicht Wochen der Planung investiert - und doch hatte Cassie es seither nicht eine Sekunde lang bereut, mit ‚Ja‘ geantwortet zu haben auf die Frage des Älteren hin. Man hätte annehmen sollen, dass das Versprechen fortan nur noch eine Liebe zu haben, ihn einengte und ihm zur Last wurde. Doch das Gegenteil war der Fall.
Matthew Cassiel Reed, war ein Mann der Freiheit und des Genusses. Wie ein Schmetterling flatterte er von Blüte zu Blüte, trank aus bunten und schönen Kelchen und blieb nie länger als einen Augenblick. Er war schwer zu greifen gewesen, ihn zu haschen unmöglich, angesichts seines Wesens.
Ihn zu fangen mutete nicht nur schwierig an, sondern auch sträflich - immerhin sollte man nicht einsperren was so nach Freiheit dürstete.
Die Ehe als Bund und als Schwur hätte belastend sein können für die zarten Flügel, aber aus irgendeinem Grund hatte Matthew das nie geglaubt.
Nicht für den Bruchteil eines Wimpernschlages, hatte er befürchtet ihm könnte in Zukunft etwas fehlen, heiratete er den Größeren.
Was er befürchtet hatte war etwas ganz anderes, eine Angst so tief in seinem Herzen eingepflanzt, dass sie ihn selbst in der Gegenwart noch von Zeit zu Zeit überkam. Die Furcht davor, für Clarence nicht gut genug zu sein, ihm nicht auszureichen, ihm nicht geben zu können was er wollte... Aufgrund der Dinge die er bereits erfahren hatte.
Doch Clarence liebte ihn mit einer Hingabe und Aufrichtigkeit, die es den Zweifeln oft schwer machte Raum in den Gedanken des Dunkelhaarigen zu finden. Clarence Bartholomy Sky war Matthews Seelenheil, sein Verbündeter, sein Liebster, sein Freund und nicht zuletzt auch seine Freiheit und sein Frieden. In ihm hatte Cassiel alles gefunden was er wollte und brauchte. Jemand der seine Launen hinnahm, der seinen fragwürdigen Humor verstand und teilte, jemand der ihm Raum ließ und jemand der ihn in den Arm nahm. Ein Mann, der ihn verführte und begehrte und der sich ebenfalls verführen und begehren ließ. Waren sie zusammen, dann brauchte es keine Show und keine Rollen. Sie mussten nicht Stärke vorgeben wenn sie sich schwach fühlten und sie brauchten keine Schwäche heucheln um den anderen stärker wirken zu lassen.
Ihre Liebe war nicht geplant, ihre Ehe nicht wohl überlegt.
Aber ihre Beziehung war dennoch vollkommen.
Als der freche Kapitän Matthew das Handtuch klaute, wollte dieser schon protestieren, doch so schnell wie der Größere ihm den Stoff gestohlen hatte, so schnell zog er ihn mithilfe seiner Diebesbeute an sich.
Der Kuss den er dem Kleineren raubte war innig und sehnsüchtig und Cassie vergaß jedweden Protest. Stattdessen stellte er sich auf die Zehenspitzen um den Kuss noch zu intensivieren. Wäre es nach ihm gegangen, sie hatten noch stundenlang so dastehen und sich küssen können. Selbst die Aussicht auf ein frühes Mittagessen änderte daran nichts.
Doch der Bär hatte andere Pläne und er schaffte es irgendwie den Kuss zu beenden und sich von ihm zu lösen. Das selbstzufriedene Lächeln auf den Lippen stand dem Blondschopf ausgesprochen gut, wie Matthew dachte, welcher zurück an Deck blieb - völlig nackt und mit dem Handtuch nun mehr über den Schultern.
Seine Hände hebend, legte er die Finger jeweils um eines der Enden des Handtuchs und sah seinem frivolen Kapitän hinterher. Auf seiner Zunge schmeckte er den Größeren und das himberige Bonbon.
„Sie sind ein Bonbonschmuggler!“, rief er Clarence hinterher, klang aber wenig entrüstet, sondern eher amüsiert. Das Gebell von Kain, ließ Cassie seinen Kopf drehen und als er wieder zurücksah, war Clarence bereits wieder unter Deck.
Schweigend tappte Cassie zum Geländer und schaute in die Richtung, in die auch Kain blickte. Doch bis auf den Sandstrand, die Ruinen und einen verwitterten Zaun, sah er nichts bemerkenswertes. Die Möwen kreischten, die Wellen schaukelten kaum merklich das Boot und die laue Brise zerzauste Cassies Haar - es war ein idyllischer Morgen durch und durch und Matthew fragte sich im Stillen ob es überhaupt noch besser werden konnte.
Er ließ das Handtuch auf der einen Seite los und zog es mit der anderen Hand von seiner Schulter um es einfach auf den sauberen Boden fallen zu lassen.
Die Sonne hatte mittlerweile jede Restfeuchte von seiner Haut geleckt. Drahtig bewegten sich die Muskeln unter ihr, als er an Deck entlangging. Die bunten Bilder standen in Kontrast zu der Blässe die der Winter ihm verliehen hatte und die ihn zierlich aber nicht kränklich wirken ließ.
Bei jedem Schritt spannten sich sichtbar die feinen Fasern und Sehnen seiner Oberschenkel und definierten Waden, sein Gesäß war fest und perfekt proportioniert, die Hüften schmal, die Taille ebenso.
Geschmeidig und mit einer angeborenen Eleganz bewegte er sich am Rand der Reling entlang und blickte schließlich senkrecht hinunter - an der Bootswand entlang. Das Wasser war azurblau und glasklar, es glitzerte in der Sonne und verlockte hineinzuspringen.
Das Klappern von Geschirr und hörbar mit Bedacht gesetzte Schritte waren die Geräusche, die Matthew dazu brachten sich wieder umzudrehenden. Clarence war es, der sich die Treppe nach oben quälte, dabei ein Brett balancierend auf dem allerhand stand. Eine neuerliche Windbö’ ließ den Stoff des hängenden Segels rascheln und verfing sich abermals in Cassies kurzem Haar.
„Na endlich! Ich bin schon fast am Verhungern!“, begrüßte Matthew den Wiederkehrenden, stieß sich mit den Armen vom Geländer ab und kam auf Clarence zu. Von Scham oder Zögern wegen seiner Blöße war ihm nichts anzumerken, aber was erwartete man auch von einem Kerl wie ihm?
Der Größere hatte einiges mitgebracht und der Duft von geschmortem Fleisch und Wurzelgemüse ließ den Magen Cassies knurren.
Bis zu dem Moment als er das Essen gesehen und gerochen hatte, hatte er keinen Hunger verspürt, nun aber nahm er seine eingedellte Schüssel samt Gabel eilig vom Tablett und schlawenzelte damit wieder voran.
„Komm hierher, hier ist ein perfekter Platz.“, lotste er seinen Mann zu sich zum vorderen Teil des Decks, an den Rand. Dort war der laue Meereswind am angenehmsten und das träge Platschen der Wellen gegen die Bootswände am deutlichsten hörbar. Noch bevor Clarence auch nur die Hälfte des Weges auf sich genommen hatte, hatte Matt sich auch schon die erste Gabel mit einem Brocken Fleisch in den Mund gesteckt und verkündete mit einem „Mhhh, genau das hab ich jetzt gebraucht.“, das die Speise nicht länger hätte auf sich warten lassen dürfen.
Kauend und die Schüssel in einer Hand, kam er schließlich dem Blondschopf wieder etwas entgegen. Er nahm ihm die Decke ab, die er um die nackten Schultern hängen hatte und brachte diese zurück an den auserwählten Platz um sie dort einigermaßen ordentlich auszubreiten. Sollte Clarence darüber hinaus noch Hilfe von ihm erwarten, so wurde er von seinem Schnösel enttäuscht, dieser setzte sich nämlich, kaum das die Decke ihren Platz gefunden hatte. Zufrieden lehnte sich Cassie mit dem Rücken gegen die Reling, streckte die Beine aus und überschlug die Füße. Und während er ganz unverfroren schon den ein oder anderen Bissen zu sich nahm, beobachtete er seinen schönen Ehemann dabei wie dieser sich ihm näherte.
„Weißt du worauf ich danach echt Lust hätte, Claire?“ stellte er die rhetorische Frage, die er gleich selbst beantwortete.
„Zimteis mit in Rum eingelegten Pflaumen und einem Batzen frisch geschlagener Sahne.“
Keck musterte er den Größeren und schob sich eine aufgespießte Möhre in den Mund, die er geräuschvoll zerbiss.
„Das hier ist echt dir echt gut gelungen.“ lobte er freigiebig, beinahe gönnerhaft. Clarence kochte meistens nicht so besonders, zumindest nicht für Cassies verwöhnten Gaumen und es war selten, dass der Jüngere nicht zum Mäkeln fand.
„Hältst du einen Koch irgendwo gefangen oder hast du das allein hinbekommen?“, fragte er deshalb neckisch nach, stichelte und machte gleichzeitig ein Kompliment.
„Vielleicht sollte ich dich ab sofort jeden Morgen...“ - ‚ficken‘ wäre wohl das Wort gewesen, welches er früher ohne zu zögern verwendet hätte. Heute kam es ihm als Beschreibung gar nicht erst in den Sinn. Denn wann immer er mit Clarence schlief, war es mehr als bloß Triebabbau.
„...spüren lassen was es heißt mit mir verheiratet zu sein.“, wurde der Satz nahtlos von Matthew fortgesetzt. „Wenn dich das zu solchen Leistungen in der Küche treibt, habe ich in doppelter Hinsicht was davon.“
Schmunzelnd aß er weiter, wobei seine aufgeweckt glänzenden Augen auf Clarence lagen und ihm ununterbrochen zu sagen schienen, dass alles Glück was Cassie empfand nur allein Clarence‘ Gegenwart entsprang.
Seines Zeichens Bonbonschmuggler, mochte er mit dieser Tätigkeit durchaus der dunklen Seite der Macht verfallen sein. Sein Tun war gesetzeswidrig und erwischte man ihn, drohten für Schmuggel und Hehlerei sicher mehrere Jahre Kerker dem blonden Grenzgänger. Trotzdem gab es hier an Deck nur eine einzige Begebenheit die wahrlich kriminell anmutete und das war nicht etwa die Art wie Clarence schwarz sein Geld verdiente, sondern wie verboten lockend der jüngere Mister Sky übers Deck schlawenzelte.
Nackt wie Gott ihn geschaffen hatte kam er ihm entgegen, die Haut der Schenkel stramm gespannt, die Muskeln schmal aber definiert über den fremden Leib hinweg tanzend. Auf dem seichten Waschbrettbauch seines Partners brach sich die Mittagssonne in weiche Schatten auf, untermalten seine athletische Statur dadurch nur umso mehr und setze die bunten Bilder in Szene, die sich Cassie in einem Leben vor ihrem Aufeinandertreffen angeeignet hatte. Und auf der Mitte seiner begehrenswerten Silhouette, ohne Frage, da zeichnete sich das wohl talentierteste Werkzeug seines Gatten ab; zwei Mal hatte er Clarence am Morgen damit spüren gemacht was es hieß mit einem anderen Mann verheiratet zu sein und kaum da der unverschämte Frechdachs ihm die Schüssel geklaut hatte um alleinig damit wieder von dannen zu schreiten, hielt er dem Jäger im wahrsten Sinne vor Augen, wonach der Bär von Mann selbst nach den Eskapaden des Morgens Appetit verspürte.
Als wäre das plötzlich entstandene Ungleichgewicht Grund dafür, verlangsamte Clarence seine Schritte ein wenig und ließ sich zurück fallen, auch wenn das auf so kurze Distanz kaum möglich war. Aber Himmelherrgott, konnte man ihm denn zum Vorwurf machen wie gut ihm gefiel, was er dort vor sich sah?
Es war ja immerhin so, dass sie erst im tiefsten Winter ein Paar geworden waren. Zu einer Zeit, in der man nicht vor die Tür hatte gehen können ohne mindestens fünf Schichten Fell auf dem Leib zu tragen und in der es nachts unmöglich gewesen war nach dem Sex unbekleidet zu bleiben, wenn man Wert auf alle seine Zehen legte oder sich jemand freiwillig erbarmte, selbst in den tiefsten Nachtstunden nach dem Ofen zu schauen. Seitdem sie verheiratet waren, hatte man unter offenem Himmel keine nackte Haut mehr zeigen können und damals, während ihrer fragwürdigen Abmachungen, war es bei weitem nicht alltäglich gewesen sich vor dem anderen derartig zu zeigen.
So vertraut sich der nackte Leib seines Partners auch anfühlen mochte, nüchtern betrachtet war es ein Novum den anderen in voller Pracht außerhalb ihres Schlafzimmers zu erleben und man konnte Clarence‘ Blick deutlich ablesen, dass ihm selbst nach all den Monaten noch über jedes gesunde Maß hinaus Hunger bereitete, was Matthew ihm bot.
Es brauchte keine anderen Männer, keine ausschweifenden Erfahrungen und keine sexuellen Abenteuer mit Fremden, um Claire mehr als zufrieden zu stellen. Er wusste, welche Gelüste auch immer ihn unerwartet überfallen würden, sein Partner wäre bereit diese mit ihm zu erkunden und was noch wertvoller war: Sie genossen den Sex beide gleichermaßen, eine Kostbarkeit die nicht selbstverständlich war. Sie stellten nichts nur dem anderen zuliebe miteinander an, keiner von ihnen beugte sich nur damit einer etwas bekam, auch wenn der andere es nicht genoss. Ihre Zärtlichkeiten mochten oft ausarten, aber auf sehr befriedigende Art und Weise und wenngleich ihr letztes Schäferstündchen gefühlt erst wenige Augenblicke zurück lag, so konnte der Bär nicht verhehlen welche Lust alleine beim Anblick der fremden Kehrseite vor sich schon wieder in ihm aufflammte.
Es wäre nun ein Leichtes gewesen Cassie für seine Dreistigkeit zu rügen und ihm an den Kopf zu werfen wie unliebsam unverfroren er sich zeigte wenn er dem Älteren nicht mehr half als Cassie lieb war, aber der unschuldige Christ verfolgte schweigsam Ziele, denen derartige Beschwerden alles andere als hilfreich wären. Nicht nur würden sie das Stillen seines Hungers in weite Ferne rücken lassen, sondern viel schlimmer noch, im tragischsten Fall dazu führen dass Matthew seine wertvollste Waffe einsetzte – nämlich den Störenfried von Handtuch, mit dem er sich vorm graublauen Blick des Hünen würde verbergen können wie auch immer es dem Jüngeren beliebte.
So atmete der Schamane stattdessen tief durch, schluckte den Unfrieden hinab welcher auf seiner Zunge lag und folgte stattdessen dem Jüngeren beinahe gehorsam, dabei tadelnd seine Brauen hebend.
„Und du, hat dir ein Sonnenstich endlich zu anständigem Geschmack verholfen oder sind die genesenen Geschmacksknospen die Nachwirkungen deiner Kopfverletzung?“, konterte Clarence wenig verlegen um seine eigenen Talente, die der Jüngere noch nie wirklich zu schätzen gewusst hatte. Wenn Cassie es schaffte ihm auch nur einen Menschen zu nennen, der es jemals geschafft hatte diesem Taugenichts von Söldner auf langen Wanderungen einen gespickten Braten zuzubereiten ohne ursprünglich etwas anderes als nur ein Messer in der Tasche, dann war der Jäger wirklich gespannt darauf. Der Kerl konnte wilde Kräuter ja nicht mal von einem Kaktus unterscheiden, woher er sich also schon seit Jahren das Recht heraus nahm an seinen Kochkünsten herum zu mäkeln, war Clarence bis heute ein Rätsel.
Vorsichtig ging er in die Knie um erst das Tablett auf der ausgebreiteten Decke niederzulassen, dann sich selbst neben Cassie. Es mochte äußerst verquer anmuten wie sie dort an die Reling gelehnt saßen, der eine splitterfaser nackt, der andere wenigstens noch mit kurzer Shorts bekleidet, aber wer auch immer sich darüber wundern mochte, war ein ziemlich armer Tropf. Denn dieser jemand war vermutlich eingepfercht in den Mauern einer Stadt oder eines Dorfes, irgendwo umgeben von Eis und Schnee oder verdorrten Wiesen im Hochsommer.
Hier an Deck eines waschechten Bootes saßen nur sie, Matthew und Clarence, zwei junge Männer in der Blüte ihres Lebens – umgeben von offenem Meer so weit das Auge vor ihnen blicken konnte und im Rücken Ruinen, die im letzten Jahrhundert weniger als eine Handvoll Menschenseelen betreten hatten. Das Rauschen der Wellen umgab sie zusammen mit dem Kreischen der Möwen, unter ihnen schaukelten sanft die von der Sonne warmen Planken und bei sich hatten sie nur ihre beiden Hunde in den Mann, den sie mehr liebten als das Leben selbst.
Sanft stippte Claire seine Fingerspitzen in den kalten Kräutertee und besprenkelte Cassie tadelnd mit dem kühlen Nass, genug Gründe gab es immerhin um den Taugenichts zu rügen, wenn auch ohne Worte. Noch vor wenigen Monaten hätten sie beide sicher viel von ihrer Zukunft gedacht, aber nicht, dass sie so aussehen würde. Und doch, trotz aller Veränderungen und Neuerungen, waren sie doch noch immer irgendwie die Gleichen. Die neckenden Seitenhiebe waren nicht weniger garstig geworden im Vergleich zu damals, nur was sie daraus werden ließen entsprach schon lange nicht mehr dem, was sie einst gewohnt gewesen waren.
„Ich und mein unten im Kerker gefangener Koch wären dem faulen Stück, das du bist, vielleicht etwas nachsichtiger gesinnt, wenn du deinem Göttergatten zum Dank für die gute Umsorgung wenigstens einen Kuss geben würdest“, tippte er sich auffordernd auf die bärtige Wange, denn das war ja wohl wenigstens das Mindeste was Prinzessin Tunichtgut an Respekt zollen konnte, wenn sie sonst schon keinen Finger krumm machte.
„Normalerweise wäre ich ja immerhin derjenige der ein Frühstück im Bett verdient hätte nachdem du so schamlos über mich hergefallen bist. Aber da ich mittlerweile weiß, dass man bei Söldnern mit mangelnden sozialen Kompetenzen nicht allzu hohe Anforderungen stellen sollte…“
Vielsagend zuckte er mit den Schultern, den Schalk im Nacken, aber durchaus bereit dem sturen Böckchen sein Essen auch schneller als der Kerl schauen konnte wieder zu entwenden, sollte er sich der einzig ausgerufenen Lebensmittelsteuer verweigern. Bären arbeiteten zwar gerne, aber sicher nicht umsonst – ab und zu musste man sie nebst den üblichen Frechheiten auch mit kleinen Aufmerksamkeiten bei der Stange halten, wenn sie nicht eines Tages wieder schweigsam in den Wäldern verschwinden sollten.
Die eigensinnigen und zudem verdorbenen Gedanken des Kapitän-Bären, lagen dem jungen ersten Maat fern und waren nicht Teil seiner eigenen Gedankenwelt - immerhin lag ihr letztes Intermezzo noch nicht länger als drei oder vier Stunden zurück.
Dies bedeutete aber freilich nicht, dass er nicht um seine Außenwirkung wusste. Den eigenen Körper Clarence nackt im Sonnenlicht zu präsentieren, wäre Matthew Reed ums Verrecken nicht eingefallen. Er hatte zwar zugelassen, dass der Größere ihn dann und wann vögelte, aber er hatte ihn nicht gezielt verführt, weder durch Worte noch durch bewusste Gesten.
Wenn er im Sommer mit freiem Oberkörper marschiert war, dann nicht um irgendwen anzuheizen sondern nur um sich selbst abzukühlen. Heute lagen die Dinge vollkommen anders, heute becircte er den Bären wann immer er konnte, selbst dann wenn er keine gezielten Absichten hegte. Frei von jeder Kleidung zu sein hieß aber auch, sich frei von Schutz zu zeigen. Im Licht des Tages wurde nichts verhüllt, keine zur Narbe gewordenen alte Verletzung, keine Strieme, kein längst wieder geschlossener tiefer Schnitt. Clarence konnte mehr sehen als nur die Muskeln die sich unter seiner Haut bewegten, die eleganten Regungen von Fasern und Knochen und das Spiel der bunten Bilder auf seinem definierten Körper. Ob er diese alten Wunden als Makel wahrnahm, ob er ihnen überhaupt Beachtung schenkte, stand auf einem ganz anderen Blatt.
Obgleich es genügend zu entdecken gab und seine Nacktheit durchaus gewisse Fantasien zu schüren vermochte, bewegte sich Cassiel nicht unsicher, nicht schüchtern - sondern mit einem Selbstbewusstsein das nicht gespielt war. Sich vor Clarence so zu zeigen und sich dabei nicht mal für einen Moment unwohl zu fühlen, war ein Novum und das Ergebnis all der Wochen und Monate in denen der Hüne immer wieder für ihn dagewesene war. Jeden Rückschlag hatten sie gemeistert, jedes Zurückfallen in alte Muster. War Matthew urplötzlich wieder zögerlich und unsicher geworden, hatte gehadert mit sich und dem was man ihm in der Kindheit angetan hatte, hatte Clarence sich damit auseinandergesetzt. Er war da gewesen, hatte gelauscht, hatte getröstet, hatte ihn beruhigt. Immer wieder.
Und wie es so war, wenn man immer wieder Zuspruch und Liebe erfuhr, dann lernte man mit der Zeit diese Dinge anzunehmen und zu verinnerlichen und mit der Zeit entwickelte man sich weiter.
Matthew Reed war nicht mehr und Matthew Sky genierte sich nicht vor seinem Ehemann. Er zeigte sich ihm gern, wissend das Clarence gefiel was er ihn sehen ließ. Natürlich wusste er auch, dass er ein unverschämter Schnösel war, weil er dem Älteren nicht wirklich half - aber auf der anderen Seite brauchte sich Claire darüber nicht beschweren, immerhin war er es, der ihn immer so nannte. Darüber zu murren das der Kleinere sich demnach auch so verhielt, stand dem Jäger daher nicht zu.
Aufmerksam und amüsiert beobachtete Cassie, wie Clarence sich mühte das Tablett auf der Decke abzustellen ohne den Tee zu verschweppern.
Das Unmögliche gelang ihm tadellos und Cassie stach erneut in seine Schüssel um sich ein Stück Fleisch zu Gemüte zu führen. Die Hänselei des Größeren ließ er über sich ergehen, zeigte ihm stumm - und auf sein Essen blickend - den Mittelfinger den er von der Gabel löste.
Oh es war wirklich nichts Neues das sie einander aufzogen und stichelten, aber es war neu wie sie es taten und wie der andere es auffasste.
Kaum da Clarence sich neben ihn gesetzt hatte, sah Cassie ihn an und musterte ihn von oben bis unten. Unverhohlene Neugier im Blick.
Die nackten, breiten Schultern des Größeren zierten diverse Linien und Bilder, die Brust ein Adler, den Nabel ein stilisierter Tiger.
Die Mehrheit der Zeichen, wenn nicht gar jedes Einzelne, hatten eine Bedeutung. Welcherart sie waren, wusste Cassie aber nur bei den Wenigsten. Allerdings musste er diese auch nicht kennen um sich an dem Anblick zu laben den sein Kapitän bot. Die definierte Silhouette sprach von Stärke und Überlegenheit, von Vitalität und Ausdauer. Sein Mann war ein Kerl, der zupacken konnte, der körperliche Anstrengungen nicht scheute und der schlicht und ergreifend verteufelt sexy war.
Den Größeren betrachtend, fiel ihm gar nicht auf was Clarence trieb, bis dieser ihn plötzlich mit abgekühltem Tee bespritzte. Eine alberne, beinahe schon kindliche Tat, die Matthew naserümpfend zur Kenntnis nahm und mit den Worten „Selig sind die geistig Armen.“ quittierte.
Diese Gemeinheit wiederum ließ Clarence ungestraft so stehen und forderte sich stattdessen lieber einen Kuss auf die Wange ein.
Der Jüngere des Duos lachte kurz auf und schüttelte den Kopf über so viel Unverfrorenheit.
„Was hat denn dein gefangener Koch davon, wenn du von mir einen Kuss bekommst?“, wollte er wissen und sah fröhlich zu seinem Kapitänsbären.
„Ich glaube ja eher, dass du versuchst mein weiches Herz auszunutzen, in dem du den armen Koch ins Spiel springst und deinen Willen als seinen verkaufst.“ Die Überlegungen waren messerscharf und gut kombiniert und zeugten davon, dass das Rehböckchen bereits Erfahrung gesammelt hatte mit diesem scheinheiligen Bären. Selbiger mutete nämlich ehrbar und ehrlich an, war aber durchaus gerissen und verschlagen wenn es um die Durchsetzung seiner undurchsichtigen Ziele ging. Insofern war es nicht zu weit hergeholt, zu behaupten dass der verschleppte Koch im Kosmos des Bären kaum eine Rolle spielte.
„jetzt tu mal nicht so unschuldig. Ich bin über dich hergefallen weil du es wolltest.“, warf Cassie ein und zeigte ein schiefes Schmunzeln. Der Morgen der hinter ihnen lag war in jeder Hinsicht befriedigend für sie beide gewesen und man konnte Cassiel regelrecht ansehen, wie sehr er selbst die Erinnerung daran noch genoss.
„Du hast mich quasi angestachelt... Kein Mensch sieht so unverschämt gut aus wenn er nur schläft. Du hast dich auf die Lauer gelegt und das Raubtier in mir musste über dich herfallen. Versuch gar nicht erst es abzustreiten, du bist längst überführt.“, erklärte der Dunkelhaarige seine Sicht auf den Morgen und wie es dazu gekommen war, dass er sich an dem Schlafenden zu Schaffen gemacht hatte.
„Wenn man mit dem Feuer spielt, darf man sich nicht beklagen, wenn man sich die Fingerchen verbrennt.“, zog er den Hünen auf und gefiel sich offensichtlich gut in der Rolle des überlegenen Räubers.
Zur Ehrenrettung des Anderen, gestand Matthew nach kurzem Zögern aber doch ein, dass Clarence es durchaus verdient gehabt hätte nach dem zurückliegenden Morgen gehegt und gepflegt zu werden.
„Klar hättest du es verdient... Und ich hätte dir auch noch Essen gebracht, aber du hast dich heimlich davongestohlen und mich zurückgelassen.“
Ein kurzer Moment des Schweigens verschaffte sich Platz, dann redete Cassie weiter weil ihm die nächste kindische Unterstellung eingefallen war.
„Wahrscheinlich hast du mit dem verschleppten Koch da weitergemacht wo wir zwei aufgehört haben.“, tadelnd schnalzte er mit der Zunge und schüttelte bedauernd den Kopf. „Und damit mir dein schamloses Tun nicht auffällt, habt ihr dann für mich gekocht- in der Hoffnung ich bemerke nicht was hier läuft.“
Die Zusammenfassung des Geschehenen klang ganz und gar enttäuscht, doch das kecke Funkeln in den dunklen Augen, sowie das schalkhafte Schmunzeln um die Mundwinkel herum welches sich nicht unterdrücken ließ, überführten den jungen Mann recht eindeutig.
Trotz dieser schwerwiegenden Vorwürfe, lehnte Cassie sich schließlich zu dem Größeren herüber, näherte sich dessen Wange und...leckte darüber.
Statt eines Kusses zierte nun eine feuchte Spur die bärtige Wange und das selbstzufriedene Böckchen lehnte sich wieder zurück und aß fröhlich weiter.
„Du weißt ja...Söldner mit mangelnden sozialen Kompetenzen und so...“
Kein Küsschen auf die Wange zum Dank und kein inniger Kuss auf die Lippen, Matthew zeigte sich weiter von seiner unverfrorenen Seite.
Aber immerhin legte er, nachdem er seine leere Schüssel auf das Holzbrett abgestellt hatte, seine Hand tätschelnd auf den Oberschenkel seines Bären.
Den Kopf zurücklehnend an das Geländer an dem sie beide saßen, machte er die Augen wieder zu hing einen kurzen Moment lang nur seinen eigenen Gedanken nach. Gedanken, die sich zum ersten Mal seit einer gefühlten Ewigkeit nicht darum drehten wohin sie als nächstes mussten, welche Aufgaben und Pflichten vor ihnen lagen, welche Gefahren ihnen im Wege standen und ob sie heil wieder aus irgendeiner Schwierigkeit entkamen.
Es waren nicht die Sorgen und Nöte die Reisende zumeist hegten, die Matthew im Kopf herumgeisterten, sondern wunderbar banale Dinge.
Fragen nach dem passenden Nachtisch zum Beispiel.
Den Kopf wieder hebend griff er kurz darauf zu der Kanne mit kaltem Tee. An der Außenseite des Gefäßes hatten sich kleine Wassertröpfchen gebildet, hervorgerufen durch den Kontrast von der Kühle des Getränks und den Temperaturen hier oben.
Artig und wohlerzogen füllte er zuerst den Becher von Clarence mit dem erfrischenden Getränk, bevor er sich selbst etwas einschenkte und trank.
„Lass mich raten....Zimteis und Rumpflaumen mit Sahne bekommt dein entführter Koch wohl nicht hin, hm?“
Es war ewig her, dass er dieses Dessert gegessen hatte und es war darüber hinaus unmöglich, dass Clarence auf der Harper Cordelia Derartiges zaubern konnte. „Schon gut, Blondie....ich hab dich trotzdem gern. Nicht so gern wie Zimteis, aber du bist schon ganz ok...“
Diese Worte hätten verletzend sein können, sie hätten auch herablassend klingen können. Aber wer Matthew kannte und ihn in diesen Minuten sah und hörte, der wusste das der Dunkelhaarige voller Liebe zu dem Anderen war und das dieser ihn glücklich machte, auf jede nur erdenkliche Weise.
Jede einzelne Regung des Jüngeren, jede noch so unscheinbare Geste, ließ die Strukturen des fremden Leibes miteinander spielen wie Farben in einem prunkvollen Kunstwerk, von dem man seinen Blick nicht abwenden konnte. Definierte Muskeln wechselten sich ab mit gespannten Sehnen, ließen auf den Wellen der winterblassen Haut die dunklen feinen Härchen Cassies tanzen und zogen die Aufmerksamkeit des Bären in ihren Bann, selbst wenn der wenig charmante Mittelfinger eigentlich das genaue Gegenteil hätte vermuten lassen sollen.
Wenn Clarence ihn anblickte, den Mann neben dem er viel zu lange Zeit schweigsam marschiert war ohne dass sich zwischen ihnen jemals auch nur ein Hauch von Zuneigung gezeigt hatte, dann waren es keine Makel oder Zeichen der Vergangenheit die seine Wahrnehmung trübten. Keine Narbe konnte prägnant genug sein um ihn vom Wesentlichen abzulenken, kein Mal ausgefranzt genug um darunter Gedanken darüber aufkeimen zu lassen, es könne vielleicht aus den dunklen Zeiten von Cassies Kindheit herrühren.
Sie waren da, die Zeichen eines Lebens das Matthew Cassiel Reed geführt hatte bevor er den Jäger kennen und lieben gelernt hatte, aber sie trugen kein Gewicht während Claire still die Schönheit betrachtete, welche sein Mann für ihn ausstrahlte als er sich im warmen Sonnenlicht präsentierte. Wenn er Prinzessin Immerschön ansah, dann war sie nichts anderes als die Verkörperung des Titels, den sie trug.
„Was hat denn dein gefangener Koch davon, wenn du von mir einen Kuss bekommst?“ - Obwohl es von hochwohlgeborenem Stande war, wusste das Prinzesschen scheinbar überhaupt nicht mit Personal umzugehen so fragwürdig wie es den Lohn des Kusses für den gefangenen Koch darstellte.
„Eine zweite Portion trocken Brot zum warmen Wasser heute Abend?“, warf Claire mit erhobenen Brauen ein, immerhin war weltweit bekannt dass Geiselnehmer ihre Gefangenen besser behandelten, wenn sie selbst in guter Stimmung waren. Ein Dankeskuss würde dem Koch unterm Strich vielleicht sogar das Leben retten, legte er nach einer monatelangen Versorgung mit Brot und Wasser sogar eine verschrumpelte vitaminreiche Möhre obendrauf; der verwöhnte Schnösel schien jedoch keinerlei Empathie zu besitzen, nahm er ihrem hauseigenen Sklaven doch jegliche Möglichkeit, sich zu einem besseren Lebensstandart hinauf zu arbeiten.
Umso abstruser war das weiche Herz von dem Matthew angab es zu besitzen und von dem sie beide wussten, dass es nur deshalb weich war, weil es vermutlich schon langsam in der Brust des Schnösels begonnen hatte zu verrotten. Trotzdem rang das Böckchen seinem Bären durch das unqualifizierte Geplapper ein erheitertes Lachen ab, denn wie bitte hätte er im Schlaf ein bislang völlig unbekanntes Raubtier in Cassie bewusst verführen sollen?!
Bis zu diesem Morgen hatte er nicht mal gewusst dass es da eines gab und umso naheliegender war es, dass der Söldner ihm ganz bewusst eine Falle gestellt hatte. Seit Monaten schon spielte Matthew die Unschuld vom Lande, ließ sich verführen und jagen und wägte Clarence dadurch in Sicherheit, selbst nichts zu befürchten zu haben. Aber dann plötzlich, schutzlos im Schlafe seinem eigenen angeblich engelsgleichen Ehemann ausgeliefert, fiel dieser wie ein wildes Tier über ihn her – zwei Mal sogar – und ließ dem Blonden nicht mal die Chance, in seinem vom Schlafe noch trüben Leibe Widerstand aufkeimen zu lassen.
So erheiternd wie die völlig verdrehte Weltansicht seines Nachbarn auch war, so sehr genoss Clarence doch auch im Stillen jenes ominöse Raubtier, welches er noch lange nicht zur Gänze kennengelernt hatte. Mit dem Feuer zu spielen und sich die Fingerchen daran zu verbrennen klang nach etwas, das einen abenteuerliebenden Jäger definitiv verlocken könnte und umso mehr tat es die Aussicht darauf, künftig öfter am frühen Morgen durch erschöpfenden und zutiefst befriedigenden Sex geweckt zu werden.
Nach viel zu vielen Küssen, die an diesem Tag schon geteilt worden waren, schienen mittlerweile keine mehr für den armen fleißigen Bären übrig zu sein und so versuchte er mit dem Unterarm die wenig liebevollen Hinterlassenschaften des Jüngeren von seiner Wange zu wischen, kaum dass der Schnösel sie mit seiner Zunge kontaminiert hatte. Der Kerl konnte froh sein wenigstens seinen Bart in Ruhe gelassen zu haben, ansonsten würde Clarence zukünftig nicht mehr für die Unversehrtheit von Cassies voller Stolz getragenen Haarpracht garantieren.
„Da du gleich wieder eingeschlafen bist, musste ich mir ja irgendwie Ersatz suchen – und wenn es nur unser gefangener Koch ist“, ging er also der Rache halber auf die infamen Unterstellungen seines Geliebten ein, der ihm noch immer den Dankeskuss verweigerte. Früher wäre es undenkbar gewesen derartiges untereinander zum Thema zu machen – einerseits weil Cassie ihn nie voller Leidenschaft zum Dienst gerufen hatte ihn zu vögeln, andererseits deshalb, weil es lange Zeit unvorstellbar gewesen wäre, dass sie irgendwann einmal ihre angestammten Positionen tauschen würden. Allem voran wäre es für Claire ein Ding der Unmöglichkeit gewesen die Dinge, die er hinter verschlossenen Türen mit einem anderen Mann anstellte, außerhalb des Schlafzimmers zu verbalisieren – aber Matthew war schon lange nicht mehr nur ein anderer Mann und über die Monate hinweg spielte es immer weniger eine Rolle für den Christen, wo und in welcher Situation sie sich gerade miteinander befanden. Cassie war sein Vertrauter geworden, nicht nur was den gemeinsamen Weg anging oder ihr Ehe, sondern auch in allen anderen Belangen – und wenn er nicht mal mit seinem Partner würde über derlei Dinge reden und scherzen können, dann wusste der Ältere nicht, mit wem er das sonst tun sollte.
„Du glaubst gar nicht, wie bequem die Platte in der Küche sein kann, wenn man es nur richtig anstellt. Ich denke, ich hab unseren Koch dabei genug angestachelt für einen annehmbaren Nachtisch“, schürte er Hoffnungen, auch wenn es bei ihren überschaubaren Vorräten und dem vorherrschenden Wetter eigentlich keine gab.
„Mit Zimteis und Pflaumen und Sahne kann ich zwar nicht dienen, aber wenigstens den Rum bekommt er sicher hin.“ – Was kein Kunstwerk war wenn man bedachte, wie es um ihren anständigen Vorrat an Alkohol bestellt war, aber immerhin war das besser als gar nichts.
Zufrieden drängte er einen Schenkel der warmen Hand seines Mannes etwas dichter entgegen, genoss die unterschwellige Zuneigung sichtlich welche Cassie ihm trotz all der Neckereien und der Seitenhiebe doch schenkte und leckte sich hungrig über die Lippen, dabei ein erneutes kehliges Lachen erstickend.
„Ich hab dich zwar nicht so gern wie Rum, aber da wir auch keine Dessertteller an Bord haben, könnte ich mir gut vorstellen dich und deinen unverschämt süßen Bauchnabel als Glas zu missbrauchen. Keine Ahnung wie es bei dir ist, aber mir würde das durchaus reichen als Nachtisch.“
Bislang hatte er zwar noch nicht mal seinen Hauptgang begonnen obwohl Matthew seinen rücksichtlos schon weggeschnorchelt hatte als wäre er ein Verhungernder mitten in der Sahara-Wüste, auf der anderen Seite machte der Gedanke an einen anständigen Nachtisch bekanntlich den meisten Appetit – selbst dann, wenn es purer Alkohol in der prallen Mittagssonne war.
„Aber wie gesagt… unser Koch kommt nur bei anständiger Behandlung auf Touren und die widerfährt ihm nur dann, wenn sein Sklaventreiber in Stimmung ist. Bislang kann ich das nicht gerade von mir behaupten, so lange da noch immer etwas aussteht…“
Unerwartet vergnügt über den unsinnigen Kuss-Streit, funkelte der Schalk in den graublauen Iriden des Bären, während er herausfordernd seinen Nebenmann betrachtete.
Sollte Matthew in Cascade Hill City wirklich auch nur für den Bruchteil einer Sekunde ernsthaft gedacht haben, Clarence könne ihn weniger lieben und begehren nur wegen einer oder zwei Schrammen mehr, so hatte er ihn in den letzten Wochen hoffentlich eines Besseren belehrt – und tat es hoffentlich noch immer, denn nichts auf der Welt konnte den Jäger davon abhalten sich zu dem Mann mit Leib und Seele hingezogen zu fühlen, der ihn sich derart heil und geborgen fühlen ließ wie an diesem Morgen.
Clarence konnte versuchen einem armen Trottel oder irgendeiner Uroma einzureden, nicht gewusst zu haben welch ein Raubtier in Matthew steckte.
Über Monate hinweg hatten sie einander begleitet und es konnte dem aufmerksamen Jäger nicht entgangen sein wie schnell und zuverlässig das Raubtier stets Beute gefunden hatte, an der es seinen Hunger die Nacht über stillte.
Egal wie groß oder klein der Ort auch war, hatte Cassiel an einer jungen Frau oder einem adretten Burschen Gefallen gefunden, dauerte es nicht lange bis er mit dieser Person verschwand - und Kopfteile von Betten gegen Wände knallen ließ, wie Clarence es mal so treffen formuliert hatte.
Matthew war die Flamme an der man sich schnell verbrennen konnte, doch sein naiver kleiner Bär wollte davon natürlich nichts mitbekommen haben.
Wie glaubwürdig das war musste Cassiel erst noch abwägen, doch ob Clarence ihn nun mit Absicht verführt hatte oder nicht, ob es nun einen entführten Koch gab oder dieser nur Produkt ihrer Fantasie war...diese Dinge traten in den Hintergrund beim Klang des weichen, klaren Lachens des Blonden.
Was irgendwann vielleicht mal wichtig gewesen war, was Matthew sich in der Vergangenheit gewünscht haben mochte und welche Träume er insgeheim gehegt hatte...alles mündete in Clarence‘ Lachen. Es klang so heil, so wunderbar unbeschwert und unschuldig und es erinnerte den Kleineren daran, dass trotz allem Vergangenen alles wieder gut geworden war.
Das Böse hatte verloren.
Das Lachen kam so unvermittelt, war dem Schabernack geschuldet den sie beide gleichermaßen aufrecht erhielten und obgleich die Sonne bereits schien, so ging sie für Cassiel gerade ein zweites Mal auf.
So schweigsam und ernst war Clarence mal gewesen, so verschlossen und unnahbar. Manchmal, wenn sie über Stunden hinweg marschiert waren und die Anstrengung sie beide schon sichtlich mitgenommen hatte, hatte der Blonde wie ein Wilder ausgesehen. Die grauen Augen ernst und fokussiert, der Leib gestählt, Schweiß oder Schmutz auf der Haut. Er hatte wie ein Krieger gewirkt, wie jemand den man besser nicht auf dem falschen Fuß erwischte. Und nach allem was Matthew über ihn gewusst hatte, war diese Einschätzung auch nicht falsch. Clarence konnte barbarisch sein, es gab Seiten an ihm die grausam und mitleidlos waren und die Cassiel schockiert hatten. Trotzdem hatte der Hüne ihm nie ein Haar gekrümmt und irgendwie hatte sich der Jüngere in Clarence’ Gegenwart stets sicher gefühlt.
Matthew hatte ihm garstige Spitznamen gegeben, hatte ihn provoziert und an ihm herumgenörgelt, nicht einmal ahnend wie viel Sanftmut in diesem Mann steckte. Er war ein Idiot gewesen, blind und egozentrisch.
Er hatte nur das Offensichtliche sehen wollen und hatte Clarence lange nur danach beurteilt was er sah und was er von dem Größeren zu hören bekam. Hinter die Fassade hatte er nicht sehen wollen, weil es unbequem gewesen wäre zu erkennen, dass da so viel mehr war das den Wildling auszeichnete. Cassie wusste, dass er dem Anderen lange Zeit kein guter Freund gewesen war und es beschämte ihn rückblickend betrachtet, wie er dann und wann mit dem Blondschopf umgegangen war und wie wenig er ihm gezeigt hatte ihn wertzuschätzen...dabei hatte er das schon lange vor ihrem ersten Kuss wirklich getan.
Umso dankbarer war er, dass der Blonde es dennoch mit ihm ausgehalten hatte - und es noch immer aushielt. Ihre Sticheleien waren noch immer rüde und manch einer würde sagen, beide würden den anderen fast permanent verbal attackieren...aber die Wahrheit war, dass sich ihr Ton und ihr ganzer Umgang miteinander verändert hatte. Sie waren nicht mehr herablassend zueinander, straften den anderen nicht mehr ab durch Schweigen oder böse Worte. Matthew interessierte sich längst mehr für Clarence als für sich selbst und der Größere...er hatte den Mantel aus Kummer und Ernsthaftigkeit abgelegt um darunter zu zeigen wer er wirklich war.
Und manchmal, so hatte Matt den Eindruck, war Clarence selbst von dem überrascht, was unter dem auferlegten Mantel zum Vorschein kam.
Kein Wilder und kein Barbar, kein langweiliger Einsiedler - sondern ein junger Mann mit einem derart albernen Humor das er dem von Cassiel in nichts nachstand. Manchmal schien er mehr Junge als Erwachsener zu sein und in seine Augen hatte sich eine Lebendigkeit etabliert die früher undenkbar gewesen war. Unter all den Schichten von getrockneten Tränen, Blut und Schmerz...lag ein junger Bursche mit Träumen und Zielen, der liebte und albern sein konnte.
Und dessen Lachen wärmer war als die Sonne selbst.
Es war nicht das erste Mal, dass Matthew seinen Mann lachen hörte und doch hatte der Klang nichts von seinem Zauber für den Dunkelhaarigen eingebüßt.
Jahre waren vergangen, ohne das sein Gelächter irgendeine Menschenseele vernommen hatte, noch lange bevor sie einander kennengelernt hatten, hatte Ruby Sue dem Blondschopf das Glück und die Freude gestohlen.
Clarence war am Leben geblieben, aber er hatte nicht wirklich gelebt - sondern nur existiert um sich Stunde für Stunde mit dem konfrontiert zu sehen was geschehen war.
Ihn so zu erleben wie er wirklich war, aufgeweckt, frech, verliebt und fröhlich...das war etwas, dass Matthew mit unendlicher Freude und maßlosem Glück erfüllte. Es gab keine Worte die beschreiben konnten wie sehr es sein Herz berührte seinen Mann lachen zu hören.
Die Vergangenheit hatte keine Macht über sie beide wenn Clarence kicherte. Es war ein Geräusch welches alles ungeschehen machte für die Dauer da es erklang. Jeder Schmerz war vergessen, jede Sorge über die Zukunft hinfortgeweht.
Matthew lächelte verliebt und jede Spur von ketzerischer Stichelei verschwand aus seinen Augen, stattdessen betrachtete er seinen Liebsten warm und voller Hingabe, wissend das dies der Mann war mit dem er alt werden wollte.
Vergnügt musste auch Cassie auflachen, als Clarence tatsächlich vorschlug Rum aus seinem Bauchnabel trinken zu wollen. Die Idee war so abstrus, dass sie auch wirklich nur von dem Blondschopf stammen konnte.
„Du meinst wir bekommen den Rum nur, wenn ich dich jetzt küsse?“, hakte Matthew amüsiert nach, während seine Finger zärtlich über Clarence’ Oberschenkel strichen. Wusste der Größere eigentlich, wie unverschämt zuckersüß er war? Wahrscheinlich nicht, aber er sollte es erfahren.
„Ich will dir nichts schuldig bleiben...“, räumte der junge Mann schließlich ungewohnt unkompliziert ein und beugte sich zu Clarence hinüber.
Seine Lippen berührten zunächst vollkommen unschuldig die Stirn des Größeren, ehe er dem Blonden aus nächster Nähe in die Augen sah. Ein verzücktes Schmunzeln umspielte Matthews Mund und er hob die Hand von Clarence‘ Schenkel um ihm zärtlich über die Wange zu streicheln.
„Weißt du eigentlich wie schön du bist, hm?“, wollte er von seinem Liebsten wissen, wartete aber nicht auf eine Antwort. Sanft hauchte er ein Küsschen auf die Wange, dorthin wo er vor wenigen Minuten noch die Haut angeleckt hatte.
Liebevoll betrachtete er seinen Mann daraufhin, noch immer über seine Wange streichelnd.
„Du machst mich jeden Tag zum glücklichsten Menschen auf der Welt. Einfach, in dem du da bist und Zeit mit mir verbringst.“ - wahrlich, Cassiel wusste, dass er es Clarence nicht immer leicht machte. Er war dann und wann reichlich kompliziert, es hatte viele Täler gegeben durch die sie gegangen waren und nicht immer hatte Matthew sich dankbar für den Beistand gezeigt, den der Größere ihm geleistet hatte.
„Darf ich dich um ein weiteres Versprechen bitten, Clarence?“
Seine Augen richteten sich auf die Lippen des Blonden und er hauchte einen winzigen Kuss auf sie, kaum mehr als ein sanftes Streichen.
„Versprich mir, dass wir für immer zusammen bleiben. Egal was kommt und egal was war.“, erneut streiften seine Lippen den Mund seines Geliebten.
„Ich brauche dich...“, wisperte er leise, ohne sich der Offenheit jener Aussage zu schämen, denn sie entsprach der Wahrheit.
„Und das wir zusammen alt werden, so alt das wir mehr Abendteuer vergessen haben, als wir uns noch in Erinnerung rufen können.“
Cassie lachte leise bei dem Gedanken daran, dann hob er auch die zweite Hand an Clarence‘ Gesicht, umfing es auf beiden Seiten und küsste den Größeren erneut. Behutsam stibitzte sich seine Zungenspitze hinter den Lippen hervor, neckte den Größeren den Mund für ihn zu öffnen und ihn einzulassen. Nicht um mit ihm zu kämpfen, sondern um ihn zu liebkosen und zu umschmeicheln.
Clarence mochte vorgeben nie auch nur den Hauch einer Ahnung von dem Raubtier besessen zu haben welches tief in seinem Mann schlummerte – aber so naiv diese Ausblendung von Tatsachen auch anmutete, die andere Partei ihrer Ehe schien es unterm Strich nicht weniger zu handhaben.
Sicher, der Jäger war keiner jener Männer, die – irgendwo angekommen – sofort Ausschau hielten nach der ansehnlichsten Beute, die der Ort zu bieten hatte. Er zückte keine Münzen um sich anzügliche Gesellschaft zu erkaufen, noch ließ er in einer Gaststätte oder Bar ganz beiläufig seinen Charme für sich arbeiten, damit die willigen Objekte wie von selbst zu ihm kamen.
Der Blonde war anders, schier unscheinbar in der breiten Masse und gab nur wenig darauf bei anderen Männern oder Frauen auf eine bestimmte Weise anzukommen. Doch wenn er sich erst mal ein Opfer auserkoren hatte, dann bekam er auch was er wollte.
Sein eigener Mann mochte ihnen in ihren wilden Sticheleien oftmals vorwerfen in etwa so viel Charakter zu besitzen wie ein Klumpen Ton, letzten Endes war Clarence dennoch kein einziges Mal abgewiesen worden, seitdem der Dunkelhaarige ihm seine Liebe gestanden hatte. Egal ob im Hinterhof oder –zimmer eines Gasthauses, auf offener Straße in einer Seitengasse oder mitten im Wald in der Szenerie zwischen dampfendem Quellwasser:
Hatte das Raubtier im großgewachsenen Jäger Hunger, dann war seine Beute gewillt diese zu stillen und verdammt, so wie Matthew sich zu ihm hinüber beugte um ihn zu küssen, da spürte Claire, dass ihn die Ausuferungen des Morgens noch lange nicht vollends befriedigt hatten.
Er wusste wirklich nicht was er getan hatte, dass Matthews Stimmung plötzlich umschwang, oder ob es dem Jüngeren tatsächlich nur um den Rum in seinem Bauchnabel ging. Aber was es auch war, das Prinzessin Tausendschön plötzlich dazu brachte ihre Meinung zu ändern und ihrem Prinzen den wohlverdienten Dankeskuss nicht länger zu verweigern, Clarence genoss es sichtlich.
Still schlossen sich die Lider des Blonden kaum da sich die warmen Lippen auf seine Stirn legten und impften ihm eine vertraute Wärme ein, wie nur sein Mann sie ihm Älteren beschwor. Schon damals, als ihre Lippen zum allerersten Mal aufeinander getroffen waren, war ein Kribbeln durch Claires Leib gefahren wie er es bis dahin kaum gekannt hatte; selbst die zurückliegenden Monate hatten an diesem Gefühl nichts ändern können, egal wie viele Liebkosungen sie seit der Nacht im Schien des Lagerfeuers schon miteinander ausgetauscht hatten.
Matthew hatte etwas an sich… seine Art ihn voller Wärme und Zuneigung anzublicken, die Zärtlichkeit mit derer er ihn beinahe beiläufig streichelte und die Hingabe, welche er seinem Bären zuteilwerden ließ – schon vor langer Zeit, als das Wort Liebe noch lange nicht laut ausgesprochen zwischen ihnen gestanden hatte, war der Keim dieser Gesten in ihrem Umgang zu spüren gewesen. Es waren die notdürftigen kleinen Suppen die Cassie ihm gereicht hatte, kam er von einer langen Jagd zurück und das Essen ließ noch auf sich warten, oder gar die Einladung sich bei zunehmender Kälte in das Zelt des Jüngeren zu begeben, obwohl er seinen Schutz doch sonst so ungern teilte. Sicher, Matthew mochte ihm anfangs kein guter Freund und Gefährte gewesen sein, doch im Laufe der Zeit?
Der Söldner mochte es selbst nicht gemerkt haben, aber aus vielen Taten und Worten hatte er seine Zuneigung sprechen lassen, vermutlich ganz und gar ohne von ihr zu wissen. Sei es nur die sachte Gänsehaut die sich über den Nacken des Kleineren gelegt hatte, kaum dass man ihm die kalten Öhrchen mit Wärmepaste einrieb.
Auch wenn er ihm selbst heute manchmal noch auf den Keks ging, Clarence liebte diesen Kerl so sehr. Keine der ihm bekannten Sprachen besaß ein Wort um auszudrücken wie grundlegend Matthew seine Welt, sein Denken und seine Zukunftswünsche verändert hatte und gäbe es das doch, Himmel, es würde ja doch nicht vollends beschreiben können was Cassie für ihn war. Geliebter, Ehemann, Freund und Gefährte reichten schon lange nicht mehr aus um begreiflich zu machen wie zugehörig er sich zum Jüngeren fühlte, denn jeder Tag machte ihn aufs Neue begreifen, dass sie schon lange nicht mehr einfach nur zwei Menschen waren, die man durch irgendein Versprechen aneinander gebunden hatte. War Matthew an seiner Seite, fühlte er sich wie eine Einheit, als habe man zwei Hälften endlich nach vielen Jahren wieder zu einem Ganzen zusammen gefügt.
Geliebt wirst du einzig dort, wo du schwach dich zeigen darfst, ohne Stärke zu provozieren. Das hatte Clarence ihnen – sehr bewusst - für ihre Hochzeitszeremonie mitgegeben.
Der Dunkelhaarige ließ ihn sich groß fühlen in Momenten der Schwäche, schenkte ihm Zuversicht in ausweglosen Situationen und gab ihm die Stärke für ein höheres Ziel durchzuhalten, lag er angeschlagen und wehleidig im Krankenbett. Selbst wenn er Cassie eine Last war, fühlte er sich doch in jedem Moment geliebt von diesem Mann und er würde niemals müde werden dem Jüngeren dieses Gefühl mit allem was er besaß zurück zu geben, wenn tragische Umstände den schönen Söldner zeichneten und an sich selbst zweifeln ließen. Clarence begehrte ihn, immer – keine Schramme, keine Narbe und kein intensiv verlebter Vormittag konnten daran etwas ändern.
Unter halb geöffneten Lidern blickte er zu Matthew hervor, betrachtete sich das warme und vertraute Schmunzeln auf den Lippen des Jüngeren und wusste dabei unumstößlich, dass er es selbst dann noch sehen wollte, wenn sich längst tiefe Falten darum gebildet hatten und ergrauter Bart das geliebte Gesicht zierte. Clarence mochte nicht wissen wie schön er aus dem Blickwinkel seines Mannes aussah, aber dafür wusste Matthew auch noch lange nicht, wie wertvoll und kostbar ihm die kleineren und größeren Liebesgeständnisse immer wieder waren. Cassie glücklich zu machen war das einzige was er wirklich wollte – denn aus eigener Erfahrung wusste er nur zu gut wie furchtbar es sein konnte, wenn dem nicht so war. Sie brauchten kein Gold, kein Dach über dem Kopf und keinen Luxus, selbst wenn der kleine Schnösel alles davon sehr zu schätzen wusste. Aber all das hatte keine Bedeutung, wenn er an der Seite seines Bären inmitten all des Prunks kein Glück verspürte.
Ein seichtes Lächeln legte sich beim leisen lachen des Jüngeren über seine Lippen und kaum so geschehen, wurden sie bereits versiegelt ohne das Versprechen des Bären ernsthaft abzuwarten. Hätte man Clarence vor ein oder zwei Jahren gefragt wo er sich in der Zukunft sehen würde, ihm wären alle möglichen Antworten eingefallen, aber keine davon hätte gelautet: An Deck eines Schiffes vor den Ruinen einer Geisterstatt, einen nackten stattlichen Mann an meiner Seite und dessen Zunge in meinem Mund.
Bei Gott, wenn Matthew ihn so behutsam und sanft dazu verlockte seine Lippen für ihn zu öffnen um ihm Einlass zu gewähren, dann fiel ihm nicht nur keine passende Antwort auf diese niemals gestellte Frage ein, sondern nicht mal mehr sein eigener Name. Leise und genussvoll drängte sich ein warmes Brummen die Kehle des Bären empor während seine Zungenspitze sich zärtlich an die des Jüngeren schmiegte, sich dem Geschmack des anderen hingebend – so vertraut und willkommen trotz der eben noch verzehrten Mahlzeit, dass es Claire ganz warm in der Brust wurde.
Der Jäger war wirklich kein Kostverächter wenn es um den Jüngeren ging, das hatte er schon allzu oft bewiesen. Kein Angebot schlug er seinem Partner aus, jeden noch so unterschwelligen Flirt nahm Claire wahr seitdem Cassie ihm seine wahren Gefühle vermittelt hatte und doch erregte den Bären bis heute nichts so sehr wie jener Augenblick, während dem Matthew Cassiel Sky sich derart sinnlich und zahm in seine Nähe begab. Viel zu lange hatte er das störrische kleine Böckchen fangen und bezwingen müssen, dass sich selbst nach all den zurückliegenden Monaten die meist weichen Momente noch immer neu und faszinierend für ihn anfühlten; und noch während sich die starken Hände des Bären sanft über Cassies Flanken legten wusste der Blonde schon jetzt, der tief in ihm neu aufkeimende Hunger würde kein Ende finden, wenn er ihn nicht zeitnah stillte.
Leise raunte Clarence in den Kuss, umschmeichelte die Zunge des Kleineren hingebungsvoll und drängte ihn sanft zurück an die Reling, sich selbst von derselben lösend um sich geschmeidig über den anderen zu bringen. Der Geschmack seines Partners reichte aus um ihn sich fühlen zu lassen, als habe Matthew ihn mit einem Aphrodisiakum versetzt und hätte er tatsächlich bereits gegessen, vielleicht hätte er dem frechen Taugenichts tatsächlich zugetraut, seine Blechschüssel mit irgendetwas versetzt zu haben.
So oder so, die Schuld ließ sich recht einfach auf Cassie schieben und Clarence machte keinen Hehl daraus, worauf sich sein Appetit soeben umgemünzt hatte.
Zart aber bestimmt drängte er mit seinen Schenkeln die nackten Knie des Kleineren ein wenig auseinander, zwischen die er sich begeben hatte, und küsste sich einen warmen Pfad hinüber zu Cassies Ohr, ihm noch immer eine Antwort auf seine Forderung schuldig.
„Ich verspreche dir, Matthew Cassiel,…“, wisperte er leise dem Jüngeren entgegen, während seine Hände langsam tiefer an der warmen Haut seines Geliebten hinab wanderten. Kräftig legten sie sich auf den strammen fremden Oberschenkeln hinab und zogen Cassies süßen Hintern ein Stück weit von der Reling weg, ihn halb ins Liegen bringend und sich selbst näher entgegen. „…dass wir für immer zusammen sein werden. Selbst dann, wenn alle Wünsche längst erfüllt, alle Träume bereits geträumt sind… und wir so alt sind, dass wir mehr von unserer gemeinsamen Zeit vergessen haben, als wir uns noch an sie erinnern. So lange und noch viel länger bleibe ich dein Ehemann und an deiner Seite…“
Es war in einer Welt wie der ihren durchaus einfach so etwas zu behaupten, etwas anderes war es, das auch so zu meinen – doch die Bestimmtheit in Clarence‘ Stimme ließ keinen Raum für Zweifel offen. Wenn er mit jemandem senil werden wollte, dann mit dem Mann der so unbeschreiblich wundervoll vor ihm an der Reling lehnte und der ihn sich durch einen einfachen Kuss selbst heute noch fühlen ließ, als hätten sie sich gerade frisch ineinander verliebt.
„Immer“, versprach er Matthew ein weiteres Mal flüsternd, bevor er sanft das ihm schutzlos dargebotene Ohrläppchen zwischen seine Zähne nahm um es mit der Zungenspitze zu umschmeicheln, wohl wissend wie empfindsam die Öhrchen seines Geliebten doch waren. Cassie mochte denken nach einem Morgen wie diesem vorerst bedient zu sein, aber bei all den Erfahrungen die sie bislang miteinander gesammelt hatten wusste Clarence, dass er den sinnlichen Leib des Jüngeren auf dieser Ebene durchaus besser kannte als der Söldner dies vielleicht selbst tat.
Genussvoll entließ er die Geißel aus seinen Fängen, legte seine Lippen stattdessen zurück auf der weichen Haut seines Partners ab und liebkoste den schlanken Hals des Jüngeren, sich unaufhaltsam den Weg hinab zur fremden Brust bahnend. Matthew war ein unbeschreiblich schöner Mann, einer von der Sorte derer man sich nicht entsagen konnte; viele andere würden davon sicher ein Lied singen können, aber letztlich war es nur Clarence, der heute hier war und dem sich der Jüngere seit Monaten schenkte. Er gehörte ihm alleine, kein anderer weckte Lust und Begierde im definierten, drahtigen Leib seines Mannes und die Spielwiese, die ihm heute im offenen Sonnenlicht präsentiert wurde, bettelte regelrecht darum sie zu benutzen und ans äußerste ihrer Möglichkeiten zu treiben.
Hungrig biss der Bär von Mann in eine der süßen rosigen Knospen, ließ Matthew wohldosiert seine Kraft spüren und entlohnte die empfindliche Stelle durch ein zärtliches Streicheln seiner Zungenspitze, die Brustwarze noch immer zwischen seinen Zahnreihen gefangen.
Cassie war wahrlich zu schön um ihn nicht zu kosten, ihn nicht zu reizen und selbst wenn der Jäger sich die Finger an ihm verbrannte, dann war es den Versuch dennoch wert gewesen – denn diese unstillbare Gier kannte Clarence erst seitdem er seinen Mann liebte und an seiner Seite wusste.

Es war für Matthew nicht abzusehen gewesen, welche Wirkung sein Sinneswandel auf den Größeren hatte.
Dass er sich zu ihm beugte um ihn zu küssen und sich dabei von seiner anschmiegsamen Seite zeigte, war nicht berechnend von Cassiel gewesen, sondern entsprach einfach seinen Gefühlen.
So wechselhaft wie das Wetter konnte er sein, von einem Extrem ins andere umschwenken ohne sich dabei etwas zu denken.
Clarence wusste das, er kannte ihn lange genug um mit den Launen des sonst so vorlauten Burschen vertraut zu sein und er hatte offensichtlich gelernt seine Chancen optimal zu nutzen, wenn der Schnösel sich von seiner handzahmen Seite zeigte, was selten genug vorkam.
Das leise Raunen welches die bärtige Kehle verließ, zeigte dem Jüngeren unmissverständlich auf, wo der Jäger seine Lippen am Liebsten empfing - nämlich auf dem eigenen Mund.
Diese Vorliebe war Cassie bekannt und ein kleines Lächeln umspielte seine Züge, was jedoch kein Grund war den sinnlichen Kuss schon aufzuheben.
Der Größere war ihm so zugewandt und offen, dass Matthew gar nicht anders konnte als sich geliebt und angekommen zu fühlen. Sein Mann schenkte ihm das Gefühl jederzeit einen sicheren Hafen zu besitzen, begehrt zu werden, geliebt für das was er wirklich war und nicht für irgendeinen schönen Schein. Sie vertrauten einander blind und was Matthew betraf, so würde er ohne zu zögern sein eigenes Leben für das des Anderen geben. Und umgekehrt galt sicher das selbe.
Während die Sommersonne von ihrem makellosen Himmel schien und das Deck sowie die Haut der beiden jungen Männer wärmte, erfasste den Dunkelhaarigen ein kleiner wohliger Schauer, als er Clarence‘ Zungenspitze spürte. Ganz sanft umgarnte der Größere ihn damit, neckte Cassie und beschwor ein verliebtes Kribbeln in ihm herauf.
Die Pranken des Hünen hatten sich auf seinen Seiten abgelegt, vermittelten ihm die Gewissheit Clarence zu gehören - und nur ihm allein.
Mit kraftvoller Geschmeidigkeit drängte der Größere ihn ein Stückchen zurück, doch nicht etwa um die Verbindung ihrer Lippen zu lösen, sondern um ihm nachzufolgen und sich auf diese Weise über ihn zu bringen.
Überrascht seufzte der Kleinere in den Kuss, ließ jedoch trotz seiner Verwirrung anstandslos geschehen was der Blonde machte. Selbst als dieser seine Knie etwas auseinander drängte kam von Cassiel kein Widerstand. Folgsam öffnete er seine Schenkel ein Stückchen für seinen Mann und lud ihn schweigend zu sich ein.
Noch immer kribbelte sein Bauch wie der eines Teenagers, der zum ersten Mal von seinem heimlichen Schwarm beachtet wurde und sich ausmalte wie es wohl wäre, an der Seite dieses auserwählten Menschen zu sein.
Dabei war Matthew schon etliche Schritte weiter: sein Schwarm war sein Ehemann, sein engster Verbündeter und bester Freund. Und er beachtete ihn nicht zum ersten Mal. Trotzdem fühlte es sich noch immer aufregend und neu an, wenn der einst distanzierte Berg von einem Mann derart unbefangen die Nähe zu ihm suchte, alte Grundsätze dabei außer Acht lassend.
Der Glauben verbot Clarence eigentlich jeden intimen Umgang mit ihm, aber Gott war nicht wichtig wenn sie beide zusammen waren.
Dann gab es nur sie beide und niemanden sonst.
Früher war das manchmal noch anders gewesen, da hatte Clarence nach dem Sex oft mit sich gehadert, dieses Gefühl hatte Matt zumindest gehabt. Doch seit sie verheiratet waren, war da keine Reue mehr in den Iriden des Älteren nachdem sie miteinander geschlafen hatten, eine Veränderung die Cassiel ebenso Freude machte wie ihre ganze Beziehung.
So wenig wie Matthew dem Größeren den Kuss hatte schuldig bleiben wollen, so wenig gedachte Clarence das erbetene Versprechen unkommentiert zu lassen. Mit weichen Lippen küsste er sich einen Pfad empor zu des Kleineren Ohr, wobei seine Hände auf Wanderschaft gingen.
Schon die ersten geflüsterten Worte machten den Dunkelhaarigen schwach, so als reiche schon allein die markante Stimme seines Mannes aus, um ihn zu Wachs in den warmen Händen werden zu lassen.
Mit einem überraschten „Hey“, kommentierte Cassiel leise seinen ungefragten Positionswechsel, als Clarence ihn nach unten zog und ihn damit fast zu Gänze ins Liegen brachte. Aber es war kein Protest der in der Silbe mitschwang, sondern lediglich Verwunderung und auch ein bisschen Amüsement. Er war überrascht aber auch neugierig darauf was sein schöner Geliebter zutun gedachte, immerhin lag der erschöpfende Morgen erst wenige Stündchen zurück.
Den Kopf gegen die Reling gelehnt, hatte er einen guten Blick auf sich selbst und auf den Größeren, was er ausnutzte um für einen Moment das Spiel der fremden Brustmuskulatur genau zu studieren. Und bei Gott: daran konnte er sich nie satt sehen. Clarence indes schien seinen Heißhunger auf Mittagessen und Rum vergessen zu haben, ein Umstand der immer deutlicher wurde je mehr Raum Cassiel ihm ließ.
Das Versprechen welches er ihm ins Ohr flüsterte war süß und so ungemein wichtig für sie beide. Sie waren verlorene Seelen gewesen, jeder für sich gezeichnet durch Ereignisse die man allein nicht bewältigen konnte.
Die Welt die sie umgab war rau und verzieh weder Schwäche noch Mitleid mit den Schwachen, also waren sie beide hart geworden, zumindest dem Schein nach. Es hatte gereicht um mehr oder minder erfolgreich durchs Leben zu kommen, aber nicht um glücklich zu werden.
Was es bedeutete zu lieben und geliebt zu werden wussten sie nur dank einander und es war das größte Geschenk das sie geben und erhalten konnten.
Räuberisch und unvermittelt spürte der Kleinere jäh die Zähne des Oberen sanft sein Ohrläppchen gefangen nehmen. Er raunte leise und drehte den Kopf etwas um seinem Mann mehr Spielraum zu bieten. Wie sehr er die Zuwendung durch den Blonden genoss war dabei nur allzu offensichtlich. Unschuldig gab er sich den Liebkosungen hin, ohne daran zu glauben das Clarence vielleicht mehr von ihm wollte als innige Küsse.
In dieser Hinsicht war der sonst so clevere Ex-Söldner fast schon auffallend naiv, auf der anderen Seite hatte ihn der zurückliegende Morgen so erschöpft, dass im die Vorstellungskraft fehlte, Clarence könnte schon wieder ernsthaft anderes im Sinn haben.
„Okay...klingt...klingt wunderbar.“, stimmte er dem Versprechen seines Liebsten zu und versuchte nach dessen Lippen zu haschen. Doch diese waren bereits wieder auf Wanderschaft. Clarence küsste sich einen Weg an Matthews Hals nach unten. Jeder Kuss wurde dabei begleitet von dem charakteristischem Geräusch von Lippen auf Haut.
Wo immer Clarence ihn mit dem Mund berührte hinterließ er eine kribbelnde Spur. Die sinnlichen Küsse, das Kratzen des blonden Bartes und die Weichheit des fremden Mundes, das genießende Brummen und die Art wie Clarence sich anfühlte...all diese Komponenten machten, dass sich die Atmung des Jüngeren allmählich beschleunigte.
„Hnnn, Claire...?“, raunte der Jüngere leise verwirrt und leckte sich selbst über die Lippen, kaum da die feuchte Zungenspitze seine Brust erreicht hatte. Das Zentrum von Clarence‘ Aufmerksamkeit zu sein war noch nie etwas schlechtes gewesen - es sei denn man war ein Dämon oder Mutant, doch heute beschritt der Jäger einen Weg für den der Kleinere sich noch nicht wieder bereit fühlte. Unerwartet schmerzhaft ließ Clarence ihn seine Zähne spüren und Matthew sog zischend Luft ein, verspannte sich und richtete sich mit dem Oberkörper kurz ein wenig auf. Doch Widerstand leistete er noch immer nicht, denn kaum den Biss gespürt, entschädigte Clarence‘ warme Zungenspitze auch schon für die Pein. Wohlig seufzte der Jüngere auf und lehnte sich von selbst wieder zurück, eine unmissverständliches Einladung an seinen Liebhaber, er möge sich ruhig Zeit nehmen ihn weiter zu liebkosen.
Wohin die Reise gehen sollte war gerade zweitrangig, Cassie entspannte sich und genoss schlicht und ergreifend den Moment.
Einen Arm hebend, legte er seine Finger am Haaransatz des Blonden ab und fuhr durch die goldenen Strähnen nach hinten.
Er hatte unverschämtes Glück, dessen war er sich absolut bewusst. Wahrscheinlich ging es keinem einzigen Menschen gerade besser als ihm. Wer konnte schon von sich sagen, an Deck des eigenen Bootes zu liegen, den blauen Himmel und die strahlende Sonne über sich, die Wärme des Sommers spürend, während die Wellen leise rauschten und der begehrenswerteste Mann den man sich vorstellen konnte zwischen den Schenkeln?
„Mhhh...das tut gut, Baby.“, gurrte der Jüngere sinnlich und räkelte sich etwas unter der neckischen Zunge die seine Knospe so zärtlich umgarnte.
Längst hatte diese sich unter dem Zutun des Hünen aufgerichtet und erhärtet, etwas das auch für ihren direkten Nachbarn galt der bisher unbeachtet geblieben war.
„Großer Gott, ich liebe dich so sehr, Claire...“ - ließ er den Blonden wissen während er weiter durch sein Haar strich.
„Hmmm, mein Liebling...hast du nicht genug bekommen heute Morgen?“, wollte er süffisant wissen, nicht das diesbezüglich Unklarheiten zwischen ihnen aufkamen. Erneut erfasste ihn ein wohliger Schauer, begleitet von einer sachten Gänsehaut auf seiner Brust und den Armen, als die Zunge seines Geliebten über seine rosige Knospe strich, die noch immer gefangen im warmen Mund und gegeißelt von den Zähnen seines Häschers war.
Oh welches Raubtier er zwischen seine Schenkel gelassen hatte...er begriff es noch immer nicht wirklich. Aber welcher Art der Hunger des Räubers auch sein mochte, Cassie genoss jede Sekunde in der sich der Bär an ihm labte.